Postersession 2024

Biografie/Identität/Kultur

Sannik Ben Dehler (Europa-Universität Flensburg): Diskriminierungserfahrungen in Interviews mit Jugendlichen thematisierbar machen
Keywords: Episodische Interviews, rekonstruktive Sozialforschung, Grounded-Theory-Methodologie

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Annika Klages (Europäische Fernhochschule Hamburg, Euro-FH): Wer studiert an privaten Fernhochschulen? Eine Mixed-Methods-Studie
Keywords: Mixed Methods, biografisch-narrative Interviews, rekonstruktive Sozialforschung

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Laura Pilz Gonzalez, Vanessa Wenig, Christiane Stock & Katherina Heinrichs (Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft): Diskriminierungserfahrungen und psychische Gesundheit Studierender an deutschen Hochschulen – ein kollaborativer Forschungsansatz
Keywords: Kollaborativer Forschungsansatz, halbstrukturierte Interviews, thematische Analyse (Braun & Clarke, 2006)

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Kristin Wedekind (Humboldt Universität zu Berlin): Erleben von Betroffenen in Aufarbeitungsprozessen
Keywords: Problemzentrierte Interviews, Gruppendiskussion, qualitative Inhaltsanalyse, biografische Narrationsanalyse

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Familie

Marie Bernsdorf (Fachhochschule Potsdam und Universität Potsdam), Lalenia Zizek & Caroline Wronski (Fachhochschule Potsdam): Eine objektiv-hermeneutische Untersuchung von „Family Narratives“ am Beispiel der Covid-19-Pandemie
Keywords: Halbstrukturierte Interviews mit Kindern, narrative Gruppeninterviews mit Familien, objektive Hermeneutik

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Marlene Schuster (FH Wiener Neustadt): Geschlechtergerechte Elternzeit? Online geäußerte Kritik und Rechtfertigung von Väterkarenz in Österreich
Keywords: Onlinekommentarspalten, Dokumentenanalyse, Diskursanalyse

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Sonja Wodnek (Universität Wien): Die Sprache der Bilder: Kinderzeichnungen erzählen von Lernentwicklungsgesprächen
Keywords: Agency-Konzept, Kinderzeichnungsanalyse, Partizipation, Triangulation

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Arbeitswelt

Marina Fischer (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Gender in Medicine): „Machtmissbrauch hat ja auch viele Kostüme an“: Erklärmodelle unterschiedlicher Akteur*innengruppen zu machtmissbräuchlichem Verhalten an künstlerischen Hochschulen in Deutschland
Keywords: Semi-strukturierte Interviews, reflexive Thematic Analysis

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Victoria Jankowicz (Universität Leipzig, Erziehungswissenschaftliche Fakultät): Emotionspraktiken von Kita-Arbeiter*innen beim beruflichen Interagieren mit Kindern ethnografisch erforschen? Theoretisch-methodologische Suchbewegungen
Keywords: Ethnografie, Grounded-Theory-Methodologie, rekonstruktive Sozialforschung

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Nojin Malla Mirza (Hochschule Bielefeld & Promotionskolleg NRW): Rekonstruktive Einblicke in Verständnis(se) und Durchführung(en) einer sozialraumorientierten Beratung in der Grundsicherung
Keywords: Einzelfallstudie, theoriegenerierende Expert*inneninterviews und problemzentrierte Interviews, Grounded-Theory-Methodologie

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Tamara Schwinn (Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz): Von Hürden zu Chancen: Eine Mixed-Methods Untersuchung zur Stärkung der Suizidprävention durch Gesundheitsexpert*innen
Keywords: Mixed Methods, Interviews, qualitative Inhaltsanalyse

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Gesundheit

Marc Bubeck, Corinna Klingler, Joschka Haltaufderheide & Robert Ranisch (Universität Potsdam, Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg): Bürger*innenkonferenz „Robotik in der Altenpflege?“: Methodische Herausforderungen und Erkenntnisse
Keywords: Partizipation, Bürger*innenkonferenz, teilnehmende Beobachtung

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Helena Dieterle (Universitätsmedizin Mainz): Rassistische Diskriminierung im Kontext psychischer Gesundheitsversorgung (RaDiGe): Erste Einblicke in die qualitative Inhaltsanalyse
Keywords: Mixed Methods, partizipative Elemente, Interviews, qualitative Inhaltsanalyse

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Kristin Fellbaum (Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitationswissenschaften): Die Gestaltung des Abschieds in der Begleitung von Menschen mit Behinderung – Zur datenbasierten Integrationsstrategie
Keywords: Mixed Methods, leitfadengestützte Interviews, Gruppendiskussionen mit Fotoimpulsen, quantitative Fragebogenerhebung, qualitative Inhaltsanalyse, Metaphernanalyse

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Liubou Rudziak (Pädagogische Hochschule Freiburg, Promotionskolleg Health Equity): Anleitungsgespräche in der Pflege – eine gesprächsanalytische Untersuchung zum multimodalen Anleiten von Patient*innen mit geringen Deutschkenntnissen in Versorgungseinrichtungen
Keywords: Ton- und Videoaufzeichnungen von Anleitungsgesprächen, Interviews, Fragebögen, qualitative Inhaltsanalyse, multimodal erweiterte Gesprächsanalyse

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Vanessa Wenig, Laura Pilz González, Christiane Stock & Katherina Heinrichs (Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft): Ursachen und Wirkungen von Einsamkeit unter Studierenden – ein qualitatives Forschungsvorhaben mittels Interviews mit Betroffenen und Expert*innen
Keywords: Halbstrukturierte Interviews, Thematic Analysis

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Bildung

Mirjam Duvivié (Universität Wien, Zentrum für Lehrer*innenbildung): Participatory Design zum Lernen anhand von digitalen Spielen – Ein Blick auf die Lebensrealitäten von Jugendlichen in Forschungsprojekten im Schulunterricht
Keywords: Partizipatives Design und Forschung in der Schule, Gruppeninterviews und Artefakte erhoben in Workshops, Trans-Positional Cognitive Approach

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Milena Michelle Förster (Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft): Bilden, erziehen oder betreuen wir? Bildung als kindheitspädagogischer Kernbegriff im Kontext der Professionsentwicklung
Keywords: Mixed Methods, leitfadengestützte Interviews, visuelle Raumanalyse, reflexive Grounded Theory, Situationsanalyse

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Anna Friederike Gensler (Universität Münster, Institut für Erziehungswissenschaft): Professionelle Haltung(en) von Lehrer*innen – eine kritische Diskursanalyse
Keywords: Kritische Diskursanalyse von Dokumenten/wissenschaftlichen Texten

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Christine Haupt (Pädagogische Hochschule Kärnten): SchamBildung. Zur Funktion, Regulation und Messung der sozialen Emotion Scham in der Lehrer*innenbildung
Keywords: Mixed Methods, narratives Interview, videografierte Gruppendiskussion, qualitative Inhaltsanalyse, Tiefenhermeneutik, Facial Action Coding System (FACS)

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Annika Koch (Universität Potsdam): Von Einzelfällen auf Organisationen schließen. Anwendung der referenzierenden Interpretation am Beispiel Schule
Keywords: Teilstrukturierte Leitfadeninterviews, dokumentarische Methode

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Kim Eleni Lobner & Moritz Krell (Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, IPN Kiel): Eine qualitativ-inhaltsanalytische Analyse der Modellierkompetenz angehender Biologielehrkräfte – erste Ergebnisse
Keywords: Quasi-experimentelles Design, offene Fragen und Aufgabenstellung, qualitative Inhaltsanalyse

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Nachhaltigkeit

Diana Lindner (Universität Jena; Lehrstuhl für allgemeine und theoretische Soziologie): Wie steuert man die Klimaanpassung der kommunalen Wasserversorgung?  Wissenssoziologische Rekonstruktion eines Landesprogramms
Keywords: Dokumentenanalyse, Expert*inneninterviews, Grounded-Theory-Methodologie, Situationsmapping

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Abstracts

Biografie/Identität/Kultur

Diskriminierungserfahrungen in Interviews mit Jugendlichen thematisierbar machen

Sannik Ben Dehler; Europa-Universität Flensburg

Forschungskontext: Seit 2021 müssen Jugendhilfeangebote Lebenslagen von trans*, nichtbinären und inter* (tin) Jugendlichen qua gesetzlichen Auftrag berücksichtigen und Benachteiligungen abbauen (§ 9 Abs. 3 SGB VIII). Empirische Studien zeigen, dass diese besonders in der Schule benachteiligt werden (Klenk 2023, S.47ff.).

Forschungsfragen: Im Rahmen meiner Promotion untersuche ich, wie Jugendliche Agency im Kontext von Diskriminierungserfahrungen in der Schule herstellen und wie Angebote der Jugendhilfe Benachteiligung abbauen könnten, ansetzend an den Alltagspraktiken der Jugendlichen. Im Zentrum dieses Posters stehen die Fragen, wie Diskriminierungserfahrungen im Rahmen eines Interviews sagbar werden und wie Diskriminierung rekonstruiert werden kann. 

Methodik: Vorgesehen ist, 15 episodische Interviews (Flick 2011) zu führen und diese mit der reflexiven Grounded-Theory-Methodolgie (Breuer, Muckel, Dieris & Allmers 2019) auszuwerten.

Ergebnisse: Aus der Gewaltforschung ist bekannt, dass Interviews genutzt werden, um Zeugenschaft abzulegen (Wyles, O‘Leary & Tsantefski 2022.). Gleichzeitig vermeiden es Jugendliche aus Angst vor sozialer Ausgrenzung, als „Opfer“ von Gewalt wahrgenommen zu werden (Kavemann 2006, S.56). Da Diskriminierung durch alltägliche Normen wirkmächtig wird, die häufig nicht als Benachteiligung wahrgenommen werden (Hark 2021, S.89), wenden die Jugendlichen im Interview häufig eine Strategie der Responsibilisierung an. Sie benennen ihr „So-Sein“ (Interview I, Fanni) als individualisierte Ursache für Ausschließungen, nicht aber gesellschaftliche Bedingungen. Erst im Laufe des Interviews werden Diskriminierungserfahrungen thematisiert und in Verbindung mit gesellschaftlichen Bedingungen gebracht.

Anliegen der Posterpräsentation: Das Poster stellt ein mögliches Vorgehen bei der Datenerhebung vor und zur Diskussion.

Kontakt: sannik.ben.dehler@uni-flensburg.de

Literatur

  • Breuer, Franz; Muckel, Petra; Dieris, Barbara & Allmers, Antje (2019). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer VS.
  • Flick, Uwe (2011). Das Episodische Interview. In Getrud Oelerich & Hans-Uwe Otto (Hrsg.), Empirische Forschung und Soziale Arbeit: Ein Studienbuch (S.273–280). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Hark, Sabine (2021). Gemeinschaft der Ungewählten. Umrisse eines politischen Ethos der Kohabitation. Berlin: Suhrkamp.
  • Kavemann, Barbara (2016). Erinnerbarkeit, Angst, Scham und Schuld als Grenzen der Forschung zu Gewalt. In Cornelia Helfferich, Barbara Kavemann & Heinz Kindler, (Hrsg.) Forschungsmanual Gewalt (S.51-68). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Klenk, Florian (2023). Post-Heteronormativität und Schule. Opladen: Budrich.
  • Wyles, Paul; O‘Leary, Patrick & Tsantefski, Menka (2022). Bearing witness as a process for responding to traumsurvivors: a review. Trauma Violence Abuse, 24(5), 3078–3093.

Wer studiert an privaten Fernhochschulen? Eine Mixed-Methods-Studie

Annika Klages; Europäische Fernhochschule Hamburg (Euro-FH)

Ausgangspunkt: In Deutschland entscheiden sich immer mehr Studierende für ein Studium an einer privaten statt öffentlichen Hochschule; im Fachhochschulsektor ist es bereits mehr als jede*r Vierte (Autor*innengruppe Bildungsberichterstattung 2022). Trotz des Trends zur Privatisierung hochschulischer Bildung ist bislang kaum etwas über Studierende an privaten Hochschulen in Deutschland bekannt.

Forschungskontext: Das vom BMBF geförderte Projekt „Studierende an privaten Hochschulen als blinder Fleck der Hochschulforschung: Typologie(n) von Studierenden an privaten (Fern-)Hochschulen“ (Verbundleitung: Prof. Dr. Antje Buche) wird in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) durchgeführt. Die Teilstudie an der Euro-FH nimmt insbesondere Studierende an privaten Fernhochschulen in den Blick.

Forschungsleitende Fragestellung: Welche lebensgeschichtlichen Ereignisse und Entwicklungen führen in das Studium an einer privaten Fernhochschule?

Methodik: Im ersten Schritt erfolgt eine quantitative Vorstudie (Online-Befragung) von Studierenden an drei Fernhochschulen. Auf Basis der Vorstudie werden Studierendentypen identifiziert, die für die Auswahl des Samples der biografisch-narrativen Interviews (Schütze 2016) herangezogen werden. Die Interviews ermöglichen einen tiefgehenden Einblick in die (Bildungs-)Biografien der Studierenden, insbesondere im Hinblick auf lebensgeschichtliche Übergänge im Kontext sozialer sowie gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (Köttig 2013; Rosenthal 2015).

Anliegen der Posterpräsentation: Die Posterpräsentation dient der Vorstellung und Reflexion der methodischen Zugänge. Im gemeinsamen Austausch soll diskutiert werden, wie quantitative Lebensverlaufsforschung und interpretativ-rekonstruktiv verfahrenden Biografieforschung kombiniert und trianguliert werden können.

