Postersession 2018

Arbeit / Alltag / Umwelt

Miranda Böttcher (Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung): Das „Was, Warum und Wer“ der Climate Engineering Research Governance Debatte: Eine Fallstudie zu einem vorgeschlagenen Verhaltenskodex
Keywords: Einzelfallstudie, Interviews, Qualitative Inhaltsanalyse, Diskursanalyse 

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Katharina Cyra (Universität Duisburg-Essen): Interaktion mit sprach-gesteuerten „Assistenten“ – Eine Analyse interaktiver Praktiken im Umgang mit assistiven (Hoch)Technologien
Keywords: Technografie, Videografie, Interview, Videodaten, Videoanalyse, Multimodale Interaktionsanalyse, Konversationsanalyse

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Sophia Kochalski (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin), Hannah L. Harrison (Norwegian University of Life Sciences, Ås, Norway), Robert Arlinghaus (Humboldt-Universität zu Berlin): Wohin können die Schritte einer wissenssoziologischen Diskursanalyse führen? Archetypen umweltrelevanter Anpassungsstrategien
Keywords: Vergleichende Fallstudienforschung, Semi-strukturierte Interviews, Wissenssoziologische Diskursanalyse, Hermeneutische Analyse, Mixed Methods, Archetypen

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Ruth Wakenhut & Sophie Vogt (Kernwert GmbH): Remote Workers – Exploring the world of new work
Keywords: Qualitative Online-Forschung, Bilder, Texte, Online-Fokusgruppen, Qualitative Inhaltsanalyse

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Patrick Witzak (Universität Duisburg-Essen): Grenzüberschreitende Regulierung durch Aktivistennetzwerke im Fall Ali Enterprises: Eine Triangulation mittels Process-Tracing, Temporal Bracketing und Diskursnetzwerkanalyse
Keywords: Qualitative Langzeitbetrachtung, Dokumentenanalyse, Expert_inneninterviews, Process-Tracing, Diskursnetzwerkanalyse, Temporal Bracketing

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Migration / Kultur

Peter Bleckmann (Hochschule für angewandte Pädagogik / FU Berlin): Einstellungsmuster gegenüber politischem Salafismus bei Jugendlichen in Quartieren mit hoher Präsenz salafistischer Milieus 
Keywords: Narrative Interviews, Leitfadengestützte Interviews, Grounded-Theory-Methodologie

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Tanja Manthey-Gutenberger (Justus-Liebig-Universität Gießen): Narrative Interviews mit Kindern aus Mehrkindfamilien mit Migrationshintergrund
Keywords: Fallstudie, Biografisch-narrative Interviews, Fallrekonstruktive Sozialforschung 

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Mirëlinda Shala (Universität Zürich, Psychologisches Institut, Psychopathologie und Klinische Intervention): „Punkt im Herzen“: Konzepte emotionaler Belastung von albanisch-sprachigen Personen in der Schweiz – Eine qualitative Inhaltsanalyse
Keywords: Mixed-Methods-Design, Leitfadeninterview, Tonaufnahmen, Qualitative Inhaltsanalyse

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Doris Wanke (Verbundkolleg BayWISS „Sozialer Wandel“ Universität Bamberg / Katholische Stiftungshochschule München): Traumatisierte Kinder mit Fluchterfahrung in Kindertagesstätten aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte sowie der Traumaexpert_innen
Keywords: Datentriangulation, Expert_inneninterview, Gruppendiskussion, Grounded-Theory-Methodologie, Qualitative Inhaltsanalyse

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Bildung

Andrea Broens (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg): „Nö Karriere, da hätte ich auch beim Arbeitsamt bleiben können“ – Nicht-traditionelle Bildungs- und Berufsbiografien von Studienbewerber_innen ohne Abitur
Keywords: Narrative Interviews, Fallrekonstruktion, Objektive Hermeneutik

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Julia Brüggerhoff (Universität Duisburg-Essen, Didaktik der Chemie, Institut für Sachunterricht): Auf dem Weg vom Sach- zum Fachunterricht – Eine Delphi-Befragung zur Übergangsgestaltung
Keywords: Delphi-Befragung, Gruppendiskussion, Fragebogen, Qualitative Inhaltsanalyse

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Susanne Heil (PH Heidelberg, HSE Heidelberg school of Education): „Es gibt da nicht wirklich richtig oder falsch“ – Eine ethnografische Studie zum Doing Difference in einer inklusionsorientierten Schule
Keywords: Ethnografie, Teilnehmende Beobachtungen, Befragungen, Fotografien, Schuldokumente, Reflexive Grounded-Theory-Methodologie

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Sabine Hering (RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft): Die diskursive Formierung problematischer Übergänge und darauf bezogener Lösungsstrategien in ausgewählten Fachzeitschriften der Berufspädagogik
Keywords: Längsschnitt, Dokumente (Fachzeitschriften), Diskursanalyse

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Torsten Linke (Universität Kassel / Hochschule Merseburg): Die Bedeutung von Vertrauenskonzepten Jugendlicher für das Sprechen über Sexualität in pädagogischen Kontexten
Keywords: Teilstrukturierte Interviews, Grounded-Theory-Methodologie 

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Kim Magiera (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel): Bildung als Modus der Krisenbewältigung? – Eine Analyse der Interaktionen im Täter-Opfer-Ausgleich aus bildungstheoretischer Perspektive
Keywords: Triangulationsstudie, Videoethnografie, Videoaufnahmen, Narrative Interviews, Videointeraktionsanalyse, Objektive Hermeneutik

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Tim Middendorf (Katholische Hochschule NRW, Abt. Münster): Typologisierung der Ausbildungssupervision im Studiengang der Sozialen Arbeit – Eine reflexive Videostudie zu sozialen Handlungen in der spezifischen Lebenswelt Ausbildungssupervison
Keywords: Videografie, Problemzentriertes Interview, Grounded-Theory-Methodologie

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Franziska Proskawetz (Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen): Von der Fehlerfahndung zur Schatzsuche? Erfahrungen mit dem NRW-Talentscouting und ihr Einfluss auf die Erwartungshaltungen von Lehrpersonen an Schüler_innen aus nichtakademischen Elternhäusern
Keywords: Interaktionsgeschichtlich-narrative Interviews, Fall-Vignetten, Narrationsanalyse

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Birgit Senft (statistix), Marlene Aichholzer-Pahr & Beate Gfrerer (Bildungsberatung Kärnten): Interviewdaten als Basis für die Reflexion der Prozess- und Ergebnisqualität im Zuge der Evaluation einer Bildungsberatungseinrichtung
Keywords: (Partizipative) Evaluation, (Telefonische) Leitfadeninterviews, Qualitative Inhaltsanalyse

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Berit Stoppa (Universität Bonn): Narrative (Dilemma-) Interviews zu impliziten Diversitätspraktiken an ghanaischen Hochschulen
Keywords: Narrative Interviews, Gruppendiskussionen, Dilemma-Interviews

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Gesundheit

Carmen Birkholz (Doktorand_innenkolleg des Instituts für Palliative Care und OrganisationsEthik der IFF – Wien, Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Wien, Graz): „Ich wusste gar nicht, dass das Spiritualität ist!“ – Die Erfassung subjektiver Spiritualitätskonzepte in der Begleitung von Menschen mit Demenz am Lebensende mittels Diaryverfahren
Keywords: Ethnografie, Partizipative Forschung, Interviews, Diaryverfahren, Gruppendiskussion, Qualitative Inhaltsanalyse, Wissenssoziologische Hermeneutik 

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Vanessa Vohland & Eleonore A. Heil (Justus-Liebig-Universität Gießen, Arbeitsgruppe Ernährungsökologie): Vegane und vegetarische Kinderernährung. Eine Mixed-Methods-Analyse zu den Motiven und Einstellungen von Eltern
Keywords: Mixed-Methods, Problemzentrierte Interviews, Grounded-Theory-Methodologie

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Carla Wesselmann & Clarissa Schallenberger (Hochschule Emden/Leer): WINDYS – Was ist Normalität? Normalität und Behinderung in Geschwisterbeziehungen.
KeywordsExplorative Fallstudie, Narrative Interviews, Fokusgruppen, Biografische Fallrekonstruktion, Qualitative Inhaltsanalyse

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Melanie Zirves (IMVR Köln): Patient_innenfehlsteuerung in der geriatrischen Rehabilitation in Baden-Württemberg aus Sicht stationärer Geriater_innen – Eine qualitative Analyse
Keywords: Expert_inneninterviews, Qualitative Inhaltsanalyse 

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Methodenentwicklung

Klara-Marie Peters (Universität zu Köln): Rekonstruktion von Rationalitäten mithilfe der Figurationsanalyse
Keywords: Wissenschaftliche Texte, Figurationsanalyse, Aussagenanalyse

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Christiane Stephan (Geographisches Institut der Universität Bonn): Imaginations of future(s) – Visuelle Zugänge zu Praktiken des „Zukunft-machens“ in „Green-Growth“-Projekten in Ostafrika
Keywords: Partizipative Videomethoden, Bilder, Videos, Grounded-Theory-Methodologie 

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Abstracts

Arbeit / Alltag / Umwelt

Das „Was, Warum und Wer“ der Climate Engineering Research Governance Debatte: Eine Fallstudie zu einem vorgeschlagenen Verhaltenskodex

Miranda Böttcher; Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung

Forschungskontext: Die Begriffe Climate Engineering oder Geoengineering bezeichnen eine breite Palette von vorgeschlagenen Methoden und Technologien, die das Klimasystem der Erde gezielt verändern sollen, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Dies umfasst Vorschläge zur Reflexion von Sonnenlicht weg von der Erde sowie zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre in einem Umfang, der groß genug ist, um das Klima zu verändern (IPCC 2014; NAS 2015a, 2015b). Während des letzten Jahrzehnts hat sich Climate Engineering (CE) von einem „Tabuthema“ zu einem legitimen Forschungsgebiet entwickelt und wird als Gegenstand politischer Governance diskutiert (Boettcher & Schäfer 2017; Harnisch et al. 2015). Diese Entwicklung wirft die Frage auf: Wie hat diese diskursive Transformation stattgefunden und welche konstitutiven Rollen haben historische diskursive Bedingungen der Möglichkeit in diesem Prozess gespielt? Aufbauend auf den bisherigen Arbeiten zur Kartierung der zugrunde liegenden diskursiven Strukturen wissenschaftlicher, medialer und politischer Diskussionen zum Thema Climate Engineering (Harnisch et al. 2015; Uther 2014) zielt mein Dissertationsprojekt darauf ab, einen umfassenden diskursanalytischen Rahmen zu entwickeln, um die Konstituierung von Forschungs- und Governance-Agenden in entstehenden Technologiediskursen nachzuvollziehen.

Forschungsfrage(n): Die hier vorgestellte erste Fallstudie meines Dissertationsprojekts befasst sich mit den folgenden zentralen Fragen: (a) Wie wird dem Begriff „Governance“ Bedeutung zugeschrieben in dem politischen Fachdiskurs zum Thema Climate-Engineering-Forschung? (b) Was wird in diesem Fachdiskurs als Objekt der Governance konstruiert? (c) Welche autoritativen Governance-Rollen und institutionellen Standorte konstituieren sich in dem politischen Fachdiskurs? Welche narrativen Strukturen gibt es im politischen Fachdiskurs über die Governance von Climate-Engineering-Forschung?

Methodik: Dieses Poster präsentiert eine explorative, interpretative Einzelfallstudie als Teil der Untersuchung der diskursiven Transformation des Climate Engineering von einem „Tabuthema“ zum „Objekt der Governance“. Die Fallstudie basiert auf einer induktiven, qualitativen Inhaltsanalyse (Früh 2007; Holsti 1969; Mayring 2003) einer Reihe von transkribierten Interviews mit Governance-Expert_innen aus den USA, Großbritannien und Deutschland über die Notwendigkeit und potenzielle Wirksamkeit eines vorgeschlagenen Verhaltenskodex für Climate-Engineering-Forschung. In Anlehnung an post-strukturalistische Ansätze, die Dekonstruktion des Diskurses in seine kleinsten Elemente, die anschließende induktive Rekonstruktion dieser Elemente in Kategorien und die Beziehung dieser Kategorien zueinander soll dazu beitragen, die zugrunde liegenden Diskursstrukturen zu identifizieren. Die Analyse erfolgt in Verbindung mit analytischen Konzepten entwickelt auf der Basis der Foucaultschen Diskurstheorie: Formation der Begriffe, Formation der Gegenstände, Formation der Äußerungsmodalitäten (Foucault 1979; Keller 2008; Kerchner & Schneider 2006; Nonhoff 2006, 2007). Die Kartierung diskursiver Strukturen in der Governance-Expert_innendebatte soll dazu beitragen, die Formation von Begriffen, Objekten und narrativen Strukturen zu verstehen, welche den Reaktionen auf die Idee des Code of Conduct als Governance-Mechanismus für die Climate-Engineering-Forschung zugrunde liegen. Damit soll die Sinnstiftung in diesem aufstrebenden Wissensbereich erleuchtet werden. Darüber hinaus zielt die Analyse darauf ab herauszufinden, welche Rollen und institutionellen Standorte in der CE-Governance-Debatte als autoritativ konstituiert werden. Die Verbesserung des Verständnisses des diskursiven Kontextes, in welchem dieser konkrete Governance-Vorschlag eingeführt wird, wird zum Ausbau der Wissensbasis für künftige Entscheidungen im Bereich CE-Governance beitragen und die Entwicklung von kontextangemessenen Governance-Mechanismen für Climate-Engineering-Forschung fördern.

Anliegen der Posterpräsentation: Ich hoffe auf ein konstruktives Feedback zur epistemologischen und ontologischen Konsistenz meines Forschungsdesigns. Ich freue mich darauf, zu diskutieren, ob und wie man am besten „Werkzeuge“ aus Foucaults „Toolbox“ anwenden kann, um diese Art von explorativer und interpretativer Analyse aktueller Technologiediskurse anzugehen.

Kontakt: Miranda.boettcher@gmail.com / https://www.iass-potsdam.de/de/menschen/miranda-boettcher

Literatur

  • Boettcher, Miranda & Schäfer, Stefan (2017). Reflecting upon 10 Years of Geoengineering Research: Introduction to the Crutzen + 10 Special Issue. Earth’s Future, 4(12), 10.1111/2016EF000521.
  • Foucault, Michel (1972). The archaeology of knowledge. New York: Pantheon Books.
  • Früh, Werner (2007). Inhaltsanalyse: Theorie und Praxis (6., überarb. Aufl.). Konstanz: UVK.
  • Harnsich, Sebastian; Uther, Stephanie & Boettcher, Miranda (2015). From ‘go slow’ to ‘gung ho’? Climate engineering discourses in the UK, the US, and Germany, Global Environmental Politics, 15(2), 57-78.
  • IPCC (2014). Climate change 2014 synthesis report: Contribution of working groups I, II and III to the fifth assessment report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, R.K. Pachauri and L.A. Meyer (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland.
  • Keller, Reiner (2008). Wissenssoziologische Diskursanalyse: Grundlage eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS.
  • Kerchner, Brigitte & Schneider, Silke (Hrsg.) (2006). Foucault: Diskursanalyse der Politik: Eine Einführung. Wiesbaden: VS.
  • Mayring, Philipp (2003). Qualitative Inhaltsanalyse : Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.
  • NAS (2015a). National research council. Climate intervention: Carbon dioxide removal and reliable sequestration. Washington, DC: The National Academies Press.
  • NAS (2015b). National research council. Climate Intervention: Reflecting sunlight to cool Earth. Washington, DC: The National Academies Press.
  • Nonhoff, Martin (2006). Politischer Diskurs und Hegemonie: das Projekt „Soziale Marktwirtschaft“. Bielefeld: transcript.
  • Nonhoff, Martin (Hrsg.) (2007). Diskurs – radikale Demokratie – Hegemonie: zum politischen Denken von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. Bielefeld: transcript.
  • Uther, Stephanie (2014). Diskurse des Climate Engineering. Argumente, Akteure und Koalitionen in Deutschland und Großbritannien. Wiesbaden: VS.

