Postersession 2012

Politik, Wirtschaft, Umwelt

Matthias Becker (M. A. an der Freien Universität Berlin; TU Berlin Angewandte Linguistik): Die französische Regierungspartei unter der Wirkung eines Rechtsrucks in Europa? Eine qualitative Untersuchung des Metapherngebrauchs der UMP und ihrer Orientierung am rechtsextremen FN im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2012

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Pantea Bashi (Interdisziplinäre Fakultät, Universität Rostock): Neuromarketing: Die Suche nach dem Buy-Button – Eine wissenssoziologische Diskursanalyse

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Tobias Hauser & Friedemann W. Nerdinger (Universität Rostock): Selektives Fokussieren: Wie UnternehmerInnen den Erfolg von Innovationen beeinflussen

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Franziska Heinze (Universität Leipzig): Bildung für nachhaltige Entwicklung – was Lehrkräfte wissen und können müssen

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Katja Krämer (Universität Würzburg, Institut für Sinologie, Kompetenznetz „Regieren In China“): Soziale Schichtungserfahrungen und politische Kultur im städtischen China der Gegenwart – Zwei erste Fallstrukturen 

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Nicole Kruse (KlimaCampus, Universität Hamburg): Mentale Modelle von ExpertInnen und BürgerInnen der Stadt Hamburg zum Thema Klimawandel 

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Edna Rosen (Fachbereich Informatik, Freie Universität Berlin): Vergleich qualitativer Methoden zur Erforschung des mentalen Modells bei der Analyse von Patentstreitigkeiten 

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Kultur, Migration, Sozialisation

Sina Motzek (Universität Kassel): Mehrdimensionale Agency-Analyse mit der dokumentarischen Methode –am Beispiel von transnationalen Biografien von Frauen türkischer Herkunft mit depressiven Beschwerden

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Iris Nomikou & Katharina J. Rohlfing (CITEC, Universität Bielefeld): Die Rolle von Fragen beim Herstellen von gegenseitiger Aufmerksamkeit in frühen Mutter-Kind-Interaktionen

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Michael Tressat (Bildungs- und Transformationsforschung, Universität Hamburg): Die „kriminelle Karriere“ als individuierten Bildungsprozess verstehen? Methodologische Überlegungen zum transformatorischen Bildungsbegriff am Beispiel von Biografien junger Straffälliger 

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Bildung

Sandra Drumm (Technische Universität Darmstadt): Wissen und Vorstellungen von LehrerInnen zur Sprachförderung im Fach Biologie: Qualitative Datenerhebung mittels Interview und Strukturlegetechnik 

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Anja Franz (Institut für Hochschulforschung Wittenberg, derzeit Gastwissenschaftlerin an der Penn State University/USA): Ausstieg Promotion? Eine qualitative Studie zu Bedingungen von Promotionsabbrüchen in Deutschland

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Iva Kocaman (Institut für Pädagogik und Berufspädagogik, Technische Universität Darmstadt): Die Grounded-Theory-Methodologie und die Integration des Forschungsgegenstandes bei der Auswertung von autobiografisch-narrativen Interviews mit Migrantinnen in Selbstorganisationen 

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Sonja Richter (Leuphana Universität Lüneburg): Die Auswertung von narrativ-problemzentrierten Interviews mit ehemaligen Teilnehmenden von Freiwilligendiensten im globalen Süden – Bildungsprozesse im Kontext von Nachhaltigkeitsbewusstsein 

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Stefanie Siebenhaar (Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft, Technische Universität Darmstadt): Vom Produkt zur Kompetenz: erste Ergebnisse aus der Pilotierung einer qualitativen Studie 

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Franziska Wyßuwa (Technische Universität Chemnitz, Professur für Erziehungswissenschaft): Reden über Alles und Nichts in pädagogischen Weiterbildungsveranstaltungen? Zum Stellenwert lebensweltlicher Elemente im Wissenserwerb

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Methoden

Judith Becker, Maria B. Jung & Bettina Hannover (Freie Universität Berlin): „Liest du das Gleiche wie ich?“ Validierung eines induktiven Kategoriensystems mit MAXQDA

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Iris Braun &Tobias Gebel (DSZ-BO, Universität Bielefeld): Datenmanagement qualitativer Studien der Organisationsforschung

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Natalia Postek (Universität Wien, Österreich): Interviewführung und Auswertung von Interviews mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

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Abstracts

Die französische Regierungspartei unter der Wirkung eines Rechtsrucks in Europa? Eine qualitative Untersuchung des Metapherngebrauchs der UMP und ihrer Orientierung am rechtsextremen FN im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2012

Matthias Becker, M. A. an der Freien Universität Berlin; TU Berlin Angewandte Linguistik

Forschungskontext/theoretische Rahmung: Diese sprachwissenschaftliche Untersuchung verläuft gemäß polito- und kognitionslinguistischen Ansätzen, die Sprache in einem erheblichen Maße als wirklichkeitskonstituierend verstehen. Anhand der im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfes 2012 vorkommenden Erklärungen der Parteien Union pour un mouvement populaire (UMP) und Front national (FN) soll die hinter metaphorischen Darstellungsweisen liegenden Konzeptualisierungen zu den Themen Immigration und Immigrationspolitik aufgedeckt und ggf. Parallelen nachvollzogen werden. Diese lexematische Analyse orientiert sich strukturell an den Ursprungsbereichen der dominanten Metaphernkomplexe in den Texten und demonstriert durch die Beschreibung daran anschließender Szenarien mitsamt ihrer persuasiven, emotiven und Implikaturpotenziale (gegenüber den RezipientInnen) die Einstellungen und Intentionen der jeweiligen Textproduzenten.

Forschungsfragen: Mittels der Analyse der Metaphorik zu den genannten Zielbereichen soll der Frage nachgegangen werden, durch welche Charakteristika sich die Konzeptualisierung der Immigration in den Erklärungen beider Parteien auszeichnet und wo die Schwerpunkte in der Darstellung liegen. Die zweite Frage lautet, inwieweit sich – erkennbar an der Ausrichtung des metaphorisch perspektivierten Diskurses – die UMP an den sprachlichen Bildern des FN orientiert und damit zu einer negativen Evaluierung der Immigration im öffentlichen Raum beiträgt.

Methodik: Es wurden alle zum Thema passenden Erklärungen beider Parteien von November 2010 bis Februar 2012 herangezogen. Die in diesen Korpora dominanten, kontinuierlich auftretenden Metaphern wurden gemäß ihren Ursprungsbereichen kategorisiert (bspw. „Krieg“, „Naturgewalt“, „Krankheit“, „Ressource“ etc.). Diese bildhafte Sprache hat das Potenzial, Textweltmodelle zu aktivieren, die durch eine Analyse greifbar gemacht und sodann miteinander verglichen und ausgewertet werden können. Da es sich um fremdsprachiges Textmaterial handelt, habe ich die Analysen mit den Lesarten von MuttersprachlerInnen abgeglichen. Für den Untersuchungshergang wurden Modelle der Polito- und Kognitiven Linguistik verwendet (Musolff 2011; Schwarz 2008; Schwarz-Friesel 2007; Girnth 2002).

Ergebnisse: Die Analyse der Textweltmodelle beider Textproduzenten zeigt, dass die Konzeptualisierungen der UMP stark in eine die Immigranten dehumanisierende und teils dämonisierende Weise verlaufen, wobei allerdings nicht alle dominanten Szenarien des FN im gleichen Maße durch die ehemalige Regierungspartei bedient werden. Andererseits liegt ein starkes diskursives Gewicht auf dem Moment der nationalen Identität und Sicherheit sowie der Verdinglichung von Immigranten. Die Haltung der UMP ist von einer nur scheinbar positiven Flexibilität im Umgang mit der Immigration geprägt (bes. bzgl. der wirtschaftlichen Rentabilität), welche der eindeutigen Ablehnung derselben durch den FN in nur wenigen Aspekten nachsteht. Diese Verteilung der metaphorischen Kodierungen im Diskurs soll auf dem Poster modellhaft vorgestellt werden. Zudem werden mit Bezug auf o.g. Literatur Modelle zum Metaphernverstehen der RezipientInnen präsentiert, welche die potenziellen Interpretationsverläufe, motiviert durch derartige politische Diskurse (und damit der Verschiebung der Textweltmodelle bei den RezipientInnen), nachvollziehbar machen.

Diskussion: Zur Diskussion wird bei fortlaufender Beschäftigung mit dieser Analyse stehen, wie sich die UMP nach dem Wahlkampf 2012 zu Fragen der Immigration und Integration positioniert und ob es nach wie vor zu einer entsprechenden Perspektivierung kommt, oder aber ob es sich lediglich um ein wahlkampftechnisches Manöver handelte (was nicht weniger problematisch wäre).

Ziel dieser Ausarbeitung soll zudem sein, einen Impuls für die Entwicklung eines umfangreicheren Profils jener Parteien in Europa zu liefern, die sich ursprünglich als politisch zentral auswiesen, nun allerdings aus verschiedenen Motiven heraus eine Bewegung nach rechts vollführen (potenzielles Forschungsprojekt in den kommenden Jahren).

Kontakt: m.j.becker@gmx.net

Literatur:

  • Girnth, Heiko (2002). Sprache und Sprachverwendung in der Politik. Eine Einführung in die linguistische Analyse öffentlich-politischer Kommunikation. Tübingen: Max Niemeyer.
  • Kirchhoff, Susanne (2010). Krieg mit Metaphern. Mediendiskurse über 9/11 und den ‘War of Terror’. Bielefeld: Transcript.
  • Musolff, Andreas (2011). Migration, media and „deliberate” metaphors. Metaphorik.de, 7-19. http://www.metaphorik.de/21/musolff.pdf [Zugriff: 25.04.2012].
  • Schwarz, Monika (2008). Einführung in die Kognitive Linguistik. Tübingen: Francke.
  • Schwarz-Friesel, Monika (2007). Sprache und Emotion. Tübingen: Francke.

Neuromarketing: Die Suche nach dem Buy-Button – Eine wissenssoziologische Diskursanalyse

Pantea, Bashi, Interdisziplinäre Fakultät, Universität Rostock

Forschungskontext: Das Dissertationsprojekt wird im Rahmen des Departements Wissen – Kultur – Transformation an der Interdisziplinären Fakultät der Universität Rostock gefördert. Der Erstbetreuer ist Prof. Peter A. Berger, Universität Rostock und der Zweitbetreuer Prof. Daniel Barben, Lehrstuhl für Zukunftsforschung an der RWTH Aachen.

Ausgangspunkt: Die Neurowissenschaften gelten derzeit als Schlüsselwissenschaften, die gesellschaftliche Faszination, Hoffnung und Bedenken zugleich auslösen. Neue Technologien der bildgebenden Verfahren produzieren Bilder von Aktivierungsprozessen in unserem Gehirn und erlauben ExpertInnen wie interessierten Laien bisher unbekannte Einblicke. Die Befunde und Visionen der Neurowissenschaften betreffen allerdings nicht mehr nur die Domäne der Medizin allein. Auch im Bereich der KonsumentInnenforschung ist teils ein Paradigmenwechsel zu beobachten: Nicht mehr allein durch sozialwissenschaftliche Kanäle wie etwa Präferenzenabfragen, sondern durch den direkten Blick in das Konsumentinnengehirn sollen Kaufentscheidungen beobachtbar und sichtbar werden. Als Teilgebiet der sog. Neuroökonomie befasst sich Neuromarketing mit dem möglichen Einsatz von Hirnforschungsmethoden und -technologien im Bereich der Konsumentenforschung und der Werbung.

Forschungsfrage(n): Neuromarketing ist für eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung relevant, weil bei der Übersetzung und Anwendung von neurowissenschaftlichem Wissen in der Marketingpraxis Black-Boxing-Prozesse (Knorr-Cetina 2011) einsetzen, die zu einem späteren Zeitpunkt nur noch schwer nachvollziehbar sein können. Dieser Prozess entsteht häufig, wenn eine Verengung wissenschaftlicher Behauptungen in „Fakten“ stattfindet. Neuromarketing wird in diesem interdisziplinären Disserationsprojekt als eine gesellschaftlich relevante und sich noch im Aushandlungsprozess befindliche Diskursarena verstanden, in dem alte und neue Wissensbestände/-konstruktionen aufeinander einwirken und womöglich eine neue Wissensordnung zur Folge haben können.