Kontakt: annika.klages@euro-fh.de

Literatur

  • Autor*innengruppe Bildungsberichterstattung (2022). Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal. Bielefeld: wbv Publikation.
  • Köttig, Michaela (2013). Biografische Analysen von Übergängen im Lebenslauf. In Wolfgang Schröer, Babara Stauber, Andreas Walther, Lothar Böhnisch & Karl Lenz (Hrsg.), Handbuch Übergänge (S.991–1010). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Rosenthal, Gabriele (2015). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Schütze, Fritz (2016). Biographieforschung und narratives Interview. In Werner Fiedler & Heinz-Hermann Krüger (Hrsg.), Sozialwissenschaftliche Prozessanalyse. Grundlagen der qualitativen Sozialforschung (S.55–74). Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Diskriminierungserfahrungen und psychische Gesundheit Studierender an deutschen Hochschulen – ein kollaborativer Forschungsansatz

Laura Pilz Gonzalez, Vanessa Wenig, Christiane Stock & Katherina Heinrichs; Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft

Ausgangspunkt/Forschungskontext: Diskriminierung beeinträchtigt die Gesundheit und das Wohlbefinden Studierender, besonders jener, die von sozialer Ungleichheit betroffen sind.  So zeigt eine bundesweite Umfrage, dass ca. 26 Prozent der Studierenden direkte Diskriminierung erleben und 46 Prozent Diskriminierung gegenüber anderen beobachten, was negativ auf die Studienzufriedenheit und das Stressniveau wirkt (Meyer 2022). Da sich ein Großteil der Forschung auf quantitative Ansätze konzentriert, sind weitere qualitative Untersuchungen zur intersektionalen Diskriminierung aus der Perspektive der direkt Betroffenen unerlässlich. Denn entscheidend ist, dass Menschen nicht aufgrund eines einzigen Merkmals diskriminiert werden, sondern aufgrund der Auswirkungen mehrerer sozialer Merkmale, die ihre Identität und ihre Lebenserfahrungen prägen (Crenshaw 1996). Es ist daher wichtig, die Lebenswelten der Betroffenen zu erforschen und ihre Erfahrungen zu untersuchen.

Forschungsfrage(n) und Methodik: Um ein umfassendes Bild zu gewinnen, werden die Diskriminierungserfahrungen Studierender aus einer intersektionalen Perspektive sowie ihr Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit untersucht. Die Forschungsfragen lauten:  

  1. Inwieweit erleben Studierende (mehrdimensionale) Diskriminierung im deutschen Hochschulkontext?
  2. Welche Auswirkungen haben (mehrdimensionale) Diskriminierungserfahrungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden Studierender?

Zusätzlich sollen durch einen kollaborativen Ansatz (Short & Healy 2016) praktische Empfehlungen für einen diversitätsinklusiven und anti-diskriminierende akademischen Kontext entwickelt werden. Daher werden auch Interviews mit Gleichstellungsbeauftragten, Studierendenvertreter*innen, Studierenden, die selbst von Diskriminierung betroffen sind, aber in Antidiskriminierungsinitiativen aktiv sind, und Studierendenberatenden durchgeführt, um folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie können Hochschulen im deutschen Kontext Diskriminierung intersektional und präventiv angehen?
  • (Inwiefern kann dies auch zur Förderung der [psychischen] Gesundheit auf institutioneller Ebene beitragen?)

Methode: Der Datenerhebung dienen halbstrukturierte Interviewleitfäden mit offenen Fragen, die gemäß dem Prinzip des SPSS (Sammeln, Sortieren, Prüfen, Subsumieren) nach Helfferich (2011) für jedes Forschungsziel entwickelt wurden. Dabei sollen 15 bis 20 Interviews pro Zielgruppe durchgeführt werden, um eine breite und tiefgehende Datenbasis zu gewährleisten. Die Datenauswertung soll in Orientierung an der reflexiven thematischen Analyse (Braun & Clarke 2006) erfolgen. Die praktischen Empfehlungen, die aus dieser Analyse hervorgehen, sollen im Sinne eines kollaborativen Ansatzes mit den beteiligten Teilnehmenden reflektiert und weiterentwickelt werden (Short & Healy 2016).

Anliegen der Posterpräsentation: Diese qualitative Studie, deren Start für den Spätherbst vorgesehen ist, verfolgt einen kollaborativen Forschungsansatz, bei dem sowohl Expert*innen als auch Betroffene praktische Empfehlungen geben. Diese Methodik bezieht die Teilnehmenden als Mitwirkende in den Forschungsprozess ein und generiert neues Wissen durch die Analyse eines umfassenden Verständnisses der Menschen und ihrer Erfahrungen. Dieser Ansatz soll in der Posterpräsentation näher diskutiert werden.

Kontakt: laura.pilz-gonzalez@charite.de

Literatur

  • Braun, Virginia & Clarke,Victoria (2006). Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research in Psychology, 3(2), 77–101.
  • Crenshaw, Kimberlé (1996). Critical race theory: the key writings that formed the movement. New Press.
  • Helfferich, Cornelia (2011). Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews (4. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Meyer, Jasmin; Strauß, Susanne & Hinz, Thomas (2022). The student survey in Germany: Focus analyses on experiences of discrimination at universities (DZHW Brief, Issue. DZHW).
  • Short, Monica & Healy, John Paul (2016). Writing ‘with’not ‘about’: Examples in co-operative inquiry. In Susan Gair & Ariella van Luyn (Hrsg.), Sharing Qualitative Research (pp. 204–219). Routledge.

Erleben von Betroffenen in Aufarbeitungsprozessen

Kristin Wedekind; Humboldt Universität zu Berlin

Forschungskontext: Betroffene erlebten und erleben (sexualisierte) Gewalt im Rahmen der Kirche als Institution. Seit 2018 gibt es Bemühungen um Aufarbeitung der Vergangenheit. Die Aufarbeitungsprozesse der katholischen Kirche in Deutschland unterliegen den Empfehlungen für Aufarbeitungsprozesse in Institutionen, die die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs herausgegeben hat (UKASK 2020). Trotz der Verletzungen, die Betroffene in dieser Institution erlebt haben, erklären sich einige bereit, sich in die Aufarbeitungsprozesse der (Erz-)Bistümer in Deutschland einzubringen.

Forschungsfrage: Da es bislang keine Untersuchungen darüber gibt, wie Betroffene ihr Engagement in den Aufarbeitungskommissionen erleben und welches Rollenverständnis ihrem Engagement zugrunde liegt, soll dies im Rahmen meiner Studie bearbeitet werden.

Methodik: Eine Literaturrecherche dient als Einstieg und beinhaltet die systematische Sammlung und Analyse von wissenschaftlichen Dokumenten, die sich mit den Erfahrungen der Betroffenen von sexualisierter Gewalt und der Beiratsarbeit in den Aufarbeitungskommissionen befassen. Für die Gespräche mit Mitgliedern der Betroffenenbeiräte wird das problemzentrierte Interview (Witzel & Reiter 2022) eingesetzt. Abschließend werden die Ergebnisse im Rahmen einer themenzentrierten Gruppendiskussion (Kühn & Koschel 2018) mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundeskonferenz der Betroffenenbeiräte überprüft.

Das Datenmaterial der Literaturrecherche wird Mittels der Dokumentenanalyse (Mayring 2022) ausgewertet. Die Interviews und die Gruppendiskussion mit der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2022). Die Interviews werden zudem durch einen fallkontextualisierten Zwischenschritt präzisiert (Mayring & Gahleitner 2010) und Einzelfalldarstellungen erarbeitet. Die Erkenntnisse werden mit den erarbeiteten Kategorien in einem hermeneutischen Prozess in einer Arbeitsgruppe als biografische Narrationen mikro- und makroanalytisch interpretiert.

Anliegen der Posterpräsentation: Vorstellung der Arbeit und mögliche Theorien diskutieren.

Kontakt: info@kristin-wedekind.de / www.kristin-wedekind.de

Literatur

  • Kühn, Thomas & Koschel, Kay-Volker (2018). Gruppendiskussionen (2. Auflage) Wiesbaden: Springer VS.
  • Mayring, Philipp (2022). Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken (13., überarbeitete Aufllage): Weinheim. Beltz.
  • Mayring, Philipp & Gahleitner, Silke Birgitta (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. In Karin Bock & Ingrid Miethe (Hrsg.), Handbuch qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit (S.295–304). Opladen: Budrich.
  • Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (UKASK) (2020). Rechte und Pflichten: Aufarbeitungsprozesse in Institutionen- Empfehlungen zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. https://www.aufarbeitungskommission.de/mediathek/rechte-und-pflichten-aufarbeitungsprozesse-in-institutionen/ [26.06.2024].
  • Witzel, Andreas & Reiter, Herwig (2022). Das problemzentrierte Interview – eine praxisorientierte Einführung. Weinheim: Beltz Juventa.

Familie

Eine objektiv-hermeneutische Untersuchung von „Family Narratives“ am Beispiel der Covid-19-Pandemie

Marie Bernsdorf (Fachhochschule Potsdam und Universität Potsdam), Lalenia Zizek & Caroline Wronski (Fachhochschule Potsdam)

Forschungskontext/Ausgangspunkt: In der Interaktion mit Kindern haben alltägliche sprachliche Handlungen der Familie („Family Narratives“) einen maßgeblichen Einfluss auf ihre autobiografischen Erinnerungen (Fivush 2019). Wie Kinder ihre Vergangenheit wahrnehmen und erzählen, wirkt sich daher auf ihre weitere Entwicklung aus (Fivush 2013; Reese 2008). Mögliche psychologische Folgen von Pandemien, Klima- und Kriegsangst spielen in der heutigen Zeit eine große Rolle, dabei kann das Erleben solcher Krisen die kindliche Entwicklung ebenfalls maßgeblich beeinflussen. (Peter & van Bronswijk 2021)

Forschungsfrage: Mit Bezug auf die Covid-19-Pandemie stellen sich hinsichtlich der kindlichen Entwicklung und deren Beeinflussung durch „Family Narratives“ in Krisen neue Fragen. Die Hauptfrage lautet dabei: Welche Erzählungen bilden Kinder und ihre Bezugspersonen in Krisen?

Methodik: In der vorliegenden Studie wurden vier Eltern-Kind-Gespräche über die mit Covid-19 verbundenen Erinnerungen der Kinder geführt und analysiert, um herauszuarbeiten, wie das konzeptionelle Verständnis der Pandemie bei Kindern mit der Eltern-Kind-Interaktion zusammenhängt. Die Interviews wurden als halbstrukturiertes, narratives Gruppeninterview (Küsters 2009; Loos & Schäffer 2001) im Mai 2023 bei den Familien zuhause durchgeführt. So soll eine flexible und kindgerechte Durchführung der Interviews gewährleistet werden. Der Umfang der Interviews beschränkt sich auf 20-35 Minuten. Diese Gespräche wurden im Anschluss mittels objektiver Hermeneutik nach Oevermann (1979) ausgewertet.

Ergebnisse: Anhand der Interviews lässt sich zeigen, dass Kinder die Corona-Pandemie erinnern können, allerdings nicht in Form eines klaren Gesamtbildes einer Krise, sondern eher als sogenannte Mini-Krisen. Das heißt, die Kinder nehmen einzelne Situationen als Krisen wahr und es wird nicht zwischen unterschiedlichen, auch nicht-pandemiebedingten, Krisenthemen unterschieden. Deutlich wird, dass die Stärke und Präzision der Erinnerungen der Kinder eng mit dem kohärenten Erzählen der Eltern verknüpft ist. Dabei ist besonders wichtig, ob und wie während der Pandemie über die aktuelle Situation kommuniziert wurde. Das Projekt liefert Erkenntnisse über die kindliche Entwicklung, autobiografische Narrative und Wahrnehmungen im familiären Umfeld in Bezug auf Krisen sowie methodische Erkenntnisse über die qualitative Perspektiverfassung von jungen Kindern.

Anliegen der Posterpräsentation: Methoden und Auswertungsverfahrensdiskussion für weitere forschungspraktische Auseinandersetzungen und erweiterte Erschließung der Altersgruppe Vorschulkinder in der qualitativen Sozialforschung im Rahmen eines Dissertationsprojektes.

Kontakt: marie.bernsdorf@fh-potsdam.de

Literatur

  • Fivush, Robyn (Hrsg.) (2013). Autobiographical memory and the construction of a narrative self: Developmental and cultural perspectives. New York: Psychology Press.
  • Fivush, Robyn (2019). Family narratives and the development of an autobiographical self: Social and cultural perspectives on autobiographical memory. New York: Routledge.
  • Küsters, Ivonne (2009). Narrative Interviews – Grundlagen und Anwendungen (2. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Loos, Peter & Schäffer, Burkhard (2001). Das Gruppendiskussionsverfahren: Theoretische Grundlagen und empirische Anwendung. Opladen: Leske + Budrich.
  • Oevermann, Ulrich (1979). Sozialisationstheorie. In Günther Lüschen (Hrsg.), Deutsche Soziologie seit 1945 (S.143–168). Wiesbaden: VS Verlag
  • Peter, Felix & van Bronswijk, Katharina (2021). Die Klimakrise als Krise der psychischen Gesundheit für Kinder und Jugendliche. Pädiatrische Allergologie 03, Umweltmedizin, 59–64, https://www.researchgate.net/publication/351054657_Die_Klimakrise_als_Krise_der_psychischen_Gesundheit_fur_Kinder_und_Jugendliche.
  • Reese, Elaine (2008). Maternal coherence in the Adult Attachment Interview is linked to maternal reminiscing and to children’s self concept. Attachment & Human Development, 10(4), 451–464.