Interaktion mit sprach-gesteuerten „Assistenten“ – Eine Analyse interaktiver Praktiken im Umgang mit assistiven (Hoch)Technologien

Katharina Cyra, Universität Duisburg-Essen

Forschungskontext: Sprach-gesteuerte Assistenten und Smart Home Environments werden immer mehr Teil des Alltags (Janson 2018). Erste Studien beschreiben, wie sich kommerzielle Sprachassistenzsysteme wie Alexa in alltägliche Interaktionen „einfügen“ und menschliche und technische Teilnehmende ihre Beiträge interaktiv koordinieren (Porcheron, Fischer, Reeves & Sharples 2018). Im Rahmen der vorliegenden Studie sollen die interaktiven Praktiken von Nutzer_innen im Umgang mit sprach-gesteuerter Technologie im Alltag und Wohnumfeld untersucht und rekonstruiert werden. Dabei sollen nicht nur sprachliche Beiträge betrachtet werden, sondern auch multimodale bzw. körperlich-räumliche Ressourcen in den Fokus rücken (Hausendorf, Mondada & Schmitt 2012).

Forschungsfragen: Ziel des Projekts ist es, Praktiken des Umgangs mit sprach-gesteuerter Technologie im Alltag zu rekonstruieren. Leitende Fragen sind: Was tun Teilnehmende mit der neuartigen Technik zu Hause? Wie interagieren sie mit technischen Assistenten mittels Sprache und ggf. weiteren technischen Artefakten und wie lassen sich diese Praktiken in unterschiedlichen Situationen beschreiben? Basierend auf ersten Beobachtungen stellt sich die Frage, welcher Teilnehmendenstatus der Technik zuerkannt wird (Böhringer & Wolff 2010; Goffman 1979). Vor dem Hintergrund, dass Teilnehmende ihre Beiträge nur gemeinsam koordiniert und situiert hervorbringen (Goodwin 1979), soll diskutiert werden, unter welchen Bedingungen die Technik als assistiv bezeichnet und wie der Begriff „Assistenz“ geschärft werden kann (Biniok & Lettkemann 2017).

Methodik: Es werden technografische (Rammert & Schubert 2006), videoanalytische (Tuma, Schnettler & Knoblauch 2013) und konversationsanalytische (Bergmann 2003) Herangehensweisen vereint. Autoethnografische Daten (Ellis, Adams & Bochner 2010) und leitfadengestützte Interviews (Flick 2007) mit Nutzer_innen sprachgesteuerter Assistenten ermöglichen eine erste Rekonstruktion von Nutzungsanlässen und -verläufen sowie „typischen“ Interaktionen. Audio-, Video- und ggf. Eyetracker-Aufzeichnungen alltäglicher Interaktionen erlauben dann einen feinanalytischen Blick auf die interaktiven Praktiken. Die komparative Auswertung fokussiert sprachliche und interaktive Praktiken, die Koordination mit anderen Teilnehmenden, die Nutzung räumlicher Ressourcen und weiterer technischer Artefakte des sozio-technischen Arrangements.

Anliegen der Postersession: Mit dem Poster soll der methodologische und methodische Zugang diskutiert und kritisch reflektiert werden: (a) Eignet sich das Studiendesign, um authentische interaktive Praktiken von Nutzer_innen technischer Assistenten zu untersuchen? (b) Wie lassen sich Daten im privaten Umfeld der Teilnehmenden sinnvoll erheben? Welche Potenziale und Grenzen ergeben sich in diesem Zusammenhang bzgl. einer autoethnografischen und Interview-basierten Herangehensweise sowie in Bezug auf die Verwendung von AV- und Eyetracker-Daten. Und (c) wie lassen sich die unterschiedlichen Daten sinnvoll vereinen?

Kontakt: katharina.cyra@uni-due.de / https://www.uni-due.de/kowi/interkom/kcyra.phphttps://orcid.org/0000-0002-3366-2049

Literatur

  • Bergmann, Jörg (2003). Konversationsanalyse. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S.524-537). Reinbek: Rowohlt.
  • Biniok, Peter & Lettkemann, Eric (2017). In Gesellschaft–Assistenzformen, Assistenzweisen und Assistenzensembles. In Peter Biniok & Eric Lettkemann (Hrsg.) Assistive Gesellschaft (S.1-23). Wiesbaden: VS.
  • Böhringer, Daniela & Wolff, Stephan (2010). Der PC als „Partner“ im institutionellen Gespräch/The Computer as a „Partner“ in Institutional Talk. Zeitschrift für Soziologie, 39(3), 233-251.
  • Ellis, Carolyn; Adams, Tony E. & Bochner, Arthur P. (2010). Autoethnografie. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.) Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (S. 45-357). Wiesbaden: VS.
  • Flick, Uwe (2007). Qualitative Forschung: Eine Einführung. Reinbek: Rowohlt.
  • Goffman, Erving (1979). Footing. Semiotica, 25(1-2), 1-30.
  • Goodwin, Charles (1979). The Interactive Construction of a Sentence in Natural Conversation. In George Psathas (Hrsg.), Everyday language: Studies in Ethnomethodology (S.97-121). New York: Irvington Publishers.
  • Hausendorf, Heiko; Mondada, Lorenza & Schmitt, Reinhold (Hrsg.) (2012). Raum als interaktive Ressource (Studien zur deutschen Sprache, 62). Tübingen: Narr.
  • Janson, Matthias (2018). Smarte Technik im Haushalt [Digitales Bild]. https://de.statista.com/infografik/13058/smarte-technik-im-haushalt/. [Zugriff: 21.5.2018]
  • Porcheron, Martin; Fischer, Joel E.; Reeves, Stuart & Sharples, Sarah (2018). Voice Interfaces in Everyday Life. In Proceedings of the 2018 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 640-651.
  • Rammert, Werner & Schubert, Cornelius (Hrsg.) (2006). Technografie: zur Mikrosoziologie der Technik. Frankfurt: Campus.
  • Tuma, René; Schnettler, Bernt, & Knoblauch, Hubert (Hrsg.) (2013). Videographie – Einführung in die interpretative Videoanalyse sozialer Situationen. Wiesbaden: VS.

Wohin können die Schritte einer wissenssoziologischen Diskursanalyse führen? Archetypen umweltrelevanter Anpassungsstrategien

Sophia Kochalski (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin), Hannah L. Harrison (Norwegian University of Life Sciences, Ås, Norway), Robert Arlinghaus (Humboldt-Universität zu Berlin)

Forschungskontext: Flüsse und Seen sind die gefährdetsten Ökosysteme der Erde. In Europa betreiben Vereine und Flussbesitzer_innen ehrenamtlich Bruthäuser, um den Fortbestand dezimierter Fischpopulationen oder die Wiederansiedlung verschwundener Arten, wie z.B. dem Atlantischen Lachs (Salmo salar), zu ermöglichen. Um erfolgreich zu sein, müssen die Vereine über Jahrzehnte hinweg das notwendige ökonomische Kapital bereitstellen und sich mit anderen Akteuren und Nutzungsarten arrangieren. Studien im Bereich Ressourcen und Umwelt betrachten menschliche Anpassungsstrategien meist sehr kontextspezifisch (Berkes & Jolly 2002) und erklären sie überwiegend durch strukturelle Faktoren (Ostrom 2009). Beobachtungen aus einer soziologischen und ethnografischen Feldstudie in verschiedenen Bruthäusern in Deutschland (N=8), Norwegen (N=3) und Wales (N=1) lassen aber wiederkehrende Verhaltensmuster erkennen, die stattdessen durch kognitive Faktoren (Präferenzen und Lernerfahrungen) erklärbar sein könnten.

Forschungsfragen: (1) Gibt es archetypische Anpassungsstrategien an Umweltveränderungen, die sich durch vergleichende Fallstudienforschung und hermeneutische Textanalyse aufzeigen lassen? (2) Ist die Auswahl der Anpassungsstrategien an verschiedene Herausforderungen erklärbar durch strukturelle oder kognitive Faktoren?

Methodik: Zur Datensammlung wurden problem-zentrierte, semi-strukturierte Interviews (Witzel & Reiter 2012; Dauer: 45-120 Minuten) zu sozialen und ökologischen, internen und externen Herausforderungen mit den verantwortlichen Mitarbeiter_innen der Lachsbruthäusern geführt (Details zur Datensammlung in: Harrison et al. 2018). Die Interviews wurden aufgezeichnet und wortgetreu transkribiert. Die Auswertung erfolgte unter Rückgriff auf die wissenssoziologische Diskursanalyse (Keller 2011). Auf der Basis des erfahrungsbasierten Expertenwissens der Interviewpartner_innen (Flyvbjerg 2012; Linke & Jentoft 2014) wurden archetypische Anpassungsstrategien (Eisenack 2012; Eisenack, Lüttke & Kropp 2006; Oberlack & Eisenack 2018) identifiziert und benannt. Unter welchen Umständen welche Strategie verwendet wurde, wurde durch eine quantitative Analyse (Clustering) betrachtet, um die Bedeutung von Präferenzen und Lernerfahrung in Relation zu kontextuellen Faktoren abzuschätzen.

Ergebnisse: Basierend auf der Analyse konnten die Umweltbedrohungen durch bestimmte Attribute (z.B. wahrgenommene Auswirkungen, Ausmaß) klassifiziert und eine begrenzte Anzahl von archetypischen Anpassungsstrategien (z.B. „Individualist“, „Kollaborateur“) identifiziert und beschrieben werden. Die Ergebnisse der quantitativen Analyse stehen noch aus.

Diskussion: Sind die gefundenen archetypischen Anpassungsstrategien auch in anderen (Umwelt-)Kontexten gültig? Welche Implikationen haben kognitive Prozesse für das Umweltmanagement, z.B. im Fall von Fehlanpassungen? Welchen Beitrag kann das Denken in „Archetypen“ zur qualitativen sozialwissenschaftlichen Forschung leisten? Ist es notwendig, strukturelle Faktoren in qualitative und individuelle Faktoren in quantitative Analysen einzubinden und wo ist dies schon der Fall?

Anliegen der Posterpräsentation: (1) Mit Expert_innen diskutieren, ob es „zulässig“ ist, den gewählten Ansatz zur Textanalyse außerhalb der wissenssoziologischen Diskursanalyse zu verwenden, und was dabei zu beachten ist. (2) Umweltsoziologie als ein Feld kenntlich machen, in dem fundierte sozialwissenschaftliche Forschung noch viel Entwicklungspotenzial und mögliche praktische Implikationen hat. (3) Mit anderen Sozialwissenschaftler_innen über vergleichende Fallstudien mit mittleren N sowie Mixed-Methods ins Gespräch zu kommen.

Kontakt: kochalski@igb-berlin.de

Literatur

  • Berkes, Firket & Jolly, Dyanna. (2002). Adapting to climate change: social-ecological resilience in a Canadian western Arctic community. Conservation Ecology, 5(2), 18.
  • Eisenack, Klaus; Lüdeke, Matthias & Kropp, Jürgen. (2006). Construction of archetypes as a formal method to analyze social-ecological systems. In Bali: Proceedings of the Institutional Dimensions of Global Environmental Change Synthesis Conference, 6(9), 17pp.
  • Eisenack, Klaus (2012). Archetypes of adaptation to climate change. In Marion Glaser, Gesche Krause, Beate M. W. Ratter & Martin Welp (Hrsg.), Human-nature interactions in the anthropocene: Potentials of social-ecological systems analysis (S.107-122). New York, NJ: Routledge.
  • Flyvbjerg, Bent (2012). Making social science matter. In Georgios Papanagnou (Hrsg.), Social science and policy challenges: Democracy, values and capacities (S.25-56). Paris: UNESCO Publishing.
  • Harrison, Hannah. L.; Kochalski, Sophia; Arlinghaus, Robert & Aas, Øystein. (2018). “Nature’s Little Helpers”: A benefits approach to voluntary cultivation of hatchery fish to support wild Atlantic salmon (Salmo salar) populations in Norway, Wales, and Germany. Fisheries Research, 204, 348-360.
  • Keller, Reiner. (2011). The sociology of knowledge approach to discourse (SKAD). Human Studies, 34(1), 43-65.
  • Linke, Sebastian & Jentoft, Svein. (2014). Exploring the phronetic dimension of stakeholders‘ knowledge in EU fisheries governance. Marine Policy, 47, 153-161.
  • Oberlack, Christian & Eisenack, Klaus. (2018). Archetypical barriers to adapting water governance in river basins to climate change. Journal of Institutional Economics, 14(3), 527-555.
  • Ostrom, Elinor. (2009). A general framework for analyzing sustainability of social-ecological systems. Science, 325(5939), 419-422.
  • Witzel, Andreas & Reiter, Herwig (2012). The problem-centred interview. Principles and practice. London: Sage.

Remote Workers – Exploring the world of new work

Ruth Wakenhut & Sophie Vogt, Kernwert GmbH

Forschungskontext: Die Digitalisierung hat neue Arbeitsformen geschaffen: Die Bindung an feste Arbeitsorte, Zeiten und Organisationsstrukturen löst sich auf. Mehrere (meist quantitative) Studien zeigen: Die Zukunft der Arbeit ist flexibel und digital, immer mehr Menschen arbeiten von unterschiedlichen Orten aus – die sogenannte Remotearbeit nimmt zu.

Ausgangspunkt:Über die konkreten Erfahrungen und Bedürfnisse dieser Remotearbeitenden wissen wir bisher wenig. Unsere qualitative Studie zielte darauf ab, die spezifischen Arbeitsbedingungen, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten, zu beleuchten.

Forschungsfragen: Welche Eigenschaften zeichnen Remotearbeitende aus? Was motiviert sie? Wie arbeiten Remotearbeitende mit ihrem Team zusammen? Was bedeutet dies für das Verhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden?

Methodik: Die Studie wurde in zwei Phasen durchgeführt, wir haben die qualitative Methode der mobilen Pretasks (Hausaufgaben) mit Online-Fokusgruppen kombiniert (Theobald 2018): In einer ersten ethnografisch geprägten Hausaufgaben-Phase haben die Teilnehmenden ihr Arbeitsumfeld und ihren täglichen Workflow in individuellen Aufgaben reflektiert und dokumentiert. In der zweiten Phase wurden drei Online-Fokusgruppen (Textchat) durchgeführt, um spezifische Fragen im Detail zu diskutieren und einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Diese Mischung aus individuellen, unbeeinflussten Aufgaben und moderierter Interaktion ermöglichte es uns, in relativ kurzer Zeit ganzheitliche, vielfältige Ergebnisse zu sammeln, um so die Chancen und Herausforderungen dieser neuen Arbeitskultur besser zu verstehen. Die Auswertung orientierte sich an dem Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2012; Mayring 2008).

Es wurden 33 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz rekrutiert, die alle angestellt und „remote“ in flexiblen, digitalen Arbeitsumgebungen arbeiten.

Ergebnisse: 

  • Remotearbeitende sind kommunikationsstark, verantwortungsbewusst und zeichnen sich durch einen hohen Grad an Selbstmotivation und Selbstorganisation aus.
  • Der überwiegende Teil erlebt die Arbeitssituation als positiv.
  • Remote zu arbeiten, bedeutet für die Teilnehmenden mehr oder weniger ständig erreichbar zu sein. Im Alltag werden zur Bewältigung dieser Herausforderung eine Vielfalt an digitalen Tools eingesetzt.
  • Die wichtigsten Motivationsfaktoren für Remotearbeitende sind: Flexible Arbeitszeiten, interessante Tätigkeiten und Neues lernen.
  • Die Tätigkeit wird oft über das Unternehmen gestellt, die Identifikation mit dem Arbeitgebenden ist weniger ausgeprägt.

