Postersession 2010

Lebenswelt Schule

Emanuela Chiapparini: Wer in die Schule geht, lernt lügen. Stellenwert der „Tugend“ Ehrlichkeit bei 14- bis 15-jährigen SchülerInnen im Abschlussjahr der Zürcher Volksschule

Abstract | Poster ]

Laura Behrmann: Deutungen von Bildungserfolg. Zur Rekonstruktion der biografischen Erfahrungen und Prägungen von Lehrern und Lehrerinnen

Abstract | Poster ]

Ilka Hutschenreuter: Soziale Praktiken im Schülerparlament. Eine ethnografische Studie

Abstract ]

Rayma P. Cadeau: Subjektivierungsprozesse rassistisch markierter Jugendlicher im Feld der Bildung

Abstract ]

Identität – Neue Medien

Marion Weise: „Medien? Oh ja, mit denen kann man Holz hammern!“ – Eine vergleichende Studie zum Medienalltag von Vorschulkindern aus Deutschland und den USA

Abstract | Poster ]

Oliver M. Reuter: Die Analyse von Handy-Clips

Abstract ]

 André Hoever: Strategien und Konzepte zu Selbstdarstellung auf Social Network Services

Abstract | Poster ]

Thomas Abel: Zwischen Momentaufnahme und medialer Inszenierung. Untersuchung digitaler fotografischer Bildportraitpraxis mittels visueller Medien

Abstract | Poster ]

Antonia Schmid: Visuelle Diskursanalyse: Elemente des Antisemitismus im deutschen Nachwendefilm

Abstract ]

Gesundheit/Krankheit – Entwicklung

Grozdana Pajkovic: „… und dann ist es bergauf gegangen.“ Gender und Migration im Kontext einer Suchtkrankheit; zwei Fragmente von Diversität — Eine biografische Untersuchung über das Erleben von Frauen mit einer Suchterkrankung im Kontext einer Migrationsbiografie

Abstract | Poster ]

Barbara Cramer; Angelika Thöne-Otto; Alexander Kurz; Sabine Walper: Biografiearbeit bei leichtgradiger Demenz: Quantitative Befragung und leitfadengestützte Interviews mit den Therapeut/innen der KORDIAL-Studie zu Akzeptanz, beobachteten Effekten und der Rolle der Angehörigen

Abstract | Poster ]

Melanie Behrens: Die Bedeutung von Körper und Bewegung für die kindliche Resilienz“ – Datentriangulation als Zugang zu einer kind-kontextorientierten Perspektive

Abstract ]

Timo Jacobs, Dagmara Wozniak, Andreas Kruse: Textbasierte, diskursanalytische Rekonstruktionen von Altersbildern. Diskussion des Forschungsdesigns: Kritische Diskurs- und Dispositivanalyse

Abstract ]

Marie-Luise Hermann: Die Zukunft der seelischen Gesundheit im Alter gestalten. Wirkungen der Münsterlinger Zukunftskonferenz 2007

Abstract | Poster ]

Methoden

Nadine Pohontsch & Thorsten Meyer: Ergebnisse von offenen Interviews zur Validierung der direkten und indirekten Methode der Veränderungsmessung

Abstract ]

Anika Neumann; Dr. Petra Jähnke: Die Netze der Pioniere. Zum netzwerkbezogenen Forschungsansatz in einem ethnografischen Projekt

Abstract | Poster ]

Abstracts

Zwischen Momentaufnahme und Inszenierung. Untersuchung digitaler fotografischer Bildportraitpraxis mittels visueller Medien

Thomas Abel (BGHS, Universität Bielefeld)

Ausgangspunkt: Herstellungsprozesse digitaler fotografischer Portraits bilden Schnittstellen, an denen Sozialität in Medialität überführt wird. Durch soziales Handeln entsteht fotografische Repräsentation und Portraitbildlichkeit.

Forschungsinteresse: Um digitale fotografische Portraitherstellungsprozesse zu untersuchen, werden Handlungs- und Repräsentationsebene als zwei sich bedingende Komponenten digitaler Portraitpraxis in Kombination betrachtet. Die Herstellung digitaler fotografischer Portraits, im Bourdieuschen Sinne an soziale Gebrauchsweisen gebunden (Bourdieu 1981), wird in einer praxisorientierten bzw. mikrosoziologisch argumentierenden Einstellung als sinnvolles Interagieren bzw. aktives und situationsabhängiges Handeln unter Berücksichtigung bildinterner und -externer Kontexte verstanden. Habitualisierte und sedimentierte Wissensbestände Interagierender im Bezug auf digitale fotografische Portraitpraxis und Bildportraitkultur finden darin genauso ihren Ausdruck wie technik- und raumsoziologische Determinierungen und materielle und mediale Aspekte (Rammert 2007; Schroer 2006). Digitale fotografische Bildportraitpraxis entsteht durch kulturelle Praktiken von Akteuren in sozial und medial determinierten fotografischen Netzwerken (Latour 2002).

Methodik: Der Methode einer (audio-) visuellen Ethnografie folgend (Schändlinger 1998, 2006) werden in einem ersten Schritt verbale und nonverbale Kommunikationsstrukturen aufgezeichneter digitaler fotografischer Bildherstellungsprozesse in ein Transkript überführt. Daran schließt die Untersuchung und Identifizierung von Mustern und Regelhaftigkeiten der Praxis im Sinne einer Konversations-/Interaktionsanalyse an – unter Berücksichtigung technischer, räumlicher, materieller, medialer handlungsstrukturierender Aspekte (Bergmann 2000). Durch eine Erweiterung bzw. Kombination des Transkripts der Interaktion mit den generierten digitalen Fotografien als mediale Repräsentationen der fotografischen Praxis erfolgt eine Fokussierung auf dialogische Strukturen zwischen Handlungsebene (Interaktion) und Repräsentationsebene (Bildportrait). Ergänzend zur Konversations-/Interaktionsanalyse finden dabei Methoden der Bildanalyse Verwendung (Harper 2000).

Ergebnisse: Erste Ergebnisse der Untersuchung digitaler fotografischer Portraitherstellungsprozesse zeigen, dass Interagierende ihr Handeln auf andere Beteiligte, auf technische, räumliche, materielle und mediale Möglichkeiten und Determinierungen und auf die mediale Repräsentation im Bild hin ausrichten und orientieren. Fotografische Bildportraits werden dialogisch zwischen Interagierenden organisiert und hergestellt.

Kontakt: Thomas Abel: thomas.abel@uni-bielefeld.dehttp://www.uni-bielefeld.de/bghs/

Literatur

Bergmann, Jörg R. (2000). Konversationsanalyse. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steincke (Hrsg.), Qualitative Forschung (S.524-537). Reinbek: Rowohlt.