Folgenden Fragen gehe ich nach:

  • Wie verläuft die Übersetzung von Neurowissen in der Marketingpraxis und zu welchem Zweck geschieht dies?
  • Welche Strategien, Praktiken und Technologien sind es, die den Neuromarketing-Diskurs gestalten?
  • Welche Rolle haben gesellschaftliche Akteure innerhalb des Neuromarketing-Diskurses und von welchen Positionen aus sprechen bzw. schweigen sie?

Methodik/Anlage der Studie: Um der Komplexität des Themas gerecht zu werden, führe ich leitfadengestützte (ExpertInnen-) Interviews mit verschiedenen Akteuren aus dem Feld, z.B. Neuromarketing-Agenturen, Werbeagenturen, die Neuromarketing explizit ablehnen, Mitglieder des Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Darüber hinaus nutze ich die Methode der fokussierten Ethnografien bei Kongressen und Veranstaltungen zum Thema. Die Daten werden angelehnt an die Grounded-Theory-Methodologie (Strauss & Corbin 1996) erhoben und im Rahmen des Forschungsprogramms der Wissenssoziologischen Diskursanalyse (Keller 2011) analysiert und ausgewertet.

Erste Ergebnisse: Zu beobachten ist bisher eine Anschlussfähigkeit der Neurowissenschaften in Teilen des Marketings durch Evidenzbasierung sowie Rückgriff auf vermeintlich harte Wissenschaften und technisch hergestellte Bilder des Körperinneren (Gehirnscans). Weiterhin wird Neurowissen im Bereich des Marketings auf eine spezifische Weise verarbeitet und soll zu einer naturwissenschaftlichen Härtung der Marketingskills beitragen.

Diskussion: Zur Diskussion stehen für das Feld exemplarische Bild- und Aussageereignisse.

Kontakt: pantea.bashi@uni-rostock.de

Literatur:

  • Keller, Reiner (2011). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Knorr-Cetina, Karin (2011). Die Fabrikation von Erkenntnis: zur Anthropologie der Naturwissenschaft. Frankfurt, M.: Suhrkamp. (Orig. 1981)
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz/PVU.

Bildung für nachhaltige Entwicklung – was Lehrkräfte wissen und können müssen

Franziska Heinze, Universität Leipzig

Ausgangslage: Konzeptionen von „Bildung für (eine) nachhaltige Entwicklung (BNE)“ stellen eine Reaktion dar auf die „Pädagogik in der globalisierten Moderne“ (Focali 2007). Bildung in diesem Sinne meint Erwerb bzw. Entfaltung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vor einem globalen Horizont bei gleichzeitigem verantwortungsbewusstem, auf eine überdauernde Perspektive ausgerichtetem Umgang mit der sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Umwelt (vgl. de Haan et al. 2008, vgl. UNESCO 2005, BMU 1993). Im Schulkontext stellt BNE einen überfachlichen, komplexen Gegenstand dar, für den sich kaum Aussagen zu Kompetenzen für Lehrkräfte finden. Ziel der Studie ist es, ein heuristisches Modell BNE-spezifischer professioneller Handlungskompetenz von Lehrkräften zu entwickeln. Zentrale Schwierigkeit dabei ist, dass BNE kein Unterrichtsfach darstellt bzw. selten als Lerninhalt in Fachlehrplänen ausgewiesen ist.

Forschungsfragen: Für die Forschungsarbeit interessiert es, welche (Teil-) Kompetenzen ein BNE-spezifisches Modell professioneller Handlungskompetenz für Lehrkräfte enthalten soll, welche subjektiven Vorstellungen Lehrkräfte über BNE-spezifische pädagogisch-didaktische und professionelle Kompetenzen haben und wie diese Vorstellungen ggf. zur Erweiterung/Modifikation des heuristischen Modells beitragen.

Methodik/Anlage der Studie: Neben einer deduktiv-heuristischen Herangehensweise widmet sich eine qualitative Interviewstudie den subjektiven Vorstellungen von Lehrkräften über BNE-spezifische Kompetenzen. Mit problemzentrierten Interviews (Witzel 2000) werden sächsische Lehrkräfte (n=30) zu ihrem BNE-Verständnis und darauf bezogenen eigenen Beispielen aus ihrer Unterrichtspraxis befragt. Ausgehend von diesen sollen die Lehrkräfte hierfür benötigte Kompetenzen rekonstruieren und reflektieren.

Die Auswertung erfolgt als strukturierende qualitative Inhaltsanalyse (Steigleder 2008) mit Fokus auf den Einzelfall. In einem zweiten Schritt wird nach einzelfallübergreifenden Kompetenzvorstellungen der Lehrkräfte in Abhängigkeit vom unterrichteten Fach, von der Schulform etc. geschaut.

Ergebnisse: Ein erstes Ergebnis der laufenden Auswertung ist, dass Lehrkräfte oft fächergruppenbezogene Schwerpunktsetzungen bezogen auf ihr BNE-Verständnis vornehmen, d.h. der fächerübergreifende Charakter von BNE zugunsten von Fachkonsistenz reduziert wird. Ein zweites Ergebnis zeigt, dass Lehrkräfte Metakompetenzen wie z.B. (Selbst-) Reflexionskompetenz benötigen, um der Komplexität von BNE gerecht zu werden.

Diskussion: Mit dem Poster werden das Design der Studie vorgestellt und erste Ergebnisse zusammengefasst.

Kontakt: franziska.heinze@uni-leipzig.de

Literatur:

  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (1993). Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro – Dokumente – Agenda 21. Bonn.
  • Focali, Ergin (2007). Pädagogik in der globalisierten Moderne. Münster: Waxmann.
  • Haan, Gerhard de; Kamp, Georg; Lerch, Achim; Martignon, Laura; Müller-Christ, Georg & Nutzinger, Hans-G. (Hrsg.) (2008). Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Berlin: Springer.
  • Steigleder, Sandra (2008). Die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse im Praxistest. Marburg: Tectum.
  • UNESCO-Section for Education for Sustainable Development (2005). Guidelines and Recommendations for Reorienting Teacher Education to Adress Sustainability. Paris.
  • Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1). Art. 22, http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228.

Selektives Fokussieren: Wie UnternehmerInnen den Erfolg von Innovationen beeinflussen.

Tobias Hauser & Friedemann W. Nerdinger, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie , Universität Rostock

Forschungskontext: Die explorativ-theoriebildende Studie greift die Untersuchung von Innovationserfolg unter dem Einfluss von InhaberIn-UnternehmerInnen auf. Die Studie bindet das Erfolgsmaß nicht an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, sondern an das subjektive Erfolgsverständnis der Befragten. InhaberIn-UnternehmerInnen sind gleichzeitig EigentümerIn und Führungskraft und haben dabei zusätzlich operative Verantwortung. Im Mittelpunkt steht das in Leadership- und Managementaspekte unterteilte (Bass 2008) Führungsverhalten der UnternehmerInnen.

Ausgangspunkt: Innovationen sind existenziell für Unternehmungen, aber in ihrer Vielschichtigkeit schwierig zu erfassen und Gegenstand mehrdimensionaler Kategorisierungen (Hauschildt 2010). Mit Cooper (1979) sowie Cooper und Kleinschmidt (1986) ist in den 1970er und 1980er Jahren eine bis heute fortgesetzte vielfältige Erfolgsfaktorenforschung zu Innovationen entstanden (Ernst 2002). Die Ansätze, Erfolgsmaße und Ergebnisse der Studien divergieren (Nicolai & Kieser 2002; Ernst 2002). Das Erfolgsverständnis ist dort durchgehend ein quantitatives. Die Untersuchungen berücksichtigen den Einfluss des Unternehmers/der Unternehmerin nicht. Bei Bezugnahme auf einen „Mittelstand“ ist die Abgrenzung nach Größenkriterien verbreitetet, nicht aber die Untersuchung der Wirkung der InhaberInnen. Was aber tun InhaberInnen konkret in ihren eigenen Unternehmungen, um innovativ zu sein? Wie wirken sie auf die weiteren Akteure, den Innovationsprozess, ihre Organisation und das Ergebnis?

Forschungsfragen:

  • Wie wirkt sich das Verhalten des Inhaber-Unternehmers auf das Innovationsmanagement in seiner Unternehmung aus, und in welcher Weise können beide mit einem Erfolgsbeitrag verbunden sein?
  • Was bedeutet für die UnternehmerIn Erfolg?
  • Gibt es Hinweise auf eine Typisierung?

Methodik/Anlage der Studie: Die Untersuchungsmethode ist die Grounded-Theory-Methodologie (Mey & Mruck 2011) nach Glaser (1978, 1998, 2011). Das Erhebungsinstrument sind episodische Interviews (Flick 2011, 1996). Als Erzählanreize werden die aus der Critical Incident Technique (Flanagan 1954) stammenden kritischen Ereignisse genutzt. Die Studie exploriert, welche Innovationssituationen die Teilnehmenden als besonders erfolgreich und erfolglos in Erinnerung haben und deren subjektives Verständnis von Begriffen zu Erfolg, Unternehmertum und Innovation. Informant-Bias (Ernst 2012) wird durch Triangulation (Flick 2011) gehandhabt. Es wurden mehrere Unternehmungen (Units) untersucht, in denen jeweils die UnternehmerInnen befragt wurden. An den Innovationen können neben den UnternehmerInnen auch geführte Führungskräfte und Ausführende beteiligt sein. Nach Möglichkeit wurden in den Units mit diesen Beteiligten zusätzliche Gespräche geführt.

Stand der Arbeit/Bisherige Ergebnisse: Bisher wurden 17 Interviews in 12 nach dem Theoretical Sampling ausgewählte Unternehmungen geführt. Mit der Methode des ständigen Vergleichens (Glaser 2011) wurde als main concern der UnternehmerInnen die „unternehmerische Selbstverwirklichung“ identifiziert, die diese durch die Kernkategorie „selektives Fokussieren“ umsetzen. Die Auswertung befindet sich im Stadium des selektiven Kodierens. Die Kernkategorie erklärende Kategorien sind „perzeptives Kultivieren“, „strukturelles Gestalten“, „schöpferisches Verwirklichen“ und „umsetzendes Interagieren“. Sättigung dieser Kategorien und Theoriebildung sind noch nicht abgeschlossen, weitere Interviews sind geplant. Die sich abzeichnende Typisierung wird derzeit formuliert.

Diskussion: Das Poster soll die Entstehung der Kategorien grafisch visualisieren, um die Zwischenergebnisse der Diskussion zu öffnen. Der Abstraktionsprozess von Kodes in Konzepte und Kategorien soll nachgezeichnet werden. Wie wirken die Kategorien auf die Lesenden? Welche anderen Interpretationen sind möglich? Bei der Arbeit in Grounded-Theory-Methodologie-Seminaren und in der NetzWerkstatt gab es angeregte Diskussionen über Kodes wie „ein Bild im Kopf haben“ und Kategorien wie „selektives Kümmern“, mit denen Angehörige verschiedener Disziplinen unterschiedliche Assoziationen hatten. Diese Pluralität der Sichtweisen soll aufgegriffen werden. Durch die Unterteilung in positive/negative Ereignisse und ereignisunabhängige Erzählungen entstehen in der Auswertung zusätzliche Dimensionen für eine Typisierung.

Kontakt th@tobiashauser.comhttp://tobiashauser.comhttp://www.wiwi.uni-rostock.de/bwl/psychologie

Literatur

  • Bass, Bernard M. (2008). The Bass Handbook of Leadership (4. Auflage). New York, NY: Simon & Schuster.
  • Cooper, Robert G. (1979). Identifying industrial new product success: Project NewProd. Industrial Marketing Management, 8(2), 124-135.
  • Cooper, Robert G. & Kleinschmidt, Elko J. (1986). An Investigation into the New Product Process. Journal of Product Innovation Management, 3(2), 71-85.
  • Ernst, Holger (2002). Success Factors of New Product Development: A Review of the Empirical Literature. International Journal of Management Reviews, 4(1), 1-40.
  • Flanagan, John C. (1954). The Critical Incident Technique. Psychological Bulletin, 4, 327-358.
  • Flick, Uwe (1996). Psychologie des Technisierten Alltags. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Flick, Uwe (2011). Triangulation: Eine Einführung. Wiesbaden: VS.
  • Glaser, Barney G. (1978). Theoretical Sensitivity. Mill Valley: Sociology Press.
  • Glaser, Barney G. (1998). Doing Grounded Theory. Mill Valley: Sociology Press.
  • Glaser, Barney G. (2011). Getting out of the Data. Mill Valley: Sociology Press.
  • Hauschildt, Jürgen & Salomo, Sören (2010). Innovationsmanagement (5. Auflage). München: Vahlen.
  • Mey, Günter; Mruck, Katja (Hrsg.) (2011). Grounded Theory Reader. (2. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Nikolai, Alexander & Kieser, Alfred (2002). Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. Die Betriebswirtschaft, 62(6), 579-596.