Anliegen der Posterpräsentation: Wir möchten unsere Methoden der qualitativen Online-Forschung und ihre praktische Anwendung anhand eines aktuellen Beispiels mit gesellschaftlicher Relevanz präsentieren und zur Diskussion stellen.

Kontakt: r.wakenhut@kernwert.de / s.vogt@kernwert.de

Literatur

  • Theobald, Axel (2018). Mobile Research: Grundlagen und Zukunftsaussichten für die Mobile Marktforschung. Wiesbaden: Gabler.
  • Kuckartz, Udo (2012). Mixed Methods: Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden: VS.
  • Mayring, Philipp (2008). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz

Grenzüberschreitende Regulierung durch Aktivistennetzwerke im Fall Ali Enterprises: Eine Triangulation mittels Process-Tracing, Temporal Bracketing und Diskursnetzwerkanalyse

Patrick Witzak, Universität Duisburg-Essen, Arbeitsgruppe Prof. Dr. Quack

Forschungskontext/Ausgangspunkt: Im Diskurs der grenzüberschreitenden Erwerbsregulierung werden vorranging Interaktionen zwischen Gewerkschaften, NGOs, staatlichen und supranationalen Akteuren untersucht – diskursive Mobilisierungen im Zeitverlauf werden dabei kaum diskutiert. So ist kaum bekannt, wie Netzwerkstrukturen in diesem Kontext diskursiv konstruiert werden. Der theoretische Rahmen des Projekts basiert maßgeblich auf Netzwerk-, Organisations- und Institutionalisierungsansätzen nach Callon (2006), Pries und Sezgin (2012) und Zajak (2017).

Forschungsfrage: Wie wird ein grenzüberschreitendes Aktivisten-Netzwerk im Kontext der Erwerbsregulierung im Zeitverlauf konstruiert?

Methodik: Die qualitative Langzeitbetrachtung des Falles Ali Enterprises umfasst ein Explaining-Outcome-Process-Tracing (EOPT) nach Beach und Pedersen (2013), eine Diskursnetzwerkanalyse nach Leifeld (2016) und ein Temporal Bracketing nach Langley (1999). Durch die Analyse von 178 Webartikeln und zwei Experteninterviews wurden Akteure, Perioden und Regulierungskonzepte im Zeitverlauf identifiziert. Nachfolgend wurde für jede ermittelte Periode ein Diskursnetzwerk analysiert.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass dominante globale Organisationen bereits bestehende Netze nutzen, um eine Regulierung zu generieren, und teilweise lokale Akteure in transnationale Strukturen einbinden, um dynamisch auf Kontextveränderungen über unterschiedliche Einflusspfade zu reagieren.

Anliegen der PostersessionVorstellung von Zwischenergebnissen und Diskussion über die Methodik, um das weitere Vorgehen zu planen.

Kontakt: patrick.witzak@stud.uni-due.de

Literatur

  • Beach, Derek & Rasmus B. Pedersen (2013). Process-tracing methods: foundations and guidelines. Ann Arbor: The University of Michigan Press.
  • Callon, Michel (2006). Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung: Die Domestikation der Kammmuscheln und der Fischer der St. Brieuc-Bucht. In Andréa Belliger & David J. Krieger (Hrsg.), ANThology: ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie (S.135-174). Bielefeld: transcript.
  • Langley, Ann (1999). Strategies for theorizing from process data. Academy of Management Journal, 24(4), 691-710.
  • Leifeld, Philip (2016). Policy debates as dynamic networks: German pension politics and privatization discourse. Frankfurt am Main: Campus.
  • Pries, Ludger & Sezgin, Zeynep (Hrsg.) (2012). Cross border migrant organizations in comparative perspective. Houndmills: Palgrave Macmillan.
  • Zajak, Sabrina (2017). Rethinking pathways of transnational activism. Global Society, 31, 1, 125-143.

Migration / Kultur

Einstellungsmuster gegenüber politischem Salafismus bei Jugendlichen in Quartieren mit hoher Präsenz salafistischer Milieus

Peter Bleckmann, Hochschule für angewandte Pädagogik / FU Berlin

Forschungskontext: Bei der vorgestellten Forschungsarbeit handelt es sich um eine Dissertation am Arbeitsbereich Bildungsforschung und soziale Systeme der FU Berlin. Die Arbeit befindet sich im Stadium der Designentwicklung. Datenerhebung und -auswertung sind für 2019/20 geplant.

Ausgangspunkt: Das Schlagwort des „Salafismus“ ist in der Medienöffentlichkeit zu einem dauerhaft präsenten Thema avanciert, wobei der Diskurs stark von einer Versicherheitlichung (Wæver 1998) geprägt ist. Diese Perspektive ist zum Teil auch bei den noch immer begrenzten empirischen Studien anzutreffen, die sich – notgedrungen – häufig auf Erkenntnisse der Ämter für Verfassungsschutz stützen (Biene, Daase, Junk & Müller 2016, S.44).

Forschungsfrage: In der vorgestellten qualitativen Studie soll der Versuch gemacht werden, auf empirischer Basis die Differenziertheit der Einstellungen junger Menschen (sowohl zustimmend als auch ablehnend) zu erfassen. Regionaler Fokus der Untersuchung sind zwei Berliner Quartiere, in denen salafistische Milieus durch die vor Ort befindlichen Moscheegemeinden präsent sind. Gefragt wird danach, welche unterschiedlichen Einstellungsmuster zum politischen Salafismus sich bei Jugendlichen identifizieren lassen, die in Quartieren mit hoher Präsenz des Salafismus leben.

Methodik: Zwei Perspektiven sollen miteinander verknüpft werden: (1) Leitfadengestützte Interviews (Scheele & Groeben 2000) mit lokalen Expert_innen (Schule, Jugendarbeit, Quartiersmanagement Moscheegemeinde) sowie (2) Fallstudien mit Jugendlichen, die jeweils bestimmte Einstellungsmuster repräsentieren. Die Fallstudien basieren auf narrativen Interviews (Schütze 1987) mit den Jugendlichen selbst und Personen aus ihrem unmittelbaren Umfeld sowie an ethnografischen Herangehensweisen (vgl. Geertz 1983) orientierte Feldbeobachtungen ausgewählter Sequenzen ihres Alltags. Die Auswahl der lokalen Expert_innen erfolgt kriteriengeleitet, die Jugendlichen werden entsprechend der im Forschungsprozess entwickelten Typologie ausgewählt (theoretical sampling). Die Auswertung soll auf der Basis der Grounded-Theory-Methodologie (Strauss & Corbin 1996; Mey & Mruck 2011) erfolgen.

Anliegen der Posterpräsentation: Von besonderem Interesse ist die Diskussion der Methoden der Datenerhebung und -auswahl.

Kontakt p.bleckmann@hsap.de / www.hsap.de/forschung

Literatur

  • Biene, Janusz; Daase, Christopher; Junk, Julian & Müller, Harald (Hrsg.) (2016). Salafismus und Dschihadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken, Handlungsempfehlungen. Frankfurt/New York: Campus
  • Flick, Uwe (2017). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek: Rowohlt.
  • Geertz, Clifford (1983). Local Knowledge. Further Essays in Interpretive Anthropology. New York: Basic Books.
  • Mey, Günter & Mruck, Katja (Hrsg.) (2011). Grounded Theory Reader (2. erw. u. akt. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.
  • Scheele, Brigitte & Groeben, Norbert (2000). Dialog-Konsens-Methodik im Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research1(2), Art. 10, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0002105
  • Schütze, Fritz (1987). Das narrative Interview in Interaktionsfeldstudien. Erzähltheoretische Grundlagen. Merkmale von Alltagserzählungen und was wir mit ihrer Hilfe erkennen können. Hagen: Fernuniversität.
  • Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin, Abt. Verfassungsschutz (Hrsg.) (2017). Hintergründe zu den Angehörigen des salafistischen Spektrums in Berlin. Lageanalyse. Berlin: SenIS.
  • Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz
  • Theil, Stefan (2017). Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen: Erfahrungsberichte aus dem Schulalltag. Eine Dokumentation im Auftrag des American Jewish Committee Berlin. Berlin: AJC
  • Wæver, Ole (1998). Securitization and desecuritization. In Ronnie Lipschutz (Hrsg), On Security (S.46-86)New York: Columbia University Press.

Narrative Interviews mit Kindern aus Mehrkindfamilien mit Migrationshintergrund

Tanja Manthey-Gutenberger; Justus-Liebig-Universität Gießen

Forschungskontext und –frage: Die Forschungsfrage dieses Dissertationsprojekts resultiert auf den quantitativen Daten der Auswertung der Einschulungsuntersuchungen der Senatsverwaltung von Berlin seit 2005. Die Analyse lässt den Schluss zu, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen den konstant schlechteren Ergebnissen der Kohorte, speziell mit sogenanntem arabischen Migrationshintergrund und der Geschwisterzahl in Familien besteht und das schlechtere Abschneiden dieser Gruppe damit nicht kulturalistisch zu begründen ist. Das Vorhaben interessiert sich daher für die Ressourcen und bildungsbiografischen Aspekte, welche das Aufwachsen in Mehrkindfamilien ab vier Kindern hat.

Methodik: Die Entscheidung für ein qualitativ, biografisch-fallrekonstruktives Verfahren nach Rosenthal (2005) gründet auf dem Forschungsinteresse an den Bildungsbiografien der Interviewten aus ihrer eigenen Perspektive. Das theoretische Sampling (Glaser & Strauss 1967) besteht aus zwölf Personen mit Migrationshintergrund, die ihren Bildungsweg weitgehend abgeschlossen haben, mit drei oder mehr Geschwistern aufwuchsen und der zweiten Einwanderergeneration angehören.

Erste Ergebnisse: Auffallend ist, dass keine/r der Interviewpartner_innen der zweiten Einwanderergeneration eine KiTa o.ä. besucht hat, wohl aber von dem damaligen Angebot der Vorschule profitiert haben. Es zeichnet sich ab, dass jüngere Kinder einer Geburtenfolge tendenziell bessere Chancen haben, einen erfolgreichen oder höheren Bildungsabschluss zu erzielen, als ihre älteren Geschwister. Hierbei scheinen die älteren Geschwister, neben dem Spracherwerb, zunächst den Sozialraum, das Schulsystem sowie Schulübergänge für sich zu erarbeiten. Diese Informationen werden dann an die Jüngeren weitergegeben. Ältere Geschwister tendieren dementsprechend dazu, höhere Bildungsabschlüsse oder Ausbildungen auf dem zweiten oder dritten Bildungsweg zu erlangen.

Anliegen der Posterpräsentation: Ein Anliegen ist es, mit der Studie in die wissenschaftliche Gemeinschaft herauszutreten und durch Feedback neue Anregungen für die Thematik zu erhalten. Darüber hinaus würde ich gerne neue Kontakte mit Forscher_innen knüpfen, die in einem ähnlichen Feld bzw. Methode arbeiten.

Kontakt: Tanja Manthey-Gutenberger t.m-g@live.de

Literatur

  • Glaser, Barney G. & Strauss, AnselmL. (1967). The Discovery of Grounded Theory. Strategies for Qualitative Research. Chicago: Aldine de Gruyter.
  • Rosenthal, Gabriele (2005). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. Weinheim: Juventa.
  • Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (2015). Referat I A. Grundauswertung der Einschulungsdaten in Berlin 2010 bis 2015. Berlin.

„Punkt im Herzen“: Konzepte emotionaler Belastung von albanisch-sprachigen Personen in der Schweiz – Eine qualitative Inhaltsanalyse

Mirëlinda Shala, Universität Zürich, Psychologisches Institut, Psychopathologie und Klinische Intervention

Forschungskontext: Die Studie ist Teil des Dissertationsprojekts „Kulturelle Anpassung einer internetbasierten Selbsthilfe-Intervention zur Behandlung von Depression für albanisch-sprachige Personen“.

Ausgangspunkt: Die klinische Kulturpsychologie beschäftigt sich mit der Frage, wie kulturelle Gruppen ihr Leiden, Verhaltensprobleme oder belastende Gedanken und Emotionen erfahren, verstehen und kommunizieren (APA, 2013). Bereits erhobene kulturspezifische Leidenskonzepte beschreiben Annahmen über eine Krankheitsepisode und ihre Behandlung (Rüdell, Bhui & Priebe 2009). Bislang ist jedoch über solche Konzepte bei albanisch-sprachigen Personen nur sehr wenig bekannt.

Forschungsfrage: Die Fragestellung lautet daher, wie nehmen albanisch-sprachige Personen in der Schweiz emotionale Belastung wahr? Ziel ist es, Leidenskonzepte in den Narrativen zu identifizieren und folgende Dimensionen zu analysieren: sprachspezifische Bezeichnungen für Leiden und Symptome emotionaler Belastung, Annahmen über die Ursachen des Leidens, Verlauf der Symptome, Grad der Beeinträchtigung sowie Bewältigungsversuche und Erwartungen an eine Behandlung.

Methodik: Das halbstrukturierte Leitfadeninterview Barts Explanatory Model Inventory – BEMI (Rüdell, Bhui & Priebe 2009) wurde zur Bewertung kulturspezifischer Krankheitswahrnehmung entwickelt. Wir übersetzten das BEMI vom Englischen ins Deutsche und Albanische für Interviews mit 20 albanisch-sprechenden Personen im Kanton Zürich. Alle Interviews wurden aufgezeichnet und wörtlich mit f4transkript (Dresing & Pehl 2015) verschriftlicht. Die Transkription wurde mittels MAXQDA (Kuckartz 2010) für die Inhaltsanalyse (Mayring 2015) aufbereitet. Entlang des BEMI wurde deduktiv ein Kategoriensystem erstellt. Mit induktiv generierten Kodes wurden semantische Dimensionen von sprachspezifischen Leidensausdrücken organisiert.

Ergebnisse: Komplexe Leidensausdrücke (z.B. BrengëMërzi) werden in Zusammenhang mit postmigrantischen Lebensschwierigkeiten gebracht. Soziale Probleme und lebensverändernde Ereignisse markieren den Beginn der meisten Symptome; Selbstmanagement und soziale Unterstützung gehören zu den wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten. Vertrauen in medizinische Versorgung und Abhängigkeit von Sozial- und Rechtssystemen werden deutlich. Der Erfolg von Psychotherapie ist eingeschränkt.

Diskussion: Kenntnisse über diese kulturspezifischen Leidenskonzepte sind von praktischem und theoretischem Interesse. Sie können verwendet werden, um Fehldiagnosen zu vermeiden und klinische Interventionen kulturell anzupassen.  

Anliegen der Posterpräsentation: Umgang mit mehrsprachigem Datenmaterial, Grenzen des Leitfadeninterviews.

Kontakt: m.shala@psychologie.uzh.ch / www.psychologie.uzh.ch/psypath

Literatur

  • American Psychiatric Association (Hrsg.) (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders: DSM-5 (5. Aufl.). Washington, D.C: American Psychiatric Association.
  • Dresing, Thorsten & Pehl, Thorsten (2015). Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende (6. Aufl.). Marburg.
  • Kuckartz, Udo (2010). Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten (3., aktualisierte Aufl.). Wiesbaden: VS.
  • Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (12. Aufl.). Weinheim: Beltz/UTB.
  • Rüdell, Katja; Bhui, Kamaldeep & Priebe, Stefan (2009). Concept, Development and Application of a New Mixed Method Assessment of Cultural Variations in Illness Perceptions: Barts Explanatory Model Inventory. Journal of Health Psychology, 14(2), 336–347. 

