Postersession 2009

Natur, Umwelt, Stadt

Florian Fischer: Aneignung von Geomedien im urbanen Alltag. Fallbeispiel „Where2be.at – Studentslife in Salzburg“

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Fritz Reusswig, Antje Otto, Ulrike Anders, Lutz Meyer-Ohlendorf: Nachhaltige Stadtentwicklung und Klimawandel in Indien: Auf der Suche nach Diskursprofilen, Konfliktlinien und Koalitionen

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Nadin Hermann, Susanne Menzel: Schutzmotivation in einer Dilemmasituation: Die Perspektive von Schüler(inne)n auf die Rückkehr großer Wildtiere (Wolf und Wisent) nach Deutschland

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Schule, Bildung, Sozialisation, Soziale Arbeit, Arbeit

Frauke Ulfig: Geometrische Grundbildung im Rahmen von PISA: Hauptschülerinnen und Hauptschüler lösen Geometrieaufgaben der PISA-Studie – Triangulation qualitativer und quantitativer Analysen

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Almuth Meissner: Verstehensrelevantes Vorwissen und die Interpretation literarischer Texte: Wie Schülerinnen und Schüler ein Gedicht interpretieren

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Waldemar Kremser: Der Weg zur Gesundheitsfördernden Schule. Eine Wiener Volksschule im Spannungsfeld der Logiken von Organisation und Interventionskonzept

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Konrad Kleiner: Analyse von Videodaten zur Untersuchung von Strukturmerkmalen und Prozessabläufen im Sportunterricht. Ein Beitrag zur videobasierten Unterrichtsforschung

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Petra Bauer, Richard Münchmeier, Sarina Ahmed, Brit Heyer: Fallkonstitution in der Jugendhilfe

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Eva Fleischer: Evaluation der Laufbahnberatung Tirol

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Biografie, Identität

Thomas Bendl: Die Rolle der Metapher in Prozessen der Selbstkonstituierung

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Carolin Demuth, Heidi Keller, Helene Gudi, Hiltrud Otto: Entwicklung von Autonomie und Relationalität  über die Lebensspanne – eine Rekonstruktion aus autobiografischen Erzählungen

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Nicole Schmiade, Isabell Stamm: Von Generation zu Generation – der Generationswechsel in Familienunternehmen

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Zebiba Teklay: Zur Konstruktion von Paarbeziehungen im Jugendalter

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Politik, Wirtschaft

Jochen F. Mayer: The Dismantling of Unemployment? The Circulation of Scientific Knowledge and Social Policies in Germany, France and the OECD 1965-1982

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Jürgen Petersen: Konzepte der Repräsentation in Deutschland und den USA: Politiker/innen im kontextualisierten Vergleich

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Stefanie Kessler: Die Vermittlung von Geschlechtergleichberechtigung in der Europäischen Nachbarschaftspolitik – ein Mittel der Machtausübung?

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Matias Ruiz Lorbacher: Internationalisierung der Immobilienmärkte in Metropolregionen

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Tobias Schwarz: Zur Rekonstruktion eines diskursanalytischen Forschungsprozesses. Die Methodik der Dissertation „Gefährdung, Gastrecht und Integrationspflicht. Differenzkonstruktionen im deutschen Ausweisungsdiskurs 1996-2007“

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Methodenentwicklung

Katja Helms: WER – WIE – WAS? Die Entwicklung einer Strukturkarte zur Erfassung und Darstellung von Akteurskonstellationen als Erweiterung einer Grounded-Theory-Studie

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Christine Moritz: „Feldpartitur“: System zur Abbildung realzeitlicher Handlungsprozesse auf der Basis audiovisuellen Datenmaterials

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Abstracts

Aneignung von Geomedien im urbanen Alltag. Fallbeispiel „Where2be.at – Studentslife in Salzburg“

Florian Fischer (ÖAW-GIScience, Salzburg)

Forschungskontext: Geomedien ermöglichen eine ortsgebundene Kommunikation. Über Georeferenzen verknüpfen diese digitalen Medien Orte und Räume mit Bedeutungszuschreibungen. Ein Beispiel ist die Plattform „Where2be – Studentslife in Salzburg“, die von der Stadt Salzburg, der Universität Salzburg und der Österreichischen Hochschüler/innenschaft realisiert wurde. Studierende können auf Where2be.at nach Orten studentischen Lebens in Salzburg zu suchen, sie kommentieren und über sie kommunizieren. Where2be.at bietet „als erster Stadtführer speziell für StudentInnen Anregung und Orientierung“ (Greifeneder 2007).

Fragestellung: Geomedien ermöglichen neue Wege, um alltägliche raumbezogene Praktiken und soziale Beziehungen zu organisieren. Die Produktion und Reproduktion von Raum, so eine Kernaussage der Mediengeografie, wird heute zunehmend von Medien beeinflusst (Döring & Thielmann 2008; Couldry & McCarthy 2004). Mein eigenes PhD-Projekt beschäftigt sich daher mit der Frage, welche raumbezogenen Praktiken die Nutzung von Where2be.at ermöglicht und unterstützt?

Methodik: Nach Henri Lefebvre wird Raum in einer Trialektik von räumlicher Praxis, Raumrepräsentation und dem erlebten Raum produziert (Jayne 2006). Der erlebte Raum ist als eine Verschränkung von räumlicher Praxis und der Rezeption von Raumrepräsentationen zu verstehen. Er bietet daher einen guten Zugang für eine Aneignungsforschung über die Where2be.at im Kontext der alltäglichen räumlichen Praxis. Aus medien- und raumwissenschaftlicher Perspektive bieten sich problemzentrierte Interviews mit den Nutzer/innen zur Analyse der Raumerfahrung durch Geomedien an. In diesen Interviews werden alltägliche Nutzungspraktiken und Raumvorstellungen erörtert. Where2be.at dient dabei auch als Impulsgeber und wird im Interview aktiv eingesetzt. Von März bis Mai 2009 wurden sieben Interviews und ein Gespräch mit dem Betreiber von Where2be.at geführt. Alle Gesprächspartner/innen sind Studierende und wurden vom Betreiber als Stammnutzer/innen empfohlen. Die theoretische Kodierung des Datenmaterials nach dem Ansatz der Grounded-Theory-Methodologie läuft derzeit. Aus der bisherigen Analyse lassen sich aber bereits vorläufige Ergebnisse ableiten.

Ergebnisse: Für viele Nutzer/innen entsteht durch die Kommunikation über interessante Orte ein Salzburg, das sich durch spezielle Angebote und Vergünstigungen für Studierende auszeichnet. Sie erleben, so die Gesprächspartner/innen, eine Stadt, in der sie ein Zuhause finden. Dies steht in starkem Kontrast zu nicht-medial vermittelten räumlichen Vorstellungen über Salzburg: Die Stadt sei elitär, touristisch dominiert, und biete keinen Platz für Studierende. Insgesamt ist Where2be.at besonders im Rahmen von Konsumpraktiken relevant für den Alltag der Studierenden und weniger für Sport- oder Unterhaltung, obwohl diese auch thematisiert werden.

Kontakt:

Florian Fischer: Florian.Fischer@oeaw.ac.at

Literatur:

Couldry, Nick & McCarthy, Anna (2004). MediaSpace: Place, scale, and culture in a media age. London: Routledge.

Döring Jörg & Tristan Thielmann (2008). Mediengeographie. Theorie – Analyse – Diskussion. Bielefeld: Transcript.

Greifeneder, Johannes (2007). Where2be.at: Der Guide für das studentische Leben in Salzburg, http://www.stadtsalzburg.at/internet/extras/presse/aussendungen/2007/p2_226516.htm [Stand: 06.01.2009, broken link].

Jayne Mark (2006). Cities and consumption. New York: Routledge.

Nachhaltige Stadtentwicklung und Klimawandel in Indien: Auf der Suche nach Diskursprofilen, Konfliktlinien und Koalitionen

PD. Dr. Fritz Reusswig, Antje Otto, Ulrike Anders, Lutz Meyer-Ohlendorf (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Forschungsfeld IV: Transdisziplinäre Konzepte und Methoden)

Forschungskontext: Die vorzustellende Forschungsarbeit zum Klimadiskurs in Indien ist Teil eines größeren, BMBF-geförderten Verbundprojekts, das sich mit den Transformationsprozessen der sehr schnell wachsenden Megastadt Hyderabad beschäftigt. Ziel des Projekts ist es, die Veränderung der Konsummuster und Lebensstile in ihren Auswirkungen auf Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen sowie die Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel ein- und abzuschätzen.

Fragestellung: Die Analyse der Klimadiskurse soll ermitteln, wie ausgewählte Expert/innen und Entscheidungsträger/innen auf nationaler und lokaler Ebene das Thema Klimawandel sehen, welche Relevanz sie ihm im Kontext anderer sozialer Probleme beimessen und welche Handlungsmöglichkeiten bestehen bzw. diskutiert werden. Dazu sollen typische Argumentationsmuster (Diskursprofile) und Konfliktkonstellationen herausgearbeitet werden.

Methodik: Die empirische Grundlage bilden ausgewählte Zeitungsartikel aus zwei nationalen englischsprachigen Tageszeitungen, die das Thema Klimawandel behandeln. Auf der Basis einiger Artikel wurde im Forschungsteam in einem ersten Schritt ein offenes Kategoriensystem entwickelt, mit dem dann 100 Artikel über eine Matrix quantitativ ausgewertet und miteinander verglichen wurden. In einem zweiten Schritt wurden einige ausgesuchte Artikel qualitativ und detailliert analysiert. Ziel ist es, die Deutung bestimmter Akteure, ihre Sicht des Problems, ihre Argumentationsmuster, die Konkretisierung in Dispositiven und die Bildung von Koalitionen und Konfliktlinien innerhalb des Diskurses aufzudecken.

Ergebnisse: Die Auswertung zeigt, dass die Diskussion von Lösungsstrategien zur Reduzierung von Treibhausgasen deutlich wichtiger scheint als die Frage nach Möglichkeiten zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Dies steht in Widerspruch zu einem relativ starken politisch getriebenen Konsens, die Verantwortung zur Reduktion von Treibhausgasen den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen – den Industrieländern – zuzuschreiben. Warum werden Lösungen für das Problem der Emissionsreduzierung so intensiv diskutiert, wenn es im Land keine Notwendigkeit für ein Handeln gibt? Die qualitative Analyse versucht, darauf eine Antwort zu geben. Dabei zeigt sich ein zunächst paradoxes Ergebnis. Gerade der postkoloniale und damit konsensfähige Diskurshabitus in Indien zwingt die Entscheidungsträger/innen, in gewisser Weise eigene Klimaschutz-Nebeneffekte als die „bessere“ Alternative zum herkömmlichen Entwicklungsmodell zu präsentieren, obwohl letzteres de facto doch häufig angestrebt wird. Die vorläufigen Ergebnisse sollen bewusst offen präsentiert und zur Diskussion gestellt werden.