Bourdieu, Pierre (1981). Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie. Frankfurt/M.:  EVA.

Harper, Douglas (2000). Fotografien als sozialwissenschaftliche Daten. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steincke (Hrsg.), Qualitative Forschung (S.402-415). Reinbek: Rowohlt.

Latour, Bruno (2002). Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Rammert, Werner (Hrsg.) (2007). Technik, Handeln, Wissen. Zu einer pragmatistischen Technik- und Sozialtheorie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schändlinger, Robert (1998). Erfahrungsbilder. Visuelle Soziologie und dokumentarischer Film. Konstanz: UVK.

Schändlinger, Robert (2006). Visuelle Ethnographie. In Ruth Ayaß & Jörg R. Bergmann (Hrsg.), Qualitative Methoden der Medienforschung (S.350-390). Reinbek: Rowohlt.

Schroer, Markus (2006). Räume, Orte, Grenzen. Auf dem Weg zu einer Soziologie des Raums. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

„Die Bedeutung von Körper und Bewegung für die kindliche Resilienz“ – Datentriangulation als Zugang zu einer kind-kontextorientierten Perspektive

Melanie Behrens (Lehrstuhl Bewegungserziehung, Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln)

Zielsetzung: In der vorliegenden Posterpräsentation steht die Frage nach der Bedeutung von Körper und Bewegung für die kindliche Resilienz im Fokus. Dabei soll die Vorstellung des methodischen Designs den Ausgangspunkt für Diskussionen bilden.

Theoretischer Rahmen: Den theoretischen Zugang zur Bearbeitung der Fragestellung bildeten die Konstrukte Entwicklung und Gesundheit. Entwicklung wird als subjektive Sinn-Konstruktion verstanden (vgl. Fischer 2009). Für die Bewältigung altersspezifisch anstehender Entwicklungsaufgaben rückt auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse aus der Resilienzforschung sowie gesundheitstheoretischer Aspekte die Frage nach den Ressourcen in den Vordergrund, die das Kind gegen risikoreiche Einflüsse widerstandsfähig macht (Resch et. al. 1999; Scheithauer & Petermann 1999; Wustmann 2005). Dabei wird aus salutogenetischer Perspektive insbesondere dem Kohärenzsinn eine besondere Bedeutung im Rahmen kindlicher Entwicklungsprozesse beigemessen (Antonovsky 1997; Wydler, Kolip & Abel 2000; Lorenz 2004). Da das Kind sich aktiv handelnd seine Umgebung erschließt, um diese in der Erweiterung seines Erfahrungsraumes für sich verstehbar sowie handhabbar zu machen und mit einer subjektiven Bedeutung zu versehen, nehmen Körper und Bewegung einen zentralen Stellenwert ein. Durch bewegungsgebundene und spielerische Aktivitäten erlebt es sein Tun zunehmend als sinnvoll und subjektiv bedeutsam. Da insbesondere die motivationale Komponente für sozial ängstliche Kinder mit einem gering ausgeprägten Selbstwertgefühl von Bedeutung ist, bieten sich zirzensische Inhalte in der Psychomotorik für den Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls sehr gut an.

Methoden der Datenanalyse; Formen der Daten-Triangulation: Für die empirische Überprüfung der oben benannten Vorannahmen ist eine mehrperspektivische Betrachtungsweise erforderlich. Es wurde ein einzelfallbezogener Zugang gewählt, bei dem sozial ängstliche Kinder in ihren jeweiligen kontextuellen Bezügen betrachtet werden konnten (Prä-Verlauf-Post). Hierzu sind folgende quantitative und qualitative Datenerhebungsmethoden miteinander trianguliert worden:

Kindbezogene Datenerhebungsmethoden:

  • die Aussagenliste zum Selbstwertgefühl für Kinder und Jugendliche (ALS) von Schauder (1999);
  • der Angstfragebogen für Schüler (AFS) von Wieczerkowski et al. (1998);
  • der Körper-Koordinations-Test für Kinder (KTK) von Kiphard & Schilling (2007);
  • das qualitative Kind-Interview;

Kontextbezogene Datenerhebungsmethoden:

  • das Leitfaden-Interview mit den Eltern;
  • das Experten-Interview mit den Therapeut/innen;

Projektbezogene Datenerhebungsmethoden:

  • Einsatz des System-Psychomotorischer-Effekte-Sicherung (SPES) von Institut für Kinder und Jugendhilfe (IKJ) (2005).

Die Datenanalyse erfolgte ebenfalls mehrperspektivisch auf den Betrachtungsebenen „Kind“, „Kontext“ und „Projekt“. Dabei bildete die Einzelfallanalyse in Form der kindbezogenen Themenbildung und die Grounded Theory Methodologie im Sinne der kontextbezogenen Theoriebildung den Ausgangspunkt für eine Prä-Post-Analyse. Projektbezogen stellte die zielorientierte Dokumentation mit dem Instrument SPES (s. oben) den Ausgangspunkt dar, um verlaufsbezogene Veränderungen einzelfallspezifisch aufzuzeigen. MaxQDA bot dabei als Computerprogramm zur Analyse qualitativer Daten eine wertvolle Unterstützung.

Auf dem Poster wird das konkrete und schrittweise Vorgehen der Datenanalyse mittels Daten-Triangulation im Forschungsprojekt exemplarisch vorgestellt und diskutiert.

Kontakt: Melanie Behrens behrensm@uni-koeln.dehttp://www.hf.uni-koeln.de/31066

Literatur

Antonovsky, A. (1997). Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Deutsche Herausgabe von Alexa Franke. Tübingen: dgvt.

Fischer, K. (2009). Einführung in die Psychomotorik. München: Reinhardt.

Institut für Kinder und Jugendhilfe (IKJ) (2005). System Psychomotorischer Effekte-Sicherung (Interner Bereich für registrierte Nutzer). URL: http://www.ikj-online.de [Zugriff 02.09.2005].

Kiphard, E. J. & Schilling, F. (2007). Körperkoordinationstest für Kinder (KTK). Göttingen: Beltz Test.

Lorenz, R. (2004). Salutogenese. Grundwissen für Psychologen, Mediziner, Gesundheits- und Pflegewissenschaftler. München: Reinhardt.

Resch, F.; Bungard, W.; Frey, D.; Lantermann, E.-D.; Silbereisen, R. K. & Wittchen, H.-U. (1999). Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters. Ein Lehrbuch. Weinheim: Beltz/PVU.

Schauder, T. (1996). ALS. Die Aussagenliste zum Selbstwertgefühl für Kinder und Jugendliche. Göttingen: Beltz Test.