Traumatisierte Kinder mit Fluchterfahrung in Kindertagesstätten aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte sowie der Traumaexpert_innen

Doris Wanke, Verbundkolleg BayWISS „Sozialer Wandel“ Universität Bamberg/ Katholische Stiftungshochschule München

Ausgangspunkt: Die weltweiten Migrationsbewegungen und Zuwanderungen von Familien mit Fluchterfahrung stellen die Kindertageseinrichtungen vor neue Herausforderungen. Der durch Zuwanderung und Globalisierung verursachte soziale Wandel hat Auswirkungen auf die Pädagogik im Elementarbereich. Laut der Unicef Studie (2014) sind ca. 1/3 der nach Deutschland einreisenden Menschen auf der Flucht Kinder und Jugendliche (vgl. Berthold 2014, S.10). Viele Geflüchtete haben traumatische Erfahrungen gemacht. In der DJI Studie von 2016 wurde festgestellt, dass die Kindertagesbetreuung nicht auf Kinder mit Fluchterfahrung vorbereitet ist (Baisch, Lüders, Meiner-Teubner, Riedel & Scholz 2017). Insbesondere mit Blick auf die traumapädagogische Arbeit mit fluchterfahrenen Kindern in Kitas und dem professionellen Selbstverständnis der Pädagogen und Pädagoginnen besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.

Zielsetzung: Vor dem Hintergrund soll mit dem Projekt die Hypothesen- und Theoriegenerierung zu traumapädagogischer Arbeit mit fluchterfahrenen Kindern in Kitas und zur Professionalisierung der Traumapädagogik in Kitas geleistet werden.

Forschungsfragen: Welche (traumapädagogischen) Inhalte, Schwerpunkte oder Methoden sind handlungsleitend für die Arbeit mit fluchterfahrenen Kindern in Kitas? Welches traumapädagogische Fachwissen ist unverzichtbar für die professionelle Praxis?

Methodisches Vorgehen: Zum einen werden mittels leitfadengestützter Interviews Experten und Expertinnen (Meuser & Nagel 2005) befragt, die Weiterbildungen für pädagogisches Personal anbieten. Zum anderen werden Gruppendiskussionen (Bohnsack 2000; Bohnsack, Przyborski & Schäffer 2006) mit realen Teams aus Kitas durchgeführt und derzeit mit der Grounded-Theory-Methodologie (Strauss & Corbin 1996; Breuer, Muckel & Dieris 2018) ausgewertet. Für die Auswertung der Interviews mit Experten und Expertinnen ist die qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016) vorgesehen. Die Ergebnisse sollen mittels Datentriangulation aufeinander bezogen werden.

Anliegen der Postersession: Vorstellung des Forschungsdesigns und Diskussion über das methodische Vorgehen und insbesondere der Datentriangulation.

Kontakt: doris.wanke@uni-bamberg.de

Literatur

  • Baisch, Benjamin; Lüders, Kilian; Meiner-Teubner, Christiane; Riedel, Birgit & Scholz; Antonia (2017). Flüchtlingskinder in der Kindertagesbetreuung. Ergebnisse der DJI-Kita-Befragung „Flüchtlingskinder“ zu Rahmenbedingungen und Praxis im Frühjahr 2016. München: Deutsches Jugendinstitut. https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2017/Fluechtlingskinder_in_Kindertagesbetreuung.pdf [03.07.2018]
  • Berthold, Thomas (2014). In erster Linie Kinder. Flüchtlingskinder in Deutschland. Köln: Deutsches Komitee für Unicef e.V.
  • Bohnsack, Ralf (2000). Rekonstruktive SozialforschungEinführung in die Methodologie und Praxis qualitativer Forschung (4. Aufl.). Opladen: Leske + Budrich.
  • Bohnsack, Ralf; Przyborski, Aglaja & Schäffer, Burkhard (Hg.) (2006). Das Gruppendiskussionsverfahren in der Forschungspraxis. Opladen: Verlag Barbara Budrich.
  • Breuer, Franz; Muckel, Petra & Dieris, Barbara (2018). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung ins Forschungsdesign. Wiesbaden: Springer.
  • Kuckartz, Udo (2016).Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden Praxis Computerunterstützung. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Meuser, Michael & Nagel, Ulrike (2005). Expertinneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.), Das Experteninterview – Theorie Methoden Anwendung (2. Aufl., S. 71–93). Opladen: Leske + Budrich.
  • Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

Bildung

„Nö Karriere, da hätte ich auch beim Arbeitsamt bleiben können“ – Nicht-traditionelle Bildungs- und Berufsbiografien von Studienbewerber_innen ohne Abitur

Andrea Broens; Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Forschungskontext/Ausgangspunkt: Aufgrund verschiedener Maßnahmen der Hochschulöffnung nimmt die Heterogenität der Studierenden auch in Bezug auf die vorakademischen Bildungsbiografien zu. Für Personen ohne Abitur gibt es z.B. die Prüfung für den Erwerb der fachbezogenen Hochschulzugangsberechtigung nach beruflicher Vorbildung (Z-Prüfung). An der Universität Oldenburg haben von 1971 bis 2010 insgesamt 6.205 Personen diese Prüfung abgelegt (Zawacki-Richter, Garz, Gierke & Müskens 2018). Über die biografischen Verläufe, insbesondere nach der Prüfung bzw. dem Studium, ist nichts bekannt, obwohl diese im Kontext des „Lebenslangen Lernens“ von besonderem Interesse und hoher Relevanz sind. Daher sollen die Bildungs- und Berufsbiografien der Z-Prüflinge rekonstruiert werden. Als theoretischer Rahmen dient u.a. das Konzept der Lebenspraxis nach Oevermann (vgl. hier zusammenfassend Garz & Raven 2015), um zu untersuchen, unter welchen Bedingungen die Befragten ihre Biografien gestalten und welche „Krisen“ dazu führen, dass sie ihre bisherigen Bildungs- und Erwerbsverläufe in Frage stellen und neue Wege einschlagen.

Forschungsfragen: Folgende Untersuchungsfragen sind leitend: Welche Motive führen zur Entscheidung der Z-Prüfung und eines Studiums? Wie entwickeln sich die biografischen Verläufe nach dem Studium? Inwieweit kann ein Studium als „biografische Entwicklungschance“ (Garz 2004) gedeutet werden?

Methodik: Die Erhebung der biografischen Verläufe erfolgt anhand narrativer Interviews nach Schütze (2016,1983).Um die untersuchten Fälle ganzheitlich zu rekonstruieren und Fallstrukturhypothesen zu bilden, werden die Interviews mit Hilfe der Methode der objektiven Hermeneutik nach Oevermann (2013) ausgewertet.

Diskussion bzw. Anliegen der Posterpräsentation: Exemplarisch soll eine Biografie und Fallstruktur (männlich, 1949 geboren, verschiedene Ausbildungen und berufliche Tätigkeiten, anschließend Z-Prüfung und Studium der Pädagogik) präsentiert werden. Der Interviewte hat das Studium nicht abgeschlossen, aber dennoch einen sehr interessanten beruflichen Werdegang absolviert. Daher stelle ich mir für die Auswahl der weiteren Interviewfälle die Frage, ob der erfolgreiche Abschluss des Studiums ein Kriterium für die Fallauswahl darstellen sollte, so wie es zunächst angedacht war.

Kontakt: andrea.broens@uni-oldenburg.de

Literatur

  • Garz, Detlef & Raven, Uwe (2015). Theorie der Lebenspraxis. Einführung in das Werk Ulrich Oevermanns. Wiesbaden: Springer VS.
  • Garz, Detlef (2004). Studium als biographische Entwicklungschance. Sozialer Sinn, 5(3), 387-412.
  • Oevermann, Ulrich (2013). Objektive Hermeneutik als Methodologie der Erfahrungswissenschaften von der sinnstrukturierten Welt. In Phil C. Langer, Angela Kühner & Panja Schweder (Hrsg.), Reflexive Wissensproduktion. Anregungen zu einem kritischen Methodenverständnis in qualitativer Forschung (S. 69-98). Wiesbaden: Springer.
  • Schütze, Fritz (2016 [1983]). Biographieforschung und narratives Interview. In Fritz Schütze, Sozialwissenschaftliche Prozessanalyse. Grundlagen der qualitativen Sozialforschung (herausgegeben von Fiedler, Werner und Krüger, Heinz-Hermann) (S. 55-73). Opladen: Budrich.
  • Zawacki-Richter, Olaf; Garz, Detlef; Gierke, Willi B. & Müskens, Wolfgang (2018). Profile von Studienbewerberinnen und -bewerbern ohne Abitur – Ergebnisse einer Latenten Klassenanalyse auf der Basis von Prüfungsakten von 1971 bis 2010. Beiträge zur Hochschulforschung, 40(1), 58-78.

Auf dem Weg vom Sach- zum Fachunterricht – Eine Delphi-Befragung zur Übergangsgestaltung

Julia Brüggerhoff; Universität Duisburg-Essen, Didaktik der Chemie, Institut für Sachunterricht

Forschungskontext: Die Übergangsforschung im bildungswissenschaftlichen Kontext untersucht, welche Auswirkungen der Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe I auf Schüler_innen, deren Eltern und Lehrkräfte haben kann. Bestehende Studien zeigen eine Übergangsproblematik, deren Konsequenzen sich auf das anschlussfähige Lernen der Schüler_innen auswirken und eine kontinuierliche Kompetenz-, Motivations- und Interessensentwicklung erschweren können (Hempel 2010; Möller 2014). Bislang adressiert diese Forschung allgemeindidaktische Themen, wohingegen fachdidaktische Aspekte, wie z.B. die Gestaltung des Übergangs vom Sach- zum differenzierten Fachunterricht, bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Forschungsfrage: Ziel der Studie ist es, relevante Kompetenzen von Sachunterrichtslehrkräften der Primarstufe und Fachunterrichtslehrkräften der Sekundarstufe I zur anschlussfähigen Übergangsgestaltung zu erfassen.

Methodik: Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird eine Delphi-Befragung durchgeführt, deren Ziel „die Ermittlung – und gleichzeitige Qualifizierung – von Expertenmeinungen über einen unsicheren Sachverhalt“ ist (Häder 2014, S.109). Charakteristisches Merkmal ist der anonyme, mehrstufige und iterative Gruppenbefragungsprozess mit strukturierten Rückmeldungen der Ergebnisse (ebd.). In der vorliegenden Studie werden Lehrkräfte sowie Fachdidaktiker_innen und ZfsL-Ausbilder_innen des Sach- und Fachunterrichts als Expert_innen für den Übergangsprozess befragt. Diese weisen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Schulpraxis und -forschung ein breites Spektrum an Erfahrungen, Kompetenzen und Perspektiven bezüglich einer anschlussfähigen Übergangsgestaltung auf. In einer Online-Befragung werden die Expert_innen mithilfe eines offenen Fragebogens um Auflistung relevanter Kompetenzen gebeten. Die Kategorisierung der Antworten erfolgt über eine qualitative Inhaltsanalyse (Mayring, 2015). Die extrahierten Kompetenzen, ergänzt durch deduktiv aus der Literatur gewonnene Kompetenzen, werden den Expert_innen in einem geschlossenen Fragebogen erneut zur Verfügung gestellt. In den darauffolgenden Befragungsrunden schätzen diese wiederholt die Relevanz der Kompetenzen unter Berücksichtigung des zurückgemeldeten Gruppenurteils begründet ein. So werden zentrale mehrheitsfähige Aussagen herauskristallisiert.

Anliegen der Posterpräsentation: Das Poster fokussiert die Anlage der Delphi-Studie und stellt das methodische Vorgehen zur Diskussion.

Kontakt: julia.brueggerhoff@uni-due.de / https://www.uni-due.de/chemiedidaktik/brueggerhoff

Literatur

  • Häder, Michael (2014). Delphi-Befragungen. Ein Arbeitsbuch (3. Aufl.). Wiesbaden: Springer.
  • Hempel, Marlies (2010). Zur Anschlussfähigkeit der Sachfächer an den Sachunterricht – eine Erkundungsstudie. In Hartmut Giest & Detlef Pech (Hrsg.), Anschlussfähige Bildung im Sachunterricht (S.75-82). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (12. Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Möller, Kornelia (2014). Vom naturwissenschaftlichen Sachunterricht zum Fachunterricht – Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. ZfDN, 20(1), 33-43.

„Es gibt da nicht wirklich richtig oder falsch“ – Eine ethnografische Studie zum Doing difference in einer inklusionsorientierten Schule

Susanne Heil; PH Heidelberg/HSE Heidelberg school of Education, Institut für Sonderpädagogik

Forschungskontext: Im Mittelpunkt meiner ethnografischen Forschung an einer inklusionsorientierten Schule (vgl. Puhr & Geldner 2016) stehen die Interaktionen und Differenzerfahrungen von Schüler_innen im Jugendalter. Ausgehend von sozialkonstruktivistischen und ethnomethodologischen Ansätzen, geht die Annahme einher, dass soziale Differenzen nicht vorgängig und naturalistisch vorhanden sind, sondern in Interaktionen und institutionell hergestellt sowie reproduziert werden (vgl. Bräu & Schlickum 2015). Das Zusammenleben der Schüler_innen in einer inklusionsorientierten Schule im und außerhalb des Unterrichts kommt dabei in den Blick.

Forschungsfrage(n): Wie werden Differenz(en) in einer inklusionsorientierten Schule im Jugendalter hervorgebracht? Welche Differenzpraktiken zeigen sich in Peer-group-Interaktionen und wie erleben Schüler_innen Differenzen?

Methodik/Anlage der Studie: In der ethnografischen Studie (vgl. Machold 2015; Tervooren Engel, Göhlich, Miethe & Reh 2014; de Boer & Reh 2012) wird mit einem qualitativ-rekonstruktiven Verfahren den sozialen Praktiken der Differenz(en) von Schüler_innen im Jugendalter nachgegangen. Durch die teilnehmenden Beobachtungen sollen Momente der Differenzsetzungen sichtbar werden und wie sie verhandelt werden. Zu Beginn wurde in einer Explorationsphase (seit 2016) durch teilnehmende Beobachtungen identifiziert, wo Peer-Aktivitäten außerhalb des Unterrichts stattfinden, um in einem nächsten Schritt relevante Interaktionen fokussiert beobachten zu können. Durch diese Vorgehensweise kommt das „Doing difference“ (Fenstermaker & West 2001; West & Fenstermaker 1995), also die Frage nach dem Wie?, durch die beobachteten sozialen Praktiken im Unterricht und in Räumen wie z.B. der Schulsozialarbeit, in der Bibliothek, am Kiosk und auf dem Pausenhof in den Blick. Außerdem wurden nach den teilnehmenden Beobachtungen elf ethnografische Interviews geführt. Die Erhebung wurde im Juni 2018 abgeschlossen. Die Beschreibungen und Deutungen der Interaktionen werden vor allem anhand von Protokollen praxeologisch und angelehnt an die Grounded-Theory-Methodologie (vgl. z.B. Mey & Mruck 2011; Strübing 2014), aber auch sequenzanalytisch (Schütz, Breuer & Reh 2012) interpretiert.

Ergebnisse und Diskussion: Mit der Präsentation werden erste Zwischenergebnisse vorgestellt. Die Rekonstruktion des Materials zeigt die Differenzrelevanzen von Jugendlichen in einer inklusionsorientierten Schule auf. Der Fokus des Posters beim Berliner Methodentreffen ist auf Gender/sexuelle Orientierung gerichtet und es wird dargestellt, wie Geschlechtlichkeit an dieser Schule inszeniert und dargestellt wird, wodurch sich ein Wissen um die Normalität der Geschlechterverhältnisse konstituiert. Die Schüler_innen in dieser Studie sind in einem Alter, in dem man sich identitätsbezogen auch mit Begehren auseinandersetzt, so dass das Thema „sexuelle Orientierung“ auch in den geführten ethnografischen Interviews relevant gemacht wird. Schüler_innen müssen sich bei dem Thema „Gender/sexuelle Orientierung“ zuordnen und können sich einer Positionierung nicht entziehen. In einer heteronormativen Gesellschaft, in der es aktuell zwar gesellschaftliche Veränderungen gibt wie z.B. die Ehe für alle, kann man sich inzwischen eher als homosexuell positionieren, aber die „fluide Position“ scheint es nicht zu geben.