Kontakt:

Lutz Meyer-Ohlendorf: meyer-ohlendorf@pik-potsdam.de  

Literatur:

Keller, Reiner (2005). Wissenssoziologische Diskursanalyse: Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Weingart, Peter; Engels, Anita & Pansegrau, Petra (2002). Von der Hypothese zur Katastrophe. Der anthropogene Klimawandel im Diskurs zwischen Wissenschaft, Politik und Massenmedien. Opladen: Leske + Budrich.

Schutzmotivation in einer Dilemmasituation: Die Perspektive von Schüler(inne)n auf die Rückkehr großer Wildtiere (Wolf und Wisent) nach Deutschland

Nadin Hermann, Susanne Menzel (Universität Osnabrück, Didaktik der Biologie)

Ausgangspunkt: Die Einwanderung von Wölfen in Sachsen und die geplante Auswilderung einer Wisentherde in Nordrhein-Westfalen sind zwei erfolgreiche Konsequenzen aus Naturschutzbestrebungen, die in der „Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt“ (BMU 2007) zum Ausdruck kommen. Durch die Anwesenheit von großen Wildtieren gerät die lokale Bevölkerung in eine Dilemmasituation zwischen der Erhaltung der Art einerseits und Landnutzungsinteressen und der eigenen Sicherheit andererseits. Studien mit Erwachsenen konnten neben soziodemografischen Faktoren insbesondere die individuellen Einstellungen gegenüber dem Tier und der Natur als Einflussgrößen auf Akzeptanz identifizieren (z.B. Hunziker & Landolt 2001). Bei unserer Untersuchung stehen Schüler(innen) als künftige Entscheidungsträger im Fokus, deren Akzeptanz bei der späteren Umsetzung von Schutzprojekten von Bedeutung ist.

Theoretischer Rahmen: Als theoretische Grundlage wurde die Protection Motivation Theory (PMT, Rogers & Prentice-Dunn 1997) gewählt. Die Theorie erklärt schützendes Verhalten mit den Aspekten Bedrohungs- und Bewältigungseinschätzung. In unserer Studie sind zwei gegenläufige Bedrohungswahrnehmungen der PMT denkbar:

  • Bedrohung der Tierart
  • Bedrohung des Selbst

Fragestellung: Das Dissertationsprojekt soll klären, welche Bedrohungswahrnehmungen durch die Rückkehr der Wildtiere bei Schüler(inne)n hervorgerufen werden. Dabei gehen wir davon aus, dass die Bedrohungswahrnehmungen mit der Nähe des Wohnorts zur Wildtierregion variieren. Folgende Fragestellungen stehen im Vordergrund:

  • Lässt sich die Dilemmasituation durch die PMT abbilden?
  • Welche Faktoren rufen die vordergründig wahrgenommene Bedrohung der Tierart bzw. Bedrohung des Selbst hervor?
  • Welchen Einfluss haben die beiden möglichen Bedrohungswahrnehmungen auf die Ausbildung einer Schutzmotivation?

Methoden: Die Studie ist als Querschnittstudie angelegt. Als Instrument dienen leitfadengestützte Interviews, die sich an der Struktur der PMT orientieren. In das Interview wird ein Assoziationstest integriert, um die affektive und kognitive Basis der Einstellung zu den Tieren zu erfassen. Eine eingegliederte Struktur-Lege-Technik (Scheele 1992) mit Begriffskarten und Bildmaterial fokussiert die Erhebung der Bedrohungswahrnehmung. Befragt werden Schüler(innen) in wildtiernahen und -fernen Regionen. Die Interviews werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2000) analysiert und die Aussagen in das auf der PMT basierende Kategoriesystem eingeordnet. Zusätzlich werden Textpassagen induktiv kodiert, um Faktoren zu identifizieren, die über antizipierte Variablen der PMT hinausgehen.

Diskussion: Das Poster stellt das Forschungsdesign der Vorstudie dar und stellt die methodische Umsetzung zur Diskussion.

Kontakt:

Nadin Hermann: nadin.hermann@biologie.uni-osnabrueck.de

Literatur:

BMU – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2007). Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt. Berlin: Eigenverlag.

Hunziker, Marcel & Landolt, Ruth (Hrsg.) (2001). Humans and predators in Europe – Research on how society is coping with the return of wild predators. Forest Snow and Landscape Research76(1/2), 1-326.

Mayring, Philipp (2000). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

Rogers, Ronald W. & Prentice-Dunn, Steven (1997). Protection motivation theory. In D. S. Gochman (Hrsg.), Handbook of health behavior research (S.113-132). New York: Plenum.

Scheele, Brigitte (Hrsg.) (1992). Struktur-Lege-Verfahren als Dialog-Konsens-Methodik. Münster: Aschendorff Verlag.

Geometrische Grundbildung im Rahmen von PISA: Hauptschülerinnen und Hauptschüler lösen Geometrieaufgaben der PISA-Studie – Triangulation qualitativer und quantitativer Analysen

Frauke Ulfig (Oldenburg)

Ausgangspunkt: PISA, the Program for International Student Assessment, liefert globale Daten über Bildungssysteme. Diese Ergebnisse dürfen nicht ohne Weiteres auf einzelne Schülerinnen und Schüler bezogen werden. Neue Erkenntnisse hinsichtlich individueller Denkweisen zeigen sich, wenn neben den Ergebnissen auch die Lösungsprozesse analysiert werden.

Forschungsinteresse: Als Konsequenz aus den PISA-Ergebnissen stellen sich insbesondere die Herausforderungen, dem besonders problematischen Inhaltsbereich „Geometrie“ im Mathematikunterricht mehr Beachtung entgegenzubringen und den hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern im unteren Leistungsbereich zu reduzieren. Deshalb gilt mein Interesse der Frage, welche Schwierigkeiten diese Schülerinnen und Schüler beim Lösen von Geometrieaufgaben der PISA-Studie haben und wie diesen Schwierigkeiten im Unterricht begegnet werden kann. Dazu möchte ich analysieren, mit welchen individuellen Vorstellungen sie an die Aufgaben herangehen und welche geometrischen Denkweisen dabei zum Ausdruck kommen. Aus den Ergebnissen sollen Hinweise zur Verbesserung des Geometrieunterrichts abgeleitet werden.

Methodik: Als Teilnehmerin des Promotionsstudiengangs Didaktische Rekonstruktion an der Universität Oldenburg bietet mir das Modell der Didaktischen Rekonstruktion einen Orientierungsrahmen. Mit diesem Modell wird ein Forschungsparadigma verfolgt, das fachliche Vorstellungen mit Schüler/innenperspektiven so in Verbindung setzt, dass daraus ein Lerngegenstand entwickelt werden kann (Kattmann u.a. 1997, S.3). Da sich interne Denkprozesse beim Lösen der Aufgaben einem direkten Zugriff entziehen, wurde für die Erhebung ein Design angewendet, welches durch verschiedene Erhebungsmethoden unterschiedliche Sichtweisen und Reflexionsebenen verdeutlicht (Busse & Borromeo Ferri 2003, S.169). Neben einer Bearbeitung von vier Geometrieaufgaben wurden ein Nachträgliches Lautes Denken, ein Interview und ein Nachbearbeiten unter Anleitung durchgeführt. Ergänzend zur qualitativen Erhebung wurden die Bearbeitungen der Hauptschülerinnen und Hauptschüler analysiert, die 2003 an der PISA-Studie teilnahmen. Die Ergebnisse sollen im Sinne einer Triangulation qualitativer und quantitativer Forschung ausgewertet werden.

Die 12 Schülerinnen und Schüler, die an der qualitativen Erhebung teilnahmen, waren zur Zeit der Durchführung der Untersuchung 15 Jahre alt und befanden sich demnach am Ende der Pflichtschulzeit. Die Stichprobe der quantitativen Untersuchung umfasst die 473 Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die in der PISA-Studie 2003 die ausgewählten Untersuchungsaufgaben bearbeiteten.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass die Begriffe bei den untersuchten Hauptschülerinnen und Hauptschülern vorwiegend formelorientiert und rechnerisch repräsentiert sind. Dabei gibt es nur wenige, unvollständige Vernetzungen der Begriffe untereinander. Es fehlen anschauliche, beziehungsreiche und an Inhalte gebundene Vorstellungen, die für das Lösen der meisten PISA-Aufgaben notwendig sind.

Kontakt:

Frauke Ulfig: frauke.ulfig@uni-oldenburg.de

Literatur:

Busse, Andreas & Borromeo Ferri, Rita (2003). Agieren, kommentieren, reflektieren – ein Beitrag zur Methodendiskussion in der Mathematikdidaktik. In Gesellschaft f. Didaktik d. Mathematik (Hrsg.), Vorträge auf der 37. Tagung für Didaktik der Mathematik vom 3. bis 7. März 2003 in Dortmund (S.169-172). Hildesheim: Franzbecker Verlag.

Kattmann, Ulrich Duit, Reinders, Gropengießer, Harald & Komorek, Michael (1997). Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion – Ein Rahmen für naturwissenschaftliche Forschung und Entwicklung. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften3(3), 3-18.

Verstehensrelevantes Vorwissen und die Interpretation literarischer Texte: Wie Schülerinnen und Schüler ein Gedicht interpretieren

Almuth Meissner (HU Berlin)

Zielsetzung: Die qualitativ-empirische Studie will beschreiben, über welches für die literar-ästhetische Deutung eines Gedichts der Gegenwartslyrik notwendige spezifisch literarische Vorwissen Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe verfügen und inwiefern sie dieses in den Interpretationsprozess einbringen.