Soziale Schichtungserfahrungen und politische Kultur im städtischen China der Gegenwart – Zwei erste Fallstrukturen

Katja Krämer, Universität Würzburg, Institut für Sinologie, Kompetenznetz „Regieren In China“

Forschungskontext: Seit Deng Xiaoping 1978 die Reform- und Öffnungspolitik initiierte, durchläuft die chinesische Gesellschaft eine rasante Transformation, die für viele ihrer Mitglieder mit Veränderungen ihres sozialen Status verbunden ist (Hsu 2007). Es sind dabei drei Formen von Statuswandel zu unterscheiden: Individueller Auf- oder Abstieg durch Wechsel der sozialen Gruppe (etwa bei Verlust eines Arbeitsplatzes im Staatssektor), gruppenbezogener Statuswandel (etwa der Prestigegewinn von UnternehmerInnen) und intergenerationeller Statuswandel (etwa vergleichsweise höherer Schulabschluss der Kinder). Damit einher geht eine allgemeine Steigerung des Lebensstandards. Die klassische Modernisierungstheorie geht davon aus, dass diese zu einem gestiegenen politischen Partizipationsbedürfnis führt und letztlich eine Demokratisierung zur Folge hat. Diese ist in China bislang jedoch nicht erfolgt und zeichnet sich derzeit auch nicht ab.

Forschungsfrage: Es ist deshalb von großem Interesse für die Zukunft des chinesischen politischen Regimes, welchen Einfluss die gesellschaftlichen Umwälzungen auf die politische Kultur in der Bevölkerung hat: Wie wirkt sich also Statuswandel auf die Beurteilung des momentanen Systems und seiner Führung sowie auf die Entwicklung von Partizipations-wünschen aus?

Methodik: Diesen Fragestellungen wird mittels einer qualitativen Tiefenstudie nach den Prinzipien der Grounded-Theory-Methodologie (Bowen 2006; Corbin & Strauss 2008) nachgegangen. Aufgrund der großen Entfernung zu China werden die Interviews in Befragungswellen und nicht sukzessiv durchgeführt. Von 2010 bis 2012 wurden insgesamt 74 berufsbiografische, teilnarrative Interviews mit Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen und Bildungsschichten geführt. Sechzig Interviews wurden von eigens dafür geschulten chinesischen Studierenden der Sozialwissenschaften geführt, die Übrigen von deutschen Mitgliedern des Forschungsprojektes, um abschätzbar zu machen, wie sich die Nationalität der Interviewenden auf die Antworten auswirkt. Aus dem Interviewsample werden einzelne Fälle nach den Prinzipien des Theoretical Samplings ausgewählt, um diese mikrosprachlich zu analysieren. Es wird dabei systematisch danach gefragt, welche Konzepte für das politische Denken bzw. die soziale Identität der Befragten von Bedeutung sind. Dabei werden in drei Schritten Konzepte erarbeitet, die im Denken der interviewten Personen eine zentrale Rolle spielen: Beim offenen Kodieren, werden die Aussagen der Interviewten konzeptionalisiert. Während der Phase des axialen Kodierens werden diese Konzepte zueinander in Beziehung gesetzt bzw. ihre Verbindungen zueinander ausgearbeitet. Beim anschließenden selektiven Kodieren werden besonders wichtige Kernkonzepte weiter ausgearbeitet. Insbesondere in die Anfangsphase des Analyseprozesses wird eine Agencyanalyse integriert, deren Fokus auf politischer Agency, also dem subjektiven Empfinden politischer Handlungsmacht liegt. Dieses politische Selbstwirksamkeitsempfinden spielt als Vorbedingung von Partizipationswünschen eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer politischen Kultur. Zugleich wird im Rahmen einer Positioning-Analyse untersucht, wie sich das jeweilige erzählende Ich zum erzählten Ich und gegenüber anderen, in der Erzählung auftauchenden Personen, Institutionen, Ereignissen usw. positioniert, um die soziale Identität der Erzählenden greifbar zu machen (Lucius-Hoene & Deppermann 2004). Somit werden also der gefühlte soziale Status und das politische Denken ausgewählter Beispielpersonen erarbeitet und zueinander in Beziehung gesetzt, um letztlich eine Typologie zu erstellen.

Ergebnisse: In der momentanen Analysephase ist es noch zu früh, um endgültige Ergebnisse zu präsentieren, zumal die Prinzipien der Grounded-Theory-Methodologie deren vorschnelle Formulierung ablehnt. Das Poster wird zwei konkrete Fälle vorstellen, die sich in zentralen Punkten voneinander unterscheiden. Davon ausgehend werden übergeordnete Kategorien gebildet.

Diskussion: Zur Diskussion stehen dann die beiden Fallstrukturhypothesen sowie das generelle Vorgehen.

Kontakt: Katja.Kraemer@Uni-Wuerzburg.de

Literatur

  • Bowen, Glenn (2006). Grounded Theory and Sensitizing Concepts. International Journal of Qualitative Methods, 5(3), 1-9.
  • Corbin, Juliet & Strauss, Anselm (2008). Basics of Qualitative Research. Techniques and Procedures for Developing Grounded Theory. London: Sage Publications.
  • Hsu, Carolyn (2007). Creating Market Socialism. How Ordinary People are Shaping Class and Status in China. London: Duke University Press.
  • Lucius-Hoene & Gabriele & Deppermann, Arnulf (2004). Narrative Identität und Positionierung. Gesprächsforschung, 5, 166-183.

Mentale Modelle von ExpertInnen und BürgerInnen der Stadt Hamburg zum Thema Klimawandel

Nicole Kruse, KlimaCampus, Universität Hamburg

Forschungskontext: Im Rahmen der Dissertation wird der aktuelle Umgang mit dem Thema Klimawandel in der Stadt Hamburg untersucht. Im Kontext der Risikokommunikationsforschung liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf einem ExpertInnen-Bevölkerungsvergleich, konkreter auf einem Vergleich der jeweiligen mentalen Modelle von Klimawandel. Sowohl ExpertInnen als auch BürgerInnen der Stadt Hamburg entwerfen aufgrund ihres Wissens und ihrer jeweiligen Erfahrungen ihre eigenen mentalen Konstruktionen vom Phänomen Klimawandel. In der Forschungsregion Hamburg spielt die langjährige Erfahrung mit dem Hazard Sturmflut eine besondere Rolle, so dass zudem zu fragen ist, ob und inwieweit Sturmfluten die mentalen Modelle von Klimawandel beeinflussen.

Theoretischer Rahmen: Mentale Konstruktionen bzw. mentale Modelle können dem Bereich der Kognitionspsychologie zugeordnet werden. Der Ansatz der mentalen Modelle geht ursprünglich auf Johnson-Laird (1983) zurück und beruht auf der Annahme, dass der Mensch die reale Welt in vereinfachter, abstrahierter Weise in Form von Modellen abbildet. Hierbei werden die eintreffenden äußeren Reize mit bereits vorhandenem Wissen interpretiert und vernetzt. Mentale Modelle dienen dazu, Wissen zu strukturieren und zu organisieren sowie Entscheidungen subjektiv erklärbar zu machen. „Mentale Modelle sind Ausdruck des Verstehens eines Ausschnittes der realen Welt. Damit sind sie aber gleichzeitig auch Grundlage zur Planung und Steuerung von Handlungen“ (Dutke 1994, S.2).

Forschungsfragen: Vor diesem theoretischen Hintergrund geht die Arbeit folgenden Fragen nach:

  • Welche mentalen Klimamodelle herrschen seitens der ExpertInnen vor?
  • Welche mentalen Klimamodelle liegen in der Bevölkerung vor?
  • Welche Differenzen lassen sich feststellen?
  • Beeinflusst der Sturmflut-Hazard die mentalen Klimawandelmodelle?
  • Welche anderen möglichen Faktoren fließen in die mentalen Konstruktionen mit ein?

Methode: Um diese Fragen beantworten zu können, wurden zunächst mit 18 ExpertInnen aus Behörde, Wissenschaft und Politik halbstandardisierte Interviews geführt. Um einen tieferen und detaillierteren Einblick in die jeweiligen mentalen Modelle zu erhalten, wurden die Interviews mit der so genannten Struktur-Lege-Technik ergänzt (Scheele & Groeben 1988, Schreier 1997), indem die Befragten ihre Gedanken auf Karten geschrieben und diese in ein zusammenhängendes Schema gebracht haben. Auf diesen Interviews aufbauend wurden die mentalen Modelle der Bevölkerung untersucht. Hierbei wurden 16 Personen aus unterschiedlichen Altersgruppen und unterschiedlichen Stadtteilen Hamburgs ebenfalls im Rahmen von halbstandardisierten Interviews befragt und ihre mentalen Modelle ebenfalls mit Hilfe der Struktur-Lege-Technik visualisiert.

Nächster Schritt und Diskussion: Im nächsten Schritt werden die Interviews mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) ausgewertet. Im Rahmen des Posters werden neben dem Forschungskonzept beispielhaft zwei mentale Modelle von Experten vorgestellt, anhand derer die Frage diskutiert werden soll, wie sich mentale Modelle der Struktur-Lege-Technik am besten auswerten und aggregieren lassen.

Kontakt: kruse@geowiss.uni-hamburg.de

Literatur

  • Dutke, Stephan (1994). Mentale Modelle – Konstrukte des Wissens und Verstehens. Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie.
  • Johnson-Laird, Philip (1983). Mental models – Towards a cognitive science of language, inference and consciousness. Cambridge: Harvard University Press.
  • Mayring, Philipp (2010). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.
  • Scheele, Brigitte & Groeben, Norbert (1988). Dialog-Konsens-Methoden zur Rekonstruktion Subjektiver Theorien. Tübingen: Francke. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-10293.
  • Schreier, Margrit (1997). Die Aggregierung Subjektiver Theorien: Vorgehensweise, Probleme, Perspektiven. Kölner Psychologische Studien. Beiträge zur natur-, kultur-, sozialwissenschaftlichen Psychologie II, 1, 37-71.

Vergleich qualitativer Methoden zur Erforschung des mentalen Modells bei der Analyse von Patentstreitigkeiten

Edna Rosen, FB Informatik, Freie Universität Berlin

Forschungskontext: In diesem Forschungsvorhaben im Bereich Patentwesen geht es darum, die Gebrauchstauglichkeit (gleichsetzbar mit: engl. Usability bzw. User-Experience) einer Methode und ihrer Umsetzung als Softwareanwendung FSTP (Facts Screening and Transforming Processor, siehe FSTP Projektseite 2012) zu gewährleisten. Die Methode und ihre Software dienen der Unterstützung der formalisierten, strukturierten und systematischen Bestimmung der erfinderischen Höhe (ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung der Patentierbarkeit von Erfindungen). Bisher basiert die Argumentation über die erfinderische Höhe in Patentstreitigkeiten auf langen textuellen Dokumenten, deren Erstellung von Patentinhabern teuer bezahlt wird.

Forschungsfrage: Welche Usability-Aspekte sind im Zuge der Usability-Evaluierung (vgl. Gold & Lewis 1985; Holzinger 2005; Nielsen 1992) bei der Entwicklung einer Methode zur Unterstützung der Bestimmung der erfinderischen Höhe einer patentierten Erfindung zu berücksichtigen? Und welche Anforderungen an eine Softwareanwendung lassen sich daraus ableiten?