Anliegen der Posterpräsentation: Mit dem Poster werden das Forschungsdesign, das methodische Vorgehen sowie erste Ergebnisse der Studie mit dem Fokus auf Gender/sexuelle Orientierung zur Diskussion gestellt. Insbesondere ein Blick auf die Passung der Auswertungsmethode(n) wäre bereichernd.

Kontakt: Susanne.heil@heiedu.ph-heidelberg.de / https://hse-heidelberg.de/ueber-die-hse/team-von-z/heil-susanne

Literatur

  • Bräu, Karin & Schlickum, Christine (Hrsg.) (2015). Soziale Konstruktionen in Schule und Unterricht. Zu den Kategorien Leistung, Migration, Geschlecht, Behinderung, Soziale Herkunft und deren Interdependenzen. Opladen, Berlin: Verlag Barbara Budrich.
  • De Boer, Heike & Reh, Sabine (Hrsg.) (2012). Beobachtung in der Schule – Beobachten lernen. Wiesbaden: Springer VS.
  • Machold, Claudia (2015). Kinder und Differenz. Eine ethnographische Studie im elementarpädagogischen Kontext. Wiesbaden: Springer VS.
  • Mey, Günter & Mruck, Katja (2011). Grounded Theory Reader. Wiesbaden: VS.
  • Puhr, Kirsten & Geldner, Jens (2016). Eine inklusionsorientierte Schule. Erzählungen von Teilhabe, Ausgrenzungen und Behinderungen. Wiesbaden: Springer VS.
  • Schütz, Anna; Breuer, Anne & Reh, Sabine (2012). Sequenzanalysen von Kinder-Interaktionen. Zu den Möglichkeiten einer sozialwissenschaftlichen HermeneutikIn Friederike Heinzel (Hrsg.), Methoden der Kindheitsforschung. Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive (S.190-204). Weinheim: Juventa.
  • Strübing, Jörg (2014). Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung eines pragmatischen Forschungsstils (3. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.
  • Tervooren, Anja; Engel, Nicolai; Göhlich, Michael; Miethe, Ingrid & Reh, Sabine (Hrsg.) (2014). Ethnografie und Differenz in pädagogischen Feldern. Internationale Entwicklungen erziehungswissenschaftlicher Forschung. Bielefeld: transcript.

Die diskursive Formierung problematischer Übergänge und darauf bezogener Lösungsstrategien in ausgewählten Fachzeitschriften der Berufspädagogik

Sabine Hering; RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik

Forschungskontext: In der beruflichen Bildung werden Übergänge vorrangig auf bestimmte, institutionelle Schwellen bezogen, welche zwischen den lebensalterspezifischen Übergangsphasen von Schule, Ausbildung und Beruf angelegt sind (vgl. Georg & Sattel 2006, S.139; Oehme 2007, S.24). Auffällig ist die Dominanz systemischer Betrachtungen, die eng an die Struktur der abgehenden und einmündenden Institutionen gekoppelt sind. Wie Übergangs- und Passungsprobleme wahrgenommen und disziplinär verhandelt werden ist dynamisch mit dem Profil der Berufspädagogik und den jeweils vorherrschenden Wissensordnungen verwoben (vgl. Unger & Hering 2013).

Forschungsfragen: Welche diskursiven Praktiken können im Umgang mit Übergängen bzw. Übergangsproblemen in der Berufspädagogik rekonstruiert werden? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die berufspädagogische Übergangsforschung sowie für das Selbstverständnis der Disziplin?

Methodik: Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden Übergänge in der Dimension der diskursiven Praktiken in ausgewählten Fachzeitschriften der Berufspädagogik in den Blick genommen. Es werden Ansätze der interpretativen und dispositivanalytischen Sozialforschung miteinander verknüpft (vgl. Bührmann & Schneider 2008; Jäger 2011; Lueger 2010).

Ergebnisse: Die Berufspädagogik fügt sich in der Zuwendung auf die seit den 1990er Jahren verschärfte, gesellschaftliche Übergangsproblematik einer dispositiven Aufordnung, in der sie beständig die gleichen Ziele und Rationalitäten bedient. Problematische Übergänge gelten erst dann als „gelöst“, wenn sie in eine berufliche Ausbildung oder einen anerkannten Beruf führen. Es dominieren normative Konstrukte, die im Kontext des sozialen Wandels nicht mehr den an sie gestellten Ansprüchen genügen. Dies führt dazu, dass die Disziplin in der pädagogischen Begleitung und Auflösung der an sie adressierten Übergangsprobleme an ihre Grenzen kommt. Übergangsprobleme werden nicht gelöst, sondern durch die Kontrolle der Wissenschaftspraxis verdeckt und verstetigt.

Anliegen der Posterpräsentation: Es sollen die Ergebnisse der Diskursanalyse, die beschriebene Problemstellung sowie auswertungsmethodische Aspekte zur Diskussion gestellt werden.

Kontakt: sabine.hering@rwth-aachen.de

Literatur

  • Bührmann, Andrea D. & Schneider, Werner (2008). Vom Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispositivanalyse. Bielefeld: transcript.
  •  Georg, Walter & Sattel, Ulrike (2006). Berufliche Bildung, Arbeitsmarkt und Beschäftigung. In Rolf Arnold & Antonius Lipsmeier (Hrsg.), Handbuch der Berufsbildung (S.125-152). Wiesbaden: VS.
  •  Jäger, Siegfried (2011). Diskurs und Wissen. Theoretische und methodische Aspekte einer kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse. In Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider & Willy Viehöver (Hrsg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse (S.91-124). Wiesbaden: VS.
  •  Lueger, Manfred (2010). Interpretative Sozialforschung. Die Methoden. Wien: Facultas.
  • Oehme, Andreas (2007). Übergänge in Arbeit. Kompetenzentwicklung, Aneignung und Bewältigung in der entgrenzten Arbeitsgesellschaft. Baltmannsweiler: Schneider.
  •  Unger, Tim & Hering, Sabine (2013). Eingeübt. Überwunden. Reflektiert. Bildungstheoretische Anmerkungen zu Übergängen in der beruflichen Bildung. In Andreas Fischer & Dietmar Frommberger (Hrsg.), Vielfalt an Übergängen in der beruflichen Bildung – Zwölf Ansichten. Band 6. Der pädagogischen Reihe: Berufliche Bildung und zukünftige Entwicklung (S.31-52). Baltmannsweiler: Schneider.

Die Bedeutung von Vertrauenskonzepten Jugendlicher für das Sprechen über Sexualität in pädagogischen Kontexten

Torsten Linke, kooperative Promotion Universität Kassel und Hochschule Merseburg

Ausgangspunkt: Ausgangspunkt der Arbeit war, dass (1) in Bezug auf sexuelle Bildung eine unzureichende Auseinandersetzung und Leerstellen in den Bereichen Erziehungswissenschaft und Soziale Arbeit, speziell in der Kinder- und Jugendhilfe, deutlich wurden (Thiersch 2012; Winter 2013) und (2) die Erreichbarkeit und die Bedürfnisse der Adressat_innen unzureichend reflektiert werden (Sielert 2014; Yılmaz-Günay 2009).

Forschungsfrage(n): (1) Welche Erfahrungen haben Jugendliche in Bezug auf sexuelle Bildung und welche Bedarfe lassen sich beschreiben? (2) Wie wirken sich Gegebenheiten in Bezug auf ihre Entwicklung und ihre Lebenswelt auf sexuelle Bildung aus?

Methodik: Für den Feldzugang zu den Gesprächspartner_innen wurden Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe als Gatekeeper genutzt. Der Zugang zu den ersten Gesprächspartner_innen wurde über die Durchführung von Workshops in Einrichtungen der offenen Jugendarbeit gestaltet. Die teilstrukturierten Interviews (N=8) (Hopf 2008, 2016) wurden vollständig transkribiert und mit der Grounded-Theory-Methodologie (Strauss & Corbin 1996; Strauss 1994) ausgewertet. Ziel ist, die Ergebnisse in einem Modell darzustellen (Breuer, Muckel & Dieris 2018) und Ableitungen für einen Praxistransfer vorzunehmen.

Ergebnisse: (1) Das Sprechen über Sexualität findet in der Regel dann statt, wenn es ein relevantes Ereignis in Bezug auf Sexualität gibt und wenn Personen vorhanden sind, zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht oder denen ein Vertrauensvorschuss gegeben wird. (2) Im Kontext mit diesen Ereignissen haben Jugendliche weitere Herausforderungen zu bewältigen, die in Abhängigkeit von ihrer Lebenswelt zu einer erhöhten Vulnerabilität führen können. Hier sind neben Vertrauen weitere Faktoren von Bedeutung, die eine verlässliche Beziehung kennzeichnen.

Anliegen der Posterpräsentation: Vorstellung und Diskussion des forschungsmethodischen Vorgehens und der Ergebnisse.

Kontakt: torsten.linke@hs-merseburg.de

Literatur

  • Breuer, Franz; Muckel, Petra & Dieris, Barbara (2018). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis (3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). Wiesbaden: Springer.
  • Hopf, Christel (2016). Schriften zu Methodologie und Methoden qualitativer Sozialforschung. Wiesbaden: Springer.
  • Hopf, Christel (2008). Qualitative Interviews – ein Überblick. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch. (6., durchgesehene und akt. Aufl., S.349-359). Reinbek: Rowohlt.
  • Sielert, Uwe (2014). Sexualerziehung, sexuelle Bildung und Entwicklung von Sexualkultur als sozialpädagogische Herausforderung. Sozialmagazin, 1-2, 39-45.
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet M. (1996). Grounded theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz/PsychologieVerlagsUnion.
  • Strauss, Anselm L. (1994). Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen soziologischen Forschung. München: Fink.
  • Thiersch, Hans (2012). Macht & Gewalt. In Werner Thole, Alexandra Retkowski & Barbara Schäuble (Hrsg.), Sorgende Arrangements. Kinderschutz zwischen Organisation und Familie (S.51–67). Wiesbaden: VS.
  • Winter, Reinhard (2013). Sexualpädagogik in der Jugendhilfe. In Renate-Berenike Schmidt & Uwe Sielert (Hrsg.), Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung (2. Aufl., S.619–621). Weinheim: Juventa.
  • Yılmaz-Günay, Koray (2009). Andere Realitäten – gleiche Homophobie. Newsletter Jugendkultur, Religion und Demokratie – Politische Bildung mit jungen Muslimen. Nr. 11/7:2-4 http://www.ufuq.de/pdf/Newsletter%2011-2009.pdf [Zugriff: 11.03.2018]

Bildung als Modus der Krisenbewältigung? – Eine Analyse der Interaktionen im Täter-Opfer-Ausgleich aus bildungstheoretischer Perspektive

Kim Magiera; Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Forschungskontext/Ausgangspunkt: Im Fokus der Dissertation steht der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA), ein spezifisches Mediationsverfahren, das als Ersatz oder Ergänzung zum Umgang mit kriminalisiertem Verhalten zum Einsatz kommt. Internationale Forschung bestätigt, dass restaurative Dialoge (zu denen der TOA gehört) unter bestimmten Bedingungen erfolgreich darin sind, zu einer Verbesserung des Wohlergehens und der Bewältigung von Geschädigten als auch einer Senkung der Rückfälligkeit von Beschuldigten beizutragen (Shapland et al. 2008; Strang et al. 2013). Bisher wurde dabei kaum erforscht, wie es in restaurativen Verfahren gelingt, diese Effekte zu „produzieren“ (Rossner 2013). Die vorliegende Studie verschiebt den Fokus auf die Ebene der Vollzüge/der Praktiken und Prozesse, um zu einer Antwort beizutragen. Hierfür wird ein transformatorischer Bildungsbegriff als Rahmen für die Analyse eingesetzt (Koller 2012; Marotzki 1990). Es wird die These vertreten, dass das Erleben und Ausführen einer Straftat sowie die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit deren Folgen als krisenhaftes Ereignis verstanden werden können und der TOA einen Raum/eine Zeit schafft, in dem/der Geschädigte und Beschuldigte dazu angeregt werden, Selbst- und Weltverhältnisse zu artikulieren und in der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Gegenüber ggf. auch zu transformieren – also zumindest ein Potenzial von Bildung zu erleben („Bildungsvorhalt“, Kokemohr 2007) oder tatsächliche Bildungsprozesse zu vollziehen, die auch biografisch relevant werden.

Forschungsfrage(n): Die verfolgten Forschungsfragen sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt: Auf einer grundsätzlichen Ebene wird gefragt, wie Interaktionen in TOAs angebahnt und ausgestaltet werden. Bezüglich des Fokus’ der Bildung wird auf der Ebene der Interaktionen gefragt, welche Potenziale von Bildung und Bildungsprozesse sich im Videomaterial rekonstruieren lassen. Auf Ebene der Biografien steht im Mittelpunkt, ob und welche Bildungsprozesse sich in den Narrationen der Teilnehmenden niederschlagen.

Methodik: Die Studie erhebt zu drei Zeitpunkten Daten. Nach dem ersten Einzelgespräch mit dem Mediator/der Mediatorin werden mit Geschädigten und Beschuldigten hierauf fokussierte, aber narrationsgeneriende Interviews geführt (Schütze 1983). Im Sinne einer Videoethnografie werden Videos von Täter-Opfer-Ausgleichsgesprächen erhoben, die mittels Videointeraktionsanalyse ausgewertet werden (Tuma, Schnettler & Knoblauch 2013). Sechs Monate nach der Teilnahme am TOA werden erneut narrationsgenerierende Interviews mit Geschädigten und Beschuldigten geführt. Die Interviews werden mittels objektiver Hermeneutik ausgewertet (Oevermann 2002).

Anliegen der Posterpräsentation: Mit dem Poster sollen vor allem folgende Herausforderungen zur Diskussion gestellt werden: 1) Der transformatorische Bildungsbegriff wird bisher vor allem mit biografischer Forschung verknüpft. Inwiefern ist er als Grundlage für Interaktionsforschung geeignet? 2) Mit der Studie werden unterschiedliche Datensorten erhoben, die mit unterschiedlichen Methoden analysiert werden, um sowohl den interaktionistischen als auch den bildungsbiografischen Anteilen gerecht zu werden. Was ist bei einer Kombination zu berücksichtigen? Wie können die Ergebnisse zusammengeführt werden?

Kontakt:  magiera@paedagogik.uni-kiel.de

Literatur

  • Kokemohr, Rainer (2007). Bildung als Selbst- und Fremdentwurf im Anspruch des Fremden. Eine theoretisch-empirische Annäherung an eine Bildungsprozesstheorie. In Hans-Christoph Koller, Winfried Marotzki & Olaf Sanders (Hrsg.), Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse (S.13-68). Bielefeld: transcript.
  • Koller, Hans-Christoph (2012). Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Marotzki, Winfried (1990). Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie. Biographietheoretische Auslegung von Bildungsprozessen in hochkomplexen Gesellschaften. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
  • Oevermann, Ulrich (2002). Klinische Soziologie auf der Basis der Methodologie der objektiven Hermeneutik. Manifest der objektiv hermeneutischen Sozialforschung. Frankfurt am Main.: Goethe-Universität.
  • Rossner, Meredith (2013). Just emotions. rituals of restorative justice. Oxford: University Press.
  • Schütze, Fritz (1983). Biographieforschung und narratives Interviews. Neue Praxis, 13(3), 283-293.
  • Shapland, Joanna; Atkinson, Anne; Atkinson, Helen; Dignan, James; Edwards, Lucy; Hibbert, Jeremy; Howes, Marie; Johnstone, Jennifer; Robinson, Gwen & Sorsby, Angela (2008). Does restorative justice affect reconviction? The fourth report from the evaluation of three schemes. Ministry of Justice Research Series 10/08.
  • Strang, Heather; Sherman, Lawrence; Mayo-Wilson, Evan; Woods, Daniel; Ariel, Barak (2013). Restorative justice conferencing (RJC) using face-to-face meetings of offenders and victims: Effects on offender recidivism and victim satisfaction. Campbell Systematic Reviews 2013: 12.
  • Tuma, René; Schnettler, Bernt & Knoblauch, Hubert (2013). Videographie. Einführung in die interpretative Videoanalyse sozialer Daten. Wiesbaden: Springer VS.