Forschungskontext: Die Studie basiert auf Vorarbeiten der deutschdidaktischen Forschung zu textseitigen Anforderungen an die Rezipient/innen literarischer Texte bezüglich des Wissens über verschiedene Kontexte. Der Wissensbegriff wird in Anlehnung an Kämper-van den Boogaart und Pieper (2008) differenziert in „substantivisches Wissen“ und „syntaktisches Wissen“, wobei letzteres motivational-volitionale und metakognitive Aspekte einschließt (Kämper-van den Boogaart & Pieper 2008, S.61). Der Stellenwert von relevantem Vorwissen für das Verstehen von Texten wird einsichtig in dem von Kintsch (1998) entwickelten Konstruktions-Integrationsmodell. Während die Relevanz eines inhaltlich-thematischen Vorwissens auf das Verstehen von Sachtexten wiederholt empirisch nachgewiesen werden konnte, befindet sich die empirische Erforschung des Einflusses eines spezifisch literarischen Vorwissens auf das Verstehen literarischer Texte im Anfangsstadium.

Design und Methoden: Die Studie folgt einem qualitativen Design, mit dem Verbaldaten zur Interpretation eines (post-) modernen Gedichts erhoben und hinsichtlich des spezifisch literarischen Vorwissens verglichen werden. Die Stichprobe für die Pilotierung bestand aus fünf Schülerinnen und zwei Schülern eines Leistungskurses Deutsch der 12. Jahrgangsstufe eines Berliner Gymnasiums (purposive bzw. convenience sample). Die Verbaldaten wurden mithilfe der Methode des multi-method interviews nach Wilson und Clarke (2004) erhoben und anschließend nach der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet (vgl. Mayring & Gahleitner im Druck). Das Kategoriensystem basiert auf einem Analyseschema nach Zabka (2005).

Ergebnisse: Bisher vorliegende Ergebnisse eines Pretests ergaben erste Hinweise auf den Status relevanter Vorwissensstrukturen, die den Interpretationsprozess der Proband/innen beeinflussten. Deutlich wurde v.a. ein in Umfang, Differenziertheit bzw. Struktur mangelhaft ausgeprägtes domänenspezifisches substantivisches Vorwissen (z.B. Textsortenwissen), was die Interpretation jenseits einer lebensweltlichen Vereindeutigung verhinderte.

Kontakt:

Almuth Meissner: almuth.meissner.1@staff.hu-berlin.de  

Literatur:

Kämper-van den Boogaart, Michael & Pieper, Irene (2008). Literarisches Lesen. Didaktik Deutsch Sonderheft, 46-65.

Kintsch, Walter (1998). Comprehension. A paradigm for cognition. New York: Cambridge University press.

Mayring, Philipp & Gahleitner, Silke Birgitta (im Druck). Qualitative Inhaltsanalyse. In Karin Bock &  Ingrid Miethe (Hrsg.), Handbuch Qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich.

Wilson, Jen & Clarke, David (2004). Towards the modelling of mathematical metacognition. Mathematics Education Research Journal16(2), 25-48.

Zabka, Thomas (2005). Pragmatik der Literaturinterpretation. Tübingen: Niemeyer.

Der Weg zur Gesundheitsfördernden Schule. Eine Wiener Volksschule im Spannungsfeld der Logiken von Organisation und Interventionskonzept

Waldemar Kremser (Ludwig Boltzmann Institute Health Promotion Research, Wien)

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Es zeigt sich, dass in Bezug auf die Verbreitung und die Konsequenz der Implementierung von Gesundheitsförderung (GF) Schwierigkeiten bestehen (vgl. u.a. Stewart-Brown 2006). Vor dem Hintergrund einer systemischen Interventionstheorie (vgl. Willke 2005) rückt bezüglich dieser Probleme die Frage nach der Kompatibilität von System und Intervention in den Vordergrund.

Forschungsfrage: Im Rahmen einer Qualifikationsarbeit zur Erlangung des Master-Grades in Soziologie soll untersucht werden, wie (theoretische) Interventionskonzepte in (praktische) Interventionen übersetzt werden, und welche Rolle hier die schulischen Rahmenbedingungen spielen.

Methodik: Organisation und Intervention werden im Rahmen dieser explorativen Einzelfallstudie mit separaten Methoden analysiert, da sie diesbezüglich unterschiedliche Anforderungen stellen. Das Fallbeispiel ist eine Volksschule in Wien mit acht Klassen, die sich gerade im Anfangsstadion der Umsetzung von GF befindet. Die Feldforschung fand während des Schuljahres 2008/2009 statt.

Die Organisationsanalyse der Fallschule basiert auf Interviews. Hier stehen die vor allem latent wirksamen Kommunikationsstrukturen der Schule im Vordergrund. Dies lässt die Verwendung der hermeneutischen Methoden von Froschauer und Lueger (2003) sinnvoll erscheinen. Die Interventionen werden vor allem auf Basis von Beobachtungen analysiert. Da es mir darum geht, eine Theorie darüber zu entwickeln welcher Handlungslogik Interventionen folgen und wovon diese beeinflusst ist, scheint das Kodierparadigma (vgl. Strauss & Corbin 1996) mit seiner pragmatistischen Orientierung geeignet.

Ergebnisse: Vor allem die Forderung der modernen GF-Konzepte, dass Interventionen im Rahmen eines Gesundheitsmanagements koordiniert werden, scheint an der Fallschule nicht umsetzbar zu sein. Interventionen finden vor allem auf Klassenebene statt, wobei die Auswahl genauso wie die Umsetzung der GF-Interventionen in den meisten Fällen alleine von einzelnen Lehrer/innen diktiert wird. Es zeigt sich, dass Lehrerinnen abhängig vom Kontext, der Motivation und dem Wissen über GF sehr unterschiedliche Interventionen gestalten, die zum Teil etablierte GF-Prinzipien (z.B. Partizipation) nicht berücksichtigen. Interventionen, die schulische Strukturen oder das nähere Umfeld der Schule betreffen – weitere zentrale Anforderungen moderner GF – sind an der Fallschule sehr selten. Die Organisationsanalyse zeigt die Schule als „loosely coupled system“ (vgl. Weick 1976). Vor diesem Hintergrund lässt sich vermuten, dass viele der Anforderungen, die GF-Konzepte im Prinzip stellen, durch die Organisationsstrukturen der Fallschule nur schwer zu erfüllen sind.

Diskussion: Im Fokus soll die Art der Verknüpfung der Ergebnisse aus Interventions- und Organisationsanalyse stehen.

Kontakt:

Waldemar Kremser: waldemar.kremser@lbihpr.lbg.ac.at

Literatur:

Dür, Wolfgang & Griebler, Robert (2007). Die Gesundheit der österreichischen SchülerInnen im Lebenszusammenhang. Ergebnisse des WHO-HBSC-Survey 2006. Wien: Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend.

Froschauer, Ulrike & Lueger, Manfred (2003). Das qualitative Interview. Wien: WUV-Universitätsverlag.

Stewart-Brown, Sarah (2006). What is the evidence on school health promotion in improving health or preventing disease and, specifically, what is the effectiveness of the health promoting schools approach? Copenhagen: WHO Regional Office for Europe.

Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union.

Weick, Karl E. (1976). Educational organizations as loosely coupled systems. Administrative Science Quarterly21, 1-19.

Willke, Helmut (2005). Systemtheorie II: Interventionstheorie. Grundzüge einer Theorie der Intervention in komplexe Systeme (4., bearbeitete Auflage). Stuttgart: Lucius & Lucius.

Analyse von Videodaten zur Untersuchung von Strukturmerkmalen und Prozessabläufen im Sportunterricht. Ein Beitrag zur videobasierten Unterrichtsforschung

Konrad Kleiner (Fachdidaktikzentrum „Bewegung und Sport“, Universität Wien)

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Die Identifikation von Unterrichtsebenen und -phasen, die das Lernen von Schüler/innen und die didaktische Qualität des Sportunterrichts beeinflussen, sind Anliegen sportspezifischer Unterrichtsforschung. Die Unterscheidung zwischen Sicht- (Oberflächen) und Tiefenstruktur (Chomsky 1965) postuliert, dass die Oberflächenstruktur als Ergebnis der Tiefenstruktur zu verstehen sei. Letztere ist als „latente Regel“ zu deuten, die Lehrpersonen für Planung, Durchführung und Evaluation von (Sport-) Unterricht einsetzen.

Forschungsfragen: Nach welchen Mustern sprachlicher und nicht-sprachlicher Kommunikation werden „Choreografien“ konstruiert und Lernleistungen hervorgebracht. Die Studie untersucht, in welchem Umfang die Sprache zur Inszenierung von Bewegungshandlungen eingesetzt wird (quantitativer Anteil) und welche Funktionen diese sprachliche und nicht-sprachliche Kommunikation in Choreografien erfüllen (qualitativer Anteil). Welche Konfigurationsfrequenzmuster der Sprechhandlungen können isoliert werden und welche Variationsmuster treten in Abhängigkeit von Kontextbedingungen (Inhalten) auf? Lassen sich Typen (Cluster) von Sprechhandlungen bilden und Lehrer/innen im Sport mit diesen Kriterien klassifizieren?

Anlage der Studie und Methodik: Mithilfe von drei Videokameras und der Software Videograph werden in n=29 Unterrichtseinheiten (50 min) des Sportunterrichts die Lehrperson, die Interaktion Lehrer/in-Schüler/innen und die Gesamtperspektive Sporthalle in den Blick genommen. Die per Funk übertragenen Sprechhandlungen werden transkribiert und mit dem System „KAVS- I“ (Kategoriensystem zur Analyse des Verbalverhaltens im Sportunterricht) auf der Basis von Sprechhandlungsakten unter Bestimmung der Intercoder-Übereinstimmung (Scotts p) codiert (12.161 Handlungssequenzen). Interaktionsfrequenzmuster (1., 2. und höherer Ordnung) werden identifiziert, das non-verbale Verhalten wird nach dem „funktionalen Ansatz“ (Ekmann & Friesen 1969) mit sprachlichen Inszenierungsformen parallelisiert und geclustert.

Ergebnisse: Sprache und non-verbale Kommunikation haben eine zentrale, situativ ausdifferenzierte Funktion für das Choreografieren von Sportunterricht. Die Sprechhandlungen zur „Instruktionen zur Realisierung der aktionalen Phase“ (21,7%) und zur „Organisation“ (22,2%) treten gepaart mit „Emblemen“, „Illustratoren“ und „Adaptoren“ auf. „Unterstützende Sprechhandlungen“ und „zurechtweisende Sprechhandlungen“ werden in etwa gleichem Ausmaß verwendet. Es lassen sich Oberflächenmerkmale (Zyklen) nachweisen und Tiefenstrukturen isolieren. Das „non-verbale Verhalten“ kann nach funktionalen Darstellungsregeln gegliedert und kontextorientiert interpretiert werden.