Scheithauer, H. & Petermann, F. (1999). Zur Wirkungsweise von Risiko und Schutzfaktoren in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Kindheit und Entwicklung, 8(1), 3-14.

Wieczerkowski, W.; Nickel, H.; Janowski, A.; Fittkau, B. & Rauer, W. (1998). Angstfragebogen für Schüler. Handanweisung für die Durchführung, Auswertung und Interpretation. Göttingen: Hogrefe.

Wustmann, C. (2005). Resilienz. In Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.), Auf den Anfang kommt es an: Perspektiven für eine Neuorientierung frühkindlicher Bildung. Bildungsreform Band 16 (S.119-189). Bonn/Berlin.

Wydler, H.; Kolip, P. & Abel, T. (Hrsg.) (2000). Salutogenese und Kohärenzgefühl. Grundlagen, Empirie und Praxis eines gesundheitswissenschaftlichen Konzepts. Weinheim: Juventa.

Deutungen von Bildungserfolg. Zur Rekonstruktion der biografischen Erfahrungen und Prägungen von Lehrern und Lehrerinnen

Laura Behrmann (Universität Hamburg)

Ausgangspunkt: Die empirische Bildungsforschung ist ein florierendes Forschungsgebiet. Eine Fülle von quantitativen und qualitativen Daten gibt inzwischen Auskunft zu den unterschiedlichsten Facetten der Schule, der Schüler/innen und ihrem Umfeld. Allein ein wichtiger Akteur des schulischen Alltags, der Lehrende, wurde bislang nur in Hinblick auf seine Ausbildungssituation und sein professionelles Handeln betrachtet. Dabei sind Lehrer/innen die definitionsmächtigsten Akteure des schulischen Alltages; sie sind in der „privilegierten Position ihre Version der Wirklichkeit öffentlich durchzusetzen“ (Goffman 1994, S.104). Trotz dieser Erkenntnis gibt es bislang kaum empirische Projekte, die sich systematisch mit der Genese und Wirkung der Lehrer/innenwirklichkeit befassen.

Forschungsfrage: In meiner Dissertation frage ich nach den Vorstellungen und Versionen von Wirklichkeit und den prägenden Erfahrungen der Lehrerbiografie: Was bedeutet es für sie Lehrer/in zu sein? Wie prägt ihre soziale Einbettung ihren Erfahrungsraum? Welche Vorstellung haben Lehrer/innen von Schule? Welche Lebenswege stellen sie sich für ihre Schüler/innen vor?

Anlage der Studie: Die Studie vergleicht ein altes und ein neues „reformistisch-liberales“ (Below 2004) Bundesland: Niedersachsen und Brandenburg. Dabei stelle ich die Gesamtschule, mit ihrem Anliegen auf unterschiedliche Berufswege (Studium und Ausbildung) vorzubereiten, in den Mittelpunkt. So lassen sich die Vorstellungen von Erwerbsbiografien, aber auch Leistungszurechnung und Gleichheitsvorstellungen auch in Hinblick auf die unterschiedlichen sozial-historischen Prägungen der Lehrer/innen verdeutlichen.

Methodik: Im Zentrum der empirischen Erhebung stehen die narrativen Interviews mit den Lehrer/innen (Schütze 1983). In der Rekonstruktion der Biografien und Erfahrungen der Lehrer/innen lassen sich Wahrnehmungen und Meinungen zur Bedeutung von Bildung, zur Schule und dem Lehrer/innenberuf erfassen. Darüber hinaus wird mit Hilfe der Netzwerkkarte die soziale Einbettung erhoben (Hollstein & Straus 2006).

Forschungsziel: Die Wahrnehmung der sozialen Welt der Lehrperson soll anhand der biografischen Erfahrungen und der sozialen Einbettung rekonstruiert werden.

Diskussion: Das Poster stellt das Forschungsdesign der Dissertation vor.

Kontakt: Laura Behrmann: Laura.Behrmann@wiso.uni-hamburg.de

Literatur:

Below, Susanne von (2004). Bildungssysteme und soziale Ungleichheit. Das Beispiel der neuen Bundesländer. Opladen: Leske + Budrich.

Goffman, Erving; (1994). Interaktion und Geschlecht. Frankfurt/M.: Campus

Hollstein, Betina & Straus, Florian (2006). Qualitative Netzwerkanalyse. Konzepte, Methoden, Anwendungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schütze, Fritz (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13(3), 283-293.

Subjektivierungsprozesse rassistisch markierter Jugendlicher im Feld der Bildung

Rayma P. Cadeau (Berlin)

Forschungsleitende Fragen: Ausgehend von einem Rassismusbegriff als Dispositiv, das sowohl auf der makrosozialen wie mikrosozialen Ebene wirkt, ist davon auszugehen, dass Rassifizierungen nicht nur Gruppen konstruieren und markieren, sondern auch auf die rassifizierten Subjekte im Sinne einer Herrschaftspraxis wirken. In Form der Subjektivierung schreibt sich die rassistische Markierung den Subjekten ein und bringt sie mit der Macht des inneren Zwangs dazu, sich selbst als „Andere“ wahr zu nehmen und zu repräsentieren und bestimmte soziale Positionen einzunehmen. In den medialen und öffentlichen Diskursen von Bildung entsteht indes das Konstrukt der „defizitären Ausländerkinder“, das insbesondere auf koloniale oder migrantische Subjekte angewendet wird. Durch Rassifizierungen werden die Versäumnisse im bundesdeutschen Bildungssystem verdeckt und den rassifizierten Subjekten die Positionen in der Gesellschaft zugewiesen, die damit einhergehen, dass sie auch von zukünftigen Bildungs- und Berufschancen ausgegrenzt sind. Da Schule und Bildung als Gatekeeper für die spätere soziale Position gelten, ist es besonders relevant die Frage nach den Subjektivierungsprozessen in diesem Feld zu stellen. Im Rahmen meiner Diplomarbeit fragte ich daher: Wie positionieren sich rassistisch markierte Jugendliche im Kontext von Schule und Bildung? Wie gehen sie mit den Zuschreibungen um? Und welche Strategien entwickeln sie für ihre Bildungslaufbahn?

Design/Methode: Grundlage der vorliegenden Ergebnisse sind zwei Gruppendiskussionen mit Jugendlichen so genannter Realgruppen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, die als rassistisch markiert gelten können. Initiiert wurden diese durch einen Stimulus zu Bildung und Bildungschancen. Mittels der Dokumentarischen Methode (Bohnsack 2001) erfolgte eine sinngenetische Typenbildung. Im ersten Schritt wurden die Selbstverständnisse und Orientierungen der Gruppen analysiert. Anschließend wurden im Rahmen einer komparativen Analyse Kontraste und Gemeinsamkeiten und die jeweilige Spezifik der Gruppen herausgearbeitet.