Forschungsmethode: Bislang werden qualitative empirische Methoden, wie z.B. Ansätze von Grounded-Theory-Methodologie (GTM), halbstrukturierte Interviews, Beobachtungen von Sitzungen zu Fehlannahmen über FSTP, Usability Tests mit Think-Aloud sowie Experimente anhand der Strukturlegetechnik (SLT), zur Datenerhebung und -auswertung eingesetzt.

Ergebnisse: Erste explorative Fallstudien wurden mit TestnutzerInnen (PatentanwältInnen und MitarbeiterInnen in Patentrecht-Lehrstühlen) aus verschiedenen Ländern Europas und den USA durchgeführt, die lokale Präzedenzfälle verwenden, um die neue Methode FSTP zu erproben. Die vorläufige Analyse, unter Verwendung von fünf halbstrukturierten Interviews, die in einer frühen Phase und einige Monate später wiederholt wurden, regelmäßige monatliche Beobachtungen von Einzel-Feedback-Sitzungen zu Fehlannahmen über FSTP (insgesamt 32 über einen Zeitraum von zehn Monaten) sowie Usability-Tests des aktuellen Prototypen mit Think-Aloud ergaben, dass die neue Methode FSTP für die TestnutzerInnen wenig oder sogar nicht intuitiv erlernbar bzw. anwendbar ist. Dies führte zu der vorläufigen Annahme, dass es sinnvoll ist die Usability-Evaluierung mit einem Training der TestnutzerInnen zu kombinieren (vgl. Rosen 2012).

Diskussion: Aus den bisherigen Ergebnissen lässt sich jedoch nicht im Detail herleiten, aus welchen Gründen und inwiefern die TestnutzerInnen mit der FSTP Methode nicht zurechtkommen (sie nicht intuitiv finden) und welche Usability-relevanten Mittel eingesetzt werden könnten, um dies zu verhindern oder zu mindern. Daher soll in der folgenden Forschungsphase ermittelt werden, wie sich die Diskrepanz zwischen der ursprünglichen höchst-individuellen Herangehensweise der einzelnen TestnutzerInnen zur Bestimmung der erfinderischen Höhe und dessen Unterschied zur neuen Methode FSTP ergibt und welche Ursachen bzw. Wirkungen dies hat. Hierfür wurden bereits erste Experimente angelehnt an die Strukturlegetechnik (vgl. Wahl 2005) eingesetzt, die z.B. auch Aufschluss über das verwendete Fachvokabular in den verschiedenen Sprachen (Deutsch, britisches und amerikanisches Englisch, Französisch) hervorbringen kann.

Im Rahmen des Methodentreffens soll erörtert bzw. aufgezeigt werden, inwiefern sich die empirischen qualitativen Methoden eignen oder ungeeignet sind die Diskrepanz zwischen der FSTP Methode und dem mentalen Modell der TestnutzerInnen zu erforschen und welche anderen empirischen Methoden es geben könnte, die sich für zukünftige Untersuchungen der Forschungsfrage ebenfalls eignen könnten.

Kontakt: edna.rosen@fu-berlin.de

Literatur:

  • FSTP Projektseite (2012). Facts Screening and Transforming Processor. http://www.fstp-expert-system.com/index.php/ies-the-idea/patenting [Zugriff: 1.5.2012].
  • Gould, J. D. & Lewis, C. (1985). Designing for usability: key principles and what designers think Commun. ACM, 28, 300-311.
  • Holzinger, A. (2005). Usability engineering methods for software developers. Commun. ACM, 48, 71-74.
  • Nielsen, J. (1992). The usability engineering life cycle. Computer, 25, 12-22.
  • Rosen, E. (2012). Interplay of Usability and Requirements Engineering in Facts Analysis for Patent Disputes. Proceedings of the 34rd International Conference on Software Engineering – ICSE 2012.
  • Wahl, D. (2005). Lernumgebungen erfolgreich gestalten. Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Mehrdimensionale Agency-Analyse mit der dokumentarischen Methode –am Beispiel von transnationalen Biografien von Frauen türkischer Herkunft mit depressiven Beschwerden

Sina Motzek, Universität Kassel

Ausgangslage: Ich möchte soziale Ausschlussprozesse und die biografische Entwicklung von Handlungsfähigkeit im Kontext von Migration und psychischer Erkrankung untersuchen. Ich nehme an, dass türkeistämmige Transmigrantinnen mit depressiven Erkrankungen durch die Betroffenheit von mehrdimensionalen sozialen Ausschlussprozessen potenziell von der Teilhabe an verschiedenen gesellschaftlichen Gütern, u.a. von (sozial-) psychiatrischer Versorgung, ausgeschlossen sind, gleichzeitig aber durch die Möglichkeit transnationale soziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen, besondere Voraussetzungen haben, Agency im Umgang mit der eigenen Erkrankung und sozialem Ausschluss zu entwickeln (Borde & David 2007).

Theoretischer Rahmen: Um ihren Bedürfnissen entsprechend Zugang zu Institutionen zu schaffen, muss die in transnationalen Räumen stattfindende Neuverhandlung von Rollen, Zuständigkeiten und Zugangsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Qualitative Zugänge können einen Beitrag zur interkulturellen Öffnung der (Sozial-) Psychiatrie leisten, indem sie diese individuellen, auch informellen Copingstrategien erfassen. Die transnationale soziale Unterstützungsforschung (Homfeldt, Schröer & Schweppe 2008) bietet sich als Forschungskontext an, da sie sich sowohl an mehrdimensionalen Ausschlussprozessen als auch an Handlungsfähigkeit orientiert.

Forschungsfrage: Wie gelingt es türkeistämmigen Transmigrantinnen mit depressiven Beschwerden, unter Zugriff auf informelle und formelle Unterstützung in einem transnationalen Bezugsrahmen mit ihrer Erkrankung und sozialen Ausschlussprozessen umzugehen?

Methodisches Vorgehen: Es werden 8-10 biografisch orientierte, narrative Interviews in Deutschland und der Türkei geführt und mit der dokumentarischen Methode (Bohnsack, Nentwig-Gesemann & Nohl 2007) ausgewertet. Diese ermöglicht die Rekonstruktion von Handlungsorientierungen und konjunktiven Erfahrungsräumen. Durch die Berücksichtigung von mehrdimensionalen, konjunktiven Erfahrungsräumen werden in die Analyse Diskursen und Strukturen einbezogen, die die Handlungsfähigkeit der Frauen mitbestimmen. So werden Erkenntnisse zu notwendigen Veränderungen von sozialpsychiatrischen Hilfesystemen gewonnen und ein alternativer und differenzierterer Blick auf psychisch erkrankte Transmigrantinnen entwickelt.

Aktueller Stand und Diskussionsbedarf: Aktuell beginne ich mit der Erhebungsphase. Mit meinem Poster im Rahmen des Berliner Methodentreffen Qualitative Forschung möchte ich die Potenziale einer Auswertung biografischer Daten mit der dokumentarischen Methode für eine handlungsorientierte, intersektionale Perspektive diskutieren. Auf dem Poster werde ich das methodische Vorgehen und methodologische Bezugspunkte darstellen, um die Eignung der dokumentarischen Methode für diese Art von Fragestellungen herzuleiten. Ein weiterer aktueller Diskussionspunkt ist der Umgang mit Zweisprachigkeit in qualitativer Sozialforschung.

Kontakt: sinamotzek@gmx.de

Literatur

  • Bohnsack, Ralf; Nentwig-Gesemann, Iris & Nohl, Arnd-Michael (2007). Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. Wiesbaden: VS.
  • Borde, Theda & David, Matthias (2007). Migration und Psychische Gesundheit, Frankfurt a. M.: Mabuse.
  • Homfeldt, Hans Günther; Schröer, Wolfgang & Schweppe, Cornelia (2008). Soziale Arbeit und Transnationalität. Weinheim/ München: Juventa.

Die Rolle von Fragen beim Herstellen von gegenseitiger Aufmerksamkeit in frühen Mutter-Kind-Interaktionen

Iris Nomikou & Katharina J. Rohlfing, CITEC, Universität Bielefeld

Forschungskontext: Interaktionistische Theorien nehmen an, dass die sozio-emotionale und kognitive Entwicklung des Säuglings durch die Interaktion mit Bezugspersonen beeinflusst wird. Einer der wichtigsten Faktoren, die Interaktion ermöglichen ist die gegenseitige Aufmerksamkeit zwischen Säugling und Bezugsperson. Sie gibt den Interaktionspartnern Feedback und schafft einen Rahmen in dem Lernen stattfinden kann.

Unser Ausgangspunkt ist, dass die Aufmerksamkeit von Säuglingen schon sehr früh in der Entwicklung in alltäglichen Interaktionen geschult wird. Bis jetzt konnten wir zeigen (Nomikou, Lohan & Rohlfing 2012), dass in Interaktionen mit ihren drei Monate alten Kindern die Mütter ihr Verhalten dynamisch an das Blickverhalten ihres Kindes ankoppeln. In dem sie verbales Verhalten mit Körperbewegung koordinieren, wenn sie sich in dem Blickfeld des Kindes befinden, schlagen wir vor, dass sie den Säugling für die Aufmerksamkeit „belohnen“, indem sie zeigen, dass seine Aufmerksamkeit einen Effekt hat.

Forschungsfrage: Wir wollen den Einfluss eines weiteren Aspektes des mütterlichen Verhaltens untersuchen, nämlich den Einfluss von Fragen auf die Aufmerksamkeit. In der Spracherwerbsforschung gibt es Arbeiten, die das Auftreten von Fragen im Input beschrieben haben. (z.B. Soderstrom 2007). Wir wollen zusätzlich untersuchen wie Fragen situiert in der Interaktion eingebettet werden.

In welchem interaktiven Kontext treten Fragen auf und in welcher Beziehung stehen sie zu dem Blickverhalten des Kindes?

Methode: Wir werden Daten aus einem Korpus von 17 Mutter-Kind-Dyaden präsentieren. Diese wurden, beginnend mit dem dritten Lebensmonat des Kindes, über einen Zeitraum von sechs Monaten zu Hause gefilmt. Die Datenanalyse verfolgt einen mikro- und konversationsanalytischen Ansatz (Psathas 1995; Have 1999), wobei der Fokus auf der sequenziellen Organisation (Maiwald 2005) des Blickverhaltens von Mutter und Kind liegt. Darüber hinaus werden auch prosodische Eigenschaften von Fragen berücksichtigt.

Ergebnisse und Diskussion: Unsere ersten Ergebnisse zeigen, dass Fragen vorwiegend innerhalb von Episoden des Blickkontaktes vorkommen. Dabei beobachten wir, dass sie nicht zur Rekrutierung von Aufmerksamkeit eingesetzt werden, sondern zur Aufrechterhaltung des Blickkontaktes, nachdem dieser hergestellt wurde. Diese Beobachtung ist im Einklang mit vorhandenen Studien (Snow 1977), die vorschlagen, dass durch Interrogative, die interaktive Beteiligung und Responsivität der Kinder elizitiert wird.

Des weiteren beobachten wir, dass die Mütter manchmal ein steigendes Intonationsmuster benutzen, wenn sie den Blickkontakt mit ihren Kindern herstellen. Wir spekulieren, dass solche akustischen Merkmale die Erwartung hervorrufen, dass die interaktive Episode noch nicht abgeschlossen ist und dadurch auch die Aufmerksamkeit geschult wird.

Auf dem Poster wird anhand von Fallbeispielen präsentiert, wie Fragen interaktiv konstruiert werden. Der Fokus dabei liegt auf dem Zusammenspiel von Sprache und Intonation im mütterlichen verbalen Verhalten und wie diese in Verbindung zum Blickverhalten des Kindes stehen.

Kontakt: inomikou@techfak.uni-bielefeld.de

Literatur

Have, Paul ten (1999). Doing conversation analysis. A practical guide. London: Sage.

Maiwald, Kai-Olaf (2005). Competence and praxis: Sequential analysis in German Sociology. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6(3), Art. 31, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0503310.

Nomikou, Iris; Lohan, Katrin Solveig & Rohlfing, Katharina J. (2012). Adaptive maternal synchrony: multimodal practices are tailored to infants‘ attention. Poster präsentiert am CEU Conference on Cognitive Development, Budapest, Ungarn, 12.-14. Januar 2012.

Psathas, George (1995). Conversation Analysis: The study of talk-in-interaction. Qualitative research methods series, v. 35. California: Sage.