Diskussion: Zur Diskussion gestellt wird, ob das gewählte methodische Vorgehen die Beschreibung des Konstrukts „Sportunterricht“ und seiner Inszenierungsformen (Choreografien) erlaubt und ob die Sicht- (Oberflächen) und Tiefenstrukturen didaktisch angemessene Interventionen zulassen.

Kontakt:

Konrad Kleiner: konrad.kleiner@univie.ac.at

Webseite: http://www.univie.ac.at/sportdidaktik

Literatur:

Chomsky, Noam (1965). Aspects of the theory of syntax. Cambridge, Massachusetts: MIT Press.

Ekman, Paul & Friesen, Wallace V. (1969). The repertoire of nonverbal behavior: Categories, origins, usage and coding. Semiotica1, 49-98.

Pauli, Christine & Reusser, Kurt (2006). Von international vergleichenden Video Surveys zur videobasierten Unterrichtsforschung und -entwicklung. Z. f. Päd.52(6), 774-798.

Tsangaridou, Niki (2006). Teachers’ knowledge. In David Kirk, Doune Macdonnals & Mary O’Sullivan (Hrsg.), The handbook of physical education (S.502-515). London: Sage Publications.

Wirtz, Markus & Caspar, Franz (2002). Beurteilerübereinstimmung und Beurteilerreliabilität. Göttingen: Hogrefe.

Ethnografischer und rekonstruktiver Zugang zur Fallkonstitution in der Jugendhilfe

Dr. Petra Bauer, Prof. Dr. Richard Münchmeier, Dipl.-Päd./MA Sarina Ahmed, Dipl.-Päd. Brit Heyer (Freie Universität Berlin, Sozialpädagogik)

Forschungskontext: Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts (Laufzeit: 01.12.2007 – 30.11.2009) werden institutionelle und professionelle Bearbeitungsformen der Problemlagen von Jugendlichen, die in Jugendhilfeeinrichtungen betreut werden, untersucht.

Ausgangspunkt: Zum einen stellen Diagnose und Fallverstehen als spezifische Formen der professionellen Problembeschreibung zentrale Mechanismen zur Wahrnehmung und Einordnung klient/innenspezifischer Problemlagen als professionelle Aufgabenstellungen dar. Zum anderen lassen sich Prozesse der Fallkonstitution, das heißt der Diagnose und Urteilsbildung, als Schlüsselmechanismen in professionellen Organisationen bezeichnen. Vor diesem Hintergrund fokussiert das Projekt das für sozialpädagogische Diagnose und Urteilsbildung zentrale Zusammenwirken von professioneller und organisatorischer Logik.

Forschungsfrage: Wie konstituieren sich Wahrnehmungen von und Sichtweisen auf die betreuten Kinder(n) und Jugendliche(n) in Organisationen der Jugendhilfe im innerorganisatorischen Aushandlungsprozess? Gefragt wird danach, welche Zusammenhänge zwischen organisatorischen Mechanismen, insbesondere organisationskulturellen Faktoren, der konzeptuellen Ausrichtung der Einrichtung und den fachlichen Orientierungen der pädagogischen Mitarbeiter/innen bestehen.

Anlage der Studie: Mittels eines ethnografischen, qualitativ-rekonstruktiven Forschungszugangs und einer vergleichenden Untersuchung von vier Jugendhilfeeinrichtungen werden vor allem alltägliche Handlungspraktiken und klient/innenbezogene Deutungsmuster Professioneller in der Erziehungshilfe untersucht. Bei den untersuchten Einrichtungen handelt es sich um Regeleinrichtungen der Jugendhilfe mit einem breiten Spektrum an ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten aus dem Bereich der Hilfen zur Erziehung. Speziell wurde bei der Auswahl der Einrichtungen eine Priorisierung von sog. Traditionseinrichtungen vorgenommen, in denen trotz Dezentralisierung und Wohnortnähe ein klarer organisatorischer Zusammenhang zur Gesamteinrichtung besteht und ein organisatorisches Zentrum erkennbar ist.

Methodik: Das zu präsentierende Poster dokumentiert den sich zirkulär-gestaltenden Forschungsprozess mit seinen unterschiedlichen Etappen und den unterschiedlichen Methoden, die sich jeweils auf Teilaspekte des Forschungsgegenstands beziehen. Entsprechend werden sowohl die ethnografische Strategie als auch die einzelnen Methoden (Teilnehmende Beobachtung, Leitfadeninterviews, Aktenanalyse, Gruppendiskussion) im Mittelpunkt stehen.

Diskussion: Im Poster werden wir neben dem Fokus der Studie vor allem den methodischen Zugang und das Design präsentieren und zur Diskussion stellen.

Kontakt:

Petra Bauer: bauer@zedat.fu-berlin.de
Richard Münchmeier: muenchm@zedat.fu-berlin.de  

Webseite: http://www.ewi-psy.fu-berlin.de/fallkonstitution   

Literatur:

Bohnsack, Ralf (1991). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualitativer Forschung. Opladen: Leske + Budrich.

Evaluation der Laufbahnberatung Tirol

Dr. Eva Fleischer (Management Center Innsbruck, Studiengang Soziale Arbeit)

Projektkontext: Das Zukunftszentrum Tirol führt im Rahmen des Projekts „Laufbahnberatung Tirol“ (Laufzeit 01.07.2007 – 30.06.2010) kostenlose bildungsanbieterunabhängige, kompetenzorientierte und niederschwellige Bildungs- und Berufsberatung an vier Standorten (Region Oberland, Region Unterland, Region Innsbruck, Region Osttirol) durch. Neben der Erreichung von spezifischen Zielgruppen  hat das Projekt folgende Ziele:

  • bildungsferne, niedrigqualifizierte Personengruppen anzusprechen, über Weiterbildung zu informieren und zu beraten sowie für Weiterbildung Interesse zu wecken und zu motivieren;
  • den Zugang zur Aus- und Weiterbildung durch niederschwellige Beratungsangebote zu verbessern;
  • die Bevölkerung zum lebensbegleitendem Lernen zu motivieren und bei der Auswahl von Aus- und Weiterbildung zu unterstützen und
  • zum Treffen von realistischen Laufbahnentscheidungen zu aktivieren.

Zielsetzung und methodische Umsetzung: Die projektbegleitende Evaluation soll die Erreichung dieser Zielvorstellungen unterstützen und durch Rückmeldungen bzw. die Begleitung von Prozessen der Selbstevaluation die gesteuerte Qualitätsentwicklung fördern. Der Methodenansatz verfolgt dabei eine Verknüpfung von Innen- und Außenperspektive, von qualitativen und quantitativen Methoden. Die Evaluation fokussiert drei Ebenen, für die jeweils unterschiedliche Vorgangsweisen und Methoden angemessen sind.

Ebene Projektinnenwelt (BeraterInnen + Projektleitung)

  • Kurzfragebogen für BeraterInnen nach der Beratung zur Beurteilung der eigenen Arbeit (Selbstevaluation)
  • Beurteilung der institutionellen/strukturellen Voraussetzungen der Beratung durch das Beratungsteam anhand eines Fragebogens
  • Auswertung von Lebensläufen und Selbsteinschätzungsfragebögen der BeraterInnen zur Einschätzung der Kompetenzen

Ebene KlientInnen

  • Auswertung der Daten der KlientInnendatenbank:
    • Inhalte: soziodemografische Merkmale, Weg in die Beratung, Beratungsanliegen
    • Vollerhebung vor / in der Beratung
  • Fragebogen I für KlientInnen
    • Inhalte: soziodemografische Merkmale, Erhebung der KlientInnenzufriedenheit
    • Vollerhebung für festgelegten Zeitraum, Zeitpunkt: direkt nach dem Beratungsgespräch
  • Fragebogen II für KlientInnen
    • Inhalte: soziodemografische Merkmale, Erhebung der langfristigen KlientInnenzufriedenheit 
    • Vollerhebung, Zeitpunkt: sechs Monate nach dem Beratungsgespräch
  • Problemzentrierte Interviews mit Klientinnen
    • Inhalte: Berufs- und Bildungsbiografie, Weiterbildungsmotivation, hemmende bzw. fördernde Faktoren zur Inanspruchnahme von Beratungsangeboten, längerfristige Wirksamkeit der Beratung
  • Fokusgruppe mit BeraterInnen
    • Inhalt: Probleme und Lösungen der Laufbahnberatung aus Sicht der BeraterInnen

Ebene Projektumwelten

  • ExpertInneninterviews mit Mitgliedern des Fachbeirates
  • Fragebogenerhebung NetzwerkpartnerInnen

Diskussion: Bis zum Zeitpunkt der Tagung können erste Ergebnisse aus den Ebenen BeraterInnen bzw. KlientInnen präsentiert werden.

Kontakt:

Eva Fleischer: eva.fleischer@mci.edu

Literatur:

KBCB (Schweizer Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Berufs- und Studienberatung) (2004). Swiss Counseling Quality. Qualitätsmanagement in der Berufs-, Studien- und Laufbahn Beratung. Fragebogen zur Selbstevaluation.http://www.kbsb.ch/FragebogenSCQ_D.pdf [Zugriff: 10.4.2009, broken link].

MEVOC (2009). Kompetenzstandardshttp://www.mevoc.net/DE/htm/fs.htm [Zugriff: 1.6.2009]

Die Rolle der Metapher in Prozessen der Selbstkonstituierung

Thomas Bendl (WISDOM, Wien)

Forschungskontext: Thema und allgemeiner Rahmen dieser Forschungsarbeit sind Subjektformierungen und Subjektivierungsweisen, die in gegenwärtigen Diskursen (vor allem in jenen des unternehmerischen Selbst) Subjekte konstituieren. Menschen müssen sich zu dem machen, was sie schon sind, indem sie die prozessualen Subjektivierungen immer wieder performativ aktualisieren (Selbsttechnologien). Zentrales Mittel dieser Performanz des Selbst ist allgemein die Sprache und im Besonderen sind es Metaphern. In metaphorischen Selbstobjektivierungen erschaffen Menschen eine kommunizierbare Entität, welche eingebunden ist in Ordnungen des Wissens und in Herrschaftsverhältnisse. Sich selbst gegenüberzutreten, sich als Mensch, Individuum, Selbst wahrzunehmen, ein Wissen über sich in diesen Kategorien zu haben, aus diesem Wissen sodann ein Selbst zu formen und zu modellieren sowie performativ darzustellen und zu kommunizieren – ein besseres Verständnis dieses Prozesses zu erreichen, wird das Ziel meiner Dissertation sein. Meine Forschung befindet sich noch eher in der Planungsphase; Fokus des Posters ist die methodische Umsetzung.