Ergebnis: Durch Rekonstruktion der Orientierungen der Jugendlichen im Zusammenhang mit ihrer Selbstbeschreibung und Bildungslaufbahn lassen sich die spezifischen Einschreibungen der rassistischen Markierung zeigen. So wird gezeigt, wie bei einer der Gruppen das „Ausländerdispositiv“, bei der anderen kolonialistische Ausgrenzungspraxen wirksam werden.

Nächste Schritte: Es müssen weitere sich angedeutete Orientierungen herausgearbeitet werden, so dass das Wissen der Jugendlichen über Rassismus und die Prozesse ihrer Subjektivierung konturierter zum Vorschein gebracht werden können. Zudem müssten weitere Realgruppen als Vergleichshorizonte einbezogen werden, um die vorhandenen Ergebnisse zu validieren und eine Typenbildung im Sinne der Dokumentarischen Methode vornehmen zu können.

Das Poster präsentiert die methodische Rekonstruktion der Orientierungen aus den Erzählungen. Diskutiert werden soll die Frage, wie sich Subjektivierungsprozesse auf diese Weise zuverlässig rekonstruieren und abbilden lassen und welche methodischen Ergänzungen ggf. hilfreich sind.

Kontakt: Rayma P. Cadeau rpcadeau@zedat.fu-berlin.de

Literatur

Bohnsack, Ralf (2001). Die dokumentarische Methode in der Forschungspraxis: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.

Wer in die Schule geht, lernt lügen. Stellenwert der „Tugend“ Ehrlichkeit bei 14- bis 15-jährigen SchülerInnen im Abschlussjahr der Zürcher Volksschule

Emanuela Chiapparini (Universität Zürich, Schweiz)

Ausgangspunkt: Jugendliche bewerten Tugenden wie Fleiß und Ordnung höher als bislang angenommen. Dies belegen breit angelegte Jugendstudien in Deutschland und in der Schweiz (Hurrelmann 2006; COCON 2006). Zudem gelten Tugenden, so auch die Tugend Ehrlichkeit, seit den antiken Griechen als ein wichtiges Thema in der Theorie und Praxis der Erziehung. Allerdings sind bis heute öffentliche sowie wissenschaftliche Diskurse allzu oft von moralischen Appellen (Bueb 2006) und erziehungsphilosophischen Bezüge (White 1996) geprägt, ohne die Sichtweisen der AdressatInnen selbst zu kennen. Was denken Schülerinnen und Schüler über Ehrlichkeit? Weder populärwissenschaftliche Abhandlungen, quantitative Jugendstudien noch erziehungsphilosophische Ansätze können die alltäglichen Handlungsoptionen und Grenzen des Ehrlichkeitsbegriffs in seiner Vielschichtigkeit erfassen. Zur Schließung dieser Forschungslücke will das vorliegende Projekt einen Beitrag leisten.

Forschungsfrage: Was verstehen 14- bis 15-jährige SchülerInnen in Abschlussklassen der Zürcher Volksschule unter dem Begriff „Ehrlichkeit“, und wie gehen sie damit um? (Die Volksschule in der Schweiz ist mit der Realschule bzw. Hauptschule im deutschen Schulsystem vergleichbar.)

Forschungsdesign und methodisches Vorgehen: Insgesamt habe ich 31 problemzentrierte Interviews (Witzel 2000) sowie sechs Gruppendiskussionen (Bohnsack 2006) mit AbschlussschülerInnen der Zürcher Volksschule in zwei Erhebungsphasen (2008 und 2009) durchgeführt. Das Datenmaterial der ersten Untersuchungsphase wertete ich mit der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2008) aus. Die Interviewgespräche der zweiten Untersuchungsphase analysiere ich mit der dokumentarischen Methode (Bohnsack 2008; Przyborski & Wohlrab-Sahr 2009). Damit können neben einem vielfältigen Ehrlichkeitsbegriff zusätzlich Orientierungsmuster und Handlungswissen der Befragten gewonnen werden.

Zwischenergebnisse: Ein vielschichtiges, situations- und beziehungsabhängiges Ehrlichkeitsverständnis der SchülerInnen zeichnet sich ab. Ehrlichkeit verstehen sie als Wahrhaftigkeit, Offenheit, Aufrichtigkeit, Loyalität, Hilfsbereitschaft, Diskretion/Selbstschutz und Integrität. Zudem wird ehrliches Verhalten je nach situativen und beziehungsabhängigen Faktoren unterschiedlich legitimiert. Verschiedene SchülerInnen verstehen unter Ehrlichkeit, nicht zu lügen. Diese normative Regel gilt nicht in allen schulischen Situationen. Um die Klasse vor einer Kollektivbestrafung zu bewahren, meldete sich der 14-jährige Thomas als Täter, obwohl er den Stuhl nicht beschädigt hatte. Er musste zwar einen Nachmittag „nachsitzen“, aber im Gegenzug erhielt er Aufmerksamkeiten der MitschülerInnen und sein Ansehen in der Klasse stieg. SchülerInnen sind nicht aus Prinzip unehrlich oder ehrlich, sondern erbringen eine hohe kognitive und empathische Leistung, um im schulischen Kontext herauszufinden, wann wie viel Ehrlichkeit angebracht ist.

Nächste Arbeitsschritte: Persönliche, klasseninterne und schulische Orientierungsmuster sollen in der nächsten Analysephase untersucht werden. Zudem wird das Ehrlichkeitsverständnis von SchülerInnen weiter ausdifferenziert. Und schließlich sollen Typiken erarbeitet werden.

Bedeutung: In diesem Forschungsprojekt können die intuitiven Regelmäßigkeiten im Umgang mit der Tugend Ehrlichkeit und die Taktiken der SchülerInnen expliziert und zugänglich gemacht werden. Die Tugend Ehrlichkeit ist damit aus einer einseitigen moralisch-normativen Dimension zu lösen. Diese Resultate sind für den Umgang mit Tugenden im schulischen Kontext von großer Relevanz.

Kontakt: Emanuela Chiapparini EmanuelaChiapparini@access.uzh.chhttp://qualizueri.chez.com

Literatur

Bohnsack, Ralf (2008). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen: Budrich.

Bohnsack, Ralf (Hrsg.) (2006). Das Gruppendiskussionsverfahren in der Forschungspraxis. Opladen. Budrich.

Bueb, Bernhard (2006). Lob der Disziplin. Eine Streitschrift (10. Aufl.). Berlin: List.

COCON (competence and context) (2006). Schweizer Befragung von Kindern und Jugendlichen. Erste Ergebnisse (November 2006). http://www.cocon.unizh.ch/de/agenda.html [4.6.2010].