Geschlechtergerechte Elternzeit? Online geäußerte Kritik und Rechtfertigung von Väterkarenz in Österreich

Marlene Schuster; FH Wiener Neustadt

Forschungskontext und Ausgangspunkt: In Österreich sind Väter, die Elternzeit („Elternkarenz“) in Anspruch nehmen, „Raritäten“ (Hammerl 2022). Ich diskutiere in meiner Dissertation (Universität Luzern) die ungleiche Geschlechterverteilung bei der Inanspruchnahme von Elternkarenz (u.a. Bergmann & Sorger 2018; Doucet & McKay 2020).

Forschungsfragen: Insbesondere soll beantwortet werden, wie die Elternzeit für Väter von Poster*innen in Onlinekommentarspalten verhandelt wird und dabei spezifischer gefragt werden, wie die Poster*innen ihr eigenes Handeln verstehen und rechtfertigen.

Methodik: Es soll herausgearbeitet werden, nach welchen Logiken im Onlineumfeld Beteiligungspraktiken situativ legitimiert oder kritisiert werden. Onlinekommentare geben Auskunft darüber, wie über Themen aktuell gesprochen wird, wie Wahrnehmungen gesellschaftlich konstruiert werden und können somit auch aussagekräftig hinsichtlich vorherrschender Konventionen sein. Die theoretische Basis meiner Arbeit bildet die Konventionentheorie (Boltanski & Thévenot 2014), die gleichzeitig auch als Methodologie zur Untersuchung von Koordinationssituationen und Rechtfertigungsordnungen dient.

Theorie und Diskussion: Nach der Konventionentheorie werden Konventionen als normative und empirische Wertigkeitsordnungen angesehen (Diaz-Bone 2018). In der Auswertung wird die konventionstheoretische Perspektive mit einem diskursanalytischen Verfahren verknüpft, wobei relevante Konventionen als sprachlich repräsentierte Diskurslogiken untersucht werden (Foucault 2020). Die Ergebnisse sollen auch auf andere Bereiche, wo Geschlechterverhältnisse auf die soziale Ordnung einwirken, übertragbar sein.

Anliegen der Posterpräsentation: Das Exposé meiner Dissertation vorzustellen sowie Anregungen zu Theorie und Methode zu bekommen.

Kontakt: marlene.schuster@fhwn.ac.at

Literatur

  • Bergmann, Nadja & Sorger, Claudia (2018). Väterbeteiligung auf Betriebs- und Branchenebene. In Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (Hrsg.), EU-Projekt: Männer und Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Wege zur gerechten Verteilung von Karenz-, Betreuungs- und Arbeitszeiten (S.25–37). Wien.
  • Boltanski, Luc & Thévenot, Laurent (2014). Über die Rechtfertigung: Eine Soziologie der kritischen Urteilskraft. Hamburg: Hamburger Edition HIS.
  • Diaz-Bone, Rainer (2018). Die Economie des Conventions: Grundlagen und Entwicklungen der Neuen Französischen Wirtschaftssoziologie (2. Auflage). Wiesbaden: Springer.
  • Doucet, Andrea & McKay, Lindsey (2020). Fathering, parental leave, impacts, and gender equality: what/how are we measuring?. International Journal of Sociology and Social Policy, 40(5/6), 441–63, https://doi.org/10.1108/IJSSP-04-2019-0086.
  • Foucault, Michel (2020). Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften (26. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Hammerl, Michael (2022). Karenzmuffel: Liebe Väter, wollt oder könnt ihr nicht?. Kurier, 13. Februar 2022. https://kurier.at/politik/inland/karenzmuffel-liebe-vaeter-wollt-oder-koennt-ihr-nicht/401903839 [01.06.2024].

Die Sprache der Bilder: Kinderzeichnungen erzählen von Lernentwicklungsgesprächen

Sonja Wodnek; Universität Wien

Ausgangspunkt: Das Forschungsprojekt verortet sich in der Tradition der Forschungsrichtung des Agency-Konzepts, das Kinder als eigene Gruppe mit eigenen Interessen und Bedarfen ansieht. Der gegenwärtige Moment des Kindseins steht anstelle der Finalisierung als zukünftiges Gesellschaftsmitglied (Betz & Eßer) im Vordergrund. Die von Mitra (2018, S.474) konstatierte Forschungslücke, „students themselves are often neglected sources of useful data“  soll mittels empirischer Daten der Kinderzeichnungen ein Stück weit geschlossen werden.

Forschungskontext und Forschungsfragen: Die Methodik der Kinderzeichnungsanalyse angelehnt an Panofsky (Panofsky 2006) sowie erste Analyseergebnisse werden thematisiert. Ziel ist es, die Perspektive der Kinder bezogen auf die institutionelle Gesprächsform zu rekonstruieren. Lernende haben am Tag vor dem Zeichnen an den Lernentwicklungsgesprächen teilgenommen. Folgende Forschungsfragen sollen beantwortbar werden: Wie wird das Lernentwicklungsgespräch aus der Sicht des Kindes wahrgenommen? Welche Stufen zwischen Partizipation und Nicht-Partizipation werden vom Kind gezeichnet?

Methodik: Das ethnomethodologische Forschungsprojekt trianguliert verschieden Erhebungs- und Auswertungsmethoden. Der hier diskutierte vertiefende Einblick auf Kindersicht mittels thematischer Erzählbilder (Gläser 2014) ausgewertet durch (re-) konstruktive Kinderzeichnungsanalyse angelehnt an Panofsky (Panofsky 2006) soll Deutungen ermöglichen, um Kindersicht hinsichtlich Partizipation (Gerhartz-Reiter & Reisenauer 2020) zu beschreiben. In einem weiteren Folgeschritt sollen diese Ergebnisse helfen, in den genuinen Audi-Aufzeichnungen der Lernentwicklungsgespräche Schlüsselstellen der Partizipation und Nicht-Partizipation der Kinder zu finden. Dies wird im Anschluss mittels Konversationsanalyse (Birkner 2020) ausgewertet. Ziel ist es auf diese Weise die Herausforderung methodisch zu überwinden, Kindersicht als Erwachsener stückweise zu deuten.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen vom Kind gezeichnete Ambivalenzen bezogen auf Symmetrien und Asymmetrien. Zudem werden Rollenkonstellationen und Machtverhältnisse abgebildet, die sich in Fremd-, Mit- oder Selbstbestimmung verorten lassen. Bildhaft dargestellte Resonanzachsen (Rosa 2018) zwischen Vertretenden der Schule, der Familie sowie gezeichneten Gegenständen werden ebenso sichtbar wie vom Kind dargestellte Sprech-Aktivitäten (Häbig 2018) und gezeichnete Gesprächsräume (Rosa & Endres 2016; Schulz von Thun 2005).

Anliegen der Posterpräsentation: Die Posterpräsentation dient der Reflexion des methodischen Zugangs der Kinderzeichnungsanalyse sowie erster Analyseergebnisse. Zur Diskussion steht die Triangulation der Schritte der Zeichnungsanalyse mit der Konversationsanalyse sowie die Einarbeitung der deskriptiven Ergebnisse in Theorien der Partizipation im Kontext Schule. Zudem wird die Herausforderung diskutiert, als Erwachsener mit „Kinderaugen sehen zu lernen“.

Kontakt: sonja.wodnek@kphvie.ac.at

Literatur

  • Betz, Tanja & Eßner, Florian (2016). Kinder als Akteure – forschungsbezogene Implikationen des erfolgreichen Agency-Konzepts. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 11(3), 301–314. https://doi.org/10.3224/diskurs.v11i3.4.
  • Birkner, Karin; Auer, Peter; Bauer, Angelika & Kotthoff, Helga (2020). Einführung in die Konversationsanalyse. Berlin: De Gruyter.
  • Gläser, Eva (2014). Kinderzeichnungen in Forschung und Unterricht – Möglichkeiten und Grenzen ihrer Interpretation. In Hans-Joachim Fischer, Hartmut Giest & Manfred Peschel (Hrsg.), Lernsituationen und kompetenzorientierte Aufgabenkultur im Sachunterricht (S.107–114). Bad Heilbrunn.
  • Häbig, Julia (2018). Lernentwicklungsgespräche aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern. Wiesbaden: Springer.
  • Reiter, Gerhartz & Reisenauer, Sabine Cathrin (2010). Partizipation und Schule. Wiesbaden: Springer.
  • Mitra, Dana (2018). Student voice in secondary schools: the possibly for deeper change. JEA, 56 (5), 473–487.
  • Panofsky, Erwin (2006). Ikonographie und Ikonologie: Bildinterpretation nach dem Dreistufenmodell. Köln: DuMont, https://ubdata.univie.ac.at/AC05195235.
  • Rosa, Hartmut (2018). Resonanz: eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp.
  • Rosa, Hartmut & Endres, Wolfgang (2016). Resonanzpädagogik: wenn es im Klassenzimmer knistert. Weinheim: Beltz.
  • Schulz von Thun, Friedrich (2010). Miteinander reden. 1, Störungen und Klärungen : allgemeine Psychologie der Kommunikation (48. Auflage). Reinbeck: Rowohlt.

Arbeitswelt

„Machtmissbrauch hat ja auch viele Kostüme an“: Erklärmodelle unterschiedlicher Akteur*innengruppen zu machtmissbräuchlichem Verhalten an künstlerischen Hochschulen in Deutschland

Marina Fischer; Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Gender in Medicine

Forschungskontext: Durch aktive Debatten innerhalb und außerhalb der Kulturbranche ist das Interesse an der Auseinandersetzung mit machtmissbräuchlichen und exkludierenden Strukturen und Verhaltensweisen in diesem Feld in den letzten Jahren gewachsen (z.B. #metoo, #ActOut). Es gibt zunehmende Forderungen nach strukturellem Aufbruch der branchenspezifischen Machtverhältnisse. Selten liegt bislang der Fokus auf frühen Phasen künstlerischer Biografien, obwohl insbesondere im Ausbildungskontext maßgebliche Weichen für Netzwerke und Projekte gelegt werden (Wickstöm 2023) und professionelle Nähe-Distanz-Aushandlungen erfolgen (Kirschning 2023). Künstlerische Hochschulen haben zugleich das Potenzial progressive Räume zu sein, wie auch gesellschaftliche Mechanismen von Exklusion zu (re-)produzieren (Prokop & Reitsamer 2023).

Ausgangspunkt: Wirksame Interventionen gegen alle Formen von Gewalt und machtmissbräuchlichem Verhalten erfordern ein systemisches Verständnis der betreffenden Institutionen (McMahon, Wood & Cusano 2019). Die komplexen Machtstrukturen (künstlerischer) Hochschulen bergen das Potenzial für Machtmissbrauch und gewaltvolles Verhalten (Bull 2021; Pantelmann & Wälty 2022). Es gibt zugleich derzeit keine gemeinsame Definition des Konzepts Machtmissbrauch im deutschen (künstlerischen) Hochschulkontext, was ein einheitliches Verständnis professionellen Verhaltens in solchen Institutionen und das Sprechen über Grenzen und deren Überschreitung erschwert.

Forschungsfragen: Die vorliegende Untersuchung beleuchtet die Frage, wie die Entstehungsbedingungen für Machtmissbrauch an Kunst- und Musikhochschulen aus Sicht verschiedener Akteur*innengruppen formuliert werden und wo Machtmissbrauch konkret verortet wird. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Erklärmodellen der Perspektivgruppen identifiziert. Die Analyse stützt sich auf Weicks (2005) Konzept des organizational sensemaking sowie auf das ökologische Modell von Bronfenbrenner (1977). Dieser Theorierahmen gemeinsamer Sinngebung in Organisationen und der Betrachtung von Institutionen als vielschichtige Systeme steht im Einklang mit der Multiperspektivität der Teilnehmenden.

Methodik: Die Analyse basiert auf 16 halbstrukturierten Interviews (Adams 2010) mit Studierenden, Lehrenden, Gleichstellungsbeauftragten sowie in der Praxis tätigen Künstler*innen. Methodologisch ist sie in der Reflexive Thematic Analysis (Braun & Clarke 2019, 2021) verortet.

Ergebnisse: Folgende vorläufige Themes/Kategorien konnten aus den Daten generiert werden:

  1. Zentrale und zugleich ambivalente Rolle Lehrender (Mikrolevel)
  2. Machtmissbrauch „by institutional design“ (Mesolevel) und
  3. Professionelle Narrative als sich selbsterfüllende Prophezeiungen für machtmissbräuchliche Praktiken (Makrolevel)

Obwohl diese Themen relevant in allen Perspektivgruppen waren, weisen die Ergebnisse auch auf unterschiedliche Muster der Bedeutungsgebung zwischen den vier Gruppen hin. Diese divergierenden Muster werden vorgestellt und diskutiert.

Diskussion: Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Entwicklung multiperspektivischer und ganzheitlicher Herangehensweisen an Prävention von Machtmissbrauch für das „Ökosystem“ künstlerische Hochschulen. Implikationen für die Entwicklung von sektorspezifischen Interventionen und maßgeschneiderten Lösungen für verschiedene Zielgruppen im Bereich der kreativen Hochschulbildung in Deutschland werden diskutiert.

Anliegen der Posterpräsentation: Die vorläufigen Ergebnisse und Kategorienstruktur der Reflexive Thematic Analysis sollen diskutiert und vertiefend miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei möchte ich einen Eindruck gewinnen, ob meine analytische Argumentation „funktioniert“. Außerdem will ich die Möglichkeit nutzen, mich mit anderen Forschenden dieser Methodologie zu vernetzen und das gemeinsame methodologische Interesse zu vertiefen.