Snow, Cathrine (1977). The development of conversation between mothers and babies. Journal of Child Language, 4, 1-22.

Soderstrom, Melanie (2007). Beyond babytalk: Re-evaluating the nature and content of speech input to preverbal infants. Developmental Review, 27(4), 501–532.

Die „kriminelle Karriere“ als individuierten Bildungsprozess verstehen?Methodologische Überlegungen zum transformatorischen Bildungsbegriff am Beispiel von Biografien junger Straffälliger

Michael Tressat, Bildungs- und Transformationsforschung, Universität Hamburg

Forschungskontext: Das Dissertationsprojekt untersucht die Struktur von Bildungsprozessen in Biografien junger Straffälliger – unter besonderer Berücksichtigung muslimischer Religiosität als Bewährungsmotiv. Es ist eine empirisch-rekonstruktive Studie im Kontext von Adoleszenz, Migration und Devianz.

Ausgangspunkt: Jugendliche mit Migrationshintergrund haben es – in struktureller Hinsicht – mit einer verdoppelten Transformationsanforderung zu tun: Sie müssen adoleszenz- und migrationsspezifische Ablösungs- und Umgestaltungsprozesse bewältigen; diese werden von der Qualität des adoleszenten Möglichkeitsraumes beeinflusst (King 2002). Individuierte Formen muslimischer Religiosität können hierbei eine adoleszente Ressource darstellen (Tressat 2011). In der modernisierten Gesellschaft wird dem Heranwachsenden ein Spielraum für Explorationshandeln zugestanden. Die jungen Straffälligen haben diesen deutlich überschritten. Abweichendes Verhalten kann mit einer grundlegenden Veränderung der Selbst- und Weltsicht einhergehen, die konstitutiv für einen transformatorischen Bildungsprozess ist (Koller 2007). Lassen sich also „kriminelle Karrieren“ als individuierte Bildungsprozesse verstehen?

Forschungsfrage(n): Die zuvor genannte Frage stellt einen Aspekt des Dissertationsprojektes dar, der im Rahmen des Berliner Methodentreffens akzentuiert wird. Grundsätzlich geht es darum, das Gewordensein des Falles zu rekonstruieren und eine Fallstrukturhypothese zu entwickeln. Forschungsleitende Fragen sind: Wie sehen die Entwicklungs- und Sozialisationsprozesse aus? Wie gestaltet sich der Individuierungsprozess im Adoleszenzverlauf? Welche Gelingens- und Verhinderungsfaktoren für adoleszente Transformationsprozesse sind erkennbar? Wie sind Bildungsprozesse charakterisiert? Wo sind Bildungspotenziale erkennbar, die nicht genutzt wurden? Welche biografische Wirkung entfaltet die Inhaftierung? Und welche Bedeutung hat muslimische Religiosität in struktureller Hinsicht jeweils dabei (Oevermann 1995)?

Methodik: Es wurden elf biografisch-narrative Interviews (Schütze 1983) mit Jugendstrafgefangenen im Alter zwischen 18 und 22 Jahren geführt, und Daten aus den Gefangenenpersonalakten erhoben wie: Gerichtsurteil, Aufnahmeuntersuchung, Vollzugsplanung und handschriftlichen Stellungnahmen der Insassen. Die Analyse der Protokolle erfolgt nach der Methodologie der Objektiven Hermeneutik (Oevermann, Alert, Konau & Krambeck 1979). Sie zielt ab auf eine Typologie von Bildungsprozessmustern im Kontext von Adoleszenz, Migration und Devianz.

Diskussion: Ist es möglich, sich auf einen rein deskriptiven Begriff von Bildungsprozessen zu beschränken oder sollten Bildungsprozesse darüber hinaus auch als wünschenswerte Transformationen des Welt- und Selbstverhältnisses in einem näher zu bestimmenden Sinn qualifiziert werden? Dies ist nicht nur eine empirische sondern auch methodologische Frage, denn in der objektiv hermeneutischen Perspektive werden Lebenspraxen – also auch „kriminelle Karrieren“ – als Ergebnis eines je individuierenden Bildungsprozesses verstanden (Oevermann 2002). Und was bedeutet diese Frage in Bezug auf die methodologische Anknüpfung an das Schema des sozialstrukturellen Delinquenzmodells der(quantitativen) Duisburger Verlaufsstudie, das normativ rückgebunden ist (Boers et al. 2010)?

Kontakt: michael.tressat@uni-hamburg.de

Literatur

  • Boers, Klaus; Reinecke, Jost; Bentrup, Christina; Kanz, Kristina; Kunadt, Susann; Mariotti, Luca. (2010). Jugendkriminalität – Altersverlauf und Erklärungszusammenhänge. Ergebnisse der Duisburger Verlaufsstudie Kriminalität in der modernen Stadt. Neue Kriminalpolitik, 22 (2), 58–65.
  • King, Vera (2002). Die Entstehung des Neuen in der Adoleszenz. Individuation, Generativität und Geschlecht in modernisierten Gesellschaften. Opladen: Leske + Budrich.
  • Koller, Hans-Christoph (2007). Bildung als Entstehung neuen Wissens? Zur Genese des Neuen in transformatorischen Bildungsprozessen. In Hans-Rüdiger Müller & Wassilios Stravoravdis (Hrsg.), Bildung im Horizont der Wissensgesellschaft (S.49-66). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Oevermann, Ulrich; Allert, Tilman; Konau, Elisabeth; Krambeck, Jürgen (1979). Die Methodologie einer „objektiven Hermeneutik“ und ihre allgemeine forschungslogische Bedeutung in den Sozialwissenschaften. In Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften (S. 352-433). Stuttgart: Metzler.
  • Oevermann, Ulrich (1995). Ein Modell der Struktur von Religiosität. Zugleich ein Strukturmodell von Lebenspraxis und von sozialer Zeit. In Monika Wohlrab-Sahr (Hrsg.), Biographie und Religion. Zwischen Ritual und Selbstsuche (S.27–102). Frankfurt/M.: Campus.
  • Oevermann, Ulrich (2002). Klinische Soziologie auf der Basis der Methodologie der objektiven Hermeneutik – Manifest der objektiv hermeneutischen Sozialforschung. Frankfurt/M.
  • Schütze, Fritz (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13, 283-293. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-53147.
  • Tressat, Michael (2011). Muslimische Adoleszenz? Zur Bedeutung muslimischer Religiosität bei jungen Migranten; biografieanalytische Fallstudien. Frankfurt/M.: Lang.

Wissen und Vorstellungen von LehrerInnen zur Sprachförderung im Fach Biologie: Qualitative Datenerhebung mittels Interview und Strukturlegetechnik

Sandra Drumm, Technische Universität Darmstadt

Ausgangspunkt: Die theoretische Grundlage der Studie fußt auf den Bedingungen, die sich an deutschen Schulen finden lassen. Immer mehr SchülerInnen scheitern an der Bildungssprache der Schule (vgl. u.a. Gogolin 2004, S.101, Schmölzer-Eibinger 2008, S.15). Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass LehrerInnen in Studium und Referendariat nicht auf die sprachlichen Anforderungen ihres Faches vorbereitet werden. Sprachliche Phänomene und Förderung ist nicht Teil der Ausbildung, weshalb davon ausgegangen wird, dass LehrerInnen kein Wissen und keine Bewusstheit zu Thema aufbauen, was nach der Definition von Kompetenz die Grundlage wäre, um zielorientiert agieren zu können (Klieme 2003, zit. nach Frey & Jung 2011, S.541). Es stellt sich jedoch die Frage, ob Wissen und Bewusstheit ausschließlich aus der Ausbildung gespeist werden, oder ob es auch andere Quellen und Ressourcen gibt, wie beispielsweise Erfahrungen, Reflexion und Austausch mit anderen Lehrkräften. Dies führt zu den Forschungsfragen, die solche möglichen Quellen und Ressourcen in den Blick nehmen.

Forschungsfrage: Wenn Wissen und Bewusstheit in Verbindung mit Handlung gedacht werden, führt dies zum Konzept der Subjektiven Theorien (Groeben 1988, S.18f.), weshalb die Studie sich an diesem Forschungsprogram orientiert. Da Wissen und Bewusstheit in ihrer Gesamtheit nicht gefasst werden können – zumindest nicht im Rahmen einer Dissertationsstudie – beschränkt sich diese auf die kommunizierbaren Kognitionen der Lehrenden in Bezug auf Sprache und Sprachförderung im Biologieunterricht. Welche Wissensbereiche kommunizieren Lehrende, wenn es um die Sprache im Fach geht? Wie sehen Sie die Kompetenzen ihrer SchülerInnen. Und: Sind in Ihren Vorstellungen Elemente enthalten, die zu sprachförderlichen Strategien werden können?

Methodisches Vorgehen: Das methodische Vorgehen der Studie gliedert sich in mehrere Phasen, der ein Vorfeld vorangeht, in dem passive, teilnehmende Beobachtungen (vgl. Schwartz & Schwartz 1955, S.348) und die Sichtung der Forschungsliteratur zur Generierung eines Interviewleitfadens geführt haben. Die erste Phase, in der qualitative Interviews geführt werden, dient der Erfassung der Wissensbereiche der Lehrenden zum Thema Sprache. Um den qualitativen Ansatz aufrechtzuerhalten, ist es wichtig, die Befragten frei antworten zu lassen und nicht durch zu enge und kurz getaktete Fragen einzugrenzen. Auf diese Weise können auch im Vorfeld nicht bedachte Phänomene, die für die Befragten aber von subjektiver Wichtigkeit sind, aufgezeichnet werden. Dennoch muss die Forscherin die Möglichkeit haben, gezielt nachzufragen, damit das bereits gesagte ergänzt wird, denn gerade das Aufdecken verdeckter Anteile im Interview schließt die Möglichkeit rein monologischer Interviewformen aus (Helfferich 2005, S.148 f.). Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse auch tatsächlich die Theorien der Lehrenden widerspiegeln, schließt sich eine Phase der kommunikativen Validierung mittels Strukturlegeverfahren an (König 1995, S.19), in der die verstandenen Konzepte kommuniziert und einvernehmlich festgehalten werden. Diese werden im Anschluss daran mit Methoden der qualitativen Forschung ausgewertet und interpretiert.

Ziel der Studie ist es, nicht nur die Wissensbereiche und Vorstellungen der Lehrenden nachzuzeichnen, sondern auch mögliche Quellen und Ressourcen zu identifizieren, auf die diese zurückgeführt werden. Diese können möglicherweise aufschlussreich für die LehrerInnenaus- und weiterbildung sein.

Das Forschungsprojekt befindet sich gerade am Ende der Pilotierungsphase, in der alle drei Schritte durchgeführt, reflektiert und angepasst wurden, ehe mit der Hauptdatenerhebung begonnen wird. Das Poster anlässlich des Berliner Methodentreffens präsentiert die bisher genannten Punkte.

Kontakt: sdrumm@spz.tu-darmstadt.de

Literatur

  • König, Eckard (1995). Qualitative Forschung subjektiver Theorien. In Eckard König & Peter Zedler (Hrsg.), Bilanz qualitativer Forschung. Bd. 2: Methoden. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
  • Gogolin, Ingrid (2004). Zum Problem der Entwicklung von „Literalität“ durch die Schule. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 7, Beiheft 3/2004, 101-111.
  • Helfferich, Cornelia (2005). Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Schmölzer-Eibinger, Sabine (2008). Lernen in der Zweitsprache. Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen. Tübingen: Narr.
  • Frey, Andreas & Jung, Claudia (2011). Kompetenzmodelle und Standards in der Lehrerbildung. In Ewald Terhart, Hedda Bennewitz & Martin Rothland (Hrsg.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (S.540-572). Münster: Waxmann.
  • Groeben, Norbert (1988). Explikation des Konstrukts ‚Subjektiv Theorie‘. In Norbert Groeben, Diethelm Wahl, Jörg Schlee & Brigitte Scheele (1988), Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts (S.17-24). Tübingen: Franke.
  • Schwartz, Morris & Schwartz, Charlotte Green (1955): „Problems in Participant Observation“.American Journal of Sociology, 60(4), 343-353. http://www.jstor.org/stable/2772027 (Stand: 10.3.2012)

Ausstieg Promotion? Eine qualitative Studie zu Bedingungen von Promotionsabbrüchen in Deutschland

Anja Franz, Institut für Hochschulforschung Wittenberg (derzeit Gastwissenschaftlerin an der Penn State University/USA)

Mit diesem Posterbeitrag sollen das Forschungsdesign des Forschungsprojektes „Ausstieg Promotion?“ (Dissertation) sowie vorläufige Ergebnisse anhand der Präsentation eines Eckfallkonzepts „Idealvorstellung Wissenschaft“ zur Diskussion gestellt werden.