Ausgangspunkt: Für die vorliegende Arbeit ist besonders zentral, dass Macht wesentlich durch Sprache hindurch operiert und zwar in den verborgenen, selbstverständlich vorausgesetzten und geteilten Metaphern und Mustern des Sprachgebrauchs. Diese mehr oder weniger selbstverständlich gebrauchten Metaphern bzw. die sie umgebenden Diskurse sollen in meiner Forschungsarbeit untersucht werden. Genauer gesagt soll es um jene Konstellationen von Macht und Wissen gehen, die auf das Subjekt zielen, das Subjekt konstituieren.

Forschungsfrage(n):

  • Welche Metaphern werden bevorzugt angewandt, um über das eigene Selbst zu sprechen?
  • Sind Metaphern Werkzeuge gouvernementaler Subjektivierungsprozesse?
  • Lässt sich das Phänomen Scheitern als missglückende Subjektkonstitution (die konkrete Biografiearbeit schlägt fehl) oder als Subjektkonstitutionen des Missglückens (eine scheiternde Biografie praktizieren) beschreiben?

Methodik: Um diese Fragen zu beantworten, soll in meiner Dissertation anhand von Transkripten biografischer Interviews Metaphern der Selbstbeschreibung nachgegangen werden. Ich gehe davon aus, dass verschiedene Typiken solcher Metaphern aufzufinden sind, die sich anhand ihrer Struktur und ihres Inhalts unterscheiden lassen. Neben den aus den Interviews resultierenden Metaphern der Subjektivierungsweisen möchte ich diskursanalytisch auch Metaphern der Subjektformierungen analysieren, wie sie zum Beispiel in der Ratgeberliteratur zu finden sind. Die Metaphern sollen anhand der Metaphernanalyse untersucht werden.

Diskussion: Das vorliegende Forschungsprojekt ist als methodische Verknüpfung der Untersuchung von Subjektformierungen und Subjektivierungsweisen gedacht. Die empirische Vorfindbarkeit von Metaphern sowohl in handlungsanleitenden Texten neoliberaler Diskurse des unternehmerischen Selbst als auch in Transkripten biografischer Interviews soll diese Verbindung ermöglichen. Zur Diskussion gestellt wird, ob eine solche Verknüpfung methodisch möglich erscheint und ob anhand der vorgefundenen Metaphern Schlüsse auf die konkreten Selbsttechnologien gezogen werden können.

Kontakt:

Thomas Bendl: t.bendl@gmx.at

Literatur:

Blumenberg, Hans (1997). Schiffbruch mit Zuschauer. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Bröckling, Ulrich (2007). Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform.

Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Lakoff, George & Johnson, Mark (2007). Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von

Sprachbildern. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.

Entwicklung von Autonomie und Relationalität  über die Lebensspanne – eine Rekonstruktion aus autobiografischen Erzählungen

Carolin Demuth, Heidi Keller, Helene Gudi, Hiltrud Otto (Universität Osnabrück)

Theorie/Rahmen: Autobiografische Erzählungen sind ein zentrales Mittel, dem Erlebten Sinn zu geben und die eigene Identität zu konstruieren. Narrative Selbstkonstruktionen sind dabei jedoch immer eingebettet in den größeren sozio-kulturellen Kontext und die jeweiligen kulturellen Werte, die darin vermittelt werden. Soziokulturelle Kontexte lassen sich anhand der relativen Gewichtung von Autonomie und Relationalität unterscheiden. Entsprechend werden in der Literatur auch unterschiedliche Selbstkonstrukte anhand dieser beiden Dimensionen diskutiert. In der vorliegenden Studie interessiert, wie Autonomie und Relationalität in autobiografischen Erzählungen konstruiert werden und wie frühe familiäre Sozialisationserfahrungen aus der Sicht des Subjekts die Entwicklung von Autonomie und Relationalität beeinflussen

Methode: Für die vorliegende Studie wurden 27 Teilnehmer/innen aus einer früheren Längsschnittstudie re-kontaktiert. Diese wurden mittels einer Kombination aus narrativem Interview und problemzentriertem Interview gebeten, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Die Daten wurden nach der Methodologie der Grounded Theory ausgewertet. Der Analyseschwerpunkt liegt auf den Dimensionen „relationale Verbundenheit“ und „Autonomie“. Ein weiterer Teil der Studie befasst sich mit längsschnittlichen Verlaufskurven mit Blick auf Ergebnisse aus früheren Erhebungszeitpunkten (z.B. Abendessen- und Spiel-Interaktionen in der frühen Kindheit). Im Poster soll jedoch nur auf die Rekonstruktion der Lebensläufe anhand der narrativen Interviews eingegangen werden.

Ergebnisse: Anhand des theoretischen Kodierens und der Methode des ständigen Vergleichs wurden folgende Achsenkategorien aus dem Datenmaterial entwickelt: „Ressourcenfunktion der Familie“, „Geförderter Werte durch Familie“, „Konfrontation mit Brüchen“, „Identifikation mit Werten der Ursprungsfamilie“. Auf Basis der unterschiedlichen Dimensionalisierungen dieser Kategorien wurde eine Typologie von Lebensverläufen erstellt, deren Typen sich im Hinblick auf die Rolle von Autonomie und Relationalität unterscheiden: Relationalität entwickelt sich demnach in Familien, die eine starke Ressourcenfunktion haben und traditionelle Werte vermitteln; ein autonom-relationaler Entwicklungspfad findet sich in Familien, in denen sowohl eine starke Ressourcenfunktion gegeben ist als auch Autonomie explizit gefördert wird. In Familien, die eine defizitäre Ressourcenfunktion haben, entwickelten die Teilnehmer/innen entweder eine einseitige starke Relationalität als Ersatzfunktion bzw. ein starkes Autonomiestreben als Gegenentwurf zum Leben der Eltern.

Diskussion und Ausblick: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein autonom-relationaler Entwicklungspfad am ehesten einer gesunden Entwicklung entspricht. Um weitere Aussagen über frühe Einflüsse der Familie machen zu können, verspricht ein Zusammenführen mit den frühen Daten aus der Längsschnittstudie ein erfolgreiches Vorgehen zu sein.

Kontakt:

Carolin Demuth: cdemuth@uni-osnabrueck.de

Literatur:

Brockmeier, Jens & Carbaugh, Donal (Hrsg.) (2001). Narrative and identity: Studies in autobiography, self and culture. Amsterdam: John Benjamins Publishing Company.

Crossley, Michele (2000). Introducing narrative psychology. Self, trauma and the construction of meaning. Buckingham: Open University Press.

Kagitçibasi, Çidem (2005). Autonomy and relatedness in cultural context: Implications for self and family. Journal of Cross-Cultural Psychology36(4), 403-422.

Mey, Günter & Mruck, Katja (Hrsg.) (2007). Grounded Theory Reader (Reihe: HSR Supplement 19). Köln: ZHSF.

Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1990). Basics of qualitative research – grounded theory procedures and techniques. London: Sage.

Von Generation zu Generation – der Generationswechsel in Familienunternehmen

Nicole Schmiade, Isabell Stamm (Forschungsgruppe Altern und Lebenslauf, Institut für Soziologie, Freie Universität Berlin)

Forschungskontext: Dieses Forschungsprojekt ist eines von insgesamt sechs Teilprojekten, die unter dem Rahmen Generationen der Erbengesellschaft von der VolkswagenStiftung im Programm Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften gefördert werden. Institutionell ist das Forschungsprojekt angebunden an die Freie Universität Berlin sowie an das European University Institute in Florenz und steht unter der Leitung von Prof. Martin Kohli (Laufzeit: Juli 2007 – Juli 2010).

Ausgangspunkt: In der Soziologie treffen auf die Verbindung von Unternehmen und Familie zwei modernisierungstheoretische Leitlinien, Individualisierung und funktionale Differenzierung, (vermeintlich) nicht zu. Mit dem Generationswechsel in Unternehmer/innenfamilien erfolgt eine Reproduktion der scheinbar anachronistischen Verbindung von Familie und Unternehmen. Der Nachfolgeprozess erscheint aus der Perspektive dieser Familien als Transfer von Vermögen und Verpflichtungen sowie als Statuspassagen in den jeweiligen Lebensläufen.

Forschungsfrage(n):

  1. Wie erleben die Familienmitglieder das Unternehmen und die Verbindung mit der Familie, und wie wirkt diese Verknüpfung auf die Generationenbeziehungen, die Lebenslauforientierungen und die biografischen Selbstdarstellungen?
  2. Wie lässt sich der Generationswechsel in Unternehmer/innenfamilien verstehen?
  3. Unterscheiden sich Unternehmer/innenfamilien von anderen Familienformen?
  4. Finden sich spezifische Berufs- und Familienbiografien bei Übergeber/innen und Nachfolger/innen?

Methodik und Anlage der Studie: Die Zielpersonen sind Übergeber/innen und Übernehmer/innen aus Unternehmer/innenfamilien; auch weitere relevante Familienmitglieder werden einbezogen. Es werden narrativ-biografische Interviews geführt, die fallrekonstruktiv (siehe u.a. Fischer & Rosenthal 1997; Rosenthal 2008) ausgewertet werden (Fragen 1 und 2). Gleichzeitig wird der Mikrodatensatz „Sozio-oekonomisches Panel“ (SOEP) auf die Fragen 3 und 4 hin analysiert.

Ergebnisse:

  • In Unternehmer/innenfamilien sind die Bereiche zwischen Arbeit und Familie, Beruflichem und Privatem entgrenzt.
  • Das Leben als (Familien-) Unternehmer/in bedeutet damit einen spezifischen Lebensstil, den die Nachfolger/innen wählen.
  • Retrospektiv wird der Generationswechsel von den Nachfolger/innen als rationale und zweckmäßige Entscheidung biografisiert.

Diskussion:

  • Sind Unternehmer/innenfamilien eine spezifische Familienform, die sich von „den anderen“ deutlich unterscheidet?
  • Ist das Einschlagen des durch das Familienunternehmen vorgegebenen Weges und damit eine unvollständige Loslösung von der Herkunftsfamilie als Individualisierungsmerkmal zu interpretieren, da sich Nachfolger/innen damit bewusst von Gleichaltrigen abgrenzen?

Kontakt:

Nicole Schmiade, Isabell Stamm: familienunternehmen@fall-berlin.de

Webseite: http://www.generationenforschung.de/projektIV_4.html

Literatur:

Fischer-Rosenthal, Wolfram & Gabriele Rosenthal (1997) Warum Biographieanalyse und wie man sie macht. Die Deutsche Schule, 405-427.