Hurrelmann, Klaus (2006). Jugend 2006. Eine pragmatische Generation unter Druck. 15. Shell Jugendstudie. (hrsg. von Deut-sche Shell AG). Frankfurt/M.: Fischer.

Mayring, Philipp (2008). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim. Beltz.

Przyborski, Aglaja & Wohlrab-Sahr, Monika (2009). Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. München: Oldenbourg.

White, Patricia (1996). Civic virtues and public schooling. Educating citizens for a democratic society. New York: Teachers College Press Columbia University.

Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview [25 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228 [4.6.2010].

Biografiearbeit bei leichtgradiger Demenz: Quantitative Befragung und leitfadengestützte Interviews mit den Therapeut/innen der KORDIAL-Studie zu Akzeptanz, beobachteten Effekten und der Rolle der Angehörigen

Barbara Cramer (1); Angelika Thöne-Otto (2); Alexander Kurz (1); Sabine Walper (3) (1 Zentrum für kognitive Störungen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München; (2) Tagesklinik für kognitive Neurologie, Universitätsklinikum Leipzig; (3) Fakultät für Psychologie und Pädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München)

Forschungskontext und Ausgangspunkt: Die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber kognitiven Störungen im Alter und die Verbesserung der diagnostischen Techniken haben dazu geführt, dass die Alzheimer-Krankheit in einem frühen klinischen Stadium identifiziert werden kann. Häufig tritt mit der Diagnose einer Demenz im Frühstadium eine depressive Symptomatik auf (Clare 2002; Wallesch et al. 2005), die zu einer verminderten Lebensqualität bei den Patient/innen (Steeman et al. 2006) und zu einer erhöhten Belastung der Angehörigen (Berger et al. 2005) führt. Die erhaltenen Fähigkeiten der Betroffenen werden bislang für eine positive Krankheitsbewältigung nur unzureichend genutzt.

Forschungsfrage: Welche Bedeutung kommt der Biografiearbeit im Vergleich zu den anderen Modulen eines manualisierten, neuropsychologisch fundierten und ressourcenorientierten Psychotherapieprogramms für Patient/innen mit leichtgradiger Demenz zu?

Methodik und Anlage der Studie: Die KORDIAL-Studie ist eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte, einfach-blinde Studie zur Evaluation eines Psychotherapieprogramms im Vergleich mit der Standardbehandlung. Das Programm umfasst 6 Module zu je 2 Einzelsitzungen, jede zweite mit Teilnahme der Bezugsperson. Es verbindet kognitions- und emotionsorientierte  Strategien. (1. Modul: Beziehungsaufbau und Zielsetzung, 2.: Entlastung des Gedächtnisses durch externe Gedächtnishilfen, 3.: Entlastung des Gedächtnisses durch Etablierung von Routinen, 4.: Stärkung des Selbstwerts mittels Biografiearbeit, 5.: Förderung von Selbständigkeit durch Aktivitätenaufbau, 6.: Zielevaluation und Zukunftsplanung). Neben den psychometrischen Maßen (vor, direkt nach und 6 Monate nach Intervention) zu Funktionsfähigkeit im Alltag, kognitivem Status, Depressivität und Lebensqualität der Studienteilnehmenden wurden die an der Therapie teilnehmenden Patient/innen, deren Angehörige sowie die behandelnden Therapeut/innen nach ihrer Einschätzung der Intervention befragt. Nach Abschluss der Therapien wurden zusätzlich mit den Therapeut/innen leitfadengestützte Interviews (Mayer 2008) geführt. Diese beinhalteten einzelne Fallvorstellungen (insgesamt 28), eine differenzierte Einschätzung des Moduls Biografiearbeit sowie eine allgemeine Evaluation des Therapieprogramms. Die Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring 2007) ausgewertet.

Ergebnisse: Interventions- und Kontrollgruppe umfassen 201 Teilnehmende. Die Module des Therapieprogramms wurden in der quantitativen Befragung sowohl von den Therapieteilnehmenden als auch von den Therapeut/innen überwiegend als hilfreich und sehr hilfreich bewertet. Die Biografiearbeit wurde dabei besonders positiv eingeschätzt. In den Interviews berichteten die Therapeut/innen vielfach von einer deutlichen Stimmungsaufhellung, wenn sich die Patient/innen an positive Ereignisse aus ihrer Biografie erinnerten. Außerdem habe es die Patient/innen auf Ideen gebracht, einst geliebte Tätigkeiten wieder aufzunehmen, alte Kontakte wieder zu beleben oder sogar neue Aktivitäten anzustoßen. Die Therapeut/innen konnten jedoch nicht bei allen Studienteilnehmenden positive Veränderungen durch die Biografiearbeit feststellen. Hierfür genannte Gründe waren z.B. negative Erinnerungen, junges Alter oder tiefgreifende Gedächtnislücken der Patienten. Die anderen drei Module zeigten nach Aussage der Therapeut/innen ebenfalls positive Veränderungen, individuell jedoch in sehr unterschiedlichem Ausmaß.

Diskussion: Biografiearbeit scheint eine hilfreiche Methode zu sein, um positive Veränderungen vor allem bei der Stimmung und beim Selbstwertgefühl zu bewirken. Allerdings muss individuell sehr vorsichtig vorgegangen werden, da negative Erinnerungen aus der Biographie auch problematische Prozesse in Gang setzen können. Insgesamt bestärken die gewonnenen Erkenntnisse aus den qualitativen Daten die Ergebnisse aus der quantitativen Befragung.

Kontakt: Barbara.Cramer Barbara.Cramer@lrz.tu-muenchen.de

Literatur

Berger, G.; Bernhardt, T.; Weimer, E.; Peters, J.; Kratzsch, T. & Frolich, L. (2005). Longitudinal study on the relationship between symptomatology of dementia and levels of subjective burden and depression among family caregivers in memory clinic patients. J Geriatr Psychiatry Neurol, 18(3), 119-128.

Clare, L. (2002). We’ll fight it as long as we can: coping with the onset of Alzheimer’s disease. Aging Ment Health, 6 (2), 139-148.

Mayer, H. O. (2008). Interview und schriftliche Befragung: Entwicklung Durchführung und Auswertung (4., überarb. und erw. Aufl.). München: Oldenbourg.

Mayring, P. (2007). Qualitative Inhaltsanalyse (9. Aufl.). Weinheim: Beltz.

Scheurich, A.; Schanz, B.; Müller, M. & Fellgiebel, A. (2007). Early Interventional Group Therapy for Patients with Incipient Alzheimer Disease and their Relatives. Psychother Psychosom Med Psychol., [Epub ahead of print]. [6.11.2007].