Forschungskontext: Im Zuge der Reformen im deutschen Hochschulwesen der letzten Jahre stehen auch Probleme der Promotionsphase verstärkt im Fokus der hochschulpolitischen Debatte. Lange Promotionszeiten, fehlende Betreuung und hohe Abbruchquoten werden in der öffentlichen Diskussion immer wieder beklagt. Grobe Schätzungen besagen, dass im Durchschnitt etwa die Hälfte aller Promotionsvorhaben nicht erfolgreich abgeschlossen wird (Burkhardt 2008, S.179ff.). Die Forschung zur Promotionsphase beschränkt sich in Deutschland bislang hauptsächlich auf die erfolgreich verlaufenden Promotionen, obwohl Promotionsabbrüche zum einen scheinbar nicht selten vorkommen und zum anderen auch oder gerade verschiedene individuell und gesellschaftlich relevante Folgen haben können (Smallwood 2004).

Ziel der Untersuchung/Fragestellung: Das Ziel dieser Untersuchung ist es, mittels qualitativer Erhebungs- und Analyseverfahren Verläufe von Promotionsabbrüchen näher zu untersuchen. Den theoretischen Rahmen bilden die Überlegungen Pierre Bourdieus (u.a. 1975) zu Strukturen und sozialer Praxis im wissenschaftlichen Feld, um sowohl der Eigenlogik der Wissenschaft als auch den individuellen Handlungen der Promovierenden Rechnung tragen zu können. Aus dieser Untersuchung erhoffe ich mir sowohl neue Erkenntnisse zur Struktur des wissenschaftlichen Feldes im Allgemeinen als auch zu Bedingungen von Promotionsabbrüchen in Deutschland im Besonderen.

Methoden/Datenmaterial/Datenauswertung: In dieser Studie sollen auf der Basis bisheriger Forschungsergebnisse mittels qualitativer Erhebungs- und Analyseverfahren Ursachen für Promotionsabbrüche untersucht werden. Es bietet sich hier eine explorative, offene Herangehensweise an, um weitgehend empirisch Konzepte von entsprechenden Promotionsverläufen rekonstruieren zu können (Bohnsack 2000, S.20ff.) Die Arbeit ist methodologisch und methodisch an den Forschungsstil der Grounded-Theory-Methodologie nach Strauss und Corbin (1996) angelehnt.

Die Hauptdatenerhebung erfolgt mittels problemzentrierter Interviews (u.a. Witzel 2000), die mit Personen geführt wurden, die ein Promotionsvorhaben abgebrochen haben. Mittels der von Strauss und Corbin (1996) vorgeschlagenen Kodierverfahren (offenes, axiales, selektives Kodieren) wird die Datenauswertung in ständigem Wechsel mit der Datenerhebung vorgenommen.

Im ersten Analyseschritt steht die Rekonstruktion von bedeutsamen Einzelfällen von Promotionsabbrüchen anhand im Forschungsprozess entwickelter Kodes, die eine Unterscheidung der Fälle ermöglichen, im Vordergrund. Im zweiten Analyseschritt soll versucht werden, Eckfälle zu bestimmen und Typen von Promotionsabbrüchen zu konzeptualisieren. Derzeit erfolgt die Erarbeitung von begründeten Eckfall-Mustern für den Konzeptentwurf zu Promotionsabbrüchen, indem das Datenmaterial kodiert und verglichen wird.

(Vorläufige) Ergebnisse – Idealvorstellung Wissenschaft: Insgesamt scheinen Promotionsabbrüche unterschiedliche Ursachen zu haben, die je nach individuellem Fall in verschiedener Weise zusammenwirken. Individuelle Ursachen spielen dabei scheinbar ebenso eine Rolle wie strukturelle Ursachen, die außerhalb des Einflusses des Einzelnen liegen.

Das mit dem Poster zur Diskussion zu stellende Eckfall-Konzept soll zeigen, dass mit Idealisierung verbundene Erwartungen und deren „Nichterfüllung“ in der Konfrontation mit der Realität bei „Neulingen“ im wissenschaftlichen Feld zu Widerständigkeit, Respektverlust und langfristig zu individueller Handlungsunfähigkeit führen können. Mit Idealisierung ist eine Idealvorstellung von wissenschaftlichem Arbeiten ebenso wie von Akteuren des wissenschaftlichen Feldes gemeint, die von den Promovierenden in Konkurrenz mit bereits erfahrenen Wissenschaftler/innen, die mit Bezug auf Bourdieu über mehr wissenschaftliches Kapital und damit Macht aus früheren Auseinandersetzungen verfügen, nicht aufrechterhalten werden kann.

Kontakt: anja.franz@hof.uni-halle.de

Literatur

  • Bohnsack, Ralf (2000). Rekonstruktive Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.
  • Bourdieu, Pierre. (1975). The specificity of the scientific field and the social conditions of the progress of reason. Social Science Information, 14, 19-47.
  • Burkhardt, Anke (Hrsg.) (2008). Wagnis Wissenschaft. Akademische Karrierewege und das Fördersystem in Deutschland. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt.
  • Smallwood, Scott. (2004). Doctor Dropout: High attrition from Ph.D. programs is sucking away time, talent, and money and breaking some hearts, too. Chronicle of Higher Education, 50 (9). http://chronicle.com/weekly/v50/i19/19a01001.htm.
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz/PVU.
  • Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview [25 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1 (1), Art. 20. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228.

Die Grounded-Theory-Methodologie und die Integration des Forschungsgegenstandes bei der Auswertung von autobiografisch-narrativen Interviews mit Migrantinnen in Selbstorganisationen

Iva Kocaman, Institut für Pädagogik und Berufspädagogik, TU Darmstadt

Forschungskontext: Das Forschungsinteresse richtet sich auf das Zusammenspiel von Biografie und Professionalisierungsprozessen von Akteurinnen in Migratinnenselbstorganisationen (MSO) bei der Ausübung ihrer Bildungs- und Beratungsarbeit. Hierbei soll dem biografischen Passungsverhältnis zwischen Subjekt, Organisation und Gesellschaft eine besondere Beachtung eingeräumt werden.

Migrantinnen versuchen sich in MSO gemeinsam Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen Bildung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Politik zu verschaffen. Der Aufbau eigener Fraueneinrichtungen – als Gegeneinrichtungen zu den geschlechtlich gemischten MSO ebenso wie zu den Fraueneinrichtungen der Mehrheitsgesellschaft – ist eine Konsequenz fehlender Entfaltungsmöglichkeiten in den bestehenden Organisationen. Wahrscheinlich ist es dem Umstand der schlechten Annerkennungspraxis von ausländischen Abschlüssen geschuldet, dass oft gerade höher qualifizierte Migrantinnen eigene Organisationen gründen. Die Selbstorganisationen der Migrantinnen bieten ein vielfältiges Beratungsangebot und Bildungsprogramm an, das stark an die Bedürfnisse von Migrantinnen angepasst ist und in dem sie selbst Beratungs- und Bildungsexpertinnen sind. MSO können sich aufgrund des Potenzials und Engagements ihrer Akteurinnen schnell professionalisieren und zu migrantenspezifischen Bildungs- und Beratungsinstitutionen etablieren.

Diskussion: Das Poster wird das Forschungsthema und die Fragestellung vorstellen. Die methodische Grundrichtung dieser Arbeit orientiert sich entlang der Grounded-Theory-Methodologie (Breuer 2009; Strauss & Corbin 1996). Bisher wurden neun autobiografisch-narrative Interviews (Schütze 1983) mit Akteurinnen von MSO geführt.

In den Mittelpunkt sollen auswertungsmethodische Aspekte zur Diskussion gestellt werden: Wie kann die methodische Vorgehensweise der GT den Untersuchungsgegenstand adäquat berücksichtigen? Was sollte in Bezug auf das komplexe Themenfeld von Biografie, Migration, Geschlecht, Selbstorganisation und Professionalisierung beachtet werden? Können einzelne theoriegeleitete Dimensionen in die Analyse integriert und andere Verfahren der Auswertung ergänzt werden?

Kontakt: kocaman@bpaed.tu-darmstadt.de

Literatur

  • Breuer, Franz (2009). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung in die Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Schütze, F. (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13, 283-293. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-53147
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz. [Orig. 1990: Basics of qualitative research. Newbury Park: Sage]

Die Auswertung von narrativ-problemzentrierten Interviews mit ehemaligen Teilnehmenden von Freiwilligendiensten im globalen Süden – Bildungsprozesse im Kontext von Nachhaltigkeitsbewusstsein

Sonja Richter, Leuphana Universität Lüneburg

Forschungskontext: Die Entwicklung von individuellem Bewusstsein über globale Zusammenhänge ist Voraussetzung für Handeln im Sinne des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung und stellt eine zukunftsrelevante, gesellschaftspolitische Aufgabe dar. Basierend auf psychologische Definitionen von Umweltbewusstsein lässt sich Nachhaltigkeitsbewusstsein als ein Konstrukt aus kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Komponenten beschreiben, welche ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Entwicklungsfolgen einbezieht. Die Implementierung dieses komplexen Konstrukts in die Köpfe unserer Gesellschaft fordert innovative Lernsettings, die neben formal-kognitiven Lernprozessen auch affektive Komponenten gezielt fördern. Freiwilligendienste in Ländern des globalen Südens, im Rahmen welcher sich junge Erwachsene mehrere Monate mit einem Thema der globalen Entwicklung auseinandersetzen und auch im Alltag den Entwicklungsstand des Gastlandes hautnah erleben, können als neue Form des Lernens im Hinblick auf Bewusstseinsbildung für nachhaltigkeitsrelevante Themen dienen. Das Forschungsvorhaben ist interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitswissenschaften sowie den Erziehungswissenschaften angesiedelt.

Forschungsfrage: Im Zentrum dieser Forschungsarbeit stehen individuelle Bildungsprozesse, basierend auf Erfahrungen während eines praxisbezogenen Auslandsaufenthaltes und deren Bedeutung für die Entwicklung von Nachhaltigkeitsbewusstsein. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Erfahrungen in Freiwilligendiensten und entwicklungspolitischen Bildungsprogrammen im globalen Süden und Komponenten des Konstrukts „Nachhaltigkeitsbewusstsein“? Ziel des Vorhabens ist (1) die Identifizierung und Beschreibung von Bildungsprozessen in diesem Lernsetting und (2) deren Verknüpfung mit den Komponenten und Dimensionen von Nachhaltigkeitsbewusstsein.

Methodik: Die empirische Erhebung und Auswertung erfolgt nach den Prinzipien der qualitativen Sozialforschung (Flick 2006). Um Lernprozesse zu entdecken, wurden 20 problemzentrierte Interviews (Witzel 2000) mit hohen narrativen Anteilen mit Rückkehrer(innen) geführt. Die Auswahl des Samples erfolgte in Anlehnung an das von Strauss und Corbin (1999) vorgeschlagene „theoretische Sampling“ und zielt auf eine möglichst breite (theoretische) Varianz im Material im Hinblick auf die Fragestellung. In einem induktiv-deduktiven Verfahren werden die Interviews in einer Kombination aus Narrationsanalyse nach Schütze (1983) und Rosenthal und Fischer-Rosenthal (2000) und qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) ausgewertet. Der nächste Schritt ist ein Abgleich mit dem theoretischen Konstrukt „Nachhaltigkeitsbewusstsein“. Neben den Interviews sollen relevante Kontextinformationen der jeweiligen Interviewpartner und deren Rahmenbedingungen in die Auswertung mit einfließen.

Das vorbereitete Poster stellt insbesondere das theoretische Framework der Auswertungsstrategie vor und soll Anregung zur Diskussion des Vorgehens geben.

Kontakt: sonja.richter@uni.leuphana.de

Literatur

  • Flick, Uwe (2006). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung (4. Aufl., vollst. überarb. und erw. Neuausg). Reinbek: Rowohlt.
  • Mayring, Philipp (2008). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (10., neu ausgestattete Aufl.). Weinheim: Beltz.
  • Schütze, Fritz (1983): Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13, 283-293. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-53147
  • Rosenthal, Gabriel & Fischer-Rosenthal, Wolfram (2000). Analyse narrativ-biographischer Interviews. In  Uwe Flick, Ernst von Kardorff &Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Sozialforschung (S.456-468). Reinbek: Rowohlt.
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet M. (1999). Grounded theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. (Unveränd. Nachdr. der letzten Aufl., 1996). Weinheim: Beltz.
  • Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1). Art. 22, http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228.

Vom Produkt zur Kompetenz: erste Ergebnisse aus der Pilotierung einer qualitativen Studie

Stefanie Siebenhaar, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft, Technische Universität Darmstadt

Forschungsgegenstand: Das vorliegende Forschungsvorhaben untersucht den ePortfolio-Einsatz im Lehramtsstudiengang Deutsch an der TU Darmstadt. Als Seminargrundlage wird hier für mehrere Fachdidaktik-veranstaltungen ein ePortfolio verwendet. Die Studierenden fügen über das Semester hinweg ihre Lernprodukte in das ePortfolio ein und wählen zu Semesterende eine bestimmte Anzahl an Arbeitsprodukten aus, welche sie dann in kommentierter Form zur Bewertung einreichen. Dieser Auswahlprozess soll näher untersucht und die Gründe für die Auswahl bestimmter Produkte ermittelt und analysiert werden. Darüber hinaus soll untersucht werden, inwieweit Verbindungen zwischen den Faktoren Auswahl, Qualität und Reflexion bestehen, um eventuell Möglichkeiten zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für den universitären Portfolio-Einsatz abzuleiten. 

Methodisches Vorgehen: Für die Datenerhebung ist ein qualitatives Vorgehen vorgesehen, da die Gründe der Studierenden für die Auswahl bestimmter Portfolio-Produkte bisher in dieser Art und Weise nicht untersucht worden sind. Neue, bisher unerforschte Aspekte können durch das offene Herangehen besonders gut erschlossen werden. Die Datenerhebung erfolgt in einem Dreischritt: Zuerst werden die Kommentare der Studierenden zu den einzelnen Portfolio-Produkten analysiert und mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse (Hussy & Schreier & Echterhoff 2010) ausgewertet. Ausgehend von diesen Ergebnissen werden weitere Fragen generiert,  welche die Grundlage für eine anschließende Focus Group (Flick, 2002) bilden. Im dritten Schritt soll mit den Teilnehmenden aus der Focus Group noch ein Struktur-Lege-Verfahren  (König 2002) zur kommunikativen Validierung durchgeführt werden.

Pilotierung: Für den ersten Schritt der Pilotierung werden 14 Arbeiten von Studierenden aus zwei unterschiedlichen Fachdidaktikseminaren analysiert, welche die ausgewählten Produkte und dazugehörigen Kommentare enthalten. Für die Auswertung soll die inhaltsanalytische Zusammenfassung (Mayring 2010) gewählt werden, da durch die Analyse das Material so reduziert wird, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben und ein überschaubares Korpus geschaffen wird, welches immer noch ein Abbild des Grundmaterials darstellt.

Diskussion: Das Poster soll primär das bisher entwickelte Forschungsdesign und den derzeitigen Stand der Untersuchung vorstellen. Es widmet sich zudem einem ausgewählten Teilaspekt aus dem übergeordneten Dissertationsprojekt, nämlich der Darstellung erster Ergebnisse aus der Pilotierung, welche zur Diskussion gestellt werden sollen.  

Kontakt: siebenhaar@linglit.tu-darmstadt.de  

Literatur

  • Flick, Uwe (2002). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek: Rowohlt.
  • Hussy, Walter & Schreier, Margrit & Echterhoff, Gerald (2010). Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften. Heidelberg: Springer.
  • König, Eckard (2002). Qualitative Forschung im Bereich subjektiver Theorien. In. Eckard König & Peter Zedler (Hrsg.), Qualitative Forschung. (S. 55-70) Weinheim: Beltz.
  • Mayring, Philipp (2010). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.

Reden über Alles und Nichts in pädagogischen Weiterbildungsveranstaltungen? Zum Stellenwert lebensweltlicher Elemente im Wissenserwerb

Franziska Wyßuwa, M.A. (Wiss. Mit.), Technische Universität Chemnitz, Professur für Erziehungswissenschaft

Ausgangspunkt/Methodik: Unterrichtskommunikation und -interaktion stellen bereits seit den 1970er Jahren einen Untersuchungsgegenstand dar. Dabei gibt es unterschiedliche Perspektiven auf diesen Gegenstand: Diskursanalytische Ansätze arbeiten zwar kommunikative Muster (Ehlich & Rehbein 1986; Lüders 2003) heraus, klären aber nicht, warum diese den Unterricht prägen. Gesprächsanalytische Ansätze betrachten Unterricht oft aus deutschdidaktischer Perspektive und fokussieren Einzelphänomene wie z.B. die Einübung von Argumentieren im Unterricht (Spiegel 2006), d.h. das Datenmaterial wird häufig selektiv analysiert, ohne interaktionale Zusammenhänge sichtbar zu machen. Eine konversationsanalytische Betrachtung der gesamten „interaktional architecture“ (Seedhouse 2004) kann hingegen klären, welche Interaktionsaufgaben durch die regelhaft auftretenden Strukturen von den Akteuren bearbeitet werden (also die Ursachen kommunikativer Muster) und herausarbeiten, wie welche Aspekte im Gesamtkontext des Unterrichts für die Wissensgenerierung relevant werden.

Ergebnisse der Vorstudie: Dies soll anhand der Präsentation von Ergebnissen einer konversationsanalytischen Vorstudie zu einem eintägigen Weiterbildungsseminar für LehrerInnen, ReferendarInnen und SozialpädagogInnen illustriert werden. Fokussiert werden zwei Befunde: (1) Trotz Ähnlichkeiten in der Gesprächsorganisation im Schulunterricht (Phasierungstätigkeiten der Lehrenden, präferiertes Rederecht der Lehrenden, IRF-Muster) entwickelt sich im Seminar eine offenere Gesprächsstruktur. (2) Beispielerzählungen werden zur Basis der Wissensvermittlung, indem diese im Seminarverlauf immer häufiger Ausgangspunkt von Diskussionen werden. Solche lebensweltlichen Elemente (Gefühle, subjektive Vorstellungen, Erfahrungen der Teilnehmenden) werden bereits zu Seminarbeginn von den Dozierenden zum Gesprächsgegenstand gemacht. (Beier & Wyßuwa in Druck).

Forschungsfragen: Mein Dissertationsvorhaben schließt an diese Vorstudie an und fokussiert die lebensweltliche Rückbindung von Seminaren in der Erwachsenenbildung. Begreift man pädagogisches Handeln als kooperatives Geschehen mit dem Ziel der Wissensvermittlung (Kreitz 2011), interessiert, wie mit subjektiven und idiosynkratrischen Erfahrungen umgegangen wird und wie diese zur intersubjektiven Basis für Lernprozesse werden können.

Diskussion: Diskutiert werden können im Anschluss an die Postervorstellung die Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen konversationsanalytischer Bildungsforschung sowie die Nutzbarmachung der Ergebnisse für schulischen Unterricht.

Kontakt: franziska.wyssuwa@phil.tu-chemnitz.de  

Literatur:

  • Beier, Frank & Wyßuwa, Franziska (in Druck). Beispielerzählungen und Beispielkonstruktionen in erwachsenenpädagogischen Lehr-Lern-Situationen. Eine konversationsanalytische Studie. In: Tagungsband. Verlag für Gesprächsforschung.
  • Ehlich, Konrad & Rehbein, Jochen (1986). Muster und Institution. Untersuchung schulischer Kommunikation. Tübingen: Gunter Narr.
  • Lüders, Manfred (2003). Unterricht als Sprachspiel. Eine systematische und empirische Studie zum Unterrichtsbegriff und zur Unterrichtssprache. Bad Heilbrunn/OBB: Julius Klinkhardt.
  • Seedhouse, Paul (2004). The interactional architecture of the language classroom. A conversation analysis perspective. Oxford: Blackwell Publishing.
  • Spiegel, Carmen (2006). Unterricht als Interaktion. Gesprächsanalytische Studien zum kommunikativen Spannungsfeld zwischen Lehrern, Schülern und Institution. http://www.verlag-gespraechsforschung.de/2006/spiegel.htm

„Liest du das Gleiche wie ich?“ Validierung eines induktiven Kategoriensystems mit MAXQDA

Judith Becker, Maria B. Jung & Bettina Hannover, Arbeitsbereich Schul- und Unterrichtsforschung, Freie Universität Berlin

Ausgangspunkt: Die Qualitative Inhaltsanalyse hat sich als beliebte Methode vor allem für die Auswertung von Interviewmaterial etabliert. Die verschiedenen von Mayring (2008) aufgezeigten Ablaufmodelle der Inhaltsanalyse geben die Richtung für eine systematischeAnalyse vor. Über die methodische Umsetzung in die Praxis hin zu einem angemessenen Kategoriensystem, geprüft durch konsensuelle und argumentative Validierung (Legewie 1987; Mruck & Mey 2000), ist bislang wenig veröffentlicht worden. Das Poster möchte einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke leisten, indem die Erfahrungen einer Forscherinnengruppe an einem konkreten empirischen Beispiel und unter Einsatz von MAXQDA (Verbi GmbH, 2010) dargestellt werden.    

Empirisches Beispiel: Im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Evaluationsprojekts „Der Einfluss musisch-kreativer Projekte auf die schulische Entwicklung von Jugendlichen“ wurden elf leitfadengestützte Expert(inn)eninterviews mit den Klassenlehrer(inne)n geführt. Eine Hauptfragestellung bezog sich auf die Äußerungen der Interviewten, was sie selbst durch die Teilnahme ihrer Schüler(innen) an einem musisch-kreativen Projektunterricht gelernt haben.

Vorgehensweise: Nach der zusammenfassenden Inhaltsanalyse (Mayring 2008, S.60) wurde aus fünf Expert(inn)eninterviews in einer Forscherinnengruppe ein Kategoriensystem mit MAXQDA entwickelt.

  • Nach der Festlegung der Analyseeinheiten (Schritt 1) wurden in MAXQDA zwei Interviews paraphrasiert (Schritt 2). Die anschließend in eine Tabelle exportierten MAXQDA-Dateien wurden generalisiert und reduziert (Schritt 3 bis 5) und in einem Kategoriensystem zusammengestellt (Schritt 6). Nach dieser (parallel stattfindenden) induktiven Entwicklung wurden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Kategoriensysteme diskutiert und ein gemeinsames Kategoriensystem in MAXQDA angelegt. Um die Angemessenheit dieses Kategoriensystems zu prüfen, wurden die zwei Interviews (aus denen das Kategoriensystem entwickelt worden war) und drei weitere zufällig ausgewählte Interviews mit MAXQDA kodiert (Schritt 7) und ausgewertet. Basierend auf dieser Auswertung wurde gemeinsam ein Kodiermanual mit Ankerbeispielen geschrieben. Dieses war Gegenstand der Diskussion mit zwei externen Kollegen (argumentative Validierung). Als sich die Angemessenheit des Kodiermanuals bestätigte, wurden die verbleibenden sechs Interviews kodiert und ausgewertet.  
  • Nach Abschluss eines jeden Auswertungsschrittes fanden Gruppentreffen (mit zwei der genannten Autorinnen des Abstracts) statt, die dem Erfahrungsaustausch und der Besprechung der gewählten Techniken dienten (konsensuelle Validierung). Die Treffen wurden protokolliert und in einem Dokument, das für alle zugänglich war, abgespeichert.  

In dem Poster werden die einzelnen Entwicklungsschritte der Forscherinnengruppe mit aussagekräftigen Beispielen dargestellt, Probleme erörtert und Lösungsansätze diskutiert. Es soll als mögliche Anregung für weitere Arbeitsgruppen dienen.

Kontakt: judith.becker@fu-berlin.demaria.barbara.jung@fu-berlin.debettina.hannover@fu-berlin.de

Literatur

  • Legewie, Heiner (1987). Interpretation und Validierung biographischer Interviews. In Gerd Jüttemann & Hans Thomae (Hrsg.), Biographie und Psychologie (S.138-150). Heidelberg: Springer.
  • Mayring, Philipp (2008). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. (10. Auflage). Weinheim: Beltz. 
  • Mruck, Katja & Mey, Günter (2000). Qualitative Sozialforschung in Deutschland. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art 4, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs000148.
  • VERBI GmbH (2010). MAXQDA. The Art of Textanalysis. Version 10. Berlin. http://www.maxqda.de.

Datenmanagement qualitativer Studien der Organisationsforschung

Iris Braun & Tobias Gebel, Datenservicezentrum für Betriebs- und Organisationsdaten (DSZ-BO)      Universität Bielefeld

Forschungskontext: Das Projekt „Die Nutzbarkeit qualitativer Interviewdaten der Organisationsforschung für Sekundäranalysen“ trägt zum Ausbau des Methodenkanons im Bereich der Organisationsforschung bei. Das Datenservicezentrum für Betriebs- und Organisationsdaten (DSZ-BO) als zentrale Infrastruktureinrichtung für Betriebs- und Organisationsdaten, hat sich zur Aufgabe gestellt die Voraussetzungen, Verfügbarkeit und Nutzbarkeit der Daten zur Durchführung einer Sekundäranalyse von Interviewdaten zu erarbeiten. Methodisch bedeutet dies die Erstellung eines standardisierten Musters zur Dokumentation des Forschungsprozesses sowie notwendiger Anonymisierungsverfahren, die sowohl den Schutz der Befragten, der Organisation sowie der Organisationsmitglieder gewährleisten und gleichzeitig hinreichend Analysepotenzial für eine Sekundärnutzung bieten.

Ausgangspunk: Datenmanagementpläne sind zunehmend eine Forderung wissenschaftlicher Förderprogramme (vgl. Büttner, Hobohm & Müller 2011, S.7) und werden zukünftig zwingender Bestandteil von Förderanträgen sein. Da Datenmanagement bislang keine Verankerung in der akademischen Ausbildung fand, ist unklar, was es beinhaltet. Oftmals wird Datenmanagement mit dem Führen eines Forschungstagebuches und der Datenarchivierung gleichgesetzt.

Datenmanagement geht jedoch darüber hinaus und bedeutet die eigenen Arbeitsprozesse, die Erzeugung von und den Umgang mit Forschungsdaten effizient und zielorientiert zu organisieren und zu steuern. Es umfasst bereits im Rahmen der Projektplanung die einzelnen Aufgaben und Probleme zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit Forschungsdaten entstehen. Datenmanagement kann als eine spezifische, auf den Wissenschaftsbetrieb und den Umgang mit Forschungsdaten ausgerichtete Form des Projektmanagements gesehen werden (vgl. Meyermann 2012).

Datenmanagementpläne bilden nicht nur die Grundlage für Data Sharing, sondern lösen verschiedene Probleme der Datennutzung. Dazu gehören die gemeinsame Verwendung von Forschungsdaten innerhalb eines Projekts sowie die Minimierung der Risiken von Daten- und Informationsverlusten im Forschungsprozess. Ebenso gewährleistet systematisches Datenmanagement den Schutz vor unrechtmäßigem Zugriff auf Daten, der für qualitative Daten essentiell ist.

Diskussion: Auf Grundlage von Literaturrecherchen (vgl. Medjedović 2011; Opitz & Maurer 2005, Gläser & Laudel 2000), Artikeln zu Studien der Organisationsforschung in den Zeitschriften Arbeit, Industrielle Beziehung, Management Revue, Zeitschrift für Personalforschung der Jahrgänge 2005-2011 und dem Austausch mit Forschenden, die an das DSZ-BO als Servicepartner herangetreten sind, konnten vier zentrale Defizite identifiziert werden, die einem professionellem Datenmanagement im Wege stehen. Diese bestehen im Mangel an Anreizen, Kenntnissen und Ressourcen sowie in der Gefährdung der zentralen Vertrauensbeziehung zwischen Beforschten und Forschenden. Hinzu kommt für den Bereich der Betriebs- und Organisationsforschung eine starke Heterogenität der verwendeten Organisationsmerkmale und Indikatoren, so dass die Vergleichbarkeit der Studien sowie deren Erschließung für Dritte zusätzlich eingeschränkt werden. Beim Berliner Methodentreffen wird das Konzept des DSZ-BO für ein professionelles Datenmanagement, insbesondere für Interviewdaten der Betriebs- und Organisationsforschung, aufgezeigt. Dies beinhaltet einen zeitlichen und sachlichen Ablaufplan, Handreichungen zur Datendokumentation (Beschreibung der Daten mit Metadaten), zur Datenaufbewahrung und zum Datenerhalt (Techniken und Organisation) sowie zum Umgang mit Forschungsdaten (rechtlich und ethisch).

Kontakt: iris.braun@uni-bielefeld.detobias.gebel@uni-bielefeld.de

Literatur

  • Büttner, Stephan; Hobohm, Hans-Christoph & Müller, Lars (2011). Einführung. In Stephan Büttner, Hans-Christoph Hobohm & Lars Müller (Hrsg.), Handbuch Forschungsdatenmanagement. Überblick (S.7-11). Bad Honnef: Bock & Herchen.
  • Gläser, Jochen & Laudel, Grit (2001). Re-Analyse als Vergleich von Konstruktionsleistungen [80 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(3), Art. 25, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0003257.
  • Medjedović, Irena (2011). Secondary Analysis of Qualitative Interview Data: Objections and Experiences. Results of a German Feasibility Study [45 paragraphs]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 12(3), Art. 10, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1103104
  • Meyermann, Alexia (2012). Datenmanagement – Voraussetzung für den Erfolg der Data Sharing – Idee in den Sozialwissenschaften. Bielefeld: DSZ-BO Working Paper Series.
  • Opitz, Diane & Mauer, Reiner (2005). Erfahrungen mit der Sekundärnutzung von qualitativem Datenmaterial – Erste Ergebnisse einer schriftlichen Befragung im Rahmen der Machbarkeitsstudie zur Archivierung und Sekundärnutzung qualitativer Interviewdaten [50 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6(1), Art. 43, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0501431.

Interviewführung und Auswertung von Interviews mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

Natalia Postek, Universität Wien, Wien (Österreich)

 Forschungskontext: Erst seit geraumer Zeit werden Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen als InterviewpartnerInnen in der qualitativen Forschung angesehen. Die ihnen zugeschriebenen Vorurteile der Unreflektiertheit, falschen Wiedergabe biografischer Daten u.v.m. schlossen sie lange Zeit aus dem Forschungsvorgehen aus, wodurch Eltern, Angehörige oder Betreuungspersonen als Interviewpersonen zur Erfassung der Lebensumstände von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung herangezogen wurden (vgl. Buchner & Koenig 2008). Durch das Aufkommen neuer Diskurse in der Forschung mit und um Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, werden diese als ExpertInnen der eigenen Lebenslage angesehen und als Interviewpersonen in qualitativen Forschungsvorhaben herangezogen (vgl. Stalker 1998; Buchner 2008; Swain, Heyman & Gillman 1998, Mactavish, Mahon & Lutfiyya 2000). Dabei zeigt sich, dass der methodologische und methodische Rahmen der Interviewführung und Auswertung von Interviews mit Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen relativ begrenzt ist. Literatur findet sich zumeist zur Gestaltung der Interviewsituation (vgl. March et al. 1997; Gilbert 2004; Buchner, Koenig & Schuppener 2011) sowie der Art der Fragestellungen, Diskussionen zur Interviewauswertung bleiben dabei jedoch aus.

Forschungsfragen: Wie können Interviews, welche in leichter Sprache mit Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen geführt worden sind, ausgewertet werden? Welche Auswertungsschritte können dabei vorgenommen werden, so dass es zu keinem Verlust der Qualität der Daten kommt?

Methode: Die Forschungsmethode der Dissertation ist die Grounded-Theory-Methodologie (vgl. Charmaz 2006; Clarke 2005), welche es der Forscherin ermöglicht, den Erhebungs- und Auswertungsvorgang der Daten während des gesamten Forschungsprozesses zu reflektieren. Die Erhebungsmethode sind narrative Interviews, welche mehrmals mit zehn Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen geführt werden. Die Berücksichtigung der Vielfältigkeit der Daten, die Dokumentation der Interviewsituationen in Postskripten sowie die Validierung der Auswertungen mit den Interviewpersonen stellen erste Ergebnisse einer spezifischen Auswertungsmethode dar, welche es ermöglicht Interviews mit Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen durchzuführen und auszuwerten, ohne Qualität in den Daten zu verlieren.

Ziel des Posters soll es somit sein, das Vorgehen der Interviewführung und Auswertung der Interviews am Beispiel der Dissertation „Stellenwert des Übergangs in das Erwachsenenalter“ darzustellen, die Problemstellungen aufzuzeigen sowie erste Lösungsansätze vorzustellen.

Erste Ergebnisse: Das Poster zeigt wie mittels der Dokumentation der Interviewsituationen in Postskripten, der Erstellung von Maps und Netzwerken (vgl. Clarke 2011), welche aus In-Vivo-Codes gebildet werden, sowie der Validierung der Daten mit den Interviewpersonen eine Auswertung von Interviews mit Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen vor sich gehen kann. Dabei werden subjektive Sichtweisen in den Mittelpunkt der Auswertung gestellt, wodurch ein Qualitätsgewinn in der Auswertung der erhobenen Daten stattfindet. Durch die Darstellung mittels Maps sowie Netzwerken kann zudem die Komplexität und Vielschichtigkeit der Lebensumstände von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen erfasst und wiedergegeben werden.

Kontakt: natalia.postek@univie.ac.at

Literatur

  • Buchner, Tobias (2008). Das qualitative Interview mit Menschen mit so genannter geistiger Behinderung. Ethische Aspekte, Durchführung und die Anwendbarkeit im internationalen Vergleich. In Gottfried Biewer, Mikael Luciak & Mirella Schwinge (Hrsg.), Begegnung und Differenz. Länder – Menschen – Kulturen. Dokumentation der 43. Arbeitstagung der DozentInnen der Sonderpädagogik deutschsprachiger Länder (S.516-528). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Buchner, Tobias; Koenig, Oliver & Schuppener, Saskia (2011). Gemeinsames Forschen mit Menschen mit intellektueller Behinderung. Geschichte, Status quo und Möglichkeiten im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention. Teilhabe, 50(1), 4-10.
  • Buchner, Tobias & Koenig, Oliver (2008). Methoden und eingenommene Blickwinkel in der sonder- und heilpädagogischen Forschung von 1996–2006 – eine Zeitschriftenanalyse. Heilpädagogische Forschung, 34(1), 15-34
  • Charmaz, Kathy (2006). Constructing Grounded Theory. A Practical Guide Through Qualitative Analysis. London: Sage.
  • Clarke, Adele (2005). Situational Analysis. Grounded Theory After the Postmodern Turn. California: Sage.
  • Clarke, Adele (2011). Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situtionsanalyse. In Günter Mey & Katja Mruck, (Hrsg.), Grounded Theory Reader (2., aktualisierte und erweiterte Auflage, S.207-229). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Gilbert, Tony (2004). Involving people with learning disabilities in research: issues and possibilities. Health and Social Care in the Community, 12(4), 298-308.
  • Mactavish, Jennifer; Mahon, Michael & Lutfiyya, Zana Marie (2000): „I can speak for myself”: Involving individuals with intellectual disabilities as research participants. Mental retardation, 38(3), 216-227.
  • March, Justine et al. (1997). Follow the yellow brick road! People with Learnign Dissiculties as Co-researchers. British Journal of Learning Disabilities, 25(2), 77- 80.
  • Stalker, Kirsten (1998). Some Ethical and Methodological Issues in Research with People with Learning Difficulties. Disability & Society, 13(1), 5-19.
  • Swain, John; Heyman, Bob & Gillman, Maureen (1998). Public research, private concerns: ethical issues in the use of open-ended interviews with people who have learning difficulties. Disability and Society, 13(1), 21-36.