Postersession 2022

Gesundheit und Technik

Richard Paluch, David Struzek, Dennis Kirschsieper, Sven Bittenbinder & Claudia Müller (Universität Siegen, Wirtschaftsinformatik, insb. IT für die alternde Gesellschaft): Teilhabe durch Technik? Entwicklung von technischen Artefakten mit und für vulnerable Gruppen
Keywords: Partizipation, Bilder, Ethnografie, Gruppendiskussion, Fokusgruppen, Interviews, Grounded-Theory-Methodologie, qualitative Inhaltsanalyse

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Sven-Nelson Ruppert (Ostfalia Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel): Implementierung digitaler Assistenzsysteme und die Auswirkungen auf das pflegerische Outcome in der stationären Langzeitpflege
Keywords: Mixed Methods, Ethnografie, qualitative Inhaltsanalyse

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Arbeitswelt

Isabelle Riedlinger (Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften): Zeitarbeit in der Pflege. Eine qualitative Analyse professioneller Orientierungen
Keywords: Längsschnitt, fokussierte Interviews, dokumentarische Methode

[ AbstractPoster]

Nils Rottgardt & Dominik Spreen (Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik): Subjektive Verarbeitung biografischer Ereignisse und ihr Einfluss auf Deutungsmuster
Keywords: Deutungsmusteranalyse, Biografieforschung, Hysteresiseffekte

[ AbstractPoster]

Markus Lohse: Professionelles Beratungshandeln: Zur Herstellungslogik von Erkenntnis und Einsicht (Wissen)
Keywords: Rekonstruktive Sozialforschung, Integratives Analysemodell von Beratungsgesprächen

[ AbstractPoster]

Ronja Philipp & Gabriele Fischer (Hochschule München): Prof:inSicht – eine transdisziplinäre Analyse der Sichtbarkeit von Professorinnen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften mittels Triangulation
Keywords: Dokumentarische Methode, Transdisziplinarität, Triangulation

[ AbstractPoster]

Bildung

Verena Kumpusch (Universität Klagenfurt): Schule im Gender Knowledge Shift – Wissenssoziologische Diskursanalyse trifft Grounded Theory
Keywords: Wissenssoziologische Diskursanalyse, Dokumente, Grounded-Theory-Methodologie

[ AbstractPoster]

Sonja Hiebler1, Annelies Kreis1, Marco Galle1, Esther Brunner2 & Sanja Stankovic2 (1Pädagogische Hochschule Zürich, 2Pädagogische Hochschule Thurgau): Lernmomente von Lehramtsstudierenden in Unterrichtsbesprechungen in vier Akteurskonstellationen – eine vergleichende Gesprächsanalyse
Keywords: Mixed Methods, Unterrichtsbesprechungen, Fragebogen, pragmalinguistische Gesprächsanalyse

[ AbstractPoster]

Kathrin Lemmer (PH Freiburg): Forschen als spielerische Grenzbearbeitung – eine partizipative Studie zur Erkundung von Lernräumen mit Schüler*innen
Keywords: Partizipative Forschung, visuelle Daten, Gruppengespräche, Grounded-Theory-Methodologie

[ Abstract ]

Franziska Oberholzer (PH FHNW, Muttenz BL): Perspektive der Schüler*innen auf Probleme und Irritationen von (inklusivem) Unterricht
Keywords: Partizipative Forschung, Ethnographie, Photovoicemethode, Forschungstagebuch, Teilnehmende Beobachtung, Grounded- Theory- Methodologie

[ Abstract ]

Stefanie Spiegler (PH Ludwigsburg): Professionalisierung für das Steuerungshandeln von Lehramtsstudierenden in (inklusiven) Bildungssystemen – Handlungskoordination, Bedarfe und Effekte einer Professionalisierung in Baden-Württemberg
Keywords: Expert*inneninterviews, Fokusgruppeninterviews, qualitative Evaluation, qualitative Inhaltsanalyse

[ AbstractPoster]

Birgitt Erdwien, Julia Jochim, Cecilia Post & Sandra Höfener (Euro-FH): Das Fernstudium der Zukunft – eine Analyse der Bedarfe Fernstudierender unter Verwendung des Mixed-Methods-Ansatzes
Keywords: Workshops, Fragebogenerhebung, Mixed Methods, qualitative Inhaltsanalyse

[ AbstractPoster]

Familie und Identität

Anja Eichhorn, Universität Siegen (DFG-Graduiertenkolleg „Folgen sozialer Hilfen“): Welche Folgen hat Heimerziehung für Eltern? Perspektiven von Müttern und Vätern auf die Unterbringung ihrer Kinder
Keywords: Narrative Interviews, Grounded-Theory-Methodologie

[ Abstract ]

Lukas Baumann (Doktorand an der Universität Klagenfurt): In between and in transition. Methodologische Zugänge zum emotionalen Erleben junger Geflüchteter und ihren abwesenden Bezugspersonen
Keywords: Ethnografie, (semistrukturierte) Interviews, Netzwerkanalyse, Tiefenhermeneutik (Szenisches Verstehen), Grounded-Theory-Methodologie

[ Abstract ]

Nachhaltigkeit

Katharina Gapp-Schmeling, Patrick Matschoss & Bernhard Wern (IZES gGmbH): TRANSBIO: Delphi Befragung für die Transferarbeitsgruppe für Bioenergieanlagen im zukünftigen Energiesystem
Keywords: Partizipation, Fokusgruppen, Delphi, Fokusgruppen, qualitative Inhaltsanalyse, Mixed-Methods

[ AbstractPoster]

Anna Welz (HWR Berlin) & Katharina Gapp-Schmeling (IZES gGmbH und VICTORIA Hochschule): Akteursperspektiven der Wärmewende in der kommunalen Energieversorgung
Keywords: Akteursanalyse, interdisziplinärer Ansatz, Interviews und Dokumente, qualitative Inhaltsanalyse

[ AbstractPoster]

Politik und Kultur

Felix Schilk (Technische Universität Dresden): Entzweiung, Dekadenz, Apokalypse. Eine wissenssoziologische Narrativ- und Diskursanalyse von neurechten Krisenerzählungen
Keywords: Wissenssoziologische Diskursanalyse, Narrationsanalyse, Grounded-Theory-Methodologie

[ AbstractPoster]

Theresa Franke (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg): Der Antragstext als Mikrodispositiv. Eine Dispositivanalyse epistemischer Spannungsverhältnisse in der Wissenschaftskommunikation
Keywords: Längsschnitt, Dokumente, Interviews, teilnehmende Beobachtungen, Grounded-Theory-Methodologie, Dispositivanalyse

[ AbstractPoster]

Sandra Balbierz (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt): Big Data als politisches Aushandlungsphänomen. Eine Diskursanalyse am Beispiel von Plenarprotokollen des Deutschen Bundestages
Keywords: Mixed Method, deskriptive Analyse, wissenssoziologische Diskursanalyse (Phänomen/-Problemstruktur, Deutungsmusteranalyse)

[ AbstractPoster]

Methodenlehre

Christoph Stamann, Paul S. Ruppel & Günter Mey (Hochschule Magdeburg-Stendal): Qualitative Abschlussarbeiten verfassen: Herausforderungen für Studierende, Lehrende und Hochschulen
Keywords: Qualitative Qualifikationsarbeiten, Lehren und Lernen qualitativer Forschung, Didaktik, Digitalisierung

[ AbstractPoster]

Nicole Weydmann (Hochschule Furtwangen): Austausch zwischen Lehrenden qualitativer Forschungsmethoden: Unerwartet hohe Resonanz auf meine QSF_L Anfrage
Keywords: qualitative Methodenlehre, Hochschuldidaktik, Netzwerk, Lehr-Lern-Umgebungen, Lehrkonzepte, Lehren, Lernen, Werkstattgruppen

[ AbstractPoster]

Abstracts

Gesundheit und Technik

Teilhabe durch Technik? Entwicklung von technischen Artefakten mit und für vulnerable Gruppen

Richard Paluch, David Struzek, Dennis Kirschsieper, Sven Bittenbinder, Claudia Müller; Universität Siegen, Wirtschaftsinformatik, insb. IT für die alternde Gesellschaft

Forschungskontext: In Forschungsprojekten, die partizipativen Ansätzen folgen, werden unterschiedliche Implikationen für Designprozesse von technischen Artefakten angeführt. Insbesondere wird kontrovers diskutiert, ob und wie Technologien vulnerable Personen unterstützen können (Culén & van der Velden 2013).

Ausgangspunkt: Wir beziehen uns auf das Thema partizipative Forschung mithilfe von PraxLabs bezüglich vulnerabler Personen (Ogonowski et al. 2018). Dieses Konzept beinhaltet nicht nur einen sozio-informatischen Designansatz, sondern tritt auch in enge Symbiose mit dem jeweiligen Anwendungsfeld und den verschiedensten Akteursgruppen.

Forschungsfragen: Wie erfolgt die Beteiligung der Co-Forschenden? Wie vermitteln die jeweiligen Handlungsfelder die Co-Forschung?

Methodik: In einem PraxLab nimmt die partizipative Einbindung von Nutzenden einen besonderen Fokus ein, mit denen gemeinsam neue Lösungen entwickelt werden. Das Format findet in den realen Alltagsumgebungen der betroffenen Stakeholder statt, die als Co-Forschende und damit Expert*innen ihres Alltags betrachtet und so in den Forschungs- und Designprozess eingebunden werden. Innerhalb der zirkulären Entwicklungsprozesse werden eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Werkzeuge angewendet, um Aneignungsprozesse zu fördern und eine nachhaltige Nutzung von Technologien zu ermöglichen.

Ergebnisse: Wir präsentieren anhand unserer Projekte unterschiedliche Partizipationsformen, die sich u.a. in ihrer „Partizipationstiefe“ nach Arnstein (1969) unterscheiden lassen. Wir werden illustrativ Daten aus vier Projekten vorstellen, die (1) den Einsatz von Robotern in Pflegekontexten, (2) Arbeitsplätze von und für Menschen mit Behinderung, (3) die Entwicklung von technikunterstützten Bewegungsangeboten und (4) die Verwendung digitaler Tools in Caring Communities beleuchten. Dabei arbeiten wir unterschiedliche methodische Herausforderungen heraus und zeigen auf, wie sie in den Projekten bewältigt wurden.   

Anliegen der Posterpräsentation: Mit dem Poster möchten wir eine Diskussion darüber anstoßen, wie Wissen in den PraxLabs entsteht, die je eigenen Bedarfe der Stakeholder identifiziert, zukünftige Anwendungsweisen ausgelotet und die Aneignung in der Praxis evaluiert werden.

Kontakt: richard.paluch@uni-siegen.de / https://italg.wineme.uni-siegen.de 

Literatur

  • Arnstein, Sherry R. (1969). A ladder of citizen participation. Journal of the American Institute of planners, 35(4), 216-224.
  • Culén, Alma Leora & van der Velden, Maja (2013). The digital life of vulnerable users: designing with children, patients, and elderly. In Margunn Aanestad & Tone Bratteteig (Hrsg.), Scandinavian Conference on Information Systems (S.53-71). Berlin, Heidelberg: Springer.
  • Ogonowski, Corinna; Jakobi, Timo; Müller, Claudia & Hess, Jan (2018). PRAXLABS: A sustainable framework for user-centered information and communication technology development – cultivating research experiences from living labs in the home. In Volker Wulf, Volkmar Pipek, Dave Randall, Markus Rohde, Kjeld Schmidt & Gunnar Stevens (Hrsg.), Socio-Informatics: A practice-based perspective on the design and use of IT artifacts (S.319-360). Oxford: Oxford University Press.

Implementierung digitaler Assistenzsysteme und die Auswirkungen auf das pflegerische Outcome in der stationären Langzeitpflege

Sven-Nelson Ruppert; Ostfalia Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel

Ausgangspunkt: Mehr als 800.000 pflegebedürftige Menschen in Deutschland werden in der stationären Langzeitpflege versorgt (Statistisches Bundesamt 2020). Dem gegenüber steht ein sich progressiv entwickelnder Pflegefachkräftemangel von über 300.000 professionell Pflegenden bis 2035 (Radtke 2022). Vor diesem Hintergrund wird zunehmend auf die Digitalisierung in der Pflege gesetzt, wobei zu fragen ist, ob ein smartes Pflegebett die Pflegenden unterstützt und ob dadurch sich der pflegerische Outcome steigern lässt.