Rosenthal, Gabriele (2008). Interpretative Sozialforschung: Eine Einführung. Weinheim: Juventa.

Zur Konstruktion von Paarbeziehungen im Jugendalter

Zebiba Teklay (Tübingen)

Forschungskontext: In westlichen Gesellschaften tragen gesellschaftliche Wandlungsprozesse dazu bei, das traditionelle bürgerliche Modell der Familie mit seinen normativen Vorstellungen in Bezug auf das Geschlechter- und Generationenverhältnis als Referenzrahmen zunehmend infrage zu stellen. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die Etablierung und Gestaltung von Paarbeziehungen (vgl. Hill & Kopp 2007).

Ausgangspunkt: Angesichts dieser Entwicklungen werden nicht nur die Gesellschaft und ihre Regulierungsmechanismen vor neue Aufgaben gestellt, sondern auch die Bewältigungsstrategien von einzelnen Individuen. Das Jugendalter als Übergangsphase ist durch vielfältige biografische Übergangsthemen charakterisiert, die auf Spannungsverhältnisse spätmoderner Wandlungsprozesse verweisen und die Frage nach individuellen Bewältigungsstrategien aufwerfen (vgl. Stauber, Walther & Pohl 2007). Paarbeziehungen stellen eines dieser Themen dar. Das hier vorgestellte Promotionsvorhaben fokussiert Erfahrungen Jugendlicher in der biografischen Übergangsphase zum Erwachsenenalter, die vor der Herausforderung stehen, eigene Deutungen von Paarbeziehungen zu erarbeiten und eine eigene (Paarbeziehungs-) Biografie zu leben. Zwar wird sowohl in der Paarforschung als auch in der Jugendforschung die Relevanz von Paarbeziehungen im Jugendalter betont, jedoch sind Erkenntnisse im Hinblick auf die Bedeutung von Paarbeziehungen im Jugendalter und die subjektiven Relevanzen, die ihre Entwicklung im Hinblick auf andere Themen im Übergang von der Jugend ins Erwachsensein bekommen können, immer noch ein Desiderat. Meine Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, diese Forschungslücke zu schließen.

Forschungsdesign und methodisches Vorgehen: Meine Forschungsarbeit verfolgt einen rekonstruktiven Forschungsansatz und folgt der Methodologie der Grounded Theory. Die Auswertung der Interviewtexte erfolgt in einem rekonstruktiven Ansatz und basiert auf der Ebene der Einzelfallanalyse (vgl. Dausien 2004; Rosenthal 2008). Zur Bearbeitung der Frage nach Erfahrungen von Paarbeziehungen in der Lebensphase Jugend habe ich eine jugendkulturelle Szene als Zugang zum Forschungsfeld gewählt. Es liegen fünf narrative Interviews vor, anhand derer bereits erste Auswertungsschritte unternommen wurden.

Diskussion: Im Poster wird die Anlage der Arbeit präsentiert und es werden auswertungsstrategische Aspekte zur Diskussion gestellt.

Kontakt:

Zebiba Teklay: zebiba.teklay@uni-tuebingen.de  

Literatur:

Dausien, Bettina (2004). Biographieforschung. In Ruth Becker & Beate Kortendiek (Hrsg.), Handbuch der Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (S.314-125). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Hill, Paul B. & Kopp, Johannes (2007). Familiensoziologie. Grundlagen und theoretische Perspektiven (4., überarbeitete Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Rosenthal, Gabriele (2008). Interpretative Sozialforschung. Weinheim: Juventa Verlag.

Stauber, Barbara; Walther, Andreas & Pohl, Axel (Hrsg.) (2007). Subjektorientierte Übergangsforschung. Weinheim: Juventa Verlag.

The Dismantling of Unemployment? The Circulation of Scientific Knowledge and Social Policies in Germany, France and the OECD 1965-1980

Jochen F. Mayer

Forschungskontext: My research seeks to understand changing politico-scientific activities and administrative practice that construct unemployment as a social category. It is examining the informational basis of unemployment policies in France and Germany evident in econometrics, actuarial theory, and social statistics as produced by the IAB (Institute for Employment Research), the ANPE (L’Agence Nationale Pour L’Emploi) and the OECD. The focus of the research is between the mid-1960s when in Germany and France modern labour market research was institutionalised, and 1982 when the general conception of the modern welfare state began shifting.

Ausgangspunkt: This project is indebted to scholarship (Boltanski & Chiapello 2005) that regards the contemporary crisis in Western Welfare states as fundamentally a crisis of established social representations, of which unemployment is a very important one (Salais, Bavarez & Reynaud-Cressent 1986; Zimmermann 2006). In this context, my PhD stresses the circulation of researchers, objects, ideas and practices making the (re-)constitution of unemployment part of an interrelated history of France and Germany with a view on the transnational level (OECD).

Zielsetzungen:

  • To explain the history of welfare states as the „scientisation of the social“ (Raphael 1996), that is, in terms of the co-production of scientific knowledge, administrative practices and society;
  • to understand the co-construction of unemployment as a social category and social knowledge making at national and transnational scales;
  • to focus on scientific advice on the government of unemployment in the context of the „sciences of the state“, welfare administration and the OECD as a scientific authority and sponsor of social and economic knowledge.

Theoretischer Rahmen: Historical sociologists, such as Salais et al. and Zimmermann regard unemployment not as a mere reflection of a pre-existing social reality but as a practical category and a statistical representation that allows or obstructs public action. Such perspective reveals the competing ways in which unemployment has been defined as a social problem operative for political and administrative action. At the same time, this view accounts for thinking together cognitive, institutional and political transformations in the field of unemployment policies, and, in particular, the various ways the category „holds together“ (Desrosières 1991) or was dismantled, as is arguably the case today.

Methodik:Empirically, this study is based on archival work. Archives in Koblenz, Berlin, Paris and Fontainebleau house sources of Ministries, Labour Offices, research bodies and expert commissions. Discourse analysis allows tracing how knowledge circulates through space and time beyond institutional frames and is suitable for analysing internal developments of archived knowledges. Supported by MAXQDA, particular predominant problem perspectives, implicit notions of causality and rationality, the modalities of authoritative speech (expertise), and the intervention strategies proposed will be analysed.

Diskussion: The poster presents my work at the time of a pilot study in the Federal Archive/Koblenz and the OECD archive/Paris. I would be delighted to discuss the significance of the various scales of comparison involved (trans-/infra-/national), i.e. to what extent the notion of „circulation“ of new ideas and experiments might recast our knowledge of nationalized reform projects in the field of unemployment.

Kontakt:

Jochen F. Mayer: J.Mayer@sms.ed.ac.uk

Literatur:

Boltanski, Luc & Eve Chiapello (2005). The new spirit of capitalism. London: Verso.

Desrosières, Alain (1991). How to make things which hold together: Social science, statistics and the state. In Peter Wagner, B. Wittrock & Richard P. Whitley (Eds.), Discourses on society. The shaping of the social science disciplines (pp.195-218). Dordrecht: Kluwer Academic Publishers.

Raphael, Lutz (1996). Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als Methodische und Konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts. Geschichte und Gesellschaft22, 165-193.

Salais, Robert; Bavarez, Nicolas & Reynaud-Cressent, Benedicte (1986). L’invention du chômage. Histoire et Transformation d’une Catégorie en France des Années 1890 aux Années 1980. Paris: Presses Universitaires de France.

Zimmermann, Bénédicte (2006). Arbeitslosigkeit in Deutschland. Zur Entstehung einer sozialen Kategorie. Frankfurt/Main: Campus.

Konzepte der Repräsentation in Deutschland und den USA: Politiker/innen im kontextualisierten Vergleich

Jürgen Petersen (Goethe-Universität Frankfurt/Main)

Forschungskontext: Das Konzept der politischen Repräsentation ist theoretisch wie empirisch umstritten. Die politikwissenschaftliche Forschung hat bisher allerdings die Kapazität politischer Akteure zur selbstreflexiven Konzeptionalisierung komplexer politischer Konzepte ignoriert.

Studie und methodische Umsetzung: Das Poster präsentiert den konzeptionellen Zugang, die methodische Umsetzung sowie die Ergebnisse einer empirisch-interpretativen Studie der Akteurskonzepte von Repräsentation bei Politiker/innen in Deutschland und den USA. Dabei wurden in zwei lokalen Fallstudien (Göttingen, Ann Arbor) mittels fokussiert-narrativer Interviews die Repräsentationskonzeptionen von 24 Parlamentarier/innen verschiedener politischer Ebenen (lokal, regional, national) erhoben. Die Datenauswertung erfolgte mittels eines induktiv erarbeiteten Kategorienschemas unter Zuhilfenahme von MAXqda. Die Interpretation nutzte dann die Möglichkeit des Fallvergleichs, um typologische Inhaltskategorien zu erarbeiten und diese in Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den Fällen und Ebenen zu analysieren. In einem abschließenden Interpretationsschritt wurden diese Ergebnisse in den weiteren institutionellen und politisch-kulturellen Kontext eingeordnet.

Ergebnisse:

  • Repräsentation ist aus Akteurssicht ein sinnhaltiges Konzept, das nicht isoliert, sondern als Netzwerk unterschiedlich konstruierter kategorialer Konzepte reflektiert wird.
  • Für die befragten amerikanischen lokalen und nationalen Politiker/innen steht die Repräsentation der lokalen lebensweltlichen community normativ im Mittelpunkt. Sie betrachten das eigene Mandat als bürgerschaftliche, temporäre und nicht-distinktive Position. Politiker/innen des Bundestaates verfolgen hingegen ein Konzept professioneller, wertfreier und kooperativ-parlamentarischer Politikgestaltung, mit Bürger/innen als Träger/innen benennbarer inhaltlicher Politikpositionen. Die Reflexion erfolgt dabei in deklarativer, abstrakter, normativer und (selbst-) kritischer Form.
  • Für die befragten deutschen Politiker/innen lässt sich ein einheitliches Netzwerk rekonstruieren, in dem Repräsentation als von der Bürgerschaft personell und institutionell distanzierter Bereich gesehen wird. Durch Wahl autorisierte und in Parteien/Fraktionen eingebundene Repräsentant/innen werden als Expert/innen für Politikfelder betrachtet. Die deutschen Politiker/innen stellen ihr Wissen stärker implizit, partiell, handlungsbezogen und Status Quo-orientiert dar.
  • Kontextuell interpretiert zeigt sich im amerikanischen Fall ein Spannungsverhältnis zwischen einem liberal-institutionellen und einem republikanischen Ideal von Demokratie. Beide bieten den Akteuren ein gemeinsames Repertoire („tool kit“, Swidler 1986) an Begründungsmustern. Im deutschen Fall fehlt ein explizites, normatives Repertoire, sodass einerseits implizit auf überkommene Traditionen zurückgegriffen wird, andererseits Repräsentationskonzeptionen als institutionell etablierte, parteienstaatliche Praktiken legitimiert werden.