Typologisierung der Ausbildungssupervision im Studiengang der Sozialen Arbeit – Eine reflexive Videostudie zu sozialen Handlungen in der spezifischen Lebenswelt Ausbildungssupervison

Tim Middendorf, Katholische Hochschule NRW, Abt. Münster

Forschungskontext/Ausgangspunkt: Der wissenschaftliche Diskurs um die Professionalisierung der Sozialen Arbeit läuft am Lehr- und Lernangebot „Ausbildungssupervision“ vorbei, obwohl die Soziale Arbeit eng mit der Supervision verbunden ist, denn „sie kann nur so die äußerst komplexen Aufgaben, die sie zu bewältigen hat, angemessen und wirksam reflektieren“ (Kleve 2005, S.27). Die Ausbildungssupervision im Studium der Sozialen Arbeit wurde als ein eigenständiges Handlungsfeld mit einem eigenständigen Auftrag und eigenständigen Kompetenzanforderungen in diesen Diskursen bisher in der Supervisionsforschung auffällig ausgeblendet (Effinger 2015). Die bisherigen Modelle der Supervision – Einzel-, Team-, Fall- und Gruppensupervision – passen für die Ausbildungssupervision nicht. Ein Modell, was bei aller Unterschiedlichkeit der Angebotsformen unter Ausbildungssupervision verstanden wird, existiert im Gegensatz zur Einzel-, Team- oder Fallsupervision nicht.

Forschungsfragen: Es gilt zu erforschen, wie sich die soziale Wirklichkeit in der Ausbildungssupervision darstellt. Wie werden durch die Interaktion, das aufeinander bezogene Handeln der am Prozess beteiligten Personen soziale Strukturen der Ausbildungssupervision hervorgebracht und wie resultieren daraus professionelle Handlungskompetenzen und individuelle Persönlichkeitskompetenzen der Beteiligten? Lassen sich durch Vergleiche kontrastierender Supervisionsprozesse wiederkehrende Muster erkennen? Wie erleben und beschreiben die Beteiligten rekonstruktiv die Erfahrungen und Handlungen in der Ausbildungssupervision?

Methodik: Angelehnt an die Sozialisationstheorie nach Grundmann (2006) werden fünf Supervisionssitzungen in Hochschulen in NRW im kontextdevianten Sampling videografiert. Mit Teilnehmenden der Ausbildungssupervision führe ich problemzentrierte Interviews (Witzel 2000). Das Datenmaterial wird nach wiederkehrenden Mustern und Routinen untersucht. Mein gesamtes Vorgehen und insbesondere die Auswertung orientiert sich an der Grounded-Theory-Methodologie (Glaser & Strauss 1967; Strauss & Corbin 1996).

Anliegen der Posterpräsentation: Vorstellung und Diskussion des methodischen Vorgehens und des Forschungsdesigns meiner Dissertation.

Kontakt: t.middendorf@katho-nrw.de / www.ms-supervision.de

Literatur

  • Effinger, Herbert (2015). Ausbildungssupervision in der Sozialen Arbeit. Soziale Arbeit, 64(4), 129–135.
  • Glaser, Barney & Strauss, Anselm (1967). The discovery of grounded theory: Strategies for qualitative research. Chicago: Aldine.
  • Kleve, Heiko (2005). Ausbildungssupervision als sozialwissenschaftliche Praxis. Supervision, 42(1), 27–33.
  • Grundmann, Matthias (2006). Sozialisation: Skizze einer allgemeinen Theorie. Konstanz: UVK.
  • Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.
  • Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview [25 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228.

Von der Fehlerfahndung zur Schatzsuche? Erfahrungen mit dem NRW-Talentscouting und ihr Einfluss auf die Erwartungshaltungen von Lehrpersonen an Schüler_innen aus nichtakademischen Elternhäusern

Franziska Proskawetz; Westfälische Hochschule; Gelsenkirchen

Forschungskontext: Durch das Talentscouting soll der sozialen Ungleichheit bei der Bildungsbeteiligung entgegengewirkt werden. Bei der Zielgruppe des Talentscoutings handelt es sich um eine leistungsstarke bzw. eine Schüler_innenschaft mit erkennbaren Potenzialen, die größtenteils nichtakademischen Elternhäusern entstammt. Damit reagiert das Talentscouting u.a. auf den hohen Bedarf an Ausbildungs- und Berufsberatung der Schüler_innen (vgl. Vodafone Stiftung Deutschland 2014). Empirische Befunde signalisieren, dass die Zielgruppe des Talentscoutings öfter mit geringen Erwartungen, geprägt durch Vorurteile und Etikettierungen seitens der Lehrkräfte, konfrontiert wird (vgl. z.B. Lorenz, Gentrup, Kristen, Stanat & Kogan 2016). Im Promotionsvorhaben soll der Fokus deshalb auf die Lehrkräfte gelegt werden.

Forschungsfrage: Inwiefern können Erfahrungen mit dem Talentscouting die Erwartungen von Lehrkräften an Kooperationsschulen des Talentscoutings an Schüler_innen aus nichtakademischen Elternhäusern beeinflussen?

Methodik: Für das Forschungsvorhaben sollen interaktionsgeschichtlich-narrative Interviews (vgl. Riemann 2000) mit Lehrpersonen an Kooperationsschulen des Talentscoutings geführt werden. Dabei stehen Darstellungen der Lebensläufe von Schüler_innen, die von Talentscouts begleitet werden und den Lehrpersonen bereits vor Beginn des Scouting-Prozesses bekannt waren, im Vordergrund. Durch die Erzählungen der Lehrpersonen können mögliche Beeinflussungen ihrer Erwartungshaltungen erfasst werden. Um sicherzugehen, dass sich die Erwartungshaltung nicht nur in Bezug auf einzelne Schüler_innen verschoben hat, könnten mittels Beurteilung von Fall-Vignetten, also fiktiver Situations- und Personenbeschreibungen (vgl. Dülmer 2014), Erwartungshaltungen in Bezug auf die Zielgruppe des Talentscoutings erfasst werden. Das Interviewmaterial soll mithilfe der Narrationsanalyse (vgl. Schütze 2016 [1983]) ausgewertet werden.

Anliegen: Ich erhoffe mir eine Diskussion über die Passung von Forschungsfrage und Methode, insbesondere einen Austausch über Erfahrungen mit interaktionsgeschichtlich-narrativen Interviews (in Kombination mit Fall-Vignetten).

Kontakt: franziska.proskawetz@w-hs.de

Literatur

  • Dülmer, Hermann (2014). Vignetten. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.721-732). Wiesbaden: Springer VS.
  • Lorenz, Georg; Gentrup, Sarah; Kristen, Cornelia; Stanat, Petra & Kogan, Irena (2016). Stereotype bei Lehrkräften? Eine Untersuchung systematisch verzerrter Lehrererwartungen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 68, 89-111.
  • Riemann, Gerhard (2000). Die Arbeit in der sozialpädagogischen Familienberatung. Interaktionsprozesse in einem Handlungsfeld der sozialen Arbeit. Weinheim: Juventa.
  • Schütze, Fritz (2016). Biographieforschung und narratives Interview. In Werner Fiedler & Heinz-Hermann Krüger (Hrsg.), Sozialwissenschaftliche Prozessanalyse. Grundlagen der qualitativen Sozialforschung (S. 55-73). Opladen: Verlag Barbara Budrich. [Orig. 1983].
  • Vodafone Stiftung Deutschland (Hrsg.) (2014). Schule, und dann? Herausforderungen bei der Berufsorientierung von Schülern in Deutschland. Düsseldorf: Vodafone Stiftung Deutschland.

Interviewdaten als Basis für die Reflexion der Prozess- und Ergebnisqualität im Zuge der Evaluation einer Bildungsberatungseinrichtung

Birgit Senft, statistix; Marlene Aichholzer-Pahr, Beate Gfrerer, Bildungsberatung Kärnten

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Das Projekt Bildungsberatung Kärnten steht allen Bürger_innen zur Verfügung, die sich beruflich (neu-)orientieren wollen, Informationen über Fördermöglichkeiten oder Bildungsabschlüsse benötigen und sich über ihre eigenen Kompetenzen klar werden wollen. Das Angebot ist kostenlos, vertraulich und neutral. Nach einer intensiven Phase einer eher quantitativ orientierten Indikatorenfindung und -bewertung verlagerte sich der Fokus der Evaluation in den letzten beiden Jahren auf das subjektive Erleben und die Wirksamkeit der Beratungsleistung.

Forschungsfragen: Wie erleben Klient_innen die Beratungsleistung? Wie wirksam ist die Beratungsleistung?

Methodik: Die partizipative Evaluation mit formativen und summativen Elementen wurde nach dem Triangulationsprinzip (Flick 2011) konzipiert, auf der Ebene der Datenquellen und der Erhebungsmethoden. Die subjektive Sichtweise der Klient_innen (N=40) wurde anhand von telefonischen Leitfadeninterviews erhoben und mit qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring 1993) unter Einsatz von MAXQDA (VERBI Software, 2017) ausgewertet. Zur Einschätzung der Wirksamkeit wurde eine vereinfachte Typenbildung auf Basis der Aussagen zur Wirksamkeit vorgenommen.

Ergebnisse: Für fünf Interviewfragen wurden insgesamt 26 Kategorien gebildet. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Beratung wurden fünf „Typen“ identifiziert, ⅔ aller Fälle wurden als „positiv“ im Sinne eines Beratungserfolgs definiert. Die Kreuztabellierung der Typologie mit den Kategorien unterstützte die Validierung der Typologie. Für das Beratungsteam zeigte die Analyse aber, dass eine positiv erlebte Beratungssituation bei hoher Zufriedenheit mit den Berater_innen nicht automatisch mit einer gelungenen Umsetzung von Vorhaben einhergeht.

Diskussion: Die kurzen Telefoninterviews brachten mehr Einblick in das subjektive Erleben der Beratungssituation und die daraus resultierende Wirksamkeit als bisherige schriftliche Befragungen. Der Blick auf die Prozessqualität der Beratung und der Lerneffekt für das Team wurden positiv bewertet. Für die weitere Entwicklung des Projekts sind die Fortsetzung der Methodenintegration (Kelle & Erzberger 2005) sowie der zusätzliche Einbezug einer biografischen Methode geplant.

Anliegen der Posterpräsentation: Diskussion der Vorgehensweise bei der Interpretation von Daten aus telefonischen Erhebungen aufgrund limitierter Ressourcen im Zuge von Evaluationen und den daraus resultierenden eher kurzen Textpassagen.

Kontakt: office@statistix.at

Literatur

  • Flick, Uwe (2011). Triangulation. Eine Einführung (3. Aufl.). Wiesbaden: VS.
  • Kelle, Udo & Erzberger, Christian (2005). Qualitative und quantitative Methoden: kein Gegensatz. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (4. Aufl., S. 299–309). Reinbek: Rowohlt.
  • Mayring, Philipp (1993). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (4. Aufl.). Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
  • VERBI Software (2017). MAXQDA. Software für qualitative Datenanalyse, 1989 bis 2017. Berlin: Consult. Sozialforschung GmbH.

Narrative (Dilemma-) Interviews zu impliziten Diversitätspraktiken an ghanaischen Hochschulen

Berit Stoppa, Universität Bonn

Forschungskontext: Diversitätsdebatten an ghanaischen Hochschulen sind nicht häufig an der Tagesordnung, obwohl eine Vielzahl an verschiedenen Religionszugehörigkeiten, ethnischen Hintergründen und Traditionen und im internationalen Vergleich überaus viele Ansätze für Konfliktpotenzial auf dem Campus existieren. Implizite Diversitätspraktiken scheinen an Ghanas Universitäten dieses Potenzial von vornherein zu reduzieren, stehen jedoch auf der anderen Seite im Weg der organisatorischen Anpassung an internationale Strukturen und Standards. Insbesondere im Zuge der Internationalisierung stehen Universitäten jedoch immer stärker vor der Herausforderung soziokulturell heterogenen Personengruppen institutionell gerecht zu werden. Diversity Management ist eine Organisationsstrategie, die in vielen Institutionen – auch der höheren Bildung – als Lösungsansatz für bestehende Konflikte und als präventive Maßnahme für neue Konflikte implementiert und ausgeweitet wird (vgl. z.B. Klarsfeld et al. 2016; Heitzmann & Klein 2012; Klammer & Ganseuer 2015; Palfrey 2017). Aber wie genau legen Hochschulvertreter_innen das Konzept von Diversität aus? Bereits im Vergleich mit anderen afrikanischen Staaten wie bspw. Nigeria lassen sich Unterschiede in der Wertigkeit von Diversitätsaspekten z.B. „Nationalität“ und „ethnischer Herkunft“ feststellen (vgl. Langer & Ukiwo 2009). Soziokulturelle Diversität ist dennoch insbesondere auf den Campussen kein primäres Thema für Konflikte. Es herrschen implizite Strukturen vor, die Gemeinsamkeiten mit westlich orientierten Diversity-Management-Strukturen aufweisen, und die bisher wenig bis kaum erforscht sind.

Forschungsfragen: Vor diesem Hintergrund werden folgende Untersuchungsfragen verfolgt: Wie wird an ghanaischen Universitäten von Seiten der Verwaltung und des Managements der strukturellen Anpassung an internationale Standards entgegengetreten und zu welchem Grad werden gesellschaftliche Erwartungen und Restriktionen priorisiert? Wie wird mit Thematiken umgegangen, die in Konflikt mit den gesellschaftlichen und auch politischen Sichtweisen zu stehen scheinen, wie beispielsweise Homosexualität? Wie wird soziokulturelle Diversität von Hochschulvertretern und -vertreterinnen aufgefasst? Ist die explizite Zusammenfassung von bereits existenten Strukturen im Zuge der Internationalisierung überhaupt notwendig?

Methodik: Es werden Expert_inneninterviews (Gläser & Laudel 2010) mit Vertreter_innen von Hochschulverwaltungen geführt sowie Dokumentenanalysen erstellt (Websites, Strategiepapiere, Äußerungen in sozialen Medien, Tätigkeitsbeschreibungen etc.). Hierbei geht es darum, explizite und implizite Verständnisse von Diversität sowie konkrete Erfahrungen herauszuarbeiten. Die Interviews werden als narrative Interviews (Küsters 2009) durchgeführt. Diese Interviews sollen durch die autonome Haupterzählung Rückschlüsse auf die Forschungsfragen ermöglichen und teilweise durch eine an Dilemma-Interviews (Oser & Althof 1992) angelehnte Erzählaufforderung (Einführung eines Diversitätskonflikts) Urteilsstrukturen erfassen. Die Interviews werden transkribiert und die Auswertung der Textkorpora (transkribierte Interviews, Gruppendiskussionen, Dokumente etc.) erfolgt mithilfe der Software MAXQDA. Die Auswertung der Interviews folgt der dokumentarischen Methode (Bohnsack 2008).

Anliegen der Posterpräsentation: Das Dissertationsprojekt „Diversity Management vs. Diversity Practices – Der Umgang mit soziokultureller Vielfalt an ghanaischen Hochschulen“ steht am Anfang. Zur Diskussion gestellt werden soll das methodische Vorgehen, das derzeit entwickelt wird.

Kontakt: bstoppa@uni-bonn.de

Literatur

  • Bohnsack, Ralf (2008). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden (7. Aufl.). Opladen: Leske + Budrich.
  • Gläser, Jochen & Laudel, Grit (2010). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen (4. Aufl.). Wiesbaden: VS.
  • Heitzmann, Daniela & Klein, Uta (Hrsg.) (2012). Diversity konkret gemacht: Wege zur Gestaltung von Vielfalt an Hochschulen. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Klarsfeld, Alain; Ng, Eddy S.; Booysen, Lize A.E.; Christiansen, Liza Castro & Kuvaas, Bård (Hrsg.) (2016). Research Handbook of International and Comparative Per-spectives on Diversity Management. Cheltenham/Northampton: Edward Elgar.
  • Klammer, Ute & Ganseuer, Christian (2015). Diversity Management. Kernaufgabe der künftigen Hochschulentwicklung. Münster: Waxman.
  • Küsters, Ivonne (2009). Narrative Interviews. Grundlagen und Anwendungen (2. Aufl.). Wiesbaden: VS.
  • Langer, Arnim & Ukiwo, Ukoha (2009). Subjective realities: Perceptions of identity and conflict in Ghana and Nigeria. Journal of International Development, 21(4), 483-494.
  • Oser, Fritz & Althof, Wolfgang (1992). Moralische Selbstbestimmung. Modelle der Entwicklung und Erziehung im Wertebereich. Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Palfrey, John (2017). Save Spaces, Brave Spaces. Diversity and Free Expression in Education. Cambridge, MA: MIT Press.

Gesundheit 

„Ich wusste gar nicht, dass das Spiritualität ist!“ – Die Erfassung subjektiver Spiritualitätskonzepte in der Begleitung von Menschen mit Demenz am Lebensende mittels Diaryverfahren

Carmen Birkholz, Dissertationsprojekt im Rahmen des Doktorand_innenkollegs des Instituts für Palliative Care und OrganisationsEthik der IFF – Wien, Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Wien, Graz

Forschungskontext: Innerhalb der Demenz- und Palliative-Care-Forschung ist die spirituelle Sorge um Menschen mit Demenz bisher kaum erforscht. Da es sich hier zudem um eine vielfältige Vulnerabilität handelt (Demenz, Lebensende, Spiritualität), war die Suche nach einer geeigneten Forschungsmethode und die Entwicklung von Instrumenten Teil meines interdisziplinären Forschungsprozesses (Reichertz 2013a). Demenz wird hier verstanden als soziale Konstruktion (Berger & Luckmann 2016 [1977]; Gronemeyer 2013; Innes 2014).

Ausgangspunkt: Es wurden vier Altenpflegeinrichtungen unterschiedlicher Trägerschaft und weltanschaulicher Tradition für die ethnografische Studie gewonnen. Die Studiengruppe setzt sich interdisziplinär und hierarchieübergreifend zusammen. Alle waren grundsätzlich bereit, über Begegnungen, die für sie eine spirituelle Dimension hatten, Logbuch zu führen.

Forschungsfragen: Wie wird die spirituelle Sorge um Menschen mit Demenz im Kontext von Palliative Care wahrgenommen? Welche Herausforderungen stellen Menschen mit Demenz in Bezug auf Spiritualität für Palliative Care dar? Welche spirituellen Selbstkonzepte der Begleitenden werden erkennbar?

Methodik: Methodischer Kern des Forschungsprojekts war die Entwicklung eines Logbuchs zur Gewinnung von persönlichen Daten zum Erleben von Spiritualität in der Pflege und Begleitung von Menschen mit Demenz am Lebensende (Kunz 2015, 2016). Die entstandenen Logbücher wurden zunächst inhaltsanalytisch (Kuckartz 2012) und dann wissenssoziologisch-hermeneutisch ausgewertet mit der Unterstützung diverser Interpretationsgruppen (Kurt & Herbrik 2014; Reichertz 2013).

Ergebnisse: Es zeigen sich in der Vielfalt der alltäglichen Begegnungen Momente des dritten Transzendenzbereiches nach Alfred Schütz (Schütz& Luckmann 2003) im Erleben der Studienteilnehmer_innen, die die Qualität der (Pflege-)Beziehung zu Menschen mit Demenz verändern. Die Wissensbestände zu Spiritualität einzelner und der Gruppe werden sichtbar sowie ihr Einfluss auf die Haltung Menschen mit Demenz gegenüber in Bezug auf deren Personstatus.

Diskussion: In den Logbüchern zeigt sich das Spiritualitätsverständnis der Logbuchschreibenden. Diaries als Forschungsmethode sind dazu geeignet, intime Wissensbestände zu untersuchen und um Identitätsaussagen tiefer zu erhellen, die sich im praktischen Tun spiritueller Sorge äußern, aber nicht ausgesprochen und vermutlich oft auch nicht reflektiert werden.

Anliegen der Posterpräsentation: Mit der Posterpräsentation möchte ich gerne das Forschungsdesign und bisherige Forschungsergebnisse vorstellen und diskutieren. Zudem wünsche ich mir Kontakte für ein Forschungsnetzwerk in Bezug auf vulnerable Personengruppen und suche den Austausch über partizipativ orientierte Forschungsmethoden.

Kontakt: birkholz@institut-lebensbegleitung.de / www.institut-lebensbegleitung.de

Literatur

  • Berger, Peter L. & Luckmann, Thomas (2016). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt am Main: Fischer (unveränderter Nachdruck der 5. Auf. von 1977).
  • Gronemeyer, Reimer (2013). Das 4. Lebensalter. Demenz ist keine Krankheit. München: Pattloch.
  • Innes, Anthea (2014). Demenzforschung. Das Erleben und die Versorgung von Menschen mit Demenz erforschen. Bern: Huber.
  • Kuckartz, Udo (2012). Qualitative Inhaltsanalyse. Weinheim: Beltz.
  • Kunz, Alexa Maria (2015). Log- und Tagebücher als Erhebungsmethode in ethnographischen Forschungsdesigns. In Ronald Hitzler & Miriam Gothe (Hrsg.), Ethnographische Erkundungen. Methodische Aspekte aktueller Forschungsprojekte (S.141-161). Wiesbaden: Springer VS.
  • Kunz, Alexa Maria (2016). Selbstreport mittels Diary-Verfahren. Eine methodologische Untersuchung von Tagebüchern als Methode der Datenerhebung insbesondere in der interpretativen Sozialforschung (unveröffentlichte Dissertation) Wien.
  • Kurt, Roland & Herbrik, Regine (2014). Sozialwissenschaftliche Hermeneutik und hermeneutische Wissenssoziologie. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.473-491). Wiesbaden: Springer VS.
  • Reichertz, Jo (2013). Gemeinsam interpretieren. Die Gruppeninterpretation als kommunikativer Prozess. Wiesbaden: Springer VS.
  • Schütz, Alfred & Luckmann, Thomas (2003). Strukturen der Lebenswelt. Stuttgart: UVK.

Vegane und vegetarische Kinderernährung. Eine Mixed-Methods-Analyse zu den Motiven und Einstellungen von Eltern

Vanessa Vohland & Eleonore A. Heil, Justus-Liebig-Universität Gießen, Arbeitsgruppe Ernährungsökologie – Institut für Ernährungswissenschaften

Forschungskontext/Ausgangspunkt: In der Vegetarian and Vegan Children Study (VeChi-Studie; https://www.vechi-studie.de/) wird die Ernährung von 1-3-jährigen Kleinkindern, die vegetarisch, vegan oder mit Mischkost ernährt werden, untersucht und quantitativ ausgewertet. Um ein tieferes Verständnis über die Gründe für eine vegetarische oder vegane Ernährungsform zu erhalten, schließt eine qualitative Studie an, bei der explorativ Motive und Einstellungen der Eltern eruiert werden sollen.

Forschungsfragen: 1) Warum ernähren Eltern ihre Kinder vegetarisch oder vegan? 2) Welche Wahrnehmungen und Einstellungen bezüglich des Essens haben Eltern, die ihre Kinder vegetarisch oder vegan ernähren? 3) Wie ist das Risikobewusstsein im Hinblick auf Nährstoffdefizite bei Eltern von Kleinkindern mit einer vegetarischen oder veganen Ernährungsform? 4) Welche Ernährungsformen haben Mutter und Vater von vegetarisch oder vegan ernährten Kleinkindern?

Methodik: In einem Mixed-Methods Ansatz im Explanatory Sequential Design (Creswell 2014) werden Daten aus der VeChi-Studie von 422 Kleinkindern und ihren Eltern mit SPSS quantitativ ausgewertet. Aus diesem Panel werden Teilnehmer_innen rekrutiert. In problemzentrierten Interviews (Witzel 2000) sollen mit Rekurs auf das Theoretical Sampling (Glaser & Strauss 2010) so lange Daten zu Motiven und Einstellungen zur Ernährungsform generiert werden, bis sich einer theoretischen Sättigung angenähert wird. Die Auswertung erfolgt in Anlehnung an die Grounded Theory nach Strauss und Corbin (1996).

Ergebnisse: In der quantitativen Studie gaben die Teilnehmer_innen an, dass vor allem ethische und gesundheitliche Motive ihre vegetarische oder vegane Ernährungsform bedingen. Diese Angaben sollen in der qualitativen Studie tiefergehend betrachtet werden, um dieses Handeln verstehbar werden zu lassen.

Anliegen der Posterpräsentation: In der Postersession soll das Forschungsdesign vorgestellt werden. Insbesondere sollen Interpretationsansätze, die Triangulation und die kritische Auseinandersetzung mit der Methodik diskutiert werden.

Kontakt: Vanessa.vohland@nutr.jlug.de

Literatur

  • Creswell, John W. (2014). Research design. Qualitative, quantitative, and mixed methods approaches (4. Aufl.). Los Angeles: Sage.
  • Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (2010). Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung (3. unv. Aufl.). Bern: Hans Huber. [Orig. 1967]
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet M. (1996). Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.
  • Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228.

WINDYS – Was ist Normalität? Normalität und Behinderung in Geschwisterbeziehungen.

Carla Wesselmann & Clarissa Schallenberger (Hochschule Emden/Leer)

Forschungskontext: In der Familien- und Geschwisterforschung sowie in den Disability Studies existiert eine Forschungslücke hinsichtlich der Perspektive der Geschwister von Menschen mit Behinderung. Behinderung fungiert als heuristisches Erkenntniswerkzeug zur Frage, wie sich Menschen im Spannungsfeld zwischen Normalität und A-Normalität bewegen und dieses mitgestalten (Waldschmidt 2007). Zur Analyse des Spannungsverhältnis wird das Forschungsvorhaben in die Normalismustheorie nach Link (2013) eingebettet.

Ausgangspunkt: Seit Mitte 2014 ist eine zunehmende Vernetzung nicht-beeinträchtigter Geschwister im Alter 40 plus zu beobachten (Velten o. J.). Jedoch liegen bislang nur wenige Untersuchungen vor, die die Rolle der Geschwister untersuchen (Alich 2011; Hackenberg 2008).

Forschungsleitende Annahme: Es werden Differenzen in Geschwisterbeziehungen mit einem als behindert geltenden Geschwisterkind konstruiert. Doch wie wird Normalität am Beispiel von Behinderung in Geschwisterbeziehungen wahrgenommen, hergestellt, aufrechterhalten und modifiziert?

Methodik: Die Daten werden mittels narrativer Interviews (Schütze 1977) erhoben und nach der biografischen Fallrekonstruktion (Fischer-Rosenthal & Rosenthal 1997; Rosenthal 2015)  in einem abduktiv-rekonstruktiven Vorgehen ausgewertet. Angestrebt ist ein Sampling von ca. 15 Geschwistern über 40 Jahren, die entweder selbst seit Geburt oder Kindheit von einer Behinderung betroffen sind oder die mit einem als behindert geltenden Geschwister aufgewachsen sind. Im Anschluss an die Typenbildung erfolgt eine Rückkopplung der Ergebnisse in Fokusgruppen als eine Form der Partizipation.

Anliegen an die Postersession: Das Projekt befindet sich in der Anfangs- und Feldphase. Aktuell wird Austausch zur Forschungsmethode angestrebt.

Kontakt: clarissa.schallenberger@hs-emden-leer.de

Literatur

  • Alich, Saskia (2011). Angehörige erwachsener Menschen mit Behinderung. Ein Problemaufriss: empirisch-exemplarische Darstellung zur Lebenslage Angehöriger von Menschen mit Behinderung in Einrichtungen der Behindertenhilfe (Organisation und Individuum, Bd. 6). Berlin: Lit.
  • Fischer-Rosenthal, Wolfram & Rosenthal, Gabriele (1997). Warum Biographieanalyse und wie man sie macht. Zeitschrift für Sozialforschung und Erziehungssoziologie (ZSE), 17(4), 405–427.
  • Hackenberg, Waltraud. (2008). Geschwister von Menschen mit Behinderung. Entwicklung, Risiken, Chancen. München: Reinhardt.
  • Link, Jürgen (2013). Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird (5. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Rosenthal, Gabriele (2015). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung (Grundlagentexte Soziologie, 5., akt. u. erg. Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Schütze, Fritz (1977). Die Technik des narrativen Interviews in Interaktionsfeldstudien (Arbeitsberichte und Forschungsmaterialien / Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie, Bd. 1). Bielefeld.
  • Velten, Sascha. (o. J.). Initiative Erwachsene Geschwisterhttps://erwachsene-geschwister.de/idee/ [Zugriff: 24.05.2018]
  • Waldschmidt, Anne (2007). Die Macht der Normalität: Mit Foucault „(Nicht-)Behinderung“ neu denken. In Roland Anhorn, Frank Bettinger & Johannes Stehr (Hrsg.), Foucaults Machtanalytik und Soziale Arbeit (S.119–133). Wiesbaden: VS, https://doi.org/10.1007/978-3-531-90710-9_8.

Patient_innenfehlsteuerung in der geriatrischen Rehabilitation in Baden-Württemberg aus Sicht stationärer Geriater_innen – Eine qualitative Analyse

Melanie Zirves, IMVR, Köln

Forschungskontext: Um der wachsenden älteren Bevölkerung ein möglichst langes, gesundes und eigenständiges Leben ermöglichen zu können, wurden in Deutschland bundeslandspezifische Geriatriekonzepte etabliert. Historisch und politisch bedingt weist Deutschland jedoch eine inhomogene Struktur auf, was die stationäre Versorgung geriatrischer Patienten anbelangt. Hintergrund des Projekts ist das Bemühen, den in § 31 SGB 11 (Kapitel 4, 2. Abschnitt) festgehaltenen Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ für ältere und insbesondere geriatrische Patienten in Baden-Württemberg flächendeckend umzusetzen.

Ausgangspunkt: Im Vorfeld fand eine Analyse von Routinedaten eines Versicherungsträgers statt. Ziel des qualitativen Forschungsvorhabens ist es, aus Sicht relevanter Akteure zusätzliche und erläuternde Hinweise auf die Themen „Fehlanreize für Überweiser_innen“ sowie „Fehlsteuerung in der Versorgung“ zu identifizieren.

Forschungsfragen: Folgende Untersuchungsfragen sind leitend: Lässt sich aus Sicht stationärer Geriater_innen eine finanziell bedingte Patient_innensteuerung in der geriatrischen Rehabilitation in Baden-Württemberg ausmachen? Inwiefern widersprechen sich die Ansichten der Geriater_innen aus der Praxis und der Akteure der Steuerungsebene hinsichtlich der Patient_innensteuerung und -versorgung in Baden-Württemberg?

Methodik: Im qualitativen Studiendesign werden 11 Expert_inneninterviews (Kruse 2015; Bogner, Menz & Littig 2005) (telefonisch/face-to-face) mit Vertreter_innen Geriatrischer Zentren und Rehabilitationskliniken, Akteuren der Steuerungsebene, Kostenträgern und Patientenvertretungen in Baden-Württemberg geführt. Diese werden im Anschluss mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet.