Kontakt: marina.fischer@wzb.eu / https://wzb.eu/de/personen/marina-fischer

Literatur

  • Adams, Eike (2010). The joys and challenges of semi-structured interviewing. Community Practitioner, 83(7), 18–21.
  • Braun, Virginia, & Clarke, Victoria (2019). Reflecting on reflexive thematic analysis. Qualitative Research in Sport, Exercise and Health, 11(4), 589–597.
  • Braun, Virginia, & Clarke, Victoria (2021). Thematic analysis: A practical guide. London: Sage.
  • Bronfenbrenner, Urie (1977). Towards an experimental ecology of human development. American Psychologist, 37(2), 513–531.
  • Bull, Anna (2021). Power relations and hierarchies in higher music education institutions. Research Report, https://eprints.whiterose.ac.uk/178369/.
  • Kirschning, Antje (2023). Kunst braucht Nähe. Nähe braucht Regeln. Vom professionellen Umgang mit Grenzen in der musikalischen Ausbildung an Musikhochschulen. In Heike Pantelmann & Sabine Blackmore (Hrsg.), Sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext (S.83–94). Wiesbaden: Springer.
  • Pantelmann, Heike & Wälty, Tanja (2022). The hidden problem: Sexual harassment and violence in German higher education. In Clemens Striebing, Jörg Müller & Martina Schraudner (Hrsg.), Diversity and discrimination in research organizations (S.209–234). Leeds: Emerald Publishing Limited.
  • Weick, Karl Edward ; Sutcliffe, Kathleen & Obstfeld, David (2005). Organizing and the process of sensemaking. Organization Science, 16(4), 409–421.
  • Wickström, David‑Emil (2023). Inside looking in: Strategies to counteract misconduct in artistic teaching within higher music education. In Christina Scharff, Anna Bull & Laudan Nooshin (Hrsg.), Voices for change in the classical music profession: New ideas for tackling inequalities and exclusions (S.54–65). Oxford: Oxford University Press.

Emotionspraktiken von Kita-Arbeiter*innen beim beruflichen Interagieren mit Kindern ethnografisch erforschen? Theoretisch-methodologische Suchbewegungen

Victoria Jankowicz; Universität Leipzig, Erziehungswissenschaftliche Fakultät

Forschungskontext/Ausgangspunkt: Im Fokus des Projekts stehen Emotionspraktiken frühpädagogischer Fachkräfte in berufsalltäglichen Interaktionen mit Kindern. Damit soll eine bisher wenig beachtete Dimension von Kita-Arbeit beleuchtet werden. Die Studie ist im Umfeld kindheitspädagogischer Professionsforschung verortet und steht in der Tradition von Kita-Ethnografien (Jung 2009; Kuhn 2013) sowie ethnografischer Affektforschung (Rau 2020; O’Connor, 2022).

Forschungsfragen: Wie machen frühpädagogische Fachkräfte Kita-Arbeit mit Emotionen? Mit welchen emotionsbezogenen Anforderungen sind Kita-Arbeiter*innen in beruflichen Interaktionssituationen mit Kindern konfrontiert?

Methodik: Die ethnografische Studie (Breidenstein, Hirschauer, Kalthoff & Nieswand 2012) ist an Vorschlägen der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) orientiert (Strauss & Corbin 1996). Das zirkuläre Design setzt auf Feldforschung in Kitas. Beobachtungsprotokolle werden offen kodiert. Für Feinanalysen kommen von hermeneutischen Verfahren inspirierte Heuristiken zum Einsatz (Breidenstein et al. 2012). Im Modus komparativer Analysen werden Memos angefertigt und schrittweise verdichtet. Dabei inspirieren die Ansätze axialen und selektiven Kodierens der GTM.

Theoretische Sensibilisierung: Auf praxistheoretischer Basis (Hillebrandt 2014) wird mit der „affective practice theory“ (Wetherell 2012) gearbeitet. Emotionen werden als „embodied meaning making“ gefasst und angenommen, dass Praktiken der Kita-Arbeit mit Emotionspraktiken verknüpft sind, die auf „interpretative Repertoires“ zurückgreifen. Reckwitz‘ (2016) Ausführungen zu Affizierungen lassen danach fragen, wer oder was im Kontext von Praktiken (der Kita-Arbeit) wovon wie affiziert ist.

Anliegen der Posterpräsentation: Das Poster adressiert theoretisch-methodologische Fragen: Welche Konzepte eignen sich, um die interaktive Praxis von Kita-Arbeiter*innen und Kindern theoretisch zu rahmen? Wie können unterschiedliche relevante Konzepte – Praktiken, Interaktion, Körper, Emotion, Wissen, Arbeit, Organisation, Profession – sinnvoll relationiert werden? Inwiefern eignen sich die Analyse-Vorschläge der GTM, um implizite Dimensionen – inkorporiertes Wissen, interpretative Repertoires, implizite Logiken – herauszuarbeiten?

Kontakt: victoria.jankowicz@uni-leipzig.de

Literatur

  • Breidenstein, Georg; Hirschauer, Stefan; Kalthoff, Herbert & Nieswand, Boris (2020). Ethnografie: Die Praxis der Feldforschung. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH.
  • Charmaz, Kathy (2014). Constructing grounded theory. London: Sage.
  • Hillebrandt, Frank (2014). Soziologische Praxistheorien: Eine Einführung. Wiesbaden: Springer VS.
  • Jung, Petra (2009). Kindertageseinrichtungen zwischen pädagogischer Ordnung und den Ordnungen der Kinder: Eine ethnografische Studie zur pädagogischen Reorganisation der Kindheit. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Kuhn, Melanie (2013). Professionalität im Kindergarten: Eine ethnographische Studie zur Elementarpädagogik in der Migrationsgesellschaft. Wiesbaden: Springer VS.
  • O’Connor, Louise (2022). Agile emotion practices: Findings from an ethnographic study of children and families social work. The British Journal of Social Work, 52(7), 4149–4170.
  • Reckwitz, Andreas (2016). Praktiken und ihre Affekte. In Hilmar Schäfer (Hrsg.), Praxistheorie (S.163–180). Bielefeld: transcript.
  • Rau, Asta (2020). Dealing with feeling: Emotion, affect, and the qualitative research encounter.Qualitative Sociology Review, 16(1), 94–108.
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.
  • Wetherell, Margaret (2012). Affect and emotion: A new social science understanding. London: Sage.

Rekonstruktive Einblicke in Verständnis(se) und Durchführung(en) einer sozialraumorientierten Beratung in der Grundsicherung

Nojin Malla Mirza; Hochschule Bielefeld & Promotionskolleg NRW

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Im Rahmen des zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) wurde durch die Einführung des Bürgergelds die sozialraumorientierte Beratung als optionale Leistung in §14, Abs.3 festgeschrieben: „Die Beratung kann aufsuchend und sozialraumorientiert erfolgen“. Diese legislative Verankerung ermöglicht neue Facetten der Beratungsdurchführung im Rahmen der Grundsicherungsleistung. Zusätzlich befürworten Empfehlungen von Fachgremien, insbesondere des Deutschen Vereins (2022), eine sozialraumorientierte Beratungs- und Angebotsstruktur in den Jobcentern und plädieren für deren Ausweitung. Als mögliche Reaktion darauf macht sich in der Beratungspraxis ein deutlicher Anstieg sozialraumorientierter Projekte in den Jobcentern bemerkbar; als ein Beispiel etwa das Jobcenter Münster (2021). Gleichzeitig gewinnt das Thema Sozialraumorientierung in der Beratungstätigkeit der Jobcenter in der wissenschaftlichen Diskussion zunehmend an Bedeutung (z.B. Molle 2023; Göckler & Rübner 2024).

Forschungsfrage(n): In der Dissertation wird die Frage verfolgt, wie sich sozialraumorientierte Beratung der Jobcenter in der praktischen Umsetzung gestaltet und hierbei zwei Aspekte fokussiert: 1) Welche Erfahrungen machen Beratungsfachkräfte in Jobcentern mit sozialraumorientierter Beratung? 2) Welche Erfahrungen machen Führungskräfte in Jobcentern mit sozialraumorientierter Beratung?

Methodik: In der geplanten Untersuchung zur sozialraumorientierten Beratung in Jobcentern kommen verschiedene Datenerhebungsmethoden zum Einsatz. Dabei werden problemzentrierte Interviews (Witzel 2000) mit Beratungsfachkräften durchgeführt, um tiefgreifende Einblicke in deren Erfahrungen mit sozialraumorientierten Beratungsansätzen sowie deren Reflexion zu gewinnen. Zusätzlich werden theoriegenerierende Expert*inneninterviews (Bogner & Menz 2009) mit Führungskräften der Jobcenter geführt. Dabei sollen Einblicke in ihre Erfahrungen mit den strategischen und organisatorischen Aspekten dieser Beratungsform auf Führungsebene rekonstruiert werden.

Dafür werden zwei Jobcenter ausgewählt, die entweder sozialraumorientierte Beratung durchgeführt haben oder diese aktuell durchführen. Um einen maximalen Kontrast zu ermöglichen, erfolgt die Auswahl der Jobcenter gezielt nach dem Auswahlkriterium, sodass sich ihre Beratungsdurchführung deutlich voneinander unterscheidet. Diese Auswahl erfolgt forschungsbegleitend und orientiert an dem „theoretical Sampling“ (Glaser & Strauss 1998). Die Auswertung der gesammelten Daten erfolgt mittels der Grounded-Theory-Methodologie (Breuer 2009; Glaser & Strauss 1998).

Anliegen der Posterpräsentation: Die Posterpräsentation hat das Ziel, eine Diskussion und einen Austausch über das Forschungsthema sowie das Forschungsdesign zu fördern.

Kontakt: nojin.malla_mirza2@hsbi.de  

Literatur

  • Bogner, Alexander & Menz, Wolfgang (2009). Das theoriegenerierende Experteninterview. Erkenntnisinteresse, Wissensformen, Interaktionen. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.), Experteninterviews. Theorien, Methoden, Anwendungsfelder (S.61–98). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Breuer, Franz (2009). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Charmaz, Cathy (2014): Constructing Grounded Theory. Thousand Oaks, Ca.: Sage.
  • Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (2021). Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Präsenz von Jobcentern in Sozialräumen. Die Empfehlungen (DV 16/20) wurden am 24. März 2021 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet. Online verfügbar unter https://www.deutscher-verein.de/de/uploads/empfehlungen-stellungnahmen/2021/dv-16-20_jobcenter-in-sozialraeumen.pdf.
  • Glaser, Barney & Strauss, Anselm (1998). Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Göttingen: Hans Huber.
  • Jobcenter Münster (2021). Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm.
  • Molle, Jana (2023). Risiken und Chancen ganzheitlicher Beratung durch Jobcenter. In Nanina Marika Sturm & Emanuel John (Hrsg.), Ethik der Macht der öffentlichen Verwaltung: Zwischen Praxis und Reflexion (S.115–138). Wiesbaden: Springer.
  • Göckler, Reiner & Rübner, Matthias (2024). Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement. Entwicklungslinien, professionelle Standards und Variantenvielfalt des Case Managements in der Beschäftigungsförderung. Regensburg: Walhalla Fachverlag.
  • Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende.
  • Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22, https://doi.org/10.17169/fqs-1.1.1132.

Von Hürden zu Chancen: Eine Mixed-Methods Untersuchung zur Stärkung der Suizidprävention durch Gesundheitsexpert*innen

Tamara Schwinn; Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Forschungskontext/Ausgangspunkt: Krebserkrankungen können mit starken Belastungen bis hin zu suizidalen Krisen einhergehen (Ernst, Brähler, Beutel & Wiltink 2021). Trotz der Empfehlung der aktiven Exploration möglicher Suizidalität (Nationaler Krebsplan 2017) deuten bisherige internationale qualitative Studien darauf hin, dass diese in der Praxis nur unzureichend umgesetzt wird . Barrieren seien sowohl struktur- und personenbezogen (Granek, Nakash, Ariad, Shapira & Ben-David 2019). Im deutschen Kontext fehlen bisher vergleichbare qualitative Untersuchungen.

Forschungsfragen: Ziel des Forschungsprojekts ist die Identifikation möglicher Barrieren, bestehender Ressourcen und Optimierungsmöglichkeiten. Ergänzend sollen Unterschiede hinsichtlich Geschlecht, Berufsgruppe und Alter ermittelt werden.

Methodik: Im Rahmen des Projekts TASC („Together against suicidal ideation and behavior in cancer patients“) wurden mit einem explorativ-theoriegenerienden Ansatz halbstrukturierte Interviews (Bogner & Metz 2009) mit onkologisch Behandelnden verschiedener Berufsgruppen (N=20) durchgeführt. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker 2022). Ergänzend wurde ein kurzer Fragebogen durchgeführt.

Ergebnisse: Hauptergebnis stellt ein Kategoriensystem dar. Erste qualitative Ergebnisse zeigen sowohl Barrieren als auch Ressourcen und dazugehörige Unterstützungsmöglichkeiten auf. Strukturelle Aspekte beziehen sich z.B. auf Zeit- und Personalmangel; persönliche auf subjektiv empfundene fehlende Kompetenz sowie den Wunsch, in der Behandlung Positives zu fokussieren. Mögliche Unterschiede zwischen demografischen Aspekten werden analysiert.

Diskussion: Die identifizierten Faktoren umfassen auf verschiedenen Ebenen veränderbare Aspekte. Die Ergebnisse bilden die Grundlage einer deutschlandweiten quantitativen Expert*innenumfrage. In Kombination werden die Untersuchungen zur Entwicklung bedarfsgerechter Lösungsansätze dienen, um Behandelnde zu stärken sowie die Suizidprävention für diese vulnerable Gruppe zu verbessern.

Anliegen der Posterpräsentation: Aktuell ist noch unklar, wie eine Verbindung der qualitativen Ergebnisse mit den quantitativen Daten am besten gelingt. Die Forschungsfragen laden dazu ein, die Umsetzbarkeit von möglichen Optimierungsvorschlägen zu erörtern.