Kontakt:

Jürgen Petersen: petersen@soz.uni-frankfurt.de

Literatur:

Kelle, Udo & Susann Kluge (1999). Vom Einzelfall zum Typus: Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.

Swidler, Ann (1986). Culture in action: Symbols and strategies. American Sociological Review51(2), 273-286.

Die Vermittlung von Geschlechtergleichberechtigung in der Europäischen Nachbarschaftspolitik – ein Mittel der Machtausübung?

Stefanie Kessler (Universität Bremen)

Forschungskontext: Die Einbindung von Geschlechtergleichberechtigung (Gender) in der Europäischen Außenpolitik ist bislang nur unzureichend erforscht. Allerdings wird Gender auch nicht oft in die Außenpolitik der Europäischen Union (EU) eingebunden. Um so interessantes ist es, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) sehr starke Bezüge zu Geschlechtergleichberechtigung herstellt. Warum wird Gender hier stärker einbezogen? Dieser Frage wird in einem Forschungsprojekt von Stefanie Kessler (Universität Bremen) und Petra Debusscher (Ghent Universität in Belgien) nachgegangen. Die Analyse der Dokumente wurde aufgeteilt und ist momentan in der Bearbeitungsphase.

Ausgangspunkt: Die ENP wird vorwiegend im Machtzentrum Brüssel erarbeitet, und die Nachbarländer haben lediglich die Option, diese zu akzeptieren oder abzulehnen. Eine wirkliche Partnerschaft, von der die EU selbst spricht, stellt die ENP nicht dar. Vielmehr scheint die EU das asymmetrische Verhältnis zwischen der eigenen machtvollen Position und der schwächeren der Nachbarländer auszunutzen, um eigene Interessen durchzusetzen. Der EU wird daher vorgeworfen, in der ENP als normativer Hegemon zu agieren.

Forschungsfrage: Spiegelt die Gender-Dimension der ENP das Machtverhältnis zwischen EU und Nachbarländern wieder? Ist die Gender-Dimension demnach ein Mittel der Machtausübung durch die EU?

Methodik: Mithilfe einer kritischen feministischen Diskursanalyse soll die Gender-Dimension im Text der ENP-Dokumente untersucht werden. Das asymmetrische Machtverhältnis zwischen EU und Nachbarländern müsste in der Gender-Dimension dadurch deutlich werden, dass die Terminologie und Operationalisierung von Gender-Politik in der ENP hauptsächlich durch die EU definiert und durch deren übergeordnete makroökonomische und sicherheitsorientierte Interessen geleitet ist.

  • Wenn die ENP-Dokumente untereinander ein ähnliches Verständnis bzw. einen ähnlichen Diskurs zu Gender widerspiegeln, würde dies eine EU-Zentrierung bestätigen. Im Gegensatz dazu würden starke Unterschiede ein kulturell sensibles Verständnis implizieren.
  • Für einen kulturell sensiblen Ansatz würde sprechen, wenn die Situationsanalysen für jedes Land übersetzt werden in länderspezifische Maßnahmen, d.h., wenn Gender-Ansätze für jedes Land spezifisch aufgenommen werden. Dies würde einer EU-Zentrierung widersprechen.
  • Und drittens wird untersucht, ob Gender in der ENP ähnlich durch makroökonomische Zielstellungen eingerahmt ist wie die interne EU-Gender-Politik. Ist Gender-Politik auf den Arbeitsmarkt orientiert oder wird es anders definiert (zum Beispiel als grundlegendes Menschenrecht)?

Diskussion: Anliegen an die Postersession ist eine Besprechung des genaueren Vorgehens bei der Analyse: Kann hiermit ein asymmetrisches Machtverhältnis in der Gender-Dimension nachgewiesen werden?

Kontakt:

Stefanie Kessler: skessler@uni-bremen.de

Literatur:

Kronsell, Annica (2006). Methods for studying silences: gender analysis in institutions of hegemonic masculinity. In Brooke A. Ackerly, Maria Stern & Jacqui True (Hrsg.), Feminist methodologies for international relations (S.108-128). Cambridge: Cambridge University Press.

Haukkala, Hiski (2008). The European Union as a regional normative hegemon: The case of European neighbourhood policy. Europe­Asia Studies60(9). 1601-1622.

Jones, Alun & Clark, Julian (2008). Europeanisation and discourse building: The European Commission, European narratives and European neighbourhood policy. Geopolitics13, 545-571.

Pace, Michelle (2007). Norm shifting from EMP to ENP: The EU as a norm entrepreneur in the south? Cambridge Review of International Affairs20(4), 659-675.

Internationalisierung der Büroimmobilienmärkte in Deutschland

Matias Ruiz Lorbacher (Freie Universität Berlin)

Ausgangspunkt und theoretischer Rahmen: Erhöhte Markttransparenz und eine Professionalisierung der Immobilienbranche erleichtern den Marktzugang internationaler Investoren zu deutschen Immobilienmärkten, insbesondere zu Büroimmobilienmärkten der Großstädte. Damit gehen neue Formen, Verfahren und Praktiken des Handelns mit Immobilien einher. Gleichzeitig verändern sich die Strukturen der Immobilienmärkte. In Anlehnung an die „kulturelle Geographie der Ökonomie“ (Berndt & Boeckler 2007), performative Ansätze sowie die Actor-Network-Theory beschäftigt sich die Dissertation mit der Konstruktion und Formung von Immobilieninvestmentmärkten durch die Praktiken der Wirtschaftsakteure. Die genannten theoretischen Ansätze gehen davon aus, dass Märkte keine vorgegebenen Entitäten sind. Vielmehr werden sie durch die Handlungen, Aktivitäten und Praktiken der Akteure geschaffen und konfiguriert. Märkte sind als eine im konstanten Wandel begriffene Vermengung verschiedener Praktiken zu verstehen, im Falle von Immobilieninvestments u.a. die Praktiken des Portfolio-Managements, der Bewertung von Immobilien und der Marktbeobachtung.

Forschungsfragen: Die zentralen Fragen der Dissertation lauten: Wie werden Büroimmobilienmärkte performativ hergestellt? Wie entwickeln sich lokale Büroimmobilienmärkte zu internationalen bzw. globalen Märkten für Immobilieninvestments?

Untersuchungsdesign: Die empirische Grundlage der Studie bilden leitfadengestützte Interviews mit 25 Interviewpartner/innen aus den Bereichen Real Estate Investment, Asset Management, Property Management, Consulting, Valuation, Research und Projektentwicklung sowie mit Nutzer/innen. Die Interviews werden einem integrativen, texthermeneutischen Analyseverfahren (Helfferich & Kruse 2007, Kruse 2008, Lucius-Hoene & Deppermann 2002) unterzogen. Dabei wird untersucht, mit welchen Praktiken sich die unterschiedlichen Marktakteure ökonomische Realitäten erschließen und wie die Praktiken in die Herstellung sozialer Wirklichkeit beziehungsweise der Büroimmobilienmärkte einfließen. Ziel ist das Herausarbeiten zentraler Deutungsmuster und Sichtweisen sowie von Thematisierungsregeln in der Einzelfallanalyse und Längsauswertung.

Diskussion: Die Arbeit ist momentan in der Auswertungsphase. Das Poster stellt das Forschungsdesign in den Mittelpunkt und stellt auswertungsmethodische Aspekte zur Diskussion.

Kontakt:

Matias Ruiz Lorbacher: mrl@zedat.fu-berlin.de

Literatur:

Berndt, Christian & Boeckler, Marc (2007). Kulturelle Geographie der Ökonomie. Zur Performativität von Märkten. In Christian Berndt & Robert Pütz (Hrsg.), Kulturelle Geographien. Zur Beschäftigung mit Raum und Ort nach dem Cultural Turn (S.213-258). Bielefeld: transcript.

Helfferich, Cornelia & Kruse, Jan (2007). Hermeneutisches Fremdverstehen als eine sensibilisierende Praxeologie für sozialarbeiterische Beratungskontexte. Oder: Vom „professionellen Blick“ zum „hermeneutischen Ohr“. In Wolfram Fischer, Cornelia Giebeler, Martina Goblirsch & Gerhard Riemann (Hrsg.), Rekonstruktion und Intervention. Interdisziplinäre Beiträge zur rekonstruktiven Sozialarbeitsforschung (S.175-188). Leverkusen: Barbara-Budrich-Verlag.

Lucius-Hoene, Gabriele & Deppermann, Arnulf (2002). Rekonstruktion narrativer Identität. Ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews. Opladen: Leske+Budrich.

Ablauf eines diskursanalytischen Forschungsprozesses. Zur Methodik der Dissertation „Gefährdung, Gastrecht und Integrationspflicht. Differenzkonstruktionen im deutschen Ausweisungsdiskurs 1996-2007“

Tobias Schwarz (Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Europäische Ethnologie)

Forschungskontext und Ausgangslage: Die Dissertation „Gefährdung, Gastrecht und Integrationspflicht“ untersucht die Wissensordnung des öffentlichen deutschen Ausweisungsdiskurses. Zwischen 1991 (dem Inkrafttreten des reformierten Ausländergesetzes) bis zum Jahr 2007 (zugleich dem dritten Jahr des novellierten Ausländerrechts wie auch dem Zeitpunkt, an dem die systematische Quellenauswertung für diese Forschung endete) traten vielfach Konjunkturen des Redens über Ausweisungen auf. Dadurch stand eine sehr breite Materiallage zur Verfügung.

Forschungsfrage des Promotionsprojekts: Welche Differenzkonstruktionen sind aktuell im öffentlichen Reden über Ausweisungen erkennbar, wie werden diese erzeugt und welche Wirkungen haben sie?

Methodik der empirischen Forschung: Der diskursanalytische Forschungsansatz wird als reflexive Interaktion mit dem Material verstanden. Die konkreten Forschungsschritte sind eine inhaltsanalytische Fokussierung innerhalb des gesamten Forschungszeitraums, eine daran anknüpfende theoretisch begründete Zusammenstellung des Materialkorpus sowie schließlich die detaillierte Feinanalyse.

Ergebnisse:  Durch die inhaltsanalytische Fokussierung wurden vier „diskursive Ereignisse“ als Schwerpunkte für die folgenden Forschungsschritte identifiziert.

Erst nach der zweiten Phase der theoretisch begründeten Zusammenstellung des Materialkorpus war der tatsächliche Umfang dieser diskursiven Ereignisse erkennbar; dadurch konnten die „diskursiven Knotenpunkte“ erschlossen werden.

Das Ziel der detaillierten Feinanalyse bestand schließlich in der Untersuchung einzelner Texte als Repräsentationen von Wissensordnungen. In dieser interpretativen Auswertungsphase wurden die einzelnen Diskursfragmente beschrieben, Zusammenfassungen der diskursiven Ereignisse angefertigt, die diskursive Ordnung und die Diskursstränge innerhalb der einzelnen diskursiven Ereignisse expliziert sowie Wechselbeziehungen der Diskursstränge über die einzelnen Ereignisse hinweg analysiert.

Diskussion: Das Poster verdeutlicht sowohl die Abfolge der qualitativen Forschungsschritte als auch die fortwährend herzustellenden Wechselbezüge zwischen beschreibenden und interpretierenden Ansätzen.

Kontakt: 

Tobias Schwarz: tobias.schwarz@rz.hu-berlin.de  

Literatur:

Keller, Reiner (2001). Wissenssoziologische Diskursanalyse. In Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider & Willy Viehöver (Hrsg.), Handbuch sozialwissenschaftliche Diskursanalyse (S.113-143). Wiesbaden: VS.

Schneider, Werner (1999). „So tot wie nötig – so lebendig wie möglich“: Sterben und Tod in der fortgeschrittenen Moderne; eine Diskursanalyse der öffentlichen Diskussion um den Hirntod in Deutschland. Münster: Lit.

Schröer, Norbert (1997). Wissenssoziologische Hermeneutik. In Ronald Hitzler & Anne Honer (Hrsg.), Sozialwissenschaftliche Hermeneutik: eine Einführung (S.109-129). Opladen: Leske + Budrich.

WER – WIE – WAS? Entwicklung einer Strukturkarte zur Erfassung und Darstellung von Akteurskonstellationen als Instrument einer Grounded-Theory-Studie

Katja Helms (Universität Potsdam, Institut für Geographie)

Forschungsfrage: Die Studie untersucht, welche Rolle zivilgesellschaftliche Akteure in Planungsprozessen des städtebaulichen Denkmalschutzes spielen.

Theoretischer Zugang: Der analytische Governance-Begriff meint – u.a. nach Mayntz (2004) – die Gesamtheit aller kollektiven Regelungsformen und sozialen Handlungskoordinationen, um gemeinschaftliche Aufgaben zu bewältigen. Als theoretischer und heuristischer Analysehintergrund dient in der Studie das Konzept der drei Governance-Kompetenzen zur Beschreibung von akteursbezogenen Eigenschaften bezüglich der Handlungsfähigkeit in Governance-Prozessen: Wissens-, Sozial- und Handlungskompetenz (angelehnt u.a. an governance capacity bei Healy et al. 2002 und Fichter et al. 2004). Die Ermittlung dieser Kompetenzen, die in den untersuchten Prozessen von Akteuren eingesetzt wurden, bildet die Basis für die Rekonstruktion der Akteurskonstellation und Rollenteilung.

Methodischer Zugang: Problemzentrierte Interviews (Witzel 2000) werden angelehnt an die GTM-Kodierschritte nach Glaser (1978) bearbeitet, um Akteursinteraktionen zu untersuchen. Diese Analyse zeigte, dass zusätzlich eine strukturelle Erschließung der Akteurskonstellation nötig ist, um die Frage nach der Rollenteilung der Akteure beantworten zu können.

Teilergebnis der Studie: Die Strukturkarte wurde als Instrument zur strukturellen Erfassung und Darstellung von Akteurskonstellationen im Rahmen der Dissertation aus der egozentrierten Netzwerkkarte der (quantitativen) Netzwerkanalyse (u.a. Kahn & Antonucci 1980) entwickelt. Dabei wurde die Karte auf der Grundlage der o.g. Daten durch die Entwicklung der Anwendungsschritte von einem Erhebungs- in ein Auswertungsinstrument transformiert und unter Einbindung des theoretischen und heuristischen Hintergrundes für die Fragestellung spezifiziert. Die durch die Anwendung ermittelten Governance-Kompetenzen eines Akteurs bestimmen seinen oder ihren Platz im sozialen Raum Akteurskonstellation und somit die Rolle im Planungsprozess.

Ausblick: Die Strukturkarte ermöglicht, Kodierungsergebnisse theoriegeleitet (deduktiv) zu verdichten, zu verknüpfen, zu abstrahieren und zu visualisieren. Die Methoden- und Perspektiventriangulation hilft, den Erkenntnisgewinn der Studie zu erhöhen.

Kontakt:

Katja Helms: k.helms@web.de

Literatur:

Fichter, Heidi; Jähnke, Petra & Knorr-Siedow, Thomas (2004). Governance Capacity für eine wissensbasierte Stadtentwicklung. In Ulf Matthiesen (Hrsg.), Stadtregion und Wissen. Analysen und Plädoyers für eine wissensbasierte Stadtpolitik (S.309-336). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Glaser, Barney G. (1978). Theoretical sensitivity: Advances in the methodology of grounded theory. Mill Valley: Sociology Press.

Healy, Patsy; Cars, Göran; Madanipour, Ali & de Magalhaes, Claudio (2002). Transforming governance, institutional analysis and institutional capacity. In Göran Cars, Patsy Healey, Ali Madanipour & Claudio de Magalhaes (Hrsg.), Urban governance, institutional capacity and social milieux (S.6-28). Aldershot: Ashgate.

Kahn, Robert L. & Antonucci, Toni C. (1980). Convoys of life course: Attachment, roles, and social support. In Paul B. Baltes & Gilbert B. Orville (Hrsg.), Life-span development and behavior (S.383-405). New York: Academic Press.

Mayntz, Renate (2004). Governance im modernen Staat. In Arthur Benz (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung (S.65-76). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research1(1), Art. 22, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228 [Zugriff 05/2008].

Die „Feldpartitur“: System zur Abbildung realzeitlicher Handlungsprozesse auf der Basis audiovisuellen Datenmaterials

Christine Moritz (Ludwigsburg)

Forschungskontext: Das hier vorgestellte Transkriptionssystem, die sog.“Feldpartitur“, stellt eine projektspezifische Entwicklung zur Darstellung realzeitlicher empirischer Ereignisse auf der Basis audiovisueller Aufzeichnungen dar. Die Feldpartitur entstand im Dissertationsprojekt „Dialogische Prozesse in der Instrumentalpädagogik. Eine Grounded Theory Studie“ (MORITZ 2009) und könnte für andere – auch außermusikalische – Zwecke von Interesse sein.

Ausgangspunkt: Der Unterrichtsgegenstand „praktisches Musizieren“ erfordert fachspezifische Formen des unterrichtlichen Handels: Gegenwartshandeln im Sinne eines experimentellen, forschend-entwickelnden und problemlösenden Lernens steht gegenüber verbalen Vermittlungsformen (Lehrer/innenvortrag, verbale Instruktion) häufig im Vordergrund – so die Ergebnisse meiner Studie. Die Erforschung dieser oben genannten Aspekte erfordert die Berücksichtigung der Eigenschaften des Gegenwartshandelns sowohl bei der Erhebung der Daten (zeitfixierende Medien) wie auch bei deren Analyse (rekonstruierende und interpretative Analyseinstrumente).

Vorgehensweise: Die Feldpartitur wurde am Ende des Projekts in einer sechsmonatigen Entwicklungsphase durch die Adaption einer Notationssoftware –“Finale“ – entwickelt. Ein Kodiersystem („dialogischer Kubus“) wurde zu diesem Zweck auf das mehrzeilige System der Partitur übertragen. Die Kodierung wurde zum einen durch unmittelbare Beobachtungen (erster Ordnung, LUHMANN 1996) und zum anderen durch retrospektive Zuschreibungen (z.B. der Feldpersonen oder der Interpretationsgemeinschaft), schließlich im Rahmen der Rekonstruktion symbolischer Bedeutungsträger (BLUMER 1978) durchgeführt. Auf der Basis der Feldpartitur wurde es auf diese Weise möglich, mikroanalytisch prägnante und voneinander kontrastierende Videosequenzen (MOHN 2002) hinsichtlich einer forschungsspezifischen Fragestellung abzubilden. Naturgemäß flüchtige Daten wurden demnach in ein schriftlich fixiertes Medium übergeführt und die Erfassung, die vertiefende Analyse und der Vergleich der Einzelfälle ermöglicht.

Ergebnisse/Diskussion: Die Feldpartitur bietet – ähnlich der musikalisch-orchestralen Partiturschreibweise – die Möglichkeit, mehrere, frei zu bezeichnende Systeme in übersichtlicher Weise übereinanderliegend anzuordnen. Durch Vergabe projektspezifischer Kodes wird die Darstellung der Gleichzeitigkeit relevanter Handlungskomponenten über eine Zeitachse möglich. Die Möglichkeiten sind sowohl hinsichtlich numerischer (Dauer, Intensität, Häufigkeit von Ereignissen, Anzahl der Systeme etc.) wie qualitativer Eigenschaften über die Verwendung von Zahlen- und Zeichenmodulen flexibel, wodurch ein vielfältiges Spektrum der Darstellung ermöglicht wird.

Kontakt:

Christine Moritz: Moritz@ph-ludwigsburg.de

Literatur:

Blumer, Herbert (1973). Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.), Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit (S.80-146). Opladen: Westdeutscher Verlag..

Luhmann, Niklas (1996). Die Soziologie und der Mensch. Westdeutscher Verlag: Opladen.

Mohn, Elisabeth (2002). Filming Culture. Spielarten des Dokumentierens nach der Repräsentationskrise. Stuttgart: Lucius&Lucius.

Moritz, Christine (2008). Das Kongruenzfeld in der Instrumentalpädagogik. Postersession Berliner Methodentreffenhttp://www.qualitative-forschung.de/methodentreffen/archiv/poster/poster_2008/moritz.pdf [Zugriff: 13.5.2008].

Moritz, Christine (i.V.). Dialogische Prozesse in der Instrumentalpädagogik. Essen: Die Blaue Eule.