Steeman, E.; Casterlé, B.; Dierckx de; Godderis, J. & Grypdonck, M. (2006). Living with early-stage dementia: a review of qualitative studies. J Adv Nurs, 54(6), 722-738.

Wallesch, C.-W., Förstl, H. & Bartels, C. (Hrsg.). (2005). Demenzen. Stuttgart: Thieme.

Die Zukunft der seelischen Gesundheit im Alter gestalten. Wirkungen der Münsterlin-ger Zukunftskonferenz 2007

Marie-Luise Hermann (Universität Zürich, Psychologisches Institut, Klinische Psychologie, Psychotherapie & Psychoanalyse)

Fragestellung: Zum langfristigen Umgang mit der Zunahme psychischer Störungen im Alter veranstaltete der Kanton Thurgau (Schweiz) 2007 als regionales Pilotprojekt eine Zukunftskonferenz, um Präventionsprojekte zu entwickeln. Die Fragen lauten: Lassen sich mit einer Zukunftskonferenz zum Thema „Die Zukunft der seelischen Gesundheit im Alter“ innovative Projekte umsetzen, die differenzierte Vorstellungen vom Alter(n) abbilden? Welche Bedingungen sind dafür förderlich, welche hinderlich?

Methoden: Die begleitende Evaluationsstudie untersuchte die Konferenz und die erste Projektumsetzung über zwei Jahre sowie die Altersbilder der Teilnehmenden neben quantitativen Erhebungen v.a. mit qualitativen Methoden (Inhaltsanalyse von offenen Fragebögen, Konferenzmaterialien, Gruppendiskussionen). Die Methode Zukunftskonferenz macht ein innovatives, massgeschneidertes Studiendesign mit Daten- und Methodentriangulierung erforderlich. Das Design steht im Vordergrund der Darstellung.

Ergebnisse: Für jeden Untersuchungsteil und -zeitpunkt wird das Hauptergebnis präsentiert: Die auf Altersfragen spezialisierten Teilnehmenden weisen sehr differenzierte Altersbilder auf, die über die Projektarbeit sichtbar und gesellschaftlich vermittelbar werden. Die regionale Versorgungssituation wird nach zwei Jahren bei einer kleinen Stichprobe kaum signifikant verändert eingeschätzt, die Projekte decken jedoch die Bereiche der tiefsten Rangplätze ab. Die Inhaltsanalyse der Gruppendiskussionen zeigt den Verlauf der Projektumsetzung sowie die inhaltliche Auseinandersetzung mit Prävention im Alter vielschichtig auf. Die Veranstaltung Zukunftskonferenz wird als starker Impuls und Ideenpool überwiegend positiv bewertet, häufige Kritikpunkte betreffen die Nachbetreuung und Projektbegleitung durch die Träger. Dennoch wurden 7 von 8 Projekten erfolgreich abgeschlossen oder sind noch in Umsetzung, einige enthalten innovative Ideen. Die Hauptziele der Konferenz „Vernetzung und Koordination vorhandener Ressourcen“ stehen ebenso im Zentrum der Projekte wie das Präventionsanliegen. Für den Konferenzerfolg förderliche und hinderliche Bedingungen werden in Schlussfolgerungen zusammengefasst.

Diskussion: Über die Zeitachse betrachtet, ermöglicht die Daten- und Methodentriangulierung, den Entstehungs- und Umsetzungsprozess der gesellschaftlich relevanten Projekte nachzuverfolgen. Mithilfe der überwiegend qualitativen Evaluation lässt sich die Methode Zukunftskonferenz aus der Innensicht der Teilnehme differenziert beleuchten und bewerten.

Kontakt: Marie-Luise Hermann ml.hermann@psychologie.uzh.ch

Strategien und Konzepte zu Selbstdarstellung auf Social Network Services

André Hoever (Cluster Languages of Emotion; Freie Universität Berlin)

Forschungskontext: Social Network Services (SNS), wie z.B. Facebook, werden tagtäglich von Millionen von Menschen zur Selbstpräsentation und Kommunikation genutzt. Den Mittelpunk bilden dabei Profile, auf denen sich Nutzer/innen in Informationen (z.B. Pinnwandeinträge) übersetzen. Ein solches „writing themselves into being“ (Sundén 2003, zit. nach Boyd 2007) macht eine neue Form von Impression Management (Goffman 2003) notwendig. Meine Dissertation thematisiert diese neue Form und möchte einen Betrag zum Verständnis des Umgangs mit der eigenen Identität in einer potentiell globalisierten Welt anhand des Handlungsfeldes SNS liefern.

Ausgangspunkt: Nutzende von SNS sind durch Profile mit anderen verbunden. Diese Verbindungen werden durch Anfragen bei anderen oder durch Bestätigung von Anfragen anderer hergestellt. Hier überlappen sich für gewöhnlich getrennte soziale Kreise, etwa Freunde/Freundinnen, Kolleg/innen, Bekannte oder alte Schulfreunde.

Bei der Präsentation vor einem solch heterogenen Publikum fehlt Nutzer/innen ein orts- oder zeitgebundener Kontext, der etwa eine bestimmte Rolle näher legt als andere. Die Entscheidung, was Nutzende von SNS über sich präsentieren möchten und auf welche Weise sie es präsentieren, wird in sie hineinverlagert. Hierdurch eröffnen sich größere Freiheiten bei der Präsentation des Selbst, die zugleich aber wieder durch das eigene Selbstbild und durch die Übernahme der Perspektive anderer – der „Freunde“ – eingeschränkt wird. Die Annahme ist, dass Nutzer/innen dieser Freiheit durch eine Identitätspolitik begegnen. Profile sind dynamische Entscheidungen darüber, was man über sich präsentieren möchte. Dahinter liegen Motive, die für und gegen bestimmte Profilinformationen sprechen.

Ziel meiner Dissertation ist die Rekonstruktion dieser Motive und der Handlungsstrategien, die aus ihnen resultieren. Ein besonderes Augenmerk möchte ich dabei auf die Darstellung von Gefühlen richten, d.h. der Frage nachgehen, welche Gefühle auf welche Art kodiert Eingang in die Selbstpräsentation finden.

Forschungsfragen: a) Welche Motive verfolgen Nutzer/innen bei der Präsentation ihres Selbst? b) Nach welchen Strategien gehen sie vor? c) Welche Emotionen werden zur Selbstpräsentation eingesetzt und wie werden sie kodiert?

Anlage der Studie & Methodik: Die Erhebung erfolgt durch semistrukturierte bzw. fokussierte Interviews (vgl. Merton, Fiske & Kendall 1990, zit. nach Rubin & Rubin 1995) mit Nutzer/innen von Facebook. Grundlage bildet hierbei ein Interviewguide, der anhand des beschriebenen theoretischen Konzepts entwickelt wurde. Anhand der Interview-Transkripte werden Motive und Strategien, die den Hintergrund von Profilinformationen bilden, interpretiert und kategorisiert (Dey 1993).