Kontakt: Tamara.Schwinn@unimedizin‑mainz.de / https://www.unimedizin-mainz.de/psychosomatik/forschung/klinische-stress-resilienzforschung/suizidgefaehrdung-bei-krebspatientinnen-tasc.html

Literatur

  • Bogner, Alexander & Menz, Wolfgang (2009). The theory-generating expert interview: epistemological interest, forms of knowledge, interaction. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Metz (Hrsg.), Interviewing experts (S.43–80). London: Palgrave Macmillan UK.
  • Ernst, Mareike; Brähler, Elmar; Beutel, Manfred E. & Wiltink, Jörg (2021). Prävention von Suizidalität bei Menschen mit Krebs. Der Onkologe, 28(1), 69–74.
  • Granek, Leeat; Nakash, Ora; Ariad, Samuel; Shapira, Shahar & Ben-David, Merav (2019). Strategies and Barriers in addressing mental health and suicidality in patients with cancer. Oncol Nurs Forum, 46(5), 561–571.
  • Kuckartz, Udo & Rädiker, Stefan (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung (5. Auflage). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Nationaler Krebsplan (2017). Nationaler Krebsplan Handlungsfelder, Ziele und
    Umsetzungsempfehlungen.
    Bonn: Bundesministerium für Gesundheit.

Gesundheit

Bürger*innenkonferenz „Robotik in der Altenpflege?“: Methodische Herausforderungen und Erkenntnisse

Marc Bubeck, Corinna Klingler, Joschka Haltaufderheide & Robert Ranisch; Universität Potsdam, Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg

Forschungskontext: Der Fachkräftemangel in der Pflege wird durch den demografischen Wandel weiter an Brisanz gewinnen. Der Einsatz von Robotik in der Altenpflege wird daher zunehmend als Möglichkeit zur Sicherung der Pflegebedarfe diskutiert. Allerdings bestehen Vorbehalte gegenüber solchen technischen Lösungen. Daher wird in dem Projekt E-cARE (2022–2025, BMG 2521FSB008) untersucht, unter welchen Bedingungen soziale Roboter ethisch vertretbar eingesetzt werden dürfen. Ziel ist die Entwicklung einer ethischen Leitlinie, u.a. basierend auf die Bürger*innenkonferenz (BüKo) „Robotik in der Altenpflege?“ sowie deren qualitative Begleitforschung.

Forschungsfrage(n): 1) Wie kann eine ethisch angemessene Integration der (sozialen) Robotik aus Sicht der (potenziell) Betroffenen gelingen? (Ebene BüKo) 2) Wie kann eine qualitative Begleitforschung zur methodischen Weiterentwicklung von Beteiligungsverfahren gelingen? (Ebene Begleitforschung)

Methode BüKo: Die BüKo ist ein deliberatives Beteiligungsformat aus dem Bereich der Technikfolgenabschätzung, das den Teilnehmenden ermöglichen soll, ein gesellschaftlich kontroverses Thema zu diskutieren und zu bearbeiten (Bossert 2015). Ziel ist eine gemeinsame Positionierung, die sog. Bürger*innen-Erklärung.

Die Auswahl erfolgte in einem mehrstufigen Verfahren: 1) Anschreiben von 3.500 zufällig ausgewählten Potsdamer*innen, 2) Selbstauswahl durch Rückmeldung (ca. 60) und 3) stratifiziertes Losverfahren zur Ermittlung der 25 Beteiligten.

Die BüKo „Robotik in der Altenpflege?“ fand an drei Wochenenden im Frühjahr 2024 in Potsdam statt. Es wurden 1) das Thema erarbeitet und Fragen formuliert, 2) zwölf Sachverständige angehört und 3) eine Erklärung verschriftlicht.

Begleitforschung: Eine qualitative Begleitforschung erfolgte durch teilnehmende Beobachtung (Schöne 2003), um die Dynamiken und Interaktionen der Deliberation zu rekonstruieren. Sie ermöglicht es, einen wesentlichen Beitrag zur Funktion und Evaluierung der BüKo-Methode zu leisten. Für die Analyse mit Hilfe der konstruktivistischen Grounded-Theory-Methodologie (Charmaz 2014) werden mehrere Datenquellen trianguliert. Hierzu gehören neben Beobachtungsprotokolle Notizen der Teilnehmenden, Fotocollagen und entstandene Metaplanwänden. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt der Reflexion:

  1. Wie funktioniert die Meinungsbildung und -durchsetzung im Prozess? (individuelle und gruppendynamische Prozesse)
  2. Wann werden Diskussionen eröffnet und geschlossen?

Diskussion: Mit der BüKo gelang es, Deliberationsprozesse zum Thema anzustoßen und eine Erklärung zu verabschieden, die wertvolle Hinweise für einen ethisch vertretbaren Einsatz gibt. Die teilnehmende Beobachtung ermöglichte einen komplexen Einblick in die Dynamiken und Interaktionen des Prozesses. Die Herausforderungen der gleichberechtigten Teilhabe und der Minimierung von Machtasymmetrien können durch die Begleitforschung reflektiert und Überlegungen zur Anpassung und Anforderungen an Partizipation formuliert werden.

Anliegen der Posterpräsentation: Wir sind an einem intensiven Austausch mit Personen und Projekten der partizipativen Forschung interessiert.

Kontakt: marc.bubeck@uni-potsdam.de / https://www.fgw-brandenburg.de/e-care/

Literatur

  • Bossert, Sabine (2015). Deliberative Bürgerbeteiligung in der deutschen Debatte um Priorisierung in der medizinischen Versorgung. Eine explorative Analyse von Potenzialen, Qualitätsanforderungen und Kontextbedingungen am Beispiel der Lübecker Bürgerkonferenz. [Dissertation: Lüneburg: Leuphana Universität Lüneburg, https://doi.org/10.48548/pubdata-423].
  • Charmaz, Kathy (2014). Constructing grounded theory. London: Sage.
  • Schöne, Helmar (2003). Die teilnehmende Beobachtung als Datenerhebungsmethode in der Politikwissenschaft. Methodologische Reflexion und Werkstattbericht. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 4(2), Art. 20, https://doi.org/10.17169/fqs-4.2.720.

Rassistische Diskriminierung im Kontext psychischer Gesundheitsversorgung (RaDiGe): Erste Einblicke in die qualitative Inhaltsanalyse

Helena Dieterle; Universitätsmedizin Mainz

Ausgangspunkt: Internationale und erste deutsche Studien zeigen einen negativen Zusammenhang zwischen rassistischen Diskriminierungserfahrungen und psychischer Gesundheit (DeZIM 2023; Williams, Lawrence & Davis 2019).

Forschungskontext: Im Rahmen des Mixed-Methods Verbundprojekts Rassistische Diskriminierung im Kontext psychischer Gesundheitsversorgung (RaDiGe) werden unter anderem der Zusammenhang von Rassismuserfahrungen und psychischer Gesundheit aus der Perspektive von Personen mit Rassismuserfahrungen in Deutschland analysiert.

Forschungsfragen: Im Vordergrund steht die Frage nach den psychischen Belastungen, die mit Rassismuserfahrungen in Verbindung gebracht werden können.

Methodik: Es wurden 54 problemzentrierte Interviews (Witzel 2000, Witzel & Reiter 2022) erhoben, die mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) mit induktiver Kategorienerstellung ausgewertet werden. Derzeit wird anhand von 15% des Materials ein erstes Kategoriensystem erstellt.

Ergebnisse: Rassismuserfahrungen beeinflussen die psychische Gesundheit von Betroffenen, wobei die Bedrohung und Verletzung von Zugehörigkeit und Sicherheit zentrale Entwicklungsbedingungen darstellen. Die psychischen Belastungen umfassen unter anderem Angst, Depression, Selbstablehnung und Verunsicherung in Bezug auf die eigene Identität.

Diskussion: Die Belastungen werden in der Gesundheitsversorgung häufig nicht adäquat adressiert. Es besteht der Bedarf, die komplexen Zusammenhänge sichtbar und das resultierende Wissen zugänglich für eine Anwendung in der therapeutischen Praxis zu machen.  

Anliegen der Posterpräsentation: In der Postersession würde ich gerne das Projekt RaDiGe sowie die bisherige Datenauswertung aus der ersten Interviewphase vorstellen. Das standaktuelle Kategoriensystem möchte ich in kleinem Auszug mit Ankerbeispielen präsentieren. Ziel ist es, Einblicke in das Material und seine Verarbeitung zu geben, deren Nachvollziehbarkeit zu erproben und Anstöße für die weitere Analyse zu generieren.

Kontakt: Helena.Dieterle@unimedizin-mainz.de / https://www.unimedizin-mainz.de/psychosomatik/forschung/gender-migration-diversitaet/rassistische-diskriminierung-im-kontext-psychischer-gesundheitsversorgung-radige.html

Literatur

  • Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) (2023). Rassismus und seine Symptome. Bericht des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors. Berlin.
  • Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (12., überarbeitete Auflage). Weinheim: Beltz.
  • Williams, David R.; Lawrence, Jourdyn A. & Davis, Brigette A. (2019). Racism and Health: Evidence and Needed Research. Annual Review of Public Health, 40, 105–125.
  • Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22, https://doi.org/10.17169/fqs-1.1.1132.
  • Witzel, Andreas & Reiter, Herwig (2022). Das problemzentrierte Interview – eine praxisorientierte Einführung. Weinheim: Beltz Juventa.

Die Gestaltung des Abschieds in der Begleitung von Menschen mit Behinderung – Zur datenbasierten Integrationsstrategie

Kristin Fellbaum; Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitationswissenschaften

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (UN-BRK), das 2009 von der Bundesrepublik ratifiziert wurde und anschließend in Kraft trat, stellt seitdem geltendes Recht dar. Im Artikel 25 wird das Recht auf eine diskriminierungsfreie Teilhabe an sämtlichen gesundheitlichen Versorgungsstrukturen formuliert. Zu diesen zählen auch Dienstleistungen der Palliativversorgung und Hospizarbeit. Welche Ziele palliative und hospizliche Fachkräfte bei der Gestaltung des Abschieds von Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung verfolgen und wie sie diese Situationen wahrnehmen, wurde bisher nicht untersucht.

Forschungsfragen:

  • Was ist aus Sicht palliativer und hospizlicher Fachkräfte das primäre Ziel der Gestaltung des Abschieds bei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung?
  • Wie werden Abschiede in der palliativen und hospizlichen Arbeit mit Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung wahrgenommen und interpretiert? Welche subjektiv-assoziativen Bedeutungen geben Palliative Care-Fachkräfte abschiedlichen Situationen?
  • Welche Spezifika konturieren die Kooperation mit An- und Zugehörigen in der Gestaltung des Abschieds von Menschen mit Behinderung?

Die Daten der Dissertation wurden teilweise im Rahmen des Forschungsprojekts „Palliative Versorgung und hospizliche Begleitung von Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung“ (PiCarDi) erhoben, das von 2017 bis 2023 vom BMBF gefördert wurde.

Methodik: Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein Mixed-Methods-Design (Kuckartz 2014) ausgewählt. Neben zwanzig leitfadengestützten Interviews (Misoch 2019, S.65ff.) mit palliativen und hospizlichen Fachkräften (Auswertung: qualitative Inhaltsanalyse, Mayring 2022)) aus ambulanten und stationären Bereichen wurden auch zwei Gruppendiskussionen mit Fotoimpulsen (Auswertung: qualitative Inhaltsanalyse, Mayring 2022; Metaphernanalyse Schmitt 2017) mit palliativen und hospizlichen Fachkräften im stationären Bereich sowie eine bundesweite quantitative Fragebogenerhebung (Porst 2014) von Palliative Care-Fachkräften durchgeführt.

Ergebnisse: Die meisten Befragten geben als Ziel der Abschiedsgestaltung eine bedürfnisorientierte Begleitung an. Weiterhin möchten sie das soziale Umfeld unterstützen und verfolgen eine Verbesserung des Symptom- und Schmerzmanagements. Palliative Care-Fachkräften beschreiben nicht den einen endgültigen Abschied am Lebensende, sondern gehen von vielen Abschieds- und Verlusterfahrungen während der gesamten Lebensphase aus. Spezifika bei der Abschiedsgestaltung zeigen sich in der Kommunikation mit Menschen mit Behinderung und in der Kooperation mit An- und Zugehörigen.

Anliegen der Posterpräsentation: Mit dem Poster möchte ich meinen Weg der projektbezogenen und individuellen Datenerhebung vorstellen. Der Fokus des Posters soll auf der datenbasierten Integration der umfangreichen qualitativen und quantitativen Daten liegen. Damit einhergehende methodische Fragen (z.B. Verknüpfungsstrategien) würde ich gerne mit den Teilnehmenden diskutieren.

Kontakt: kristin.fellbaum@hu-berlin.de

Literatur

  • Kuckartz, Udo (2014). Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden: Springer VS.
  • Mayring, Philipp (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (13. Auflage). Weinheim: Beltz.
  • Misoch, Sabina (2019). Qualitative Interviews. Berlin: De Gruyter.
  • Porst, Rolf (2014). Fragebogen. Ein Arbeitsbuch (4. Auflage). Wiesbaden: Springer.
  • Schmitt, Rudolf (2017). Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS.

Anleitungsgespräche in der Pflege – eine gesprächsanalytische Untersuchung zum multimodalen Anleiten von Patient*innen mit geringen Deutschkenntnissen in Versorgungseinrichtungen

Liubou Rudziak; Pädagogische Hochschule Freiburg, Promotionskolleg Health Equity

Ausgangspunkt und Forschungskontext: Deutschland ist seit einiger Zeit ein Zielland für Schutz- und Arbeitssuchende geworden. Besonders in den letzten Jahren ist ein großer Zuwachs an Geflüchteten aus verschiedenen Krisengebieten zu verzeichnen. Infolge dieser Migrationsbewegung stellt sich die Frage nach einer angemessenen medizinischen Versorgung besonders jener vulnerablen Personengruppe, die über geringe Deutschkenntnisse verfügt. In diesem Zusammenhang beschäftige ich mich in meiner Promotion mit Anleitungsgesprächen mit Patienten*innen mit geringen Deutschkenntnissen in Versorgungseinrichtungen, da Anleitungsgespräche ein zentraler Handlungskontext in der Pflege darstellen. In diesen werden Wissen und Kompetenzen vermittelt, die für die Bewältigung gesundheitsbedrohlicher Situationen sowie für gesundheitserhaltende Maßnahmen von großer Bedeutung sind (Brunen & Herold 1995). Dabei ist anzunehmen, dass aufgrund geringer sprachlicher Ressourcen die Kommunikation zwischen Pflegekräften und Patient*innen erschwert ist.

Forschungsfragen: Ziel ist es, den Interaktionstyp Anleitungsgespräch zu erforschen, um gesundheitliche Ungleichheit zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu reduzieren und Gesundheitsgerechtigkeit zu erreichen. Im Mittelpunkt der Studie soll zunächst danach gefragt werden, welche sprachlichen und körperlichen Praktiken beim Anleiten von Patient*innen mit geringen Deutschkenntnissen eingesetzt werden und welche davon zu einer erfolgreichen Anleitung beitragen. In einem weiteren Schritt wird der Frage nachgegangen, wie die Anleitungsgespräche von anleitenden Pflegekräften und von angeleiteten Patient*innen mit geringen Deutschkenntnissen erlebt werden.

Methodik: Die Datenerhebung erfolgt durch die Anfertigung von Audio- und Videoaufnahmen von Anleitungsgesprächen zwischen Pflegekräften und Patient*innen mit geringen Deutschkenntnissen. Die Daten werden mit der Methode der multimodal erweiterten Gesprächsanalyse (Deppermann & Streeck 2018; Mondada 2007) ausgewertet. Um die subjektive Perspektive der Interaktionsbeteiligten zu erfassen, werden zudem leitfadengestützte Interviews (Helfferich 2009) durchgeführt, die in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz 2018) ausgewertet werden.

Anliegen der Posterpräsentation: Primär geht es mir um die Vorstellung des Projekts. Von der Postersession erwünsche ich mir kritisches Feedback zum Forschungsvorhaben und weitere Anregungen zum methodischen Vorgehen.

Kontakt: liubou.rudziak@stud.ph-freiburg.de

Literatur

  • Brunen, M. Helgard & Herold, Eva Elisabeth (1995). Ambulante Pflege. Die Pflege Gesunder und Kranker in der Gemeinde. Band 1. Hannover: Schlütersche.
  • Deppermann, Arnulf & Streeck, Jürgen (2018). Time in embodied interaction: synchronicity and sequentiality of multimodal resources. Amsterdam: John Benjamins Publishing Company.
  • Helfferich, Cornelia (2009). Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Kuckartz, Udo (2018). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Mondada, Lorenza (2007). Turn talking in multimodalen und multiaktionalen Kontexten. In Heiko Hausendorf (Hrsg.), Gespräch als Prozess: Linguistische Aspekte der Zeitlichkeit verbaler Interaktion (S.247–276) Tübingen: Narr.

Ursachen und Wirkungen von Einsamkeit unter Studierenden – ein qualitatives Forschungsvorhaben mittels Interviews mit Betroffenen und Expert*innen

Vanessa Wenig, Laura Pilz González, Christiane Stock & Katherina Heinrichs; Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft

Forschungskontext: Studierende sind besonders häufig von Einsamkeit betroffen (Hysing et al. 2020; Wenig et al. 2023). Diese kann Folgen sowohl für die Gesundheit (Leigh-Hunt et al. 2017) und das psychische Wohlbefinden (Christiansen et al. 2021) als auch für die Bewältigung des Studienalltags haben (Jefferson et al. 2023). Die bisherige Forschung zu Einsamkeit von Studierenden fokussiert sich überwiegend auf quantitative Erhebungen zu Schutz- und Risikofaktoren sowie vulnerablen Gruppen. Es fehlen Einblicke in die vielschichtigen Ursachen aus Sicht der Betroffenen und die subjektiven Erfahrungen Studierender.

Forschungsfragen: Mit der geplanten qualitativen Erhebung sollen – im Rahmen eines Promotionsprojekts – das individuelle Erleben und subjektiven Perspektiven untersucht und die Vielschichtigkeit von Einsamkeit im universitären Kontext erfasst werden. Folgende Forschungsfragen werden dabei verfolgt:

Interviews mit Betroffenen:

  1. Inwiefern erleben Studierende Einsamkeit im deutschen Hochschulkontext?
  2. Welche subjektiven Ursachen und Wirkungen hat Einsamkeit im Studium für Studierende?
    a. Welche Ressourcen haben Studierenden, um mit Einsamkeit im Studium umzugehen?
    b. Welche Faktoren bedingen aus Studierendensicht Einsamkeit im Studium?

Expert:innen Interviews:

  1. Wie können Hochschulen dem Thema Einsamkeit Studierender präventiv begegnen?
  2. Welche subjektiven Ursachen und Wirkungen hat Einsamkeit im Studium für Studierende aus Sicht von (psychologischen) Beratungsinstanzen?
    a. Welche Ressourcen haben Studierenden, um mit Einsamkeit im Studium umzugehen?
    b. Welche Faktoren bedingen aus Expert:innensicht Einsamkeit im Studium?

Methodik: Geplant sind offene Leitfadeninterviews (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014) mit betroffenen Studierenden sowie mit Mitarbeitenden von universitären, psychologischen Beratungsinstanzen. Die Auswertung erfolgt mittels thematischer Analyse (Braun & Clarke 2006), mit dem besonderen Fokus, die unterschiedlichen Perspektiven von Betroffenen und Expert*innen miteinander zu vergleichen und zu integrieren.

Anliegen der Posterpräsentation: Da die Studie erst im Spätherbst startet, möchte ich die Methodik des geplanten Forschungsvorhabens diskutieren. Besonderer Fokus soll dabei auf der Rekrutierung der Studierenden sowie auf der Umsetzung des Perspektivenvergleichs von Betroffenen und Expert*innen liegen.

Kontakt: vanessa.wenig@charite.de / https://igpw.charite.de/metas/person/person/address_detail/vanessa_wenig_ms

Literatur

  • Braun, Virginia & Clarke, Victoria (2006). Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research in Psychology, 3(2), 77–101.
  • Christiansen, Julie; Qualter, Pamela; Friis, Karina; Pedersen, Susanne S.; Lund, Rikke; Andersen, Christina M.; Bekker-Jeppesen, Maj & Lasgaard, Mathias (2021). Associations of loneliness and social isolation with physical and mental health among adolescents and young adults. Perspectives in Public Health, 141(4), 226–236.
  • Hysing, Marie; Petrie, Keith. J.; Bøe, Tormod; Lønning, Kari Jussie & Sivertsen, Børge (2020). Only the Lonely: A Study of Loneliness Among University Students in Norway. Clinical Psychology in Europe, 2(1), 1–16.
  • Jefferson, Rebecca; Barreto, Manuela; Jones, Frederick; Conway, Jasmine; Chohan, Aishwarya; Madsen, Katrine Rich; Verity, Lily; Petersen, Kimberly J. & Qualter, Pamela (2023). Adolescent loneliness across the world and its relation to school climate, national culture and academic performance. British Journal of Educational Psychology 94(2), https://doi.org/10.1111/bjep.12616.
  • Leigh-Hunt, Nicholas; Bagguley, David; Bash, Kristin; Turner, Victoria; Turnbull, Stephen; Valtorta, Nicole & Caan, Woody (2017). An overview of systematic reviews on the public health consequences of social isolation and loneliness. Public Health, 152, 157–171.
  • Przyborski, Aglaja & Wohlrab-Sahr, Monika (2014). Offene Leitfaden Interviews. In Qualitative Sozialforschung: ein Arbeitsbuch (4. erweiterte Auflage, S.126–132). München: Oldenburg.
  • Wenig, Vanessa; Heumann, Eileen; Stock, Christiane; Busse, Heide; Negash, Sarah; Pischke, Claudia R. & Heinrichs, Katherina (2023). Associations of loneliness with mental health and with social and physical activity among university students in Germany: results of the COVID-19 German student well-being study (C19 GSWS). Front Public Health, 11, https://doi.org/10.3389/fpubh.2023.1284460.

Bildung

Participatory Design zum Lernen anhand von digitalen Spielen – Ein Blick auf die Lebensrealitäten von Jugendlichen in Forschungsprojekten im Schulunterricht

Mirjam Duvivié; Universität Wien, Zentrum für Lehrer*innenbildung

Forschungskontext: Jugendpartizipation in der Forschung ist auf viele Arten möglich. Einige Studien ziehen Jugendliche zur Datenbeschaffung heran, andere Projekte setzen auf aktive Partizipation und Co-Kreation bei der Forschung (Schelbe et al. 2015). Der Fokus dieser Arbeit liegt auf Participatory Design (PD). Ursprünglich aus der Human Computer Interaction, hält PD Einzug in die Bildungswissenschaft (Cumbo & Selwyn 2022). PD bezieht sich häufig auf seine eigenen Prinzipien von Empowerment, Emanzipation, gegenseitigem Lernen sowie Demokratie im Designprozess (Bødker, Dindler, Iversen & Smith 2022).

Wenn PD an Schulen für Forschung angewandt wird, muss Rücksicht auf schulische Strukturen genommen werden (z.B. Hierarchie, Notengebung, Freiwilligkeit). Daher besteht aktuell Forschungsbedarf, um in Erfahrung zu bringen, inwiefern PD in der Schule Anwendung finden kann und was es aus epistemologischer Sicht zu berücksichtigen gilt, wenn einerseits PD-eigene Prinzipien und andererseits schulische Gegebenheiten miteinander abgestimmt werden müssen (Cumbo & Selwyn 2022).

Ausgangspunkt: Unter Durchführung von PD-Workshops an drei Wiener Schulen von 2022–2024 wurde im Rahmen eines, von der Arbeiterkammer geförderten Projektes, mit Jugendlichen gearbeitet. In drei Iterationen mit unterschiedlichen Zielsetzungen wurden die Schüler*innen dazu eingeladen, ausgehend von digitalen Spielen zu vorgegebenen Themen zu designen. Die Projektziele orientierten sich an den Prinzipien von PD und beinhalteten unter anderem kreative Förderung der Jugendlichen und gemeinsames Gestalten von Unterrichtsmaterial.

Forschungsfragen: Mit dem Projektvorhaben werden drei Fragekomplexe verfolgt:

  1. Inwiefern werden die Prinzipien von PD (Empowerment, Emanzipation, gegenseitigem Lernen und Demokratie) von den Jugendlichen in den Workshops wahrgenommen?
  2. Welche Schwierigkeiten und Potenziale für PD erkennen Schüler*innen im Zusammenhang mit schulischen Strukturen?
  3. Welche Mehrwerte sehen Jugendliche für sich selbst in PD-Prozessen?

Methodik: Im Rahmen einer phänomenologischen Fallstudie (Brinkmann 2020) werden Interviews mithilfe des „interview guide approach“ (Boudah 2011) mit den partizipierenden Jugendlichen durchgeführt, die mittels des Trans-Positional Cognitional Approach ausgewertet werden (Olekanma, Dörfler & Shafti 2022).

Anliegen der Posterpräsentation: Bei ersten Interviews mit den Jugendlichen zeigte sich, dass die PD-Ansätze im Unterricht kritisch betrachtet werden. Davon ausgehend werden in dieser Studie die Lebensrealitäten der Schüler*innen im Spannungsfeld von PD und Unterricht untersucht. Ich möchte über Jugend-Partizipation und deren erlebte Vorteile und Nutzeffekte dissertieren. Dieses Forschungsvorhaben ist ein Teil meiner kumulativen Dissertation. Im weiteren Verlauf der Dissertation möchte ich die Ergebnisse dieses Projekts mit anderen PD-Projekten zum Thema Spielen und Design vergleichen und feststellen, wo sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede finden, die z.B. durch den Kontext beeinflusst werden (Schule oder Freiwilligkeit etc.).

Besondere Fragestellung: Wie lassen sich Jugendliche in den Erkenntnisgewinn integrieren, ohne zu viel meiner eigenen Verantwortung als Forschende abzugeben?

Kontakt: mirjam.duvivie@univie.ac.at

Literatur

  • Bødker, Susanne; Dindler, Christian; Iversen, Ole Sejer & Smith, Rachel Charlotte (2022). Participatory design. Penn State University: Morgan & Claypool Publishers.
  • Boudah, Daniel Joseph. (2011). Conducting educational research: guide to completing a major project. London: Sage.
  • Brinkmann, Malte (2020). Phänomenologische Bildungsforschung. In Enzyklopädie Erziehungswissenschaft online.
  • Cumbo, Bronwyn & Selwyn, Neil (2022). Using participatory design approaches in educational research. International Journal of Research & Method in Education, 45(1), 60–72.
  • Olekanma, Obafemi; Dörfler, Viktor & Shafti, Farhad (2022). Stepping into the participants’ shoes: The trans-positional cognition approach. International Journal of Qualitative Methods, 21, https://doi.org/10.1177/16094069211072413.
  • Schelbe, Lise; Chanmugam, Amy; Moses, Tally; Saltzburg, Susan; Williams, Lela Rankin & Letendre, Joan. (2015). Youth participation in qualitative research: challenges and possibilities. Qualitative Social Work, 14(4), 504–521.
  • Tuhkala, Ari (2021). A systematic literature review of participatory design studies involve teachers. European Journal of Education, 56(4), 641–659.

Bilden, erziehen oder betreuen wir? Bildung als kindheitspädagogischer Kernbegriff im Kontext der Professionsentwicklung

Milena Michelle Förster; Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Zentrales Ziel und Auftrag von Kindertageseinrichtungen ist die Förderung frühkindlicher Bildung. Doch darüber, was Bildungsprozesse in der frühen Kindheit kennzeichnet und wie diese förderlich begleitet werden können, besteht bis heute in Theorie und Praxis kein Konsens. Dabei stehen sich zwei Denkrichtungen gegenüber: Neben einem eher schulischen Bildungsverständnis lassen sich Vorstellungen identifizieren, die auf Selbstbildung und Ko-Konstruktion basieren (Dahlberg 2004; Stieve 2015).

Das ungeklärte Bildungsverständnis ist im Kontext der Wissenschaftsdiziplin „Kindheitspädagogik“ zu sehen. Diese befindet sich aktuell (noch) im Prozess der Entwicklung hin zu einer Profession (Hechler, Hykel & Pasternack 2021). Hintergrund ist ihr noch junger Entstehungszeitpunkt vor etwa 20 Jahren und die damit einhergehende geringe professionstheoretische Reflexion und Forschung (Cloos 2014).

Forschungsfragen: Die Arbeitshypothese des Promotionsprojekts geht davon aus, dass die Professionsentwicklung der Kindheitspädagogik maßgeblich durch die fehlende Klarheit und Konkretisierung des Bildungsbegriffs als professioneller Kernkategorie gehemmt wird. Das Anliegen der Dissertation ist daher die Klärung des Bildungsbegriffs im Kontext der bislang noch im Werden begriffenen Professionsentwicklung der Kindheitspädagogik. Dazu werden folgende Forschungsfragen verfolgt:

  • Wo befindet sich die Kindheitspädagogik aktuell im Prozess der Professionsentwicklung?
  • Welche(s) Verständnis(se) von Bildung ist (sind) in der frühpädagogischen Praxis handlungsleitend?

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der Dissertation, ein umfassendes kindheitspädagogisches Begriffskonzept für „Bildung“ zu generieren. Damit soll zugleich ein Beitrag zur Professionsentwicklung der Kindheitspädagogik geleistet werden.

Methodik: Das qualitativ angelegte Forschungsdesign sieht neben einer theoretischen Rahmung zwei Forschungsphasen in Kindertageseinrichtungen vor, die als zentrales Handlungsfeld der Kindheitspädagogik gelten:

  1. Identifikation eines bzw. verschiedener Bildungsverständnisse(s) in der Praxis mittels der reflexiven Grounded Theory (Breuer, Muckel & Dieris 2019) auf zwei Ebenen, die frühpädagogisches Handeln konstituieren:
    Ebene 1: Begründungszusammenhänge als Element pädagogischen Handelns: Auswertung leitfadengestützter Interviews (Helfferich 2022) mit frühpädagogischen Fachkräften
    – Ebene 2: Raumgestaltung als Element pädagogischen Handelns: Visuelle Raumanalyse (Knauf 2017) von pädagogischen Räumen in Kindertageseinrichtungen
  2. Einordnung der empirischen Ergebnisse zum Bildungsbegriff in den Professionsdiskurs mit der Situationsanalyse (Clarke 2012).

Bisherige Ergebnisse: Die bislang vorgenommenen Analysen der ersten Forschungsphase deuten darauf hin, dass die Vorstellungen von Bildung, die Fachkräfte ihrem Handeln zu Grunde legen, von verschiedenen Faktoren geprägt sind. Bisher kristallisieren sich insbesondere zwei Faktoren als zentral heraus: persönlich-biografisch begründete Vorstellungen einerseits und theoretisch-normative Vorstellungen von Bildung andererseits.

Anliegen der Posterpräsentation: Zum einen geht es mir um die Reflexion der Forschungsfragen angesichts der bisherigen empirischen Ergebnisse, um daraus Erkenntnisse für die Schärfung des weiteren methodischen Vorgehens zu generieren. Zum anderen geht es mir um einen Impuls, das Verhältnis zwischen den Elementen „Bildung“, „pädagogisches Handeln“ und „Professionalität“ zu diskutieren.

Kontakt: milena_michelle.foerster@uni-bielefeld.de

Literatur

  • Breuer, Franz; Muckel, Petra & Dieris, Barbara (2019). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung in die Forschungspraxis (4. erweiterte und überarbeitete Auflage). Wiesbaden: Springer.
  • Clarke, Adele. E. (2012). Situationsanalyse. Grounded Theory nach dem Postmodern Turn. Wiesbaden: Springer VS.
  • Cloos, Peter (2014). Konturen einer kindheitspädagogischen Professionsforschung. In Tanja Betz & Peter Cloos (Hrsg.), Kindheit und Profession. Konturen und Befunde eines Forschungsfeldes (S.100–115). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Dahlberg, Gunilla (2004). Kinder und Pädagogen als Co-Konstrukteure von Wissen und Kultur: Frühpädagogik in post-moderner Perspektive. In Wassilios E. Fthenakis & Pamela Oberhuemer (Hrsg.). Frühpädagogik international (S.13–30). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Hechler, Daniel; Hykel, Theresa & Pasternack, Peer (2021). Disziplinentwicklung der Kindheitspädagogik. Eine empirische Bestandsaufnahme anderthalb Jahrzehnte nach Einrichtung der neuen Studiengänge. Unter Mitarbeit von Sascha Alexander Blasczyk und Uwe Grelak. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Studien, Band 34. München.
  • Helfferich, Cornelia (2022). Leitfaden- und Experteninterviews. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.875–892, 3. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.
  • Knauf, Helen (2017). Visuelle Raumanalyse. Frühe Bildung,6(1),33–40).
  • Stieve, Claus (2015). Anfänge der Bildung. Bildungstheoretische Grundlagen der Pädagogik der Kindheit. In Ursula Stenger, Doris Edelmann & Anke König (Hrsg.), Erziehungswissenschaftliche Perspektiven in frühpädagogischer Theoriebildung und Forschung (S.16–38). Weinheim: Beltz Juventa.

Professionelle Haltung(en) von Lehrer*innen – eine kritische Diskursanalyse

Anna Friederike Gensler; Universität Münster, Institut für Erziehungswissenschaft

Forschungskontext: In der Forschung zum schulischen Lehrberuf sowie in der Bildungspolitik wird gefordert, dass Lehrer*innen eine professionelle Haltung entwickeln, da diese u.a. als Bedingung für eine diversitätssensible Schulkultur und die erfolgreiche Umsetzung von Bildungsreformen beschrieben wird (z.B. Schwer & Solzbacher 2014; Syring 2018). Der Haltungsbegriff wird dabei mit unterschiedlichen theoretischen Konzepten in Verbindung gebracht, wie z.B. dem Berufsethos (Rödel et al. 2022), Einstellungen (Syring, Tillmann, Weiß & Kiel 2018) und der Persönlichkeit (Kuhl et al. 2014) von Lehrkräften.

Forschungsfragen: Zwischen der theoretischen und empirischen Verortung und der gleichzeitig hohen Bedeutungszuschreibung des Begriffs besteht in der wissenschaftlichen Literatur ein Missverhältnis. Ziel der Dissertation ist es, die Genese der Begriffsverwendung, die theoretische Verortung sowie die Funktion und Relevanzsetzung des Haltungsbegriffs im erziehungswissenschaftlichen Diskurs zum Lehrberuf zu ermitteln. Daher verfolge ich vier Forschungsfragen:

  1. Wie wird der Haltungsbegriff in der Forschung zum schulischen Lehrberuf definiert und in welches Verhältnis wird dieser zu anderen Begriffen und Theorien gesetzt?
  2. Welche Bedeutung(en) werden dem Haltungsbegriff und dessen Thematisierung zugeschrieben?
  3. Inwiefern lassen sich Konjunkturen bei der Bestimmung und Verwendung des Haltungsbegriffs identifizieren?
  4. Inwieweit und wofür nimmt der Haltungsbegriff eine spezifisch disziplinäre Funktion ein?

Methodik: Es wurde die Methode der kritischen Diskursanalyse nach Jäger (2015) ausgewählt, um mithilfe der methodologischen Fundierung auf der Diskurstheorie Foucaults (1981) und der Interdiskurstheorie nach Link (2008) eine ideologiekritische Perspektive auf die Verwendung des Haltungsbegriffs in wissenschaftlichen Texten einzunehmen sowie die disziplinübergreifenden und interdiskursiven Bezüge des Konstrukts im erziehungswissenschaftlichen Diskurs zu systematisieren (Diaz-Bone 2006; Link & Parr 2007).

Ergebnisse: Je nach Argumentationszusammenhang werden „Haltungen“ von Lehrer*innen als eine relativ stabile und veränderungsresistente Eigenschaft oder als erlernbare und durch Reflexion modifizierbare Fähigkeit definiert. Durch die thematische Anbindung an Fragen nach wertebasierten, ethischem Handeln von Lehrer*innen sowie dem Umgang mit schulischer Vielfalt wird mit dem Begriff eine stark normative Perspektive auf das „richtige“ Lehrer*innenhandeln verknüpft.

Diskussion: Der Haltungsbegriff zeigt sich als wenig anschlussfähig für eine wissenschaftliche Betrachtung, da er weder begrifflich eindeutig ausdifferenziert wird noch sich als wissenschaftliches Konstrukt operationalisieren lässt.

Anliegen der Posterpräsentation: Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mit Expert*innen und Interessent*innen der Diskursanalyse über mein Dissertationsprojekt zu diskutieren. Ein besonderes Anliegen besteht meinerseits darin, über mögliche Besonderheiten des Datenmaterials (wissenschaftliche Texte) und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Einsatz der Methodik zu reflektieren.

Kontakt: Anna.gensler@uni-muenster.de / https://www.uni-muenster.de/EW/personen/gensler.shtml

Literatur

  • Diaz-Bone, Rainer (2006). Kritische Diskursanalyse: Zur Ausarbeitung einer problembezogenen Diskursanalyse im Anschluss an Foucault. Siegfried Jäger im Gespräch mit Rainer Diaz-Bone [89 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7(3), Art. 21, https://doi.org/10.17169/fqs-7.3.148.
  • Foucault, Michel (1981, 2022). Archäologie des Wissens (20. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Jäger, Siegfried (2015). Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung (7., vollständig überarbeitete Auflage). Münster: Unrast.
  • Link, Jürgen & Parr, Rolf (2007). Projektbericht: Diskurs-Werkstatt und kultuRRevolution. Zeitschrift für Angewandte Diskurstheorie. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(2), https://doi.org/10.17169/fqs-8.2.269.
  • Link, Jürgen (2008). Sprache, Diskurs, Interdiskurs und Literatur. In Heidrun Kämper & Ludwig M. Eichinger (Hrsg.), Sprache – Kognition – Kultur (S.115–134). Berlin: de Gruyter
  • Rödel, Severin Sales; Schauer, Gabriele; Christof, Eveline; Agostini, Evi; Brinkmann, Malte; Pham Xuan, Robert: Schratz, Michael & Schwarz, Johanne Franziska (2022). Ethos im Lehrberuf. Manual zur Übung einer professionellen Haltung Zum Einsatz im hochschuldidaktischen Kontext. Berlin: Robert Bosch Stiftung, https://doi.org/10.18452/24680.
  • Schwer, Christina & Solzbacher, Claudia (Hrsg.) (2014). Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Syring, Markus; Tillmann, Teresa; Weiß, Sabine & Kiel, Ewald (2018). Positive Einstellung zur Inklusion – ablehnende Haltung zur Umsetzung in der Schule. Analyse des Widerspruchs durch Überprüfung eines aus der Heterogenitätsforschung adaptierten Messinstruments für die Inklusion an Lehramtsstudierenden. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 65(3), 206–220.

SchamBildung. Zur Funktion, Regulation und Messung der sozialen Emotion Scham in der Lehrer*innenbildung

Christine Haupt; Pädagogische Hochschule Kärnten

Forschungskontext: Dieses in Entstehung befindliche Dissertationsprojekt setzt sich zum Ziel, Funktion und unterschiedliche Regulationsmechanismen von Scham im Kontext der Lehrer*innenbildung zu analysieren.

Ausgangspunkt: Scham ist insofern von besonderer Relevanz für pädagogische Beziehungen als sie „aus der Wechselwirkung und Korrelation zwischen Menschen entsteht und sich in ihr konstituiert“ (Tiedemann 2013, S.51) und als moralisches Gefühl das Selbstkonzept und die Identitätsentwicklung von Menschen zentral beeinflusst (Huber 2020, S.262).

Forschungsfragen: Ausgehend von der übergeordneten Forschungsfrage, welche Funktion Scham in Hinblick auf das Selbstkonzept und die (soziale) Identität von Studierenden in der Lehrer*innenbildung erfüllt, geht es spezieller darum zu erarbeiten, wie sich Scham als latentes Konstrukt in der Lehrer*innenbildung messen lässt.

Methodik: Für die empirische Untersuchung ist ein sequenzielles Mixed-Methods-Design angedacht, wobei sich die Samplingstrategie auf ein heterogenes Set von Studierenden konzentriert. Methodisch sollen einerseits narrative Interviews (Schütze 1983) mit der Tiefenhermeneutik (König 2018) ausgewertet werden, um latente Sinngehalte in Hinblick auf individuelle Schamerfahrungen und deren psychodynamischen Prozesse herauszuarbeiten (Klein 2004). Andererseits sollen videografierte Gruppeninterviews (Kühn & Koschel 2011) mit einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse in Kombination mit einem Facial Action Coding System (FACS) analysiert werden, um die nonverbalen Ausdrucksformen der Scham und deren soziale Interaktionen zu bergen (Gläser-Zikuda et al. 2018). Im Anschluss wird in einer zweiten Phase die Operationalisierung von Scham mittels der Konstruktion einer Fragebogenstudie angestrebt.

Anliegen der Posterpräsentation: Die Posterpräsentation soll der Diskussion und kritischen Reflexion der angedachten Methodik dienen.

Kontakt: christine.jerabek@ph-kaernten.ac.at

Literatur

  • Gläser-Zikuda, Michaela; Hofmann, Florian; Bonitz, Melanie & Lippert, Nikoletta (2018). Methodische Zugänge zu Emotionen in Schule und Unterricht. In Matthias Huber & Sabine Krause (Hrsg.), Bildung und Emotion (S.377–396). Wiesbaden: Springer VS.
  • Huber, Matthias (2020). Emotionen im Bildungsverlauf: Entstehung, Wirkung und Interpretation. Wiesbaden: Springer VS.
  • König, Hans-Dieter (2018). Dichte Interpretation: Zur Methodologie und Methode der Tiefenhermeneutik. In Julia König, Nicole Burgermeister, Markus Brunner, Philipp Berg & Hans-Dieter König (Hrsg.), Dichte Interpretation: Tiefenhermeneutik als Methode qualitativer Forschung (S. 13–86). Wiesbaden: Springer VS.
  • Kühn, Thomas & Koschel, Kay-Volker (2011). Gruppendiskussionen: Ein Praxis-Handbuch. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Schütze, Fritz (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13(3), 283–293.
  • Tiedemann, Jens Léon (2013). Scham. Gießen: Psychosozial-Verlag.

Von Einzelfällen auf Organisationen schließen. Anwendung der referenzierenden Interpretation am Beispiel Schule

Annika Koch; Universität Potsdam

Forschungskontext: In der pädagogische Forschung wurde gezeigt, dass Lehrkräfte muslimische Traditionen oft als störend betrachten und christliche Traditionen hingegen als säkular und neutral (z.B. Karakaşoğlu 2010). In meiner Dissertation möchte ich diese Erkenntnisse durch eine organisationssoziologische Perspektive ergänzen. Ich frage, wie der Umgang mit religiösen Normen und Festen in den Organisationsstrukturen von Schulen institutionalisiert ist, wie er reproduziert und transformiert wird.

Methodik: Den Großteil der empirischen Daten habe ich im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojektes Bodyrules (2018–2020) erhoben; dies sind Expert*inneninterviews (Nohl 2006, S.18ff.) mit Schulleitungen, Lehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen, die mittels dokumentarischer Methode (a.a.O., S.45ff.) ausgewertet werden. Um Schlussfolgerungen zur Rolle der Organisationen zu ziehen, habe ich die Methode der referenzierenden Interpretation (Mensching 2020) angewendet.

Ergebnisse/Diskussion: Ich nutze insbesondere organisationstheoretische Ansätze in Anlehnung an Bourdieu (Emirbayer & Johnson 2008), um zu zeigen, wie Lehrkräfte unter Zugzwang geraten, sich zu religiösen Themen der Schüler*innen zu positionieren. Dies steht in einer Diskrepanz zu formalen Strukturen der Schule, mit denen fokussiert wird, wie Lehrkräfte Schüler*innen als Einzelpersonen gegenübertreten. Insgesamt zeigt sich, dass die christlich-säkuläre Normativität der Schule durch eine Kombination aus formalen und informalen Strukturen und Prozessen reproduziert wird. Informale Annahmen und Haltungen werden dabei durch formale Strukturen ermöglicht und gefestigt, beispielsweise durch formale Hierarchien und Ressourcen.

Anliegen der Posterpräsentation: Ich möchte vorstellen, wie ich die referenzierende Interpretation genutzt habe, um von der Einzelfallanalyse auf organisationale Strukturen und Prozesse zu schließen. Vom Feedback erhoffe ich mir Ansatzpunkte für die weitere Analyse.

Kontakt: annika.koch.iv@uni-potsdam.de / https://www.uni-potsdam.de/de/ls-apelt/team/annika-koch-m-a

Literatur

  • Emirbayer, Mustafa & Johnson, Victoria (2008). Bourdieu and organizational analysis. Theory and Society, 37(1), 1–44.
  • Karakaşoğlu, Yasemin (2010). Islam als Störfaktor in der Schule. Anmerkungen zum pädagogischen Umgang mit orthodoxen Positionen und Alltagskonflikten. In Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.), Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen (S.303–318). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Mensching, Anja (2020). Die referenzierende Interpretation als Weiterentwicklung der dokumentarischen Methode zur Rekonstruktion des Verhältnisses von Kommunikativität und Konjunktivität in Organisationen. Jahrbuch Dokumentarische Methode, 2-3, 279–298.
  • Nohl, Arnd-Michael (2006). Interview und dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag.

Eine qualitativ-inhaltsanalytische Analyse der Modellierkompetenz angehender Biologielehrkräfte – erste Ergebnisse

Kim Eleni Lobner & Moritz Krell; Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Kiel

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Die Ausbildung von Modellierkompetenz ist ein Ziel naturwissenschaftlichen Unterrichts. Um Schülerinnen und Schülern entsprechende Kenntnisse zu vermitteln, sollten auch (angehende) Biologielehrkräfte eine ausgeprägte Modellierkompetenz vorweisen (Upmeier zu Belzen, van Driel & Krüger 2019).

Die Modellierkompetenz wird in drei Dimensionen unterteilt, die hinreichend erforscht sind (Chiu & Lin 2019). Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Modellierkompetenzdimensionen sind es noch nicht und so widmet sich die DFG-geförderte Studie dieser Forschungslücke.

Forschungsfrage(n): In Rahmen des Posterbeitrags soll vor allem die Forschungsfrage „Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Wissen über Modelle und dem Wissen über den Modellierprozess?“ adressiert werden.

Methodik: Zur Beantwortung der Forschungsfrage bearbeiten Lehramtsstudierende (aktuell N=140) fünf offene Fragen über Modelle (Krüger & Upmeier zu Belzen 2021) und erstellen ein Diagramm über den Modellierprozess. Die Antworten (Wissen über Modelle) und Diagramme (Wissen über den Modellierprozess) werden von zwei Ratern mittels Kategoriensystemen (Engelschalt, Bielik, Krell, Krüger & Upmeier zu Belzen 2023; Krell & Krüger 2016) nach der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Schreier 2012) ausgewertet, welche die Identifikation unterschiedlicher Niveaustufen erlaubt.

Ergebnisse: Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass sich das Wissen über Modelle und den Modellierprozess angehender Biologielehrkräfte überwiegend auf den unteren Niveaustufen abbildet und sie eine naive Sicht auf Modelle vorweisen. Sie begreifen Modelle überwiegend als Medien zur Repräsentation naturwissenschaftlicher Phänomene. Die Modellfunktion der Exploration und Prädiktion ist in den Antworten und Diagrammen hingegen unterrepräsentiert. Weiterhin konnte eine signifikant positive Korrelation zwischen dem Wissen über Modelle und über den Modellierprozess festgestellt werden.

Anliegen der Posterpräsentation: Mit dem Poster sollen die bisher vorliegenden Ergebnisse der Studie vorgestellt und diskutiert werden. Auch ein Erfahrungsaustausch über die qualitative Inhaltsanalyse mittels Kategoriensystem bei offenen Frageformaten und zur Auswertung von Diagrammen ist wünschenswert.

Kontakt: lobner@leibniz-ipn.de

Literatur:

  • Chiu, Mei-Hung & Lin, JJing-Wen (2019). Modeling competence in science education. Disciplinary and Interdisciplinary Science Education Research, 1, 1–11.
  • Engelschalt, Paul; Bielik, Tom; Krell, Moritz; Krüger, Dirk & Upmeier zu Belzen, Annette (2023). Investigating pre-service science teachers’ metaknowledge about the modelling process and its relation to metaknowledge about models. International Journal of Science Education, 46, 691–714.
  • Krell, Moritz & Krüger, Dirk (2016). Testing models. Journal of Biological Education, 50, 160–173.
  • Krüger, Dirk & Upmeier zu Belzen, Annette (2021). Kompetenzmodell der Modellierkompetenz. ZfDN, 27, 127–137.
  • Schreier, Margrit (2012). Qualitative content analysis in practice. London: Sage.
  • Upmeier zu Belzen, Annette; van Driel, Jan & Krüger, Dirk (2019). Introducing a framework for modeling competence. In Annette Upmeier zu Belzen, Dirk Krüger & Jan van Driel (Hrsg.), Towards a competence-based view on models and modeling in science education (S.3–19). Cham: Springer.

Nachhaltigkeit

Wie steuert man die Klimaanpassung der kommunalen Wasserversorgung?  Wissenssoziologische Rekonstruktion eines Landesprogramms

Diana Lindner; Universität Jena; Lehrstuhl für allgemeine und theoretische Soziologie

Forschungskontext/Ausgangspunkt: Das Projekt ist im vom BMBF geförderten „Thüringer Wasserinnovationscluster“ angesiedelt und beschäftigt sich mit lokalen Wasserproblemen vor dem Hintergrund des Klimawandels und der notwendigen Anpassung, um eine sicherere Trinkwasserversorgung zu gewährleisten. Ansatzpunkt für das Projekt ist die „Thüringer Niedrigwasserstrategie“ – ein politisches Strategie- und Maßnahmenpaket, das die wasserwirtschaftliche Trinkwasserversorgung klimafest machen möchte.

Forschungsfrage: Der Hauptfokus der Forschung liegt auf dem Nachvollzug des Aufbaus funktionalen Wissens (Schützeichel 2018). Bei der Produktion von funktionalem Wissen wird in besonderer Weise auf wissenschaftliches Wissen Bezug genommen. Zugleich kommt es beim Umgang mit Krisenszenarien zu einer Verbindung unterschiedlicher Wissensformen und epistemischer Logiken. Die Wissensproduktion im Rahmen der Niedrigwasserstrategie wird analytisch als Orientierung an einer „epistemology of practice“ (Schön 1983) betrachtet. Die über Organisationsgrenzen hinweg geplante Strategieentwicklung, die sich hauptsächlich auf die Sammlung und Bewertung unterschiedlicher quantitativer Daten stützt, wird auf die Funktion wissensintegrierender „boundary objects“ (Star & Griesemer 1989) hin befragt.  

Methodik der Studie: Datenerhebung und Analyse folgen der Methodik der Grounded Theory (Strauss & Corbin 1990). Aufgrund der komplexen Konstruktionspraxis von Wissen werden zusätzlich Situationsanalysen (Clarke 2005) durchgeführt. Die Datenerhebung konzentriert sich auf Dokumente (Strategiepapiere, Protokolle) und leitfadengestützte Expert*inneninterviews (Meuser & Nagel 2009)

Ergebnisse: Erste Ergebnisse weisen auf den hohen Stellenwert einer „wissenschaftlich kontrollierten“ Situationsdefinition hin. Zentral ist die Erarbeitung von brauchbaren Prognosetools auf Basis von Klimaszenarien, die genau genug sind, um regionale Wassermangelgebiete zu identifizieren. Vorherrschend ist die Vorstellung von handlungsleitendem „Zukunftswissen“. Mit Blick auf die sozialen Effekte zeigen sich neue Vulnerabilitäten, die sich z.B. in der Abhängigkeit von natürlichen Quellen und finanziellen Möglichkeiten zum Fernwassernetzausbau zeigen.

Anliegen der Posterpräsentation: Vorstellung des methodischen Designs und Diskussion über die situationsanalytische Rekonstruktion ko-konstruktiver Wissensprozessen vor dem Hintergrund der Effekte des Diskurses zum evidenzbasierten Entscheiden (Bogner 2021)

Kontakt: diana.lindner@uni-jena.de / https://www.fsv.uni-jena.de/fakultaet/institute-und-professuren/institut-fuer-soziologie/arbeitsbereiche/allgemeine-und-theoretische-soziologie/personen/dr-diana-lindner

Literatur

  • Bogner, Alexander (2021). Die Epistemisierung des Politischen: Wie die Macht des Wissens die Demokratie gefährdet. Stuttgart: Reclam.
  • Clarke, Adele. E. (2005). Situational analysis. Grounded theory after the postmodern turn. London: Sage.
  • Meuser, Michael & Nagel, Ulrike (2009). Das Experteninterview – Konzeptionelle Grundlagen und methodische Anlage. In Susanne Pickel, Gert Pickel, Hans-Joachim Lauth & Detlef Jahn (Hrsg.), Methoden der vergleichenden Politik- und Sozialwissenschaft (S.465–479). Wiesbaden: Springer VS.
  • Schön, Donald (1983). The reflective practitioner. How professionals think in action. New York: Basic Books.
  • Schützeichel, Rainer (2018). Professionswissen. In Christiane Schnell & Michaela Pfadenhauer (Hrsg.), Handbuch Professionssoziologie (S. 1–23). Wiesbaden: Springer VS.
  • Star, Susan & Griesemer, James (1989). Institutional ecology, ‚translations‘ and boundary objects: Amateurs and professionals in Berkeley’s Museum of Vertebrate Zoology, 1907-39. Social Studies of Science, 19(3), 387–420.
  • Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1990). Basics of qualitative research. Grounded theory procedures and techniques. Newbury Park, CA u.a.: Sage.