Forschungsfrage: In der Studie wird die Implementierung von 97 digitalen Pflegebetten in einer Altenpflegeeinrichtung untersucht, inwiefern das pflegerische Handeln durch die Implementierung dieser Betten beeinflusst wird. Dabei dienen Inzidenzen zu Dekubitus, Sturz sowie der Ernährungszustand der Bewohnenden als quantitative Qualitätsindikatoren.

Methodik: Der Mixed-Methods-Ansatz ermöglich die Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden (Kuckartz 2014). Ziel dessen ist es, ein breites Spektrum Forschungsdaten zu erhalten. Die qualitativen Forschungsmethoden erlauben zudem, der antizipierten Kontingenz des explorativen Forschungsansatzes zu begegnen (Rieker & Seipel 2006). Handlungsleitender methodischer Rahmen ist die Ethnografie. Sie untersucht gemeinsame Verhaltensmuster und geteilte Wertvorstellungen innerhalb einer Gruppe (Fringer & Schrems 2018). Die teilnehmende Beobachtung und Expert*inneninterviews werden als Hauptinstrumente der Ethnografie angewandt (Knoblauch & Vollmer 2019). Die teilnehmende Beobachtung eignet sich besonders, da sie stattfindendes Handeln erfasst (Thierbach & Petschick 2019). Verbunden mit beiden Instrumenten werden ero-epische Gespräche geführt, um der sozialen Wirklichkeit der Gruppe gewahr zu werden (Girtler 2001). Eine Fragebogenerhebung zur Technikaffinität der Teilnehmenden ergänzt quantitativ die Datenlage. Die qualitativen Daten werden mit der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2018) ausgewertet, die quantitativen Daten deskriptiv.

Ergebnisse: Offensichtlich wurde, dass technische Unzulänglichkeiten, pandemiebedingte Restriktion, eine inadäquate Personalsituation im Pflegedienst sowie Management die Implementierung der Pflegebetten sowie die Datenerhebung negativ beeinflusst haben. Eine inadäquate Implementierungsstrategie, fragmentierte Pflegearbeit sowie eine nicht am Pflegeprozess orientierte Pflegepraxis führten zur Stagnation der Implementierung der Pflegebetten.

Anliegen der Posterpräsentation: In disziplinübergreifenden Diskussionen mit anderen Forschenden gilt es zu diskutieren, ob der qualitative Schwerpunkt beim Erkennen von Implementierungsproblemen anders in Richtung Management der Pflegeeinrichtung hätte ausgerichtet werden müssen und wie vor allem den strukturellen Implementierungsproblemen begegnet werden könnte.

Kontakt: s.ruppert@ostfalia.de

Literatur

  • Fringer, André & Schrems, Berta (2018). Qualitative Designs. In Hermann Brandenburg, Eva-Maria Panfil, Herbert Meyer & Berta Schrems (Hrsg.), Pflegewissenschaft 2. Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Methoden der Pflegeforschung (3. Auflage, S.73-92). Bern: Hogrefe.
  • Girtler, Roland (2001). Methoden der Feldforschung (4. Auflage). Wien: Böhlau Verlag.
  • Knoblauch, Hubert & Vollmer, Theresa (2019). Ethnografie. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (2. Auflage, S.599-617). Wiesbaden: Springer VS.
  • Kuckartz, Udo (2014). Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden: Springer VS.
  • Kuckartz, Udo (2018). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Radtke, Rainer (2022). Bedarf an Pflegekräften in Deutschland bis 2035, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/172651/umfrage/bedarf-an-pflegekraeften-2025/.
  • Rieker, P. & Seipel, C. (2006). Offenheit und Vergleichbarkeit in der qualitativen und quantitativen Forschung. In K.-S. Rehberg (Hrsg.), Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilband 1 und 2 (S.4038-4046). Frankfurt am Main: Campus Verlag, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-142320.
  • Statistisches Bundesamt (2020). Pflegebedürftige nach Versorgungsart, Geschlecht und Pflegegrad, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/Tabellen/pflegebeduerftige-pflegestufe.html.
  • Thierbach, Cornelia & Petschick, Grit (2019). Beobachtung. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (2. Auflage, S.1165-1180). Wiesbaden: Springer VS.

Arbeitswelt

Zeitarbeit in der Pflege. Eine qualitative Analyse professioneller Orientierungen

Isabelle Riedlinger; Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften

Ausgangspunkt: Vor dem Hintergrund des bundesweit knappen Fachkräfteangebots in der beruflichen Pflege mag es verwundern, dass Zeitarbeit als Beschäftigungsmodell bedeutsam ist (Bundesagentur für Arbeit 2022). Der Einsatz von Zeitarbeiter*innen in der Pflegebranche ist umstritten und stellt Einrichtungen vor diverse Herausforderungen. Gleichzeitig rücken auch die subjektiven Vorzüge von Zeitarbeit in der Pflege für die Nutzer*innen in den Blick (Krupp et al. 2020). Teilweise höhere Löhne, Zusatzleistungen und selbst aushandelbare Arbeitszeiten steigern die Attraktivität von Zeitarbeit. Hierdurch bietet sich für Pflegekräfte eine Möglichkeit, die dauerhafte Arbeitsbelastung zu reduzieren und dennoch im Beruf zu verbleiben (Riedlinger et al. 2020).

Forschungsfragen: In dem Dissertationsprojekt werden die professionellen Orientierungen der Pflegefachkräfte vor dem Hintergrund eines Wechsels von einer Festanstellung in die Zeitarbeit analysiert. Zudem sollen Gewichtungen prekaritätsrelevanter Dimensionen (Motakef 2015) in Bezug auf die unterschiedlichen Anstellungsverhältnisse verglichen werden. Unterschiedliche Interviewzeitpunkte ermöglichen zudem einen Fokus auf die Einordnung der Folgen der COVID-19-Pandemie. Die Frage der Vergeschlechtlichung von Pflegearbeit (Aulenbacher 2020) wird hierbei als querliegende Perspektive mit einbezogen.

Methodik: Sieben Leitfadeninterviews (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2021) wurden 2019 mit Pflegefachkräften geführt, die zu diesem Zeitpunkt über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt waren. 2022 sollen die gleichen Pflegefachkräfte erneut interviewt werden. Die Interviews werden mittels dokumentarischer Methode (Nohl 2017) im Hinblick auf die professionelle Orientierung und die Aushandlung unterschiedlicher Prekaritätsdimensionen ausgewertet. Vergleichend und kontrastierend werden sowohl die verschiedenen Deutungen der einzelnen Pflegefachkräfte analysiert als auch die jeweiligen Veränderungen und Kontinuitäten im zeitlichen Verlauf.

Anliegen der Posterpräsentation: Das methodische Design soll im Hinblick auf die Forschungsfragen zur Diskussion gestellt werden. Überdies freue mich über Vernetzung hinsichtlich geschlechtersensibler arbeitssoziologischer Themen.

Kontakt: isabelle.riedlinger@hm.edu

Literatur

  • Aulenbacher, Brigitte (2020). Auf neuer Stufe vergesellschaftet: Care und soziale Reproduktion im Gegenwartskapitalismus. In Karina Becker, Kristina Binner & Fabienne Décieux (Hrsg.), Gespannte Arbeits- und Geschlechterverhältnisse im Marktkapitalismus (S.125-147). Wiesbaden: Springer VS.
  • Bundesagentur für Arbeit (2022). Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich. Nürnberg.
  • Krupp, Elisabeth; Hielscher, Volker & Kirchen-Peters, Sabine (2020). Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege – Umsetzungsbarrieren und Handlungsansätze. In Klaus Jacobs, Adelheit Kuhlmey, Stefan Greß, Jürgen Klauber & Antje Schwinger (Hrsg.), Pflege-Report 2019. Mehr Personal in der Langzeitpflege – aber woher? (S.113-122). Berlin: Springer Open.
  • Motakef, Mona (2015). Prekarisierung. Bielefeld: transcript.
  • Nohl, Arnd-Michael (2017). Interview und Dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis (5., aktualisierte und erweiterte Auflage). Wiesbaden: Springer VS.
  • Przyborski, Aglaja & Wohlrab-Sahr, Monika (2021). Qualitative Sozialforschung: ein Arbeitsbuch (5., überarbeitete und erweiterte Auflage). Oldenburg: De Gruyter.
  • Riedlinger, Isabelle; Fischer, Gabriele; Lämmel, Nora & Höß, Tanja (2020). „Leasing ist wie ein stummer Streik“ – Zeitarbeit in der Pflege. AIS-Studien, 13(2), 142-157.

Subjektive Verarbeitung biografischer Ereignisse und ihr Einfluss auf Deutungsmuster

Nils Rottgardt & Dominik Spreen; Universität Duisburg-Essen / Fakultät für Bildungswissenschaften, Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik

Forschungskontext: Im DFG geförderten Projekt (Ul 18/16-1) „Deutungsmuster von Arbeitslosigkeit“ wurde untersucht, welche sozialen Deutungsmuster für die Wahrnehmung und Beurteilung von Arbeitslosigkeit und Arbeitslosen ausschlaggebend sind. Im hier vorgestellten Folgeprojekt wird der Fokus auf einem möglichen generationellen Wandel in der Struktur bzw. Ausprägung dieser Deutungsmuster liegen. Einen solchen Wandel legen einerseits im vorangegangenen Projekt geführte Interviews nahe, andererseits die erheblichen Veränderungen der vergangenen 70 Jahre in den Bereichen Arbeitsmarkt, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Es wird davon ausgegangen, dass diese zu unterschiedlichen wohlfahrtsstaatlichen Generationen (Leisering, 2000) und damit zu einem Wandel der Deutungsmuster geführt haben.

Forschungsfragen: Inwiefern sind Deutungsmuster von Arbeitslosigkeit bei verschiedenen „Generationen“ unterschiedlich ausgeprägt und auf Basis welcher generationsspezifischen kollektiven Erfahrungen werden die entsprechenden Deutungsmusterausprägungen plausibilisiert?

Methodik/Anlage der Studie: Um dem generationellen Wandel nachzuspüren, erfolgt das Sampling zunächst selektiv anhand zweier Alterskohorten. Innerhalb dieser Gruppen wird dann zu einem theoretischen Sampling übergegangen. Die Datenerhebung erfolgt mittels leitfadengestützter diskursiver Interviews (Ullrich 2020), die um narrative (Rosenthal 2015) und episodische (Flick 2017) Elemente ergänzt werden, welche u.a. als immanente Nachfragen zu Argumentationen der Befragten dienen. So können die individuellen Derivationen sozialer Deutungsmuster (Ullrich 2020) nach jeweils subjektiven Relevanz- bzw. Plausibilitätskriterien an (berufs-)biografische Erfahrungen geknüpft werden. Diese wiederum gewähren Einblicke in die legitimatorische Erfahrungsbasis und ermöglichen die Rekonstruktion der unterschiedlichen Bezugsprobleme bzw. Abstraktionsgrundlagen von Deutungsmustern.

Ergebnisse: Die konstatierten Veränderungen in der Arbeitswelt treffen bei der älteren Kohorte auf bereits bestehende Deutungsmuster, die dadurch möglicherweise unter Druck geraten. Für die jüngere Kohorte hingegen stellen die Veränderungen den Status quo dar.

Anliegen der Posterpräsentation: Die Forschungsfrage lädt dazu ein, darüber zu diskutieren, wie diese Veränderungen in der individuellen Biografie subjektiv verarbeitet werden und als etwaige Hysteresiseffekte rekonstruiert werden können.

Kontakt: nils.rottgardt@uni-due.de / dominik.spreen@uni-due.de

Literatur

  • Flick, Uwe (2017). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung (8. Auflage). Reinbek: Rowohlt.
  • Leisering, Lutz (2000). Wohlfahrtsstaatliche Generationen. In Martin Kohli & Marc Szydlik (Hrsg.), Generationen in Familie und Gesellschaft (S.59-76). Wiesbaden: VS.
  • Rosenthal, Gabriele (2015). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung (5., aktualisierte und ergänzte Auflage). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Ullrich, Carsten G. (2020). Das Diskursive Interview. Methodische und methodologische Grundlagen (2. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.

Professionelles Beratungshandeln: Zur Herstellungslogik von Erkenntnis und Einsicht (Wissen)

Markus Lohse; Hochschule Mittweida, Fakultät Soziale Arbeit

Forschungskontext: Supervision/Coaching ist ein arbeitsweltbezogenes Beratungsformat. Es versteht sich als reflexive Beratung zur Wiedererlangung bzw. Erweiterung von Handlungsfähigkeit im Beruf. Bislang ist die Supervisions- und Coachingforschung eher auf Wirkfaktoren (Input-Outcomeorientierung) und weniger prozessorientiert ausgerichtet. Außerdem basiert sie zu wenig auf realen Gesprächsdaten (Pick 2022). Zudem ist Beratungsforschung bisher noch zu wenig interaktionsanalytisch orientiert (Möller 2010). Im Mittelpunkt der Orientierung auf den Prozess steht die Frage, wie Wissen (Erkenntnis, Einsicht) von und zwischen den Beteiligten interaktiv erzeugt wird (Busse, Hansen & Lohse 2013; Hansen & Lohse 2011). Berater*innen und Ratsuchende interagieren partiell immer vom Standpunkt des relativen Nichtwissens. Supervision/Coaching setzt somit nicht nur Wissen voraus, sondern erzeugt es situativ. Die Integration von Wissen und Können im Beratungshandeln ist eine Kompetenzfrage und damit eine (beratungs-)schulenübergreifende Herausforderung (Busse 2021). Mit der Kompetenzorientierung in Supervision/Coaching steht (nach wie vor) ihr Wirkungsnachweis in engem Zusammenhang (ebd., S. 172). So es um Wirksamkeit professionellen Beratungshandelns geht, rückt mit dem Kontrastierungsansatz der Expertiseforschung (Gruber & Ziegler 1996; Boshuizen, Gruber & Strasser 2020) ein im Feld natürlich vorkommender Erfahrungsunterschied bei Expert*innen (langjährige Beratungserfahrung) und Noviz*innen in den Fokus.

Fragestellung: Die Studie untersucht die offene Frage, WIE die sich interaktive Erzeugung des WAS, sprich Erkenntnis und Einsicht (Wissen) in Supervisionsprozessen vollzieht. Ziel ist es, mittels eines inhaltsinteraktionsanalytisch-rekonstruktiven Vorgehens die Ko-Produktion von Erkenntnis/Einsicht und damit die miteinander verschleifte Verwendung und Herstellung von (Fall-)Wissen zu rekonstruieren.

Datenmaterial: 60/90-minütige Audioaufzeichnungen von Einzelsupervisionssitzungen von Beratungsexpert*innen und -noviz*innen.

Analytischer Ausgangspunkt: Mit der Konversationsanalyse (Deppermann 2014) wird sich in der Rekonstruktion vor allem auf das, WIE etwas gesagt wird, konzentriert, wohingegen inhaltsanalytisch (Mayring & Fenzl 2019) das WAS des Gesagten im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht.

Methodik: Die Interaktionsprotokolle wurden anhand eines Phasenmodells (Busse 2009) strukturiert und mit Hilfe des Zirkulären Dekonstruierens (Jaeggi, Faas & Mruck 1998) aufgeschlossen und auf der Basis des Integrativen Analysemodells von Beratungsgesprächen (Busse, Hansen & Lohse 2013) vollständig rekonstruiert.

Ergebnis: Mit der Forschungsarbeit wird ein Theorienentwurf entwickelt und vorgestellt, der professionelles Beratungshandeln in Supervision/Coaching als triadisch verfasste Interaktionsaufgabe zwischen Falltheorieproduktion/Fallreflexion/Lernen am Fall und somit als potenziellen, ko-produzierten, reflexiven Lernprozess versteht und schließlich damit als forschungsnahes Beratungshandeln empirisch belegt.

Anliegen der Posterpräsentation: Diskussion zur Plausibilität des grafisch dargestellten Theorieentwurfs.

Kontakt: lohse@hs-mittweida.de

Literatur

  • Boshuizen, Henny P.A.; Gruber, Hans & Strasser, Josef (2020). Knowledge restructuring through case processing: The key to generalize expertise development theory across domains? Educational Research Review, 29, Art.-Nr. 100310.
  • Busse, Stefan (2009). Lernen am Fall – Erkenntnis in der Beratung. Der Fall als Erkenntnisquelle in Forschung, Bildung und Beratung. Supervision. Mensch, Arbeit, Organisation, 27, 8-16.
  • Busse, Stefan (2021). Supervision und Soziale Arbeit – historisch verwandt, praktisch verbunden, konzeptuell entfernt. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 28, 165-180.
  • Busse, Stefan; Hansen, Simona & Lohse, Markus (2013). Methodische Rekonstruktion von Wissen in Supervisionsprozessen. In Stefan Busse & Brigitte Hausinger (Hrsg.), Supervisions- und Coachingprozesse erforschen. Theoretische und methodische Zugänge (S.14-53). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Deppermann, Arnulf (2014). Konversationsanalyse: Elementare Interaktionsstrukturen am Beispiel der Bundespressekonferenz. In Sven Staffeldt & Jörg Hagemann (Hrsg.), Pragmatiktheorien. Analysen im Vergleich (S.19-47). Tübingen: Stauffenburg.
  • Hansen, Simona & Lohse, Markus (2011). Supervision Plus. Professionelle Beratung als interaktive Generierung von Wissen. Hochschule Mittweida. [unveröffentlichte Masterarbeit]
  • Jaeggi, Eva; Faas, Angelika & Mruck, Katja (1998). Denkverbote gibt es nicht! Vorschlag zur interpretativen Auswertung kommunikativ gewonnener Daten. Forschungsbericht aus der Abteilung Psychologie im Institut für Sozialwissenschaften. Technische Universität Berlin, https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/4977.
  • Mayring, Philipp & Fenzl, Thomas (2019). Qualitative Inhaltsanalyse. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.633-648). Wiesbaden: Springer VS.
  • Möller, Heidi (2010). Supervision und Supervisionsforschung als Selbstkonfrontationsprozess. In Stefan Busse & Susanne Ehmer (Hrsg.), Wissen wir, was wir tun? Beraterisches Handeln in Supervision und Coaching (S.218-236). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Pick, Ina (2022). Beraten in Interaktion: Gesprächslinguistische Ergebnisse. Netzwerk Rekonstruktive Soziale Arbeit – Jahrestagung 2022. Hochschule Mittweida, Fakultät Soziale Arbeit, 06. Mai 2022. [unveröffentlichter Vortrag]

Prof:inSicht – eine transdisziplinäre Analyse der Sichtbarkeit von Professorinnen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften mittels Triangulation

Ronja Philipp & Gabriele Fischer; Hochschule München

Forschungskontext und Ausgangslage: Der Ausgangspunkt dieses Forschungsprojekts basiert auf der Prämisse, dass Professorinnen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) mit einem doppelten Malus hinsichtlich ihrer Sichtbarkeit behaftet sind: Zum einen sind Frauen in der Wissenschaft auf vielfältige Weise mit einem Gender Bias konfrontiert (Beaufaÿs & Krais 2005; Pan et al. 2015; Samjeske 2012), zum anderen ringen Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Expertise um Anerkennung gegenüber den Universitäten. Dieses vom BMBF finanzierte Forschungsprojekt analysiert die Sichtbarkeit und Sichtbarkeitspraktiken von Professor*innen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften in einem transdisziplinär angelegten Design mit Perspektiven der Sozialwissenschaften, der Ökonomie und der Informatik.

Forschungsfragen: Das Forschungsprojekt folgt einem praxeologischen Verständnis von Sichtbarkeit als Herstellungsprozess. Ziel des Forschungsprojekts ist es, Sichtbarkeitspraktiken empirisch zu fundieren und dabei die Darstellungsbemühungen seitens der Professor*innen als auch die Wahrnehmbarkeit im digitalen Raum in den Blick zu nehmen. Forschungsleitende Fragestellungen sind dabei, welche Sichtbarkeitsambitionen vorliegen, welche Wege der Sichtbarkeit gesucht werden und welche Gelingens- und Scheiternsbedingungen sich feststellen lassen. Zentral wird die Frage sein, welche geschlechterpezifischen Unterschiede bei der Herstellung von Sichtbarkeit festzustellen sind.

Methodik: Die Forschungsfrage wird ausgehend von der Transdisziplinarität des Projekts mit unterschiedlichen Methoden adressiert: qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung sowie informatische Analysen. Die qualitative Erhebung erfolgt mittels explorativer Expert*inneninterviews (Honer 2011; Meuser & Nagel 2005) und Gruppendiskussionen (Bohnsack et al. 2010). Diese werden mit der dokumentarischen Methode (Nohl 2013) ausgewertet. Die Ergebnisse der qualitativen Forschung fließen sowohl in eine quantitative Erhebung der Sichtbarkeitspraktiken ein als auch in die informatische Analyse eines algorithmischen Gender Bias.

Anliegen der Posterpräsentation:  Das Projekt steht noch am Anfang und befindet sich in der Konkretisierung der methodischen Operationalisierung. Die Posterpräsentation bietet eine sehr gute Möglichkeit der kritischen Reflexion des komplexen Forschungsdesigns.

Kontakt: ronja.philipp@hm.edu

Literatur

  • Beaufaÿs, Sandra & Krais, Beate (2005). Doing Sciene – Doing Gender. Die Produktion von Wissenschaftlerinnen und die Reproduktion von Machtverhältnissen im wissenschaftlichen Feld. Feministische Studien 23 (1), 82–99, https://doi.org/10.1515/fs-2005-0108.
  • Honer, Anne (2011). Kleine Leiblichkeiten. Wiesbaden: VS.
  • Meuser, Michael & Nagel, Ulrike (2005). ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.), Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung (2. Auflage, S.71–93). Opladen: Leske + Budrich.
  • Nohl, Arnd-Michael (2013). Interview und dokumentarische Methode. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Pan, Lei; Kamalski, Judith & Kalinaki, Elizabeth (2015). Mapping gender in the German research arena, https://www.elsevier.com/__data/assets/pdf_file/0011/1083953/Elsevier-Germany-gender-report-2015.pdf.
  • Samjeske, Kathrin (2012). Gender Bias in der Forschungsförderung – ein Forschungsüberblick. Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 21(1), 158-162, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-3411.

Bildung

Schule im Gender Knowledge Shift – Wissenssoziologische Diskursanalyse trifft Grounded Theory

Verena Kumpusch; Universität Klagenfurt

Forschungskontext: Seit 1995 ist u.a. über den Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“, vormals „Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männer“, Geschlecht als „überfachliches Unterrichtsprinzip“ und damit als „Wissensordnung“ (Keller 2011) im österreichischen Bildungswesen verankert. Dieses diskursive „Geschlechterwissen“ (z.B. Wetterer 2008) für die Schule findet sich in vom Bildungsministerium empfohlenen Handreichungen zur Unterrichtsgestaltung für Lehrpersonen und wird mit dieser Arbeit erstmals analysiert.

Forschungsfrage: Vor diesem Hintergrund wird gefragt, welche Wissensordnungen hinsichtlich Geschlecht durch diskursive Aushandlungsprozesse in Handreichungen für das österreichische Bildungssystem (re-)produziert werden.

Methodik: Die Arbeit folgt dem Forschungsprogramm der Wissenssoziologischen Diskursanalyse (WDA) (Keller 2011). Für den Prozess der Auswertung wird unter Berücksichtigung der Forschungsinteressen und damit verbundenen Empfehlungen der WDA weiter auf das methodische Repertoire der Grounded Theory (Strauss & Corbin 1996; vgl. auch Mey & Mruck 2020) zurückgegriffen.

Anliegen der Posterpräsentation: Vor dem Start in die Auswertungsphase erhoffe mir eine kritische Diskussion, um blinde Flecken präventiv zu reflektieren. Weiter freue ich mich über Austausch mit Forscher*innen, die sich ebenfalls mit Diskursforschung, Grounded-Theory-Methodologie und/oder Geschlechter- und Schulfragen befassen.

Kontakt: verena.kumpusch@aau.at / https://www.aau.at/team/kumpusch-verena/

Literatur

  • Keller, Reiner (2011). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS.
  • Mey, Günter & Mruck, Katja (2020). Grounded-Theory-Methodologie. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.). Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Band 2: Designs und Verfahren (2., aktualisierte u. erweiterte Auflage, S.513-535). Wiesbaden: Springer.
  • Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
  • Wetterer, Angelika (2008). Geschlechterwissen: Zur Geschichte eines neuen Begriffs. In Angelika Wetterer (Hrsg.), Geschlechterwissen und soziale Praxis. Theoretische Zugänge – empirische Erträge (S.13-37). Königstein/Taunus: Ulrike Helmer.

Lernmomente von Lehramtsstudierenden in Unterrichtsbesprechungen in vier Akteurskonstellationen – eine vergleichende Gesprächsanalyse

Sonja Hiebler1, Annelies Kreis1, Marco Galle1, Esther Brunner2 und Sanja Stankovic2; 1Pädagogische Hochschule Zürich, 2Pädagogische Hochschule Thurgau

Forschungskontext: In der berufspraktischen Lehrpersonenbildung sind Unterrichtsbesprechungen bedeutsam für die Kompetenzentwicklung der Lehramtsstudierenden (Futter 2017). Neben der Praxislehrperson besprechen weitere Ausbildungsakteur*innen wie hochschulbasierte Mentorierende und Fachdidaktiker*innen mit Studierenden Unterricht. Eine zentrale Rolle nehmen auch gemeinsam platzierte Peers ein. Interaktion und Gesprächshandeln von Studierenden in Unterrichtsbesprechungen mit unterschiedlichen Akteur*innen wurden bis anhin kaum vergleichend erforscht. Dies soll im Rahmen der Dissertation – im Kontext der vom Schweizerischen Nationalfond geförderten Studie DiaMaNt (Kreis & Brunner 2019) – geleistet werden. Theoretische Grundlage zur Analyse von Gesprächen bildet dabei die Activity Theory (Engeström 1999).

Forschungsfrage: In der Studie wird gefragt, worin sich Unterrichtsbesprechungen von Studierenden mit unterschiedlichen Akteur*innen unterscheiden. Dabei werden Sequenzen zu Inhalten fokussiert, die Studierende als bedeutsame Lernmomente beschreiben. Das Gesprächshandeln wird vergleichend zwischen Akteurskonstellationen analysiert.

Methodik: Als Datengrundlage dienen videografierte Unterrichtsbesprechungen von 35 Studierenden mit je vier verschiedenen Akteur*innen und ein Fragebogen, den die Studierenden im Anschluss an die Besprechungen beantworteten. Die 130 Videos werden mit der pragmalinguistischen Gesprächsanalyse (Kreis 2012) analysiert, wobei auf das Gesprächshandeln der Akteur*innen fokussiert wird. Die Fragebogenantworten zu Lernmomenten in Unterrichtsbesprechungen werden inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Aufgrund von Daten einer Vorstudie wurden Kategoriensysteme für die Gesprächsanalyse entwickelt. Die Analyse erfolgt ab Juli 2022.

Anliegen der Posterpräsentation: Um das methodische Vorgehen zur Fallauswahl aufgrund der im Fragebogen berichteten Lernmomente und das gesprächsanalytische Verfahren zu diskutieren, werden exemplarisch Transkriptauszüge aus zwei Besprechungen unterschiedlicher Gesprächskonstellationen vorgestellt.

Kontakt: sonja.hiebler@phzh.ch

Literatur

  • Engeström, Yrjö (1999). Activity theory and individual and social transformation. In Yrjö Engeström, Reijo Miettinen & Raija-Leena Punamäki(Hrsg.), Perspectives on activity theory (S.19-38). Cambridge: Cambridge University Press.
  • Futter, Kathrin (2017). Lernwirksame Unterrichtsbesprechungen im Praktikum. Heilbronn: Julius Klinkhardt.
  • Kreis, Annelies (2012). Produktive Unterrichtsbesprechungen: Lernen im Dialog zwischen Mentoren und angehenden Lehrpersonen. Bern: Haupt.
  • Kreis, Annelies & Brunner, Esther (2019). Lerngelegenheiten für Lehrstudierende im sozialen Netzwerk Praxisfeld aus allgemein- und mathematikdidaktischer Perspektive (Projektantrag). Bern: SNF.

Forschen als spielerische Grenzbearbeitung – eine partizipative Studie zur Erkundung von Lernräumen mit Schüler*innen

Kathrin Lemmer; PH Freiburg

Forschungskontext: Auch wenn Kindern eine Teilhabe an sozialen Prozessen zugesprochen wird, werden sie kaum als Akteur*innen in Forschungsprozesse im Feld Schule involviert. Anknüpfend an erste Befunde zur partizipativen Exploration von Lernräumen mit Schüler*innen (Köpfer et al. 2020) werden in dem Dissertationsprojekt die Forschungspraktiken von Schüler*innen im Kontext partizipativer Forschung fokussiert.

Forschungsfrage: Hierfür wird entlang des Forschungsgegenstands Raum beleuchtet, wie Machtbeziehungen zwischen den beteiligten Akteur*innen im Rahmen partizipativer Forschung verhandelt werden. In diesem Kontext werden die bisher weitestgehend vernachlässigten Forschungspraktiken von Schüler*innen rekonstruiert (Feichter 2015). Die leitende Forschungsfrage lautet: Wie erforschen Schüler*innen Lern- und Rückzugsräume partizipativ?

Methodik: Die im Kontext partizipativer Forschung entstandenen Daten werden mit der konstruktivistischen Grounded Theory (Charmaz 2014) und der visuellen Grounded-Theory-Methodologie analysiert (Mey & Dietrich 2016).

Ergebnisse: Im laufenden Auswertungsprozess zeigt sich, dass in Abhängigkeit zu den Feldern Schule und Wissenschaft, in die die Akteur*innen involviert sind, Forschen als Spielen mit, in und zwischen Grenzen rekonstruiert werden kann.

Diskussion: Es gibt methodische Vorschläge dazu, wie mit Schüler*innen im Kontext sozialwissenschaftlicher Forschung geforscht werden kann (Wöhrer et al. 2018). Jedoch wurde bisher nicht beleuchtet, welches Forschungsverständnis Schüler*innen im Kontext partizipativer Forschung anlegen. Die abgeleiteten Erkenntnisse sollen helfen, diese Forschungslücke zu füllen und somit dazu beitragen, am Beispiel Raum Kenntnisse für die partizipative Forschung mit Schüler*innen zu generieren.

Anliegen der Posterpräsentation: U.a. erhoffe ich mir, method(olog)ische Impulse zum Vorgehen zu bekommen mit Blick auf die Kombination der Grounded-Theory-Methodologie-Varianten.

Kontakt: kathrin.lemmer@ph-freiburg.de

Literatur

  • Charmaz, Kathy C. (2014). Constructing Grounded Theory (2. Auflage). Thousand Oaks: Sage.
  • Feichter, Helene (2015). Schülerinnen und Schüler erforschen Schule. Möglichkeiten und Grenzen. Wiesbaden: Springer VS.
  • Köpfer, Andreas; Lemmer, Kathrin & Rißler, Georg (2020). Zwischen Fremd- und Selbstbestimmung – Raumnutzung von Rückzugsräumen durch Schüler*innen in inklusionsorientierten Schulen. Gemeinsam Leben. Zeitschrift für Inklusion, 28(2), 68-76.
  • Mey, Günter & Dietrich, Marc (2016). Vom Text zum Bild – Überlegungen zu einer visuellen Grounded-Theory-Methodologie. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17(2). https://doi.org/10.17169/fqs-17.2.2535.
  • Wöhrer, Veronika; Wintersteller, Teresa; Schneider, Karin; Harrasser, Doris & Arztmann, Doris (2018). Praxishandbuch Sozialwissenschaftliches Forschen mit Kindern und Jugendlichen. Beltz Juventa.

Perspektive der Schüler*innen auf Probleme und Irritationen von (inklusivem) Unterricht

Franziska Oberholzer; PH FHNW, Muttenz BL

Ausgangspunkt: Die Herausforderung inklusiver Lernprozesse besteht darin, Lerngegenstände so zu individualisieren, dass sie den unterschiedlichsten Lernausgangslagen der Schüler*innen entsprechen, und dennoch Lernen als gemeinsamen Prozess ermöglichen (Moser Opitz 2014; Sahli Lozano et al. 2017). Im Kontext des Dissertationsvorhabens stehen Inklusions- und Exklusionserfahrungen im (inklusiven) Unterricht im Kontext von zwei Schulklassen (BS und BL). Dabei wird der Frage nachgegangen, inwiefern die Perspektiven der am Unterricht beteiligten Akteur*innen – dabei insbesondere diejenige der Schüler*innen – dazu genutzt werden können, (alternative) Umsetzungsmöglichkeiten für den (inklusiven) Unterricht aufzuzeigen. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Problemstellungen bzw. Exklusionserfahrungen im Unterricht als Fähigkeit-Erwartungskonflikte äußern (Weisser 2007), die von den Akteur*innen im Rahmen der gemeinsamen Erforschung von Unterricht benannt werden können.

Forschungskontext: Die Dissertation wird im Rahmen des Teilprojekts 2 des SNF-Projekts mit dem Titel „Primarschulen im Spannungsfeld von Inklusion und Bildungsstandards“ verfasst. Das Teilprojekt 2 fokussiert auf die gemeinsame Erforschung und Weiterentwicklung des Unterrichts.

Methodik: Für die Erforschung inklusiven Unterrichts scheint es von zentraler Bedeutung zu sein, nicht nur die Perspektive der Lehrpersonen sondern insbesondere diejenige der Schüler*innen zu erfassen und diese dazu zu befragen, wie sie das Lernen in inklusiven Settings erleben. So zeigen beispielsweise Florian und Beaton (2018) in ihrer Studie auf, inwiefern Lehrpersonen die Aussagen der Kinder in Bezug auf ihr Lernen für die Gestaltung des Unterrichts verwenden können. Auch Buchner (2018) zeigt auf, dass für die Erforschung von Bildungsprozessen die Sichtweise der Schüler*innen zentral ist. Für die vorliegende Forschung wurde ein partizipativer Zugang gewählt, welcher versucht, die Perspektiven aller Akteur*innen des Unterrichts aufzuzeigen, dabei wird insbesondere der Perspektive der Schüler*innen eine besondere Rolle zugesprochen. Durch gemeinsame Reflexionsgespräche werden mögliche Probleme und Irritationen herausgearbeitet und die Daten werden gemeinsam verdichtet. Das Dissertationsprojekt an sich zieht zusätzlich Beobachtungsprotokolle bei und wertet die Daten in Bezug auf die vorliegende Fragestellung mit der Grounded-Theory-Methodologie (Strauss & Corbin 1996) aus. 

Ergebnisse: Die erste Feldphase wurde abgeschlossen und die ersten Auswertungen zeigen, dass die Schüler*innen im Unterricht eine gewisse Orientierungslosigkeit erleben. 

Anliegen der Posterpräsentation: Ich würde mich über Diskussionen zu den ersten Ergebnissen und über die methodische Vorgehensweise sowie über Inputs für das weitere Vorgehen freuen.

Kontakt:  franziska.oberholzer@fhnw.ch; weitere Informationen zum Projekt: https://www.fhnw.ch/plattformen/inklusion/inklusion-bildungsstandards/

Literatur

  • Buchner, Tobias (2018). Die Subjekte der Integration. Schule, Biographie und Behinderung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
  • Florian, Lani & Beaton, Mhairi (2018). Inclusive pedagogy in action: getting it right for every child. International Journal of Inclusive Education, 22(8), 870-884.
  • Moser Opitz, E. (2014). Inklusive Didaktik im Spannungsfeld von gemeinsamem Lernen und effektiver Förderung. Ein Forschungsüberblick und eine Analyse von didaktischen Konzeptionen für inklusiven Unterricht. In Klaus Zierer & Karl Reusser (Hrsg.), Jahrbuch für allgemeine Didaktik (S.52-68). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
  • Sahli Lozano, Caroline; Vetterli, Richard & Wyss, Annika (2017). Prozesse inklusiver Schulentwicklung. Theoretische Grundlagen und Filmbeispiele aus der Praxis. Bern: Schulverlag plus.
  • Weisser, Jan (2007). Für eine anti- essentialistische Theorie der Behinderung. Behindertenpädagogik, 46 (3/4), 237-249.

Professionalisierung für das Steuerungshandeln von Lehramtsstudierenden in (inklusiven) Bildungssystemen – Handlungskoordination, Bedarfe und Effekte einer Professionalisierung in Baden-Württemberg

Stefanie Spiegler; PH Ludwigsburg

Forschungskontext und -fragen:  Dem Educational-Governance-Ansatz folgend sind für die (Um-) Steuerung bzw. Governance inklusiver Bildungssysteme eine Vielzahl an Steuerungshandlungen verschiedener Akteur*innen zwischen unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichem Einfluss (z.B. Geld) im Mehrebenensystem verantwortlich (Altrichter, Brüsemeister & Wissinger 2007). Ihre Handlungskoordination führt zur Herstellung des allgemeinen Guts „inklusive Bildung“ (Altrichter & Heinrich 2007). Bisweilen fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse, wie eine Professionalisierung der Akteur*innen für ein solches Steuerungshandeln umgesetzt wird. Hier knüpft die vorliegende Forschung an und untersucht unter Einbeziehung der Educational-Governance-Perspektive und der Professionalisierungsforschung folgende Fragen: Welche Akteurskonstellationen in Bezug auf die Governance der Professionalisierung für Steuerungshandeln von (inklusiven) Bildungssystemen liegen vor? Welche Bedarfe für eine Professionalisierung existieren und wie können Effekte einer solchen Professionalisierung beschrieben werden?

Anlage der Studie/Methodik: In einer kumulativen Dissertation wird ein qualitatives Vorgehen genutzt, um dem explorativen Charakter der Studie gerecht zu werden. Vorgesehen ist, drei Publikationen zu unterschiedlichen Aspekten der Professionalisierung zu veröffentlichen. In der ersten Publikation werden anhand von Expert*inneninterviews (Helfferich 2019) und einer Dokumentenanalyse (Hoffmann 2015) die Akteurskonstellationen bezüglich der Governance der Professionalisierung herausgearbeitet. Mit Hilfe von Fokusgruppeninterviews (Vogl 2014) sollen für die zweite Publikation die Bedarfe für eine Professionalisierung erhoben werden. Die Auswertungen der Interviews wird inhaltsanalytisch nach Mayring (2015) vorgenommen. Die dritte Publikation evaluiert qualitativ (Kuckartz et al. 2008) ein im Rahmen eines ERASMUS+ Projekts (KA220-HED) entwickeltes Seminar zur Professionalisierung in Bezug auf dessen Effekte auf die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden im Kontext ihres Steuerungshandeln.

Anliegen der Posterpräsentation: Da sich das Forschungsprojekt aktuell noch in der Anfangs- und Konzeptionsphase befindet, soll das Poster Anlass bieten, über die Studie mit ihrer Methodik und der Fragestellung ins Gespräch zu kommen. Ferner würde ich gerne Kontakte zu anderen Wissenschaftler*innen knüpfen, die auch kumulative Dissertationen in der Bildungsforschung durchführen und/oder in der Professionalisierungsforschung tätig sind.

Kontakt: spiegler.stefanie@posteo.de

Literatur

  • Altrichter, Herbert; Brüsemeister, Thomas & Wissinger, Jochen (2007). Educational Governance: Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden: Springer.
  • Altrichter, Herbert & Heinrich, Martin (2007). Kategorien der Governance-Analyse und Systemsteuerung in Österreich. In Jochen Wissinger (Hrsg.), Educational governance: Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden: VS.
  • Helfferich, Cornelia (2019). Leitfaden- und Experteninterviews. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.669-685). Wiesbaden: Springer VS.
  • Hoffmann, Nicole (2018). Dokumentenanalyse in der Bildungs- und Sozialforschung: Überblick und Einführung. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Kuckartz, Udo; Dresing, Thorsten; Rädiker, Stefan & Stefer, Claus (Hrsg.) (2008). Qualitative Evaluation: der Einstieg in die Praxis (2., aktualisierte Auflage). Wiesbaden: VS.
  • Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (12., überarbeitete Auflage). Weinheim: Beltz.
  • Vogl, Susanne (2014). Gruppendiskussion. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.581–586). Wiesbaden: Springer VS.

Das Fernstudium der Zukunft – eine Analyse der Bedarfe Fernstudierender unter Verwendung des Mixed-Methods-Ansatzes

Birgitt Erdwien, Julia Jochim, Cecilia Post & Sandra Höfener; Euro-FH

Ausgangspunkt: Nicht erst seit dem Abklingen der Corona-Pandemie beherrschen Diskussionen über eine Verstetigung digitaler Lehr-Lernformate sowie die Weiterentwicklung der Hochschulbildung den wissenschaftlichen Diskurs (u.a. Sälzle et al. 2021; Seyfeli, Elsner & Wannemacher 2020). Budde, Friedrich und Sames (2022) haben die Vision einer Blended University vorgestellt: Sie skizzieren eine neue Kultur des Lernens, geprägt von Eigenständigkeit und Selbststeuerung, eine neue Rolle von Lehrenden als Lernbegleiter*innen, neue Formen der Begegnung sowie neuartige und zunehmend digitale Prüfungsformen. Fernhochschulen haben besonderen Anlass, digitale Formate einzusetzen. Die Learnings aus den Pandemiejahren bilden den Ausgangspunkt, das Konzept einer Blended University als Zukunftskonzept für das Fernstudium systematisch zu entwickeln.

Forschungsfrage: Zielsetzung ist die Feststellung der konkreten Bedarfe von Studierenden in Bezug auf Lernkultur, Rolle der Lehrenden, (digitale) Lehr-, Lern- und Prüfungsformate sowie Kommunikationsstrukturen im Fernstudium.

Methodik: Derzeit finden an der Euro-FH ganztägige moderierte Expert*innen-Workshops – sogenannte „Strategietage Lehre“ – mit drei Gruppen statt: a) Mitarbeitende aus Lehre und Verwaltung, b) externe Lehrbeauftragte und c) Studierende. Die detaillierten Protokolle und Visualisierungen der Workshops werden unter Einsatz der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet (Mayring 2015); auf ihnen sowie auf während der Pandemie durchgeführter Voruntersuchungen basierend wird sodann ein Fragebogen mit einer auf inhaltlichen Erwägungen basierenden Kombination aus offenen und geschlossenen Fragen entwickelt, mit dem die Gesamtheit der Studierenden der Euro-FH befragt und der inhaltsanalytisch sowie statistisch ausgewertet werden soll (Kuckartz 2014).

Ergebnisse: Zum Zeitpunkt des BMT werden die Ergebnisse der moderierten Workshops vorliegen; die Fragebogenerhebung erfolgt im Spätsommer 2022.

Anliegen der Posterpräsentation: Präsentation und Diskussion der eingesetzten Methoden.

Kontakt: birgitt.erdwien@euro-fh.de, julia.jochim@euro-fh.de / www.euro-fh.de

Literatur

  • Budde, Jannica; Friedrich, Julius-David & Sames, Josephine (2022). Unsere Vision: Vom Blended Learning zur “Blended University”. Strategie Digital, 2/2022, 13-20.
  • Kuckartz, Udo (2014). Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesign und Analyseverfahren. Wiesbaden: Springer VS.
  • Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (12. Auflage). Weinheim: Beltz.
  • Seyfeli, Funda; Elsner, Laura & Wannemacher, Klaus (2020). Vom Corona-Shutdown zur Blended University? ExpertInnenbefragung Digitales Sommersemester. Baden-Baden: Tectum.  
  • Sälzle, Sonja; Vogt, Linda; Blank, Jennifer; Bleicher, André; Scholz, Ingrid; Karossa, Nadja; Stratmann, Renate & D`Souza, Thomas (2021). Entwicklungspfade für Hochschule und Lehre nach der Corona-Pandemie. Eine qualitative Studie mit Hochschulleitungen, Lehrenden und Studierenden. Baden-Baden: Tectum.

Familie und Identität

Welche Folgen hat Heimerziehung für Eltern? Perspektiven von Müttern und Vätern auf die Unterbringung ihrer Kinder

Anja Eichhorn; Universität Siegen, DFG-Graduiertenkolleg „Folgen sozialer Hilfen“

Forschungskontext: Das Promotionsprojekt wird im DFG-Graduiertenkolleg „Folgen sozialer Hilfen“ umgesetzt. Im Kolleg werden die aus sozialen Hilfen resultierenden Konsequenzen erforscht, wobei insbesondere die Perspektive der Hilfeadressat*innen in den Blick genommen wird.

Ausgangspunkt: In den letzten 30 Jahren gab es zahlreiche Studien, die sich mit der Wirkung von Heimerziehung befasst haben (Wesenberg u.a. 2022). Diese Studien fokussieren vor allem die biografischen Entwicklungen der untergebrachten Kinder und Jugendlichen. Die Qualität der Zusammenarbeit mit den Eltern wird als wichtiger Faktor für gelingende Hilfeverläufe benannt (z.B. Gabriel & Keller 2019). Welche Perspektiven Mütter und Väter fremduntergebrachter Kinder selbst auf Heimerziehung und Jugendhilfe haben, ist jedoch kaum erforscht. Das Promotionsprojekt greift dieses Desiderat auf.

Forschungsfrage: Forschungsleitend ist die Frage, wie Mütter und Väter mit der Tatsache umgehen, dass ihre Kinder in einer Jugendhilfeeinrichtung leben, und wie sie sich dazu positionieren.

Methodik: Ich orientiere mich am iterativ-zyklischen Forschungsstil der (reflexiven) Grounded-Theory-Methodologie (Breuer, Muckel & Dieris 2019; Corbin & Strauss 2015). Bis dato liegen sieben narrative Interviews (Schütze 1983) mit Vätern und Müttern von in der Heimerziehung lebenden Kindern vor.  Zur Datenanalyse nutze ich das Kodierverfahren nach Corbin und Strauss (2015), wobei ich insbesondere das Schreiben ausführlicher Memos als analytisches Mittel nutze.

Erste Ergebnisse: Väter und Mütter von in der Heimerziehung untergebrachten Kindern haben unterschiedliche Hilfeverständnisse und nehmen unterschiedliche Bewertungen von Heimerziehung/Jugendhilfe vor. Ausgehend von diesen und anderen Kontextbedingungen lassen sich verschiedene individuelle, z.T. nicht-intendierte, Folgen der Heimerziehung/Jugendhilfe rekonstruieren. Potenziell sind die Eltern mit der Infragestellung ihrer Elternschaft konfrontiert. Die Erzählung, ein ‚guter‘ Vater/eine ‚gute‘ Mutter zu sein, gelingt nicht ohne Weiteres. Vor diesem Hintergrund – so meine vorläufige These – suchen die Eltern nach (Alternativ-)Narrativen, mit denen sie das Zustandekommen der Jugendhilfe und die Unterbringung ihrer Kinder erklären – und gleichzeitig ein Selbstbild als handlungsfähige Akteure, ‚gute‘ Eltern(teile) und/oder kooperative Jugendhilfe-Adressat*innen aufrechterhalten können. Dabei scheinen Widersprüche auf, die es noch näher zu beleuchten gilt.

Anliegen der Posterpräsentation: Ich möchte meine bisherigen Ergebnisse zur Debatte stellen und mich vernetzen.

Kontakt: anja.eichhorn@uni-siegen.de

Literatur

  • Breuer, Franz; Muckel, Petra & Dieris, Barbara (2019). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis (4. Auflage). Wiesbaden: Springer.
  • Corbin, Juliet & Strauss, Anselm (2015). Basics of Qualitative Research (4. Auflage). London: Sage.
  • Gabriel, Thomas & Keller, Samuel (2019). Was wirkt in der Kinder- und Jugendhilfe? Metaanalysen von quantitativen Studien zu den Hilfen zur Erziehung. In Maik-Carsten Begemann & Klaus Birkelbach (Hrsg.), Forschungsdaten für die Kinder- und Jugendhilfe (S.425-445). Wiesbaden: Springer.
  • Schütze, Fritz (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13, 283-293.
  • Wesenberg, Sandra; Gahleitner, Silke B.; Gabriel, Maite & Zeiträg, Maximilian (2022). Stationäre Kinder- und Jugendhilfe – was wirkt? sozialmagazin, 1-2, 41-47.

In between and in transition. Methodologische Zugänge zum emotionalen Erleben junger Geflüchteter und ihren abwesenden Bezugspersonen

Lukas Baumann; Doktorand an der Universität Klagenfurt

Ausgangspunkt: Familiennetzwerke sind zunehmend in transnationale und transkulturelle Zusammenhänge eingebettet. Die Aufrechterhaltung transnational eingebetteter familialer Bindungen kann eine räumliche Kluft überbrücken und einen transnationalen „virtuellen Übergangsraum“ (Bolognani 2016) schaffen. In jenen Räumen werden reziproke emotionale Bindungen z.B. in Form von Fürsorgebeziehungen aufrechterhalten und neu geknüpft. Diese transnationalen und multidirektionalen emotionalen Konnektivitäten lassen ein wechselseitiges „Affizieren und Affiziert-Werden“ (Albrecht 2019) virulent erscheinen.

Forschungsfragen: Mit dem Dissertationsprojekt sollen Erkenntnisse über transnationale Emotionspraktiken und emotionale Konnektivitäten von jungen Geflüchteten und ihren abwesenden Bezugspersonen gewonnen werden. Schließlich sollen sich Erkenntnisse für sozialpädagogisches Handeln im Kontext transnationaler Familienarbeit ableiten lassen.

Methodik: Aktuell wird das Forschungsdesign entwickelt; die Datenerhebung ist für Ende 2022 geplant. Es soll über einen Zeitraum von ca. einem Jahr in Einrichtungen der Kinder-Jugendhilfe für junge Geflüchtete (UMF/UMA) in Österreich sowie in den Ortskontexten der abwesenden Bezugspersonen ethnografisch geforscht werden. Durch Netzwerkkarten werden die wesentlichen Bezugspersonen innerhalb eines egozentrierten Netzwerks ermittelt (Hollstein & Pfeffer 2010) und im Sinne der Multi-Sited-Ethnography (Marcus 1995) – „Follow the […] [Emotion]“ – ethnografisch ausgeleuchtet. Als Auswertungsmethode ist die Anwendung der Tiefenhermeneutik vorgesehen (König 2019).

Anliegen der Posterpräsentation: Mir geht es um eine Diskussion über die methodologischen Zugänge zum emotionalen Erleben junger Geflüchteter und ihrer abwesenden Bezugspersonen und um die Vernetzung mit Wissenschaftlicher*innen in Qualifizierungsphasen, die sich durch dieses Promotionsprojekt angesprochen fühlen.

Kontakt: lukas.baumann@aau.at

Literatur:

  • Albrecht, Yvonne (2019). Emotionale Transnationalität. Über das Affizieren und Affiziert-Werden im Kontext von (Post-)Migratopnsprozessen. In Nicole Burzan (Hrsg.), Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018, http://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2018/article/view/1115/1360.
  • Bolognani, Marta (2016). From myth of return to return fantasy. A psychosozial interpretation of migration imagineries. Identities. Global Studies in Culture and Power, 23(2), 193-209.
  • Hollstein, Betina & Pfeffer, Jürgen (2010). Netzwerkkarten als Instrument zur Erhebung egozentrierter Netzwerke. In Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Unsichere Zeiten. Verhandlungen des 34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Jena/Frankfurt/New York: Campus.
  • König, Hans-Dieter (2019). Die Welt als Bühne mit doppeltem Boden. Tiefenhermeneutische Rekonstruktion kultureller Inszenierungen. Schriftenreihe Kritische Sozialpsychologie. Wiesbaden: Springer VS.
  • Marcus, George E. (1995). Ethnography in/of the world system: The emergence of multi-sited-ethnography. Annual Review of Anthropology, 24, 95-117.

Nachhaltigkeit

TRANSBIO: Delphi Befragung für die Transferarbeitsgruppe für Bioenergieanlagen im zukünftigen Energiesystem

Katharina Gapp-Schmeling, Patrick Matschoss & Bernhard Wern; IZES gGmbH

Forschungskontext: Das Vorhaben „TRANSBIO – Transferarbeitsgruppe für Bioenergieanlagen im zukünftigen Energiesystem“ dient dazu, die zentralen Ergebnisse und Handlungsoptionen der vom BMEL und weiteren Ministerien geförderten Post-EEG-Projekte im Bereich Bioenergie aufzubereiten, zu bündeln und an die jeweiligen Zielgruppen in Politik, Forschung und Betreibende heranzutragen. Nach bisherigen Forschungen unterscheiden sich die Perspektiven und Kenntnisse von Bioenergieexpert*innen und Expert*innen der klassischen Energiewirtschaft bzgl. der Rolle von Bioenergie im zukünftigen Energiesystem (Baur et al. 2015; Fehrenbach et al. 2019; Matschoss et al. 2020; Wern et al. 2021).

Forschungsfragen: Vor diesem Hintergrund werden zwei Forschungsfragen verfolgt: 1) Welche Aussagen/Statements zur zukünftigen Rolle von Bioenergie im Energiesystem sind konsensfähig? 2) In welchen Aussagen besteht ein nachweisbarer Dissenz zwischen Bioenergieexpert*innen und konventionellen Energieexpert*innen?

Methodik: Im Rahmen eines Dialogforums Anfang Februar 2022 wurden die Perspektiven beider Gruppen in sechs thematischen Fokusgruppen (Vogel 2019) erfragt. Die Ergebnisse wurden als Statements in den sechs Gruppen gemeinsam mit den Teilnehmer*innen dokumentiert und gewichtet. Im Nachgang des Dialogforums wurden die Statements systematisch aufbereitet und zum Teil sprachlich geglättet. Pro Themenbereich werden die jeweils zehn am stärksten gewichteten Statements den Teilnehmer*innen des Dialogforums im Rahmen einer Delphi-Befragung (Cuhls 2019; Häder & Häder 2019) vorgelegt. Die zweite Runde der Delphi Befragung erfolgte zwischen Mai und Juni 2022.

Diskussion: Bis zum BMT liegt die Auswertung der zweiten Runde der Delphi Befragung vor. Aufgrund geringer Rücklaufquoten soll das weitere Vorgehen angepasst werden.

Anliegen der Posterpräsentation: Wir möchten das Vorgehen vorstellen und aus der Diskussion Anregungen zur weiteren Durchführung der Delphi-Studie, insbesondere hinsichtlich Panelsterblichkeit und Abbruchkriterien mitnehmen. Hinsichtlich der Auswertung möchten wir Ansätze diskutieren, mit denen sich Unterschiede in den Einschätzungen unterschiedlicher Expert*innengruppen nachweisen lassen.

Kontakt: gapp-schmeling@izes.de / matschoss@izes.de

Literatur

  • Nachhaltige Integration von Bioenergiesystemen im Kontext einer kommunalen Entscheidungsfindung. Saarbrücken, Wuppertal, Oberhausen: IZES; Wuppertal Institut & Fraunhofer UMSICHT.
  • Cuhls, Kerstin (2019). Die Delphi Methode – eine Einführung. In Marlen Niederberger & Ortwin Renn (2019). Delphi-Verfahren in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften, Konzept, Varianten und Anwendungsbeispiele. Wiesbaden: Spinger VS.
  • BioRest: Verfügbarkeit und Nutzungsoptionen biogener Abfall- und Reststoffe im Energiesystem (Strom-, Wärme- und Verkehrssektor) Abschlussbericht. Dessau-Roßlau: UBA – Umweltbundesamt. UBA Texte.
  • Häder, Michael & Häder, Sabine (2019). DELPHI Befragung. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (2. Auflage, S.701-707). Wiesbaden: Springer VS.
  • Biogasanlagen in Deutschland: Ökonomisch-ökologische Effekte jenseits des Strommarktes und Szenarien der Bestandsentwicklung bis 2035. Leipzig: DBFZ – Deutsches Biomasse Forschungszentrum.
  • Vogel, Susanne (2019). Gruppendiskussionen. In Nina Baur & Jörg Blasius (2019), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (2. Auflage, S.695-700). Wiesbaden: Springer VS.
  • Die Rolle von Holz in der Energiewende. ET – Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 71(11), 42-46.

Akteursperspektiven der Wärmewende in der kommunalen Energieversorgung

Anna Masako Welz; HWR Berlin & Katharina Gapp-Schmeling; IZES gGmbH und VICTORIA Hochschule

Ausgangspunkt: Das Thema Wärmewende wird häufig sehr technisch betrachtet. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Wärmewende in der kommunalen Energieversorgung“ (KoWa) liegt der Fokus auf umsetzungsfähigen Lösungen, die neben den technologischen Komponenten vor allem die Akteurskonstellationen in den Blick nehmen. Die Wärmewende ist zentrales Handlungsfeld einer zukünftig klimaneutralen Energieerzeugung und -versorgung. Mit einer flächendeckenden Implementierung von innovativen, nachhaltigen, kommunalen Wärmeversorgungslösungen und den damit verbundenen Investitionen können CO2-Reduzierungspotenziale und Flexibilisierungskapazitäten erschlossen werden. KoWa hat das Ziel, kommunale Versorgungsunternehmen bei der Entwicklung von nachhaltigen Wärmeversorgungssystemen und -kooperationen wissenschaftlich zu begleiten und mit Fachexpertise zu unterstützen. Die Forschungsarbeiten konzentrieren sich dabei auf sechs bundesweit verteilte Versorgungsgebiete, die in drei Clustern mit charakteristischen Spezifika zusammengefasst werden.

Forschungsansatz: Ein Schwerpunkt in KoWa liegt auf der Analyse der Akteursperspektiven. In Clusterphase I wurden clusterspezifisch mögliche Hemmnisse und Konflikte aus Akteursperspektive identifiziert, um aufbauend geeignete Lösungen zur Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit in den Wärmeversorgungsprojekten zu erarbeiten. Dazu wurden direkte und indirekte Akteure unterschieden. Direkte Akteure sind unmittelbar an der Entscheidung über den Bau oder Betrieb von Wärmenetzen beteiligt. Neben den Städten und Kommunen sind dies die Akteure der Energieerzeugung, des Netzbetriebs, des Vertriebs und der Wärmeabnahme. Indirekte Akteure haben einen nicht näher bestimmten gesellschaftlichen Einfluss auf eine Entscheidung zur Wärmeenergieversorgung im Quartier oder sind von einer solchen Entscheidung betroffen, ohne sie selbst treffen zu können. Zu ihnen zählen die Klima- und Quartiersmanager*rinnen, Wärmenutzer*innen, Fachexpert*innen für Bauen und Energie, Interessenvertretungen und Multiplikator*innen sowie lokale Bürger*innenbeteiligungen.

Forschungsfragen: Im Rahmen der Akteursuntersuchungen wurden gezielt die Hemmnisse und Chancen der kommunalen Wärmewende aus Akteurssicht abgefragt. Ferner wurden die Interessen und Forderungen einzelner Akteursgruppen erfasst und gegenüber gestellt. Daraus ergaben sich Akteurskonstellationen auf Basis einer Einfluss-Interessen-Matrix (Ackermann & Eden 2011), für die in den jeweiligen Untersuchungsgebieten Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden.

Methodik: Für die Akteursanalysen wurden 45 qualitative Interviews in sechs Untersuchungsgebieten geführt und mittels einer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet (Mayring & Fenzl 2019; Prainsack 2021). Die methodische Vorgehensweise wurde in einem ausführlichen Methodenbericht erläutert (Welz et al. 2021).

Ergebnisse: Die Ergebnisse der Analysen zeigen, dass zu den bekannten wirtschaftlichen und regulatorischen Hemmnissen (Clausen et al. 2012; Dunkelberg et al. 2018; Hertle et al. 2015) vor allem organisatorische Hemmnisse, aber auch Chancen durch die Akteure gesehen werden. Entgegen bisheriger Annahmen stellen technologische Fragestellungen in der Regel lösbare Probleme dar. Für die Umsetzung der Projekte vor Ort ist es elementar, die clusterspezifischen Schlüsselakteure in der Akteurskonstellation zu identifizieren und durch geeignete Maßnahmen zu aktivieren. Die Ergebnisse werden in sechs Erfahrungsberichten veröffentlicht.

Anliegen der Posterpräsentation: Wir möchten die Ergebnisse der qualitativen Forschung vorstellen und uns zum Vorgehen mit anderen Forschenden methodisch austauschen. Ferner wünschen wir uns eine Diskussion der Ergebnisse und Anregungen zu qualitativer Forschung im Kontext von Wärmewende, Nachhaltigkeit und interdisziplinären Projekten.

Kontakt: annamasako.welz@hwr-berlin.de / gapp-schmeling@izes.de bzw. katharina.gapp-schmeling@victoria-hochschule.de

Literatur

  • Ackermann, Fran & Eden, Colin (2011). Strategic management of stakeholders: Theory and practice. Long Range Planning, 44(3), 179-196.
  • Clausen, Jens; Winter, Wiebke & Kettemann, Cora (2012). Akzeptanz von Nahwärmenetzen. Teilbericht zu AP7 im Rahmen des Projektes „Möglichkeiten und Grenzen von Nahwärmenetzen in ländlich strukturierten Gebieten unter Einbeziehung regenerativer Wärmequellen – Vernetzung von dezentralen Kraft‐ und Wärmeerzeugungssystemen unter Berücksichtigung von Langzeitwärmespeicherung“.
  • Dunkelberg, Elisa; Gährs, Swantje; Weiß, Julia & Salecki, Steven (2018). Wirtschaftlichkeit von Mehrleiter-Wärmenetzen. Ökonomische Bewertung von Mehrleiter-Wärmenetzen zur Nutzung von Niedertemperaturwärme. Schriftenreihe des IÖW 215/18.
  • Hertle, Hans; Pehnt, Martin; Gugel, Benjamin; Dingeldey, Miriam & Müller, Kerstin (2015). Wärmewende in Kommunen: Leitfaden für den klimafreundlichen Umbau der Wärmeversorgung. Schriften zur Ökologie 41. (3. Auflage). Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung.
  • Mayring, Philipp & Fenzl, Thomas (2019). Qualitative Inhaltsanalyse. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.633-648). Wiesbaden: Springer.
  • Prainsack, Barbara & Pot, Mirjam (2021). Qualitative und interpretative Methoden in der Politikwissenschaft. Wien: utb/Facultas.
  • Welz, Anna Masako; Gapp-Schmeling, Katharina & Becker, Daniela (2021). Erhebung der Akteursstrukturen. Methodenbeschreibung. IZES – Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme & HWR Berlin. Berlin, Saarbrücken, https://www.kowa-projekt.de/wp-content/uploads_kowa/2022/04/KoWa_AP-4-Methode-Akteursanalyse.pdf.

Politik und Kultur

Entzweiung, Dekadenz, Apokalypse. Eine wissenssoziologische Narrativ- und Diskursanalyse von neurechten Krisenerzählungen

Felix Schilk; Technische Universität Dresden

Forschungskontext und Ausgangspunkt: In meiner Arbeit untersuche ich Krisennarrative in den neurechten Zeitschriften Criticón, Éléments und Sezession. Vor dem theoretischen Hintergrund einer Soziologie des Konservatismus entwickle ich eine analytische Heuristik, die drei Dimensionen des Konservatismus unterscheidet (Denkstil, metapolitische Diskursstrategie, souveränistische Sozialtechnik). Diese Dimensionen integriere ich in ein diskursanalytisches Forschungsdesign.

Forschungsfragen: Ich gehe davon aus, dass neurechte Texte durch typische und wiederkehrende Narrative gekennzeichnet sind und möchte die Struktur dieser Narrative rekonstruieren und typologisieren. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung eines soziologischen Begriffsinstrumentariums, mit der neurechte Anschlusskommunikationen und Diskurskoalitionen besser verstanden werden können.

Methodik: Das empirische Forschungsdesign meiner Arbeit orientiert sich an der wissenssoziologischen Diskursanalyse (WDA) (Keller 2011). Dieses Forschungsprogramm ergänze ich durch narrationsanalytische Konzepte (Somers 1994; Viehöver 2006), die ich in ein Modell der Neuen Rechten als „Erzählgemeinschaft“ (Nünning 2013, S28) überführe, das den methodologischen Kern meiner Arbeit bildet.

Ergebnisse: Im Rahmen der bisherigen Analyse wurden drei grundlegende Narrative rekonstruiert, die sich genealogisch im konservativen Denken verorten lassen. Das erste Narrativ ist ein Entzweiungsnarrativ und erfüllt eine ontologische Funktion. Das zweite Narrativ ist ein Dekadenznarrativ, das eine moralisierende Funktion erfüllt. Das dritte Narrativ ist ein apokalyptisches Narrativ mit einer appellativen Funktion. In weiteren Analyseschritten soll geklärt werden, wie diese drei Narrative zusammenwirken und an welche kulturellen Wissensbestände sie andocken.

Diskussion: Die narrationsanalytische Erweiterung der WDA stellt eine konzeptuelle und terminologische Alternative zu den Ansätzen der Affect Studies dar, die aktuell in der Populismusforschung diskutiert werden (Bargetz & Eggers 2021). Ich gehe davon aus, dass Narrative kommunikative Brücken darstellen, die die Anschlussfähigkeit der Neuen Rechten an andere Diskursfelder gewährleisten. Dabei ergeben sich Transfermöglichkeiten an Phänomenbereiche der Verschwörungserzählungen, des Antisemitismus und der Esoterik.

Anliegen der Posterpräsentation: Ich möchte meinen methodologischen Rahmen vorstellen und diskutieren, ob die Verknüpfung von Diskurs- und Narrationsanalyse überzeugt.

Kontakt: felix.schilk@tu-dresden.de

Literatur

  • Bargetz, Brigitte & Eggers, Nina Elena (2021). Affektive Narrative des Rechtspopulismus. Zur Mobilisierung von Männlichkeit. In Seongcheol Kim & Veith Selk (Hrsg.), Wie weiter mit der Populismusforschung? (S.245-270). Baden-Baden: Nomos.
  • Keller, Reiner (2011). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS.
  • Nünning, Ansgar (2013). Wie Erzählungen Kulturen erzeugen. Prämissen, Konzepte und Perspektiven für eine kulturwissenschaftliche Narratologie. In Alexandra Strohmeier (Hrsg.), Kultur – Wissen – Narration. Perspektiven transdisziplinärer Erzählforschung für die Kulturwissenschaften (S.15-53). Bielefeld: Transcript.
  • Somers, Margaret R. (1994): The narrative constitution of identity: A relational and network approach. Theory and Society, 23(5), 605–649.
  • Viehöver, Willy (2006). Diskurse als Narrationen. In Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider & Willy Viehöver (Hrsg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band I: Theorien und Methoden (S.179-208). Wiesbaden: VS.

Der Antragstext als Mikrodispositiv. Eine Dispositivanalyse epistemischer Spannungsverhältnisse in der Wissenschaftskommunikation

Theresa Franke; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Forschungskontext: In dem Promotionsprojekt wird die Praxis der Antragstellung im Wandel der Zeit untersucht. In den Fokus geraten dabei veränderliche Strategien der Wissenschaftskommunikation. Es zeigt sich ein Netz aus gesellschaftlichen, institutionellen, aber auch subjektiven Verflechtungen, die nicht nur die (sprachliche) Ausgestaltung eines Antragstextes prägen (Myers 1990), sondern auch die Wissenschaftspraxis verändern.

Forschungsfragen: Welche (aktuellen) Veränderungen bzw. regelmäßigen Muster zeigen sich in der Praxis der Antragstellung in gesellschaftlichen und institutionellen Wandlungsprozessen? Wie stiften und antizipieren Wissenschaftler*innen die Bedeutung ihrer Forschung im Moment der Antragstellung und schließen an Hoffnungen, gesellschaftliche Problemlagen und wissenschaftliche Herausforderungen an?

Methodik: Der Antragstext wird als Mikrodispositiv (Eugster 2013) erschlossen, das unterschiedlichste dispositive Bedeutungsstrukturen textuell und narrativ bindet. Die Dispositivanalyse (Bührmann & Schneider 2012) ermöglicht es, sprachliche Strategien, institutionalisierte Praxen, Ambivalenzen von Handlungsmöglichkeiten sowie Subjektivierungsweisen im Feld der Antragstellung zu untersuchen. In Anlehnung an die Grounded-Theory-Methodologie (Strauss & Corbin 1996) werden kontrastierende Fälle gewählt, die ich aus einem breiten zeitlichen Verlauf erhebe.

Ergebnisse: In der bisherigen Analyse konnten bereits narrativ fundierte und in die wissenschaftliche Praxis hineingewachsene Dispositive (z. B. Nachhaltigkeit) sichtbar werden. Es lassen sich Spannungsverhältnisse identifizieren, die sowohl Resonanzbeziehungen als auch Brüche aufweisen.

Anliegen der Posterpräsentation: Es geht mir generell um Anregungen zu meinem Vorhaben der (wissenssoziologischen) Dispositivanalyse für das Forschungsfeld der Wissenschaftskommunikation sowie um Möglichkeiten der Vernetzung.

Kontakt: theresa.franke@ovgu.de

Literatur

  • Bührmann, Andrea D. & Schneider, Werner (2012). Vom Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispositivanalyse. Bielefeld: transcript.
  • Eugster, David (2013). Mikrodispositive: Eine kurze Geschichte eines Automatenladens. In Joannah Caborn Wengler, Britta Hoffarth & Łukasz Kumięga (Hrsg.), Verortung des Dispositiv- Begriffs. Analytische Einsätze zu Raum, Bildung, Politik (S.57-72) Wiesbaden: Springer VS.
  • Myers, Greg (1990). Writing biology: Texts in the social construction of scientific knowledge. Madison: University of Wisconsin Press. 
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet M. (1996). Grounded theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

Big Data als politisches Aushandlungsphänomen. Eine Diskursanalyse am Beispiel von Plenarprotokollen des Deutschen Bundestages

Sandra Balbierz; Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Ausgangspunkt: Das Schlagwort Big Data ist in politischen Diskursen mit unterschiedlichen Hoffnungen und Ängsten verbunden. Gilt es für die einen als Chance, um den Klimawandel entgegenzuwirken, innere Sicherheit zu gestalten oder Terrorismus zu bekämpfen, betonen andere die Herausforderungen im Hinblick auf den Schutz personebezogener Daten und die informationelle Selbstbestimmung. Ausgehend davon wird in der Studie der parlamentarische Diskurs über Big Data erschlossen. Von Interesse ist dieser, da zentrale Problemkonstellationen und -lösungsansätze als auch rechtliche Regelungs- und Gestaltungsbedarfe formuliert, öffentlich ver- und ausgehandelt werden und in Form von Gesetzen das Handeln individueller und korporativer Akteure rechtlich-normativ rahmen.

Forschungsfragen: Inwiefern werden Big Data und die mit dem Schlagwort verbundenen Praktiken (z.B. Sammlung, Verknüpfung, Analyse) innerhalb der parlamentarischen Beratungsprozesse als Chance zur Lösung gesellschaftlicher Problemkonstellationen oder auch als probelmatisch und regulierungsbedürftig aufgefasst? Inwiefern werden diese (als) kontrovers ausgehandelt und wer (oder was) wird als verantwortlich für mögliche Regulierungen betrachtet?

Methodik: Das Schlagwort Big Data wird als „empty signifier“ (Laclau 1996, 36ff.) verstanden. Der methodische Zugang erfolgt über eine wissenssoziologisch informierte Diskursanalyse (Keller 2011a), die die Bedeutungskonstruktionen aufspürt. Hierzu werden zunächst mittels Schlagwortsuche und Wortfrequenzanalyse (Lemke 2014) die relevanten Beratungsdokumente und Plenarprotokolle in den digitalen Parlamentsarchiven erfasst. Die dadurch entstehenden Daten werden innerhalb einer deskriptiven Analyse genutzt, um einen ersten Überblick über den Dokumentenkorpus zu erhalten und relevante Dokumente für die Feinanalyse auszuwählen. Bei der Dokumentenauswahl wird ebenso die Bedeutung unterschiedlicher Beratungsdokumente und Plenarprotokolle für den politischen Beratungsprozess und im Hinblick auf die Fragestellung reflektiert. Die ausgewählten Dokumente werden dann für die Feinanalyse mittels MAXQDA aufbereitet. Bedeutungskonstruktionen und (geteilte) Deutungsmuster (Keller 2013), Problemdefinitionen und -konstellationen (Keller 2011b) werden anschließend akteursbezogen nach (Regierungs- und Oppositions-)Fraktionen herausgearbeitet.

Anliegen: Die Posterpräsentation dient der Reflexion a) des methodischen Zugangs und der Dokumentenauswahl, b) der Nutzung deskriptiver Daten sowie c) der Grenzen wissenssoziologischer Diskursanalysen im Hinblick auf die Produktion von Bedeutungszuschreibungen, die eine Ergänzung einer ANT-informierten Fallanalyse (Callon 1986) nahelegen.

Kontakt: sandra.balbierz@ku.de

Literatur

  • Callon, Michel (1986). Some elements of a sociology of translation: domestication of the scallops and the fishermen of St. Brieuc Bay. In John Law (Hrsg.), Power, action, and belief: A new sociology of knowledge? (S.196-226). London: Routledge.
  • Keller, Reiner (2011a). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms (3. Auflage). Wiesbaden: VS.
  • Keller, Reiner (2011b). Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen (4. Auflage). Wiesbaden: VS.
  • Keller, Reiner (2013). Zur Praxis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse. In Reiner Keller & Inga Truschkat (Hrsg.), Methodologie und Praxis der wissenssoziologischen Diskursanalyse. Band 1: Interdisziplinäre Perspektiven (S.27-68). Wiesbaden: VS.
  • Laclau, E. (1996). Emancipation(s). London: Verso.
  • Lemke, Matthias (2014). Frequenzanalyse und Diktionäransatz, Hamburg/Leipzig (= ePol Text Mining Verfahren, Serie „Atomenergiediskurs“, Modul 1/5).

Methodenlehre

Qualitative Abschlussarbeiten verfassen: Herausforderungen für Studierende, Lehrende und Hochschulen

Christoph Stamann, Paul S. Ruppel & Günter Mey; Hochschule Magdeburg-Stendal

Ausgangspunkt: Dem Verfassen qualitativer Qualifikationsarbeiten kommt im Kontext des Lehrens und Lernens qualitativer Forschung eine besondere Bedeutung zu. Qualifikationsarbeiten bilden hierbei einen Kulminationspunkt, an dem Studierende Forschung praktizieren, ohne jedoch Lehr-/Lernarrangements gänzlich hinter sich zu lassen. Die Methodenlehre über den gesamten Studienverlauf weist spezifische Herausforderungen für alle Beteiligten (Studierende, Lehrende/Betreuende, Hochschulen) auf und verlangt eine angemessene Gestaltung – zusehends auch in explizit didaktisierter und zumindest partiell digitalisierter Form.

Umsetzung: Vor diesem Hintergrund werden im Lehr-Lern-Labor „qualitativ_diskursiv_digital“, Teil des an der Hochschule Magdeburg-Stendal angesiedelten BMBF-Projekts „h2d2–didaktisch und digital kompetent Lehren und Lernen“, digitale und digital angereicherte Angebote zur Vermittlung und Aneignung qualitativer Forschung entwickelt, die einzeln nutzbar und gleichsam systematisch konzipiert sind, um die qualitative Methodenlehre insgesamt zu stärken. Dazu gehören für Lehrende die Peer-to-Peer-Forschungswerkstatt „qualitativ_diskursiv“, die als fachgebiets- und standortübergreifendes Fachforum zu einem kontinuierlichen Austausch über qualitative Methoden in Forschung und Lehre dient (Kanter & Mey 2021), ergänzt um individuelle Beratungsangebote sowie Weiterbildungsworkshops zur Didaktik qualitativer Forschung. Für Studierende, die qualitative Abschlussarbeiten planen bzw. verfassen, werden mit „Sup|Port“ Beratungsangebote offeriert und mit der Veranstaltungsreihe „h²|Methoden-Meetings“ häufig nachgefragte Themen qualitativer Forschung in einem einführenden und dialogischen Format behandelt.

Diese On-/Offline-Angebote werden durch die im Aufbau befindliche virtuelle Lernumgebung „Q|Port“ (Portal QUALITATIV forschen. lernen. lehren.) ergänzt. Sie bietet Studierenden generell und insbesondere hinsichtlich des Verfassens einer qualitativen Qualifikationsarbeit Unterstützung und Lehrenden Handreichungen für die Gestaltung der Lehre und des Begleitungs- und Betreuungsprozesses von Arbeiten. Die Lernumgebung vereint mehrere Elemente wie den „Methoden|Kompass“, der Lehrenden und Studierenden eine Vielzahl an Materialien zum Einsatz in Lehrveranstaltungen oder zum selbstgesteuerten Lernen bietet, die „Schreib|Zeit“ mit Videokonferenzraum zur gemeinsamen Gestaltung von Schreibsitzungen, die „Online|Kurse“ mit digitalen Lerneinheiten, den „Fragen|Pool“ mit Antworten auf häufig gestellte Fragen und den Bereich „Abschluss|Arbeit“ mit einer Reihe an Informationen und Dokumenten, die bei der Anfertigung einer qualitativen Abschlussarbeit unterstützen.

So werden Angebote und Strukturen etabliert und ausgebaut, die werkstattförmiges Arbeiten (Fuhrmann, Mey, Stamann & Janssen 2021; Mey 2021) sowohl offline, als auch online und hybrid fördern und flankieren.

Diskussion: Das Thema Lehren und Lernen qualitativer Forschung (Schreier & Breuer 2020; Schreier & Ruppel 2021) wird bezüglich des Verfassens qualitativer Abschlussarbeiten, der Begleitung und Betreuung dieses Prozesses sowie den hochschulseitig etablierten bzw. zu etablierenden Strukturen und Angeboten hierzu (Kalkstein & Mey 2021) exemplarisch betrachtet und insbesondere hinsichtlich gegenwärtiger Didaktisierungs- und Digitalisierungsprozesse reflektiert.

Anliegen der Posterpräsentation: Die Posterpräsentation soll als Anlass genommen werden, die bislang realisierten Umsetzungen des Lehr-Lern-Labors und die langfristigen Entwicklungsziele kritisch zu hinterfragen und so eine Diskussion zu eröffnen, um weitere Bedarfe für Lehrende, Studierende sowie Hochschulen zu identifizieren und Herausforderungen zu adressieren.

Kontakt: guenter.mey@h2.de / christoph.stamann@h2.de / paul-sebastian.ruppel@h2.de / https://www.h2.de/index.php?id=4447

Literatur

  • Fuhrmann, Laura; Mey, Günter; Stamann, Christoph & Janssen, Markus (2021). Forschungswerkstätten als Orte des Schlüsselkompetenzerwerbs. In Alexa Maria Kunz, Günter Mey, Jürgen Raab & Felix Albrecht (Hrsg.), Qualitativ Forschen als Schlüsselqualifikation. Prämissen – Praktiken – Perspektiven (S.175–200). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Kalkstein, Fiona & Mey, Günter (2021). Methoden im Zentrum! Methoden ins Zentrum? Potenziale und Grenzen universitärer Methodenzentren für die Erweiterung der qualitativen Methodenausbildung. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 22(2), Art 26, https://doi.org/10.17169/fqs-22.2.3736.
  • Kanter, Heike & Mey, Günter [mit Kurzbeiträgen von Claudia Dreke, Rahim Hajji, Arnd Hofmeister, Beatrice Hungerland, Sandra Köchy & Jens Heßmann, Heike Stecklum] (2021). Herausforderungen, qualitative Forschungsmethoden zu lehren/lernen. Ansprüche, Spezifika und Lösungswege zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen an Hochschulen der angewandten Wissenschaft. In Alexa Maria Kunz, Günter Mey, Jürgen Raab & Felix Albrecht (Hrsg.), Qualitativ Forschen als Schlüsselqualifikation. Prämissen – Praktiken – Perspektiven (S.26–51). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Mey, Günter (2021). Qualitative Forschung findet immer in Gruppen statt. Das ist nicht einfach, aber produktiv – Reflexionen zur „Projektwerkstatt qualitatives Arbeiten“. In Heike Ohlbrecht, Carsten Detka & Sandra Tiefel (Hrsg.), Anselm Strauss – Werk, Aktualität und Potentiale. Mehr als nur Grounded Theory (S.125–144). Opladen: Verlag Barbara Budrich.
  • Schreier, Margrit & Breuer, Franz (2020). Lehren und Lernen qualitativer Forschungsmethoden. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Band 2: Designs und Verfahren (2., aktualisierte und erweiterte Auflage, S.265–289). Wiesbaden: Springer, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26887-9_32.
  • Schreier, Margrit & Ruppel, Paul S. (2021). Entwicklungspotenziale im Lehren und Lernen qualitativer Forschungsmethoden in den Sozialwissenschaften. In Marc Dietrich, Irene Leser, Katja Mruck, Paul S. Ruppel, Anja Schwentesius & Rubina Vock (Hrsg.), Begegnen, Bewegen und Synergien stiften: Transdisziplinäre Beiträge zu Kulturen, Performanzen und Methoden (S.325–342). Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33632-5_18.

Austausch zwischen Lehrenden qualitativer Forschungsmethoden: Unerwartet hohe Resonanz auf meine QSF_L Anfrage

Nicole Weydmann; Hochschule Furtwangen

Ausgangspunkt: In meiner Anfrage an die Mailingliste QSF_L war ich auf der Suche nach Interessierten für eine Online Gruppe, bei der sich Lehrende der qualitativen Methoden (QM) vernetzen, um einander ihre jeweiligen Lehransätze und Materialien vorzustellen, Lehrerfahrungen zu reflektieren und eventuell gemeinsam eine Datenbank für Materialien zu entwickeln. Unerwarteterweise haben sich innerhalb von zehn Tagen insgesamt 119 Lehrende gemeldet, die Interesse an Vernetzung und Austausch haben.

Fragestellung: Was braucht ein Netzwerk für Lehrende qualitativer Forschungsmethoden?

Umsetzung: Mit Blick auf die bestehenden didaktischen Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrende der QM scheint es eine Lücke im Bereich der Vernetzung und Fortbildung zu geben. Auf Grundlage der zahlreichen Rückmeldungen wird deutlich, dass es Bedarfe sowohl im Bereich Austausch & Reflexion sowie in der spezifischen didaktischen Fortbildung von Lehrenden QM gibt. Darüber hinaus fehlen Strukturen der Organisation von Lehrenden der QM, die die Anliegen bündeln und befördern könnten.  

In einem ersten Schritt hat sich ein didaktisch erfahrener Beirat bestehend aus Franz Breuer, Rudolf Schmitt und Margrit Schreier (Schmitt 2007; Schreier & Breuer 2020; Schreier & Ruppel 2021) bereit erklärt, unterstützend und reflektierend den Aufbau eines hochschulübergreifenden Netzwerks für Lehrende der QM zu unterstützen. Auf dieser Grundlage werden zum WS 2022/23 erste Werkstattgruppen und Austausch-Tandems mit verschiedenen didaktischen Schwerpunktsetzungen gebildet. Die Rückmeldungen zu den unterschiedlichen Bedarfen der Werkstattgruppen werden derzeit eingesammelt. Des Weiteren wird eine erste Ringvorlesung für das Wintersemester 2022/23 geplant, in welcher erfahrene Lehrende ihre Erfahrungen in der Lehre QM diskutieren und für Rückfragen zur Verfügung stehen (genauere Planungen folgen). Darüber hinaus finden erste Gespräche zur strukturellen Anbindung und zur Mitteleinwerbung des Netzwerks statt.

Anliegen der Posterpräsentation: Zum gegenwärtigen, frühen Zeitpunkt der Netzwerk-Initiative steht insbesondere die Belebung des Netzwerks, das Sondieren der strukturellen Möglichkeiten, das Entwickeln von Unterstützungsstrukturen und der Austausch sowie die Vernetzung mit bestehenden hochschulinternen und disziplinären Binnen-Strukturen im Fokus. Entsprechend liegt der Fokus des Posters darauf, den Stand der Initiative zu kommunizieren und potenzielle Mitwirkende anzusprechen.

Kontakt: nicole.weydmann@hs-furtwangen.de, FQS-Debatte „Lehren und Lernen Qualitativer Forschungsmethoden“ (https://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/sections/deb/teaching; Debattenherausgeber*innen: Franz Breuer, Wolff-Michael Roth, Margrit Schreier, Nicole Weydmann)

Literatur

  • Schmitt, Rudolf (2007). Diskussionsbeitrag: Die Lehre qualitativer Forschung im Studium der Sozialen Arbeit: Ein Erfahrungsbericht von Nebenschauplätzen. Forum Qualitative Sozialforschung, 8(1), https://doi.org/10.17169/fqs-8.1.219.
  • Schreier, Margrit & Breuer, Franz (2020). Lehren und Lernen qualitativer Forschungsmethoden. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Band 2: Designs und Verfahren (2., aktualisierte und erweiterte Auflage, S.265–289). Wiesbaden: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26887-9_32.
  • Schreier, Margrit & Ruppel, Paul S. (2021). Entwicklungspotenziale im Lehren und Lernen qualitativer Forschungsmethoden in den Sozialwissenschaften. In Marc Dietrich, Irene Leser, Katja Mruck, Paul S. Ruppel, Anja Schwentesius & Rubina Vock (Hrsg.), Begegnen, Bewegen und Synergien stiften: Transdisziplinäre Beiträge zu Kulturen, Performanzen und Methoden (S.325–342). Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33632-5_18.