Ergebnisse: Das Geriatriekonzept Baden-Württemberg wird von allen Befragten geschätzt. Aus Sicht der interviewten Geriater_innen aus der Praxis zeichnen sich jedoch Schwierigkeiten ab, das Geriatriekonzept Baden-Württemberg in allen angedachten Punkten in die Praxis zu übertragen. Überwiegend wird auf eine allgemeine Unterversorgung geschlossen, die jedoch regional divergiert. Insbesondere wird von den Geriater_innen aus der Praxis auf die Schnittstellenproblematik zwischen Krankenhaus und Rehabilitationseinrichtungen verwiesen, wo sich eine finanziell gesteuerte Fehlallokation in die Kurzzeitpflege sowie eine Patient_innenselektion ausmachen lassen. Dies wirkt sich negativ auf das Patient_innenwohl aus, da das Recht „Reha vor Pflege“ unterlaufen wird. Die frühzeitige Identifikation geriatrischer Patient_innen in der Akutversorgung sowie das anschließende Antragsverfahren für eine geriatrische Rehabilitation sind mit hohem Zeit- und Kostenaufwand behaftet. Diese Ansichten werden von den Akteuren der Steuerungsebene nicht geteilt.

Diskussion: Die Motivation zur Umsetzung des Geriatriekonzeptes in die Praxis ist bei den interviewten Expert_innen aus der Praxis sowie deren Mitarbeiter_innen hoch, scheint jedoch durch strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen ausgebremst. Die Ergebnisse der qualitativen Studie lassen sich mit jenen der im Vorfeld durchgeführten Sekundärdatenanalyse abgleichen.

Anliegen der Posterpräsentation: Es wird eine Masterarbeit zum oben angeführten Thema verfasst (Abgabe September 2018). Anliegen ist, zum methodischen Vorgehen und den abgeleiteten Ergebnissen in Austausch zu treten.

Kontakt: melanie.zirves@uk-koeln.de

Literatur

  • Bogner, Alexander; Menz, Wolfgang & Littig, Beate (2005). Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung (2. Aufl.). Wiesbaden: VS. 
  • Kruse, Jan (2015). Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz (2. Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa.
  • Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (12. Aufl.). Weinheim: Beltz

Methodenentwicklung

Rekonstruktion von Rationalitäten mithilfe der Figurationsanalyse

Klara-Marie Peters, Universität zu Köln

Forschungskontext: Im Rahmen meines Dissertationsprojekts werden die Beobachtungsweisen und Herstellungspraxen der Theoriebildung der kritischen Sozialen Arbeit untersucht. Konkret wird die Wahrheitsproduktion rekonstruiert, also die diskursiven Praxen, mit denen die Akteur_innen „der Theoriebildung“ der kritischen Sozialen Arbeit Aussagen hervorbringen, die als wahr anerkannt werden. Die kritische Praxis als kritischer Blick auf die Gesellschaft und politische Praxen ist quasi konstitutiv für die Soziale Arbeit und eine Selbstverständlichkeit für die sozialarbeiterische Perspektive auf ihr Handlungsfeld. Die Bedingungen der Kritik, die Möglichkeiten kritischer Erkenntnis und damit auch die Grenzen der Erkenntnis sind allerdings wenig untersucht (Neumann 2013). Fraglich ist, wie die kritische Soziale Arbeit die für ihre Theoriebildung relevante Wirklichkeit hervorbringt und diese wahrnimmt (Bommes & Scherr 2000, S.32). Welche Konstruktionsleistung liegt dem Hervorbringen einer Wirklichkeit zugrunde, auf deren Basis die Akteur_innen etwas Vorgefundenes als etwas zu Kritisierendes problematisieren?

Ausgangspunkt: Das Diskussionsangebot nimmt seinen Ausgangspunkt in einer doppelten Erkenntnis. Zum einen eine logische: die Methodologie der Diskursanalyse verlangt nach einer Gegenstandskonstruktion durch Relationierung von Vortheorie und Instrumenten. Zum anderen eine empirische: im Vorfeld der Untersuchung wurden verschiedene „Methoden“ im engeren Sinne angewandt, um deren Tragweite und den zu erwartenden Beitrag zur Erkenntnisförderung zu testen. So wurden zwei Samplingverfahren angewandt, um den Diskurs „auf den Begriff zu bringen“. (1) Ein Auswahlplan, der den zu betrachtenden Untersuchungszeitraum und die diskursiven Träger festlegt. Die Grenzen eines solchen Verfahrens wurden in der nicht Vereinbarkeit mit einer konstruktivistischen und objektivierungskritischen Perspektive auf wissenschaftliche Beobachtung deutlich. Der Auswahlplan spiegelte die Annahme wieder, der zu untersuchende Diskurs sei tatsächlich gegenständlich vorhanden, er habe eine feststellbare Existenz, auf die mittels eines Plans zugegriffen werden könnte. Aus dieser Unvereinbarkeit von methodologischem Hintergrund des Auswahlplans und erkenntiskritischer Positionierung dieser Untersuchung wurde der Auswahlplan als Instrument der Sichtbarmachung verworfen. Daraufhin wurde (2) das Material im Rahmen des Theoretical Samplings (Glaser & Strauss 2008) erschlossen. Die sich so bildenden Samples wurden sodann mittels des Kodierverfahrens, das sich aus der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) ableitet, ausgewertet. Es zeigte sich, dass die entstehenden Kodes und Kategorien, denen einzelne Textpassagen zugeordnet wurden, einen inhaltlich-qualifizierenden Charakter haben. Dem WAS des Textinhaltes und der Diskurspositionen konnte sich so genähert werden, das WIE der Herstellungspraxen und diskursiven Vollzüge konnte aber im Rahmen der GTM nicht sichtbar gemacht werden. So wurde auch der methodische Zugriff auf das Material mittels GTM-Kodierverfahren verworfen. Es bedarf mithin einer der Methodologie und den empirischen Erkenntnissen der Voruntersuchung Rechnung tragenden Methodik.

Forschungsfrage: Wie beobachtet die kritische Soziale Arbeit das von ihr Thematisierte und wie stellt sie das Kritisierte her?

Methodik: Zu untersuchen sind sprachliche Praktiken des Thematisierens, Problematisierens, Nebeneinanderstellens, Ausschließens, Vernetzens, Wiederholens (Foucault 1981, S.153). Um Vollzüge von Praktiken der Wirklichkeitskonstruktion im Rahmen einer Aussagenanalyse rekonstruieren zu können, bedarf es einer formalen Analyse der sprachlichen Konstruktionsweisen der diskursiven Praxen. Mit dem Blick auf das Erkenntnisinteresse der Untersuchung scheint die Figurationsanalyse ein hinreichendes Instrumentarium anzubieten. Sie arbeitet mit analytischen Heuristiken zur Operationalisierung der Analyse diskursiver Praktiken. Diese Heuristiken sind Unterscheidungen, Zuschreibungen und Bedeutungsverschiebungen (Schar & Wrana 2014, S.356) sowie die Argumentations-Analyse nach Stephen E. Toulmin (Toulmin 2008) und die Metaphernanalyse nach Lakoff und Johnson (Lakoff et al. 2018). Die Analyse legt zunächst sprachliche Konstruktionsweisen frei. Die weitere Zuteilung von Textstellen erfolgt dann über die Struktur dieser Konstruktionsweisen. So lassen sich z.B. differenzielle, metaphorische und Argumentations-Figuren in den Texten rekonstruieren.

Ergebnisse: Die Relationierung der Vortheorie, der Instrumente und des Gegenstandes sind der epistemologische Bruch mit der „Alltagserfahrung“ des zu Untersuchenden, also der Art und Weise, wie die „kritische Soziale Arbeit“ bis dato erklärt wird. Die Methodik erlaubt es, etwas Neues über die „kritische Soziale Arbeit“ zu erfahren, etwas, das nicht im bereits Gesagten vorhanden ist, und entreißt ihr damit ihre „Quasievidenz“.

Anliegen der Posterpräsentation: Das Poster soll Anlass bieten, den auf das Erkenntnisinteresse abgestimmten instrumentellen Zugriff mit an Diskursforschung Interessierten zu diskutieren. Darüber hinaus ist das Anliegen der Präsentation, mit Forscher_innen in ein Gespräch über den Prozess der methodologischen Positionierung und seine Thematisierung im Forschungsbericht zu kommen.

Kontaktpeters.m@posteo.de 

Literatur

  • Anhorn, Roland; Bettinger, Frank; Horlacher, Cornelis & Rathgeb, Kerstin (2012). Zur Einführung: Kristallisationspunkte kritischer Sozialer Arbeit. In Roland Anhorn, Fran Bettinger, Cornelia Horlacher & Kerstin Rathgeb (Hrsg.), Kritik der Sozialen Arbeit – kritische Soziale Arbeit (S.1-23) Wiesbaden: Springer VS.
  • Bommes, Michael & Scherr, Albert (2000). Soziologie der sozialen Arbeit. Weinheim: Juventa.
  • Foucault, Michel (1981). Archäologie des Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Glaser, Barney & Strauss, Anselm L. (2010). Grounded theory. Strategien qualitativer Forschung. Bern: Huber. [Orig. 1967]
  • Lakoff, George; Johnson, Mark & Hildenbrand, Astrid (2018). Leben in Metaphern. Heidelberg: Carl Auer.
  • Neumann, Sascha (2013). Unkritisch kritisch. Über die (Un-)möglichkeit einer Theorie Sozialer Arbeit als Kritik. In Bettina Hünersdorf & Jutta Hartmann (Hrsg.), Was ist und wozu betreiben wir Kritik in der Sozialen Arbeit? (S.127-144). Wiesbaden: Springer VS.
  • Scharl, Katharina & Wrana, Daniel (2014). Wahrheitspolitik(en) zu „Bologna“ in einer Podiumsdiskussion. In Johannes Angermüller, Martin Nonhoff, Eva Herschinger, Felicitas Macgilchrist, Martin Reisigl, Juliette Wedl, Daniel Wrana & Alexander Ziem (Hrsg.), Diskursforschung, Bd. 2 (S.350-378). Bielefeld: transcript.
  • Toulmin, Stephen Edelston (2008). The uses of argument. Cambridge: Cambridge University Press.

Imaginations of future(s) – Visuelle Zugänge zu Praktiken des „Zukunft-machens“ in „Green-Growth“-Projekten in Ostafrika

Christiane Stephan, Geographisches Institut der Universität Bonn

Forschungskontext: Diese Forschung beschäftigt sich mit der Rolle visueller Kommunikation von Zukunftsplänen und Visionen landwirtschaftlicher Entwicklung in „Green-Growth“-Projekten Ostafrikas. Das Vorhaben geht der Frage nach, wie bestimmte „Versionen“ von imaginierten Zukünften politische Entscheidungen (Landnutzung, wirtschaftliche Investitionen etc.) prägen und welche Rolle dabei die visuelle Sprache und visuellen Narrative spielen.

Ausgangspunkt: Diese Forschung schließt an Überlegungen zu Imaginationen über zukünftige Entwicklung sozialer und soziotechnischer Systeme an (Appadurai 2016; Beckert 2016; Jasanoff & Kim 2015) und beschäftigt sich mit sozialen Ungleichheiten bei der Produktion und Nutzung von visuellen Dokumenten (Pläne, Karten, Bilder, Videos) des Zukunft-Machens. Das Projekt setzt sich auseinander mit Arjun Appadurais These, dass die „capacity to aspire“, d.h. die Kapazitäten sozialer Gruppen, sich eine spezifische, erwünschte Zukunft vorzustellen und Zukunftswünsche wirksam umzusetzen, in Gesellschaften ungleich verteilt sind (Appadurai 2016, S.188). Diese These soll durch eine Analyse der Umsetzung spezifischer Zukunftsvisionen durch machtvolle Akteure überprüft werden. Gleichzeitig soll die These aber auch hinterfragt werden und analysiert werden, auf welche Weise alternative Zukunftsvisionen kommuniziert und durchgesetzt werden (können).

Forschungsfrage(n): Welchen Beitrag können visuelle Forschungsansätze und Methoden zur empirischen Erforschung von Praktiken des „Zukunft-Machens“ leisten? Wie kann eine visuelle Geografie durch performative Ansätze und eine partizipative Bildproduktion und -analyse Machtstrukturen sicht- und erfahrbar und somit einer wissenschaftlichen Analyse zugänglich machen?

Methodik: In diesem Poster werden insbesondere die visuellen Methoden besprochen, die im Forschungsprojekt Anwendung finden. Dazu zählen kollaborative Ansätze des Fotografierens und der Videografie (Dirksmeier 2013; Johnsen, May & Cloke 2008; Pink 2007; Rose 2016) ebenso wie Methoden der Analyse visueller Dokumente (Bohnsack 2011; Miggelbrink & Schlottmann 2009; Rose 2016).

Ergebnisse: Die Analyse ausgewählter visueller Dokumente, die stellvertretend für die Idee des „Green Growth“ in der Forschungsregion in Tansania stehen, zeigt, dass politische Entscheidungen durch visuelle Narrative vorbereitet und beeinflusst werden. Eindrücke aus einer ersten explorativen Forschungsphase in der Forschungsregion erlauben es darüber hinaus, ein Arbeitsprogramm für partizipatives Forschen mit visuellen Methoden zu erstellen. Dieses Poster unterstreicht, dass ein differenzierter methodologischer Ansatz und eine hohe Transparenz bei der Verwendung von Methoden notwendig sind, damit der Einsatz visueller Methoden und die Analyse visueller Dokumente im Forschungsprozess relevante und nachvollziehbare Ergebnisse erzielt.

Kontakt: cstephan@uni-bonn.de

Literatur

  • Appadurai, Arjun (2013). The future as a cultural fact. Essays on the global condition. Verso Books: London.
  • Beckert, Jens (2016). Imagined futures. Fictional expectations and capitalist dynamics. Harvard University Press: Cambridge.
  • Bohnsack, Ralf (2011). Qualitative Bild- und Videointerpretation. Die dokumentarische Methode. Verlag: Opladen: Barbara Budrich.
  • Crang, Mike (2010). Visual methods and methodologies. In Dydia DeLyser, Steve Herbert, Stuart Aitken, Mike Crang & Linda McDowell (Hrsg.), The Sage handbook of qualitative geography (S.208–224). Sage: London.
  • Dirksmeier, Peter (2013). Zur Methodologie und Performativität qualitativer visueller Methoden – Die Beispiele der Autofotografie und reflexiven Fotografie. In Eberhard Rothfuß & Thomas Dörfler (Hrsg.). Raumbezogene qualitative Sozialforschung (S. 83-101). Wiesbaden: Springer.
  • Jasanoff, Sheila & Sang-Hyun Kim (2015). Dreamscapes of modernity. Sociotechnical imaginaries and the fabrication of power. Chicago: University of Chicago Press.
  • Johnsen, Sarah; May, Jon & Cloke, Paul (2008). lmag(in)ing ‚homeless places‘: using auto-photography to (re)examine the geographies of homelessness. Area, 40(2), S. 194-207.
  • Miggelbrink, Judith & Antje Schlottmann (2009). Diskurstheoretisch orientierte Analyse von Bildern. In Georg Glasze & Annika Mattissek (Hrsg.), Handbuch Diskurs und Raum. Theorien und Methoden für die Humangeographie sowie die sozial- und kulturwissenschaftliche Raumforschung (S.181-198). Bielefeld: transcript.
  • Pink, Sarah (2007). Doing visual ethnography: images, media and representation in research (2. Aufl.). London: Sage.
  • Rose, Gilian (2016). Visual methodologies. An introduction to researching with visual materials (4. Aufl.). London: Sage.
  • Schlottmann, Antje & Miggelbrink, Judith (Hrsg) (2015). Visuelle Geographien: Zur Produktion, Aneignung und Vermittlung von RaumBildern. Bielefeld: transcript.