Diskussion: Zur Diskussion stellen möchte ich methodisch die Auswahl von Interviewpartnern und inhaltlich die Frage nach der Interpretierbarkeit von Emotionen anhand von Aussagen zu Motiven.

Kontakt: André Hoever a.hoever@fu-berlin.de

Literatur

Boyd, Danah (2007). Why Youth (Heart) Social Network Sites: The Role of Networked Publics in Teenage Social Life. MacArthur Foundation Series on Digital Learning – Youth, Identity, and Digital Media Volume (ed. David Buckingham). Cambridge, MA: MIT Press.

Dey, Ian (1993). Qualitative Data Analysis: A User Friendly Guide for Social Scientists. London/New York: Routledge.

Goffman, Erving (1959). Wir alle spielen Theater. München: Piper.

Rubin, Irene& Rubin, Herbert J. (1995). Qualitative Interviewing: The Art of Hearing Data. Thousand Oaks: Sage.

Soziale Praktiken im Schülerparlament. Eine ethnografische Studie

Ilka Hutschenreuter. (Promotionskolleg „Kinder & Kindheiten“, Universität Kassel)

Forschungskontext: Im Rahmen des Promotionskollegs „Kinder und Kindheiten im Spannungsfeld gesellschaftlicher Modernisierungen“ (Verbundkolleg der Universitäten Kassel und Wuppertal; Förderung durch die Hans-Böckler-Stiftung) werden in einem interdisziplinären Zugang Kinder und Kindheiten zum Ausgangspunkt von Dissertationsvorhaben gemacht.

Ausgangspunkt: Demokratisierungsprozesse finden im institutionellen Rahmen Grundschule verstärkte Aufmerksamkeit. Grundschulen erproben sich darin, demokratische Strukturen zu etablieren, in denen Kinder an Mitbestimmungsprozessen beteiligt werden. Empirische Befunde, die die dadurch entstehenden Handlungsrahmen und Aushandlungsprozesse untersuchen, liegen kaum vor (vgl. unter anderem Hurrelmann & Andresen 2007, de Boer 2006, Kiper et al. 1997). An diesem Forschungsdesiderat setzt das Forschungsvorhaben an und untersucht die Partizipationspraktiken in beteiligungsorientierten Grundschulen.

Anlage der Studie: Im Fokus des Forschungsprojekts stehen Ansätze zur Partizipationsförderung in zwei Grundschulen. Im Rahmen einer ethnografisch angelegten Untersuchung werden zum einen formelle Settings wie die Durchführung eines Schülerparlaments, eines Pausenausleihprojektes, eines Streitschlichterprojektes, einer Kinderkonferenz und die Durchführung von Themenwochen beobachtet und zum anderen informelle Settings, zum Beispiel Szenen auf der Türschwelle, auf dem Schulhof und im Lehrerzimmer.

Forschungsfrage: Wie gestalten Pädagog/innen und Schüler/innen den Schulalltag in formellen und informellen Settings gemeinsam? Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, die Mikroprozesse in den pädagogischen Arrangements mit partizipativer Rahmung und den informellen Settings in den Blick zu nehmen und die darin eingebetteten sozialen Ereignisse empirisch zu beschreiben und zu analysieren. 

Methodik: Mittels eines ethnografisch-analytischen Forschungszuganges und einer vergleichenden Untersuchung von zwei beteiligungsorientieren Grundschulen werden soziale Praktiken identifiziert und analysiert. Sich orientierend an einer Ethnografie im Sinne einer Forschungsstrategie (Amann & Hirschauer 1997) wurden verschiedene Daten (Beobachtungsprotokolle, Interviews, Dokumente) in mehrmonatigen Feldaufenthalten erhoben und im Sinne eines sich zirkulär-gestaltenden Forschungsprozess analysiert. Das Analyseverfahren orientiert sich dabei an Kodierverfahren (vgl. Strauss & Corbin 1996), welche mit sequentiellen Analysen (vgl. unter anderem Deppermann 2008, Bergmann 1985) kombiniert werden.

Ergebnisse: In dem Poster werden die Anlage der Arbeit sowie erste Ergebnisse zum Partizipationssetting „Schülerparlament“ präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Kontakt: Ilka Hutschenreuter i.hutschenreuter@uni-kassel.dehttp://www.kinder-und-kindheiten.de

Literatur

Amann, Klaus & Hirschauer, Stefan (1997). Die Befremdung der eigenen Kultur. Ein Programm. In Stefan Hirschauer & Klaus Amann  (Hrsg.), Die Befremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen Herausforderung soziologischer Empirie (S.7-52). Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Bergmann, Jörg (1985). Flüchtigkeit und methodische Fixierung sozialer Wirklichkeit. In Wolfgang Bonß & Heinz Hartmann (Hrsg.), Entzauberte Wissenschaft. Zur Relativität und Geltung soziologischer Forschung (S.229-320). Göttingen: Schwartz.

Boer, Heike de (2006). Klassenrat als interaktive Praxis. Auseinandersetzung – Kooperation – Imagepflege. Wiesbaden: VS Verlag.

Deppermann, Arnulf (2008). Gespräche analysieren. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag.

Hurrelmann, Klaus & Andresen, Sabine (2007). Kinder in Deutschland. 2007 ; 1. World Vision Kinderstudie. Lizenz[ausg.]. Bonn: BpB Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung, 680).

Kiper, Hanna; Pozar, Thekla-Sofie & Piper, Hanke (1997). Selbst- und Mitbestimmung in der Schule. Das Beispiel Klassenrat. Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren (Grundlagen der Schulpädagogik, 20).

Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1996). Grounded theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz/PVU.

Textbasierte, diskursanalytische Rekonstruktionen von Altersbildern. Diskussion des Forschungsdesigns: Kritische Diskurs- und Dispositivanalyse

Timo Jacobs, Dagmara Wozniak, Andreas Kruse; Institut für Gerontologie, Universität Heidelberg

Forschungskontext: Das Projekt ist Teil eines von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsvorhabens mit dem Titel: „Gutes Leben im höheren Alter angesichts von Verletzlichkeit und Endlichkeit – eine Analyse von Altersbildern in öffentlichen Diskursen und Alltagspraktiken.“ Die Studie ist interdisziplinär ausgerichtet und umfasst die Disziplinen Gerontologie (Universität Heidelberg; Leitung: Prof. Dr. A. Kruse), Philosophie (Technische Universität Dresden; Leitung: Prof. Dr. T. Rentsch) und Europäische Ethnologie/ Kulturwissenschaft (Universität Marburg; Leitung: Prof. Dr. Harm-Peer Zimmermann). Das hier vorgestellte Forschungsvorhaben ist Teil des Gesamtprojekts im Bereich Gerontologie.

Ausgangspunkt: Die öffentliche Diskussion über Anforderungen, die angesichts des demographischen Wandels sowohl an den Einzelnen als auch an die Gesellschaft gestellt werden, gewinnt in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung (BMFSFJ 2005). Im Hinblick auf die öffentliche Darstellung und Wahrnehmung des Alters ist erkennbar, dass das dritte Lebensalter vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Potenziale, Entwicklungsmöglichkeiten und einer „späten Freiheit“ betrachtet wird, während das vierte Alter eher im Sinne einer „Kumulation von Herausforderungen und Verlusten“ sowie zunehmender Verletzlichkeit charakterisiert wird (Baltes & Smith 2003; Rosenmayr 1983). Diese Darstellung des Alters lässt dessen Heterogenität sowie die Multidimensionalität und Multidirektionalität von Entwicklung im gesamten Lebenslauf außer Acht (Wahl & Heyl 2004). Vor diesem Hintergrund soll im Rahmen der Studie die Frage nach der Form, dem Aufbau und der Bedeutung von Bildern des hohen Alters in öffentlichen Darstellungen und Diskursen beantwortet werden. Im Teilprojekt Gerontologie werden dabei die Bereiche der Medizin, Gerontologie und den Pflegewissenschaften fokussiert.

Forschungsdesign und methodisches Vorgehen: Der Quellenkorpus besteht sowohl aus  Buchveröffentlichungen als auch aus Fachzeitschriften aus den Bereichen Medizin, Gerontologie und Pflege, die im Zeitraum von 1990 bis heute publiziert wurden und in welchen die Frage der Hochaltrigkeit und insbesondere der Verletzlichkeit und Endlichkeit im hohen Alter thematisiert wird. Insofern soll untersucht werden, welche Wissensressourcen, Deutungs-, Wert- und Ausdrucksmuster in den öffentlichen Darstellungen des hohen Alters derzeit mobilisiert und diskutiert werden und für breite Kreise der Bevölkerung maßgeblich sind. In methodischer Hinsicht wird dabei an das Vorgehen einer kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse (Jäger 2004) angeschlossen.

Diskussion: Im Poster wird das Design der Studie präsentiert und das methodische Vorgehen zur Diskussion gestellt.

Kontakt: Timo Jacobs timo.jacobs@gero.uni-heidelberg.de

Literatur:

Baltes, P. B., & Smith, J. (2003). New frontiers in the future of aging: From successful aging of the young old to the dilemmas of the fourth age. Gerontology, 49, 123-135.

Jäger, S. (2004). Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Münster: Unrast.

BMFSFJ (2005). Fünfter Altenbericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft.

Rosenmayr, L. (1983). Die späte Freiheit. Das Alter – ein Stück gelebtes Leben. Berlin: Severin & Siedler.

Wahl, H.-W. & Heyl, V. (2004). Gerontologie: Einführung und Geschichte. Stuttgart: Kohlhammer.

Die Netze der Pioniere. Zum netzwerkbezogenen Forschungsansatz in einem ethnografischen Projekt

Anika Neumann; Dr. Petra Jähnke (Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) Erkner)

Ziel dieses Posters ist es darzustellen, wie qualitative Netzwerkforschung auf neuartige und innovative Weise in ein ethnografisches Projekt eingebettet wird. Im ersten Teil soll es deshalb zunächst um dieses ethnografische Setting gehen. Zweiter Teil und Hauptaugenmerk unseres Posters wird dann die Methode der Qualitativen Netzwerkforschung sein, die es anhand eines egozentrierten Netzwerkbildes zu illustrieren gilt.

Teil I: Ethnografisches Setting

Forschungsfrage: Ausgehend von der Annahme, dass Raumpioniere nicht isoliert zu betrachten sind, sondern erst ihre strukturelle Einbettung in Netzwerkkontexte relevante Handlungsspielräume aufzeigt, fragen wir danach wie sich raumwirksame Akteure vernetzen.

Einbettung in den Projektzusammenhang: Das IRS-Leitprojekt „Raumpioniere im Stadtquartier. Zur kommunikativen (Re-) Konstruktion von Räumen im Strukturwandel“ nimmt am Beispiel von Berlin-Moabit und Hamburg-Wilhelmsburg Raumpionieraktivitäten in den Fokus. Raumpioniere verstehen wir als Akteurstypus, der für Stadtquartiere Innovatives, möglicherweise Ungewohntes vorschlägt bzw. praktiziert und damit Selbst- und Fremdbilder dieser Räume beeinflusst.

Ethnografisches Setting: Zusammengefasst unter dem methodologischen Dach der fokussierten Ethnografie nutzen wir die Qualitative Netzwerkforschung innerhalb einer Methodentriangulation von problemzentriertem Interview, teilnehmender Beobachtung und Diskursanalyse. Diese wiederum werden drei Aggregationsformen beteiligter räumlicher Akteure zugeordnet – Einzelakteuren, Gruppen und Netzwerken sowie Öffentlichen Diskursen.

Theoretischer Rahmen: Den theoretischen Rahmen für dieses IRS-Leitprojekt und damit auch für das zu präsentierende Poster bildet die Verknüpfung von Forschungsansätzen zu Kommunikations- und Wissensprozessen in der Raumentwicklung. Vor dem Hintergrund eines wissenssoziologischen Ansatzes gehen wir davon aus, dass Raum in kommunikativen Prozessen von Subjekten verhandelt und konstruiert wird. Mit der Zielstellung, eine Theorie der kommunikativen Konstruktion von Raum zu erarbeiten, ist der zentrale Fokus die Frage nach der Rolle, die Kommunikationen bei der Herausentwicklung und Transformation von Raumwissen spielen.

Teil 2

Methode der Qualitativen Netzwerkforschung: Eingebettet in problemzentrierte Interviews bietet uns die qualitative Netzwerkforschung Möglichkeiten, die handlungsleitende Logik der Akteure im Zusammenspiel mit ihren strukturellen Vernetzungen rekonstruieren und verstehen zu können. Empirisch versuchen wir zu diesem Zweck, die von Raumpionieren aktuell in deren Projektzusammenhängen genutzten Netzwerkkontakte als egozentrierte kognitive Karten abzubilden. Indem wir sie zu ihrer „Wissensnähe“ im Hinblick auf andere Akteure, zum Charakter ihrer Beziehungen, zu Netzwerkstrategien und zur Rolle von Schlüsselakteuren im Stadtteil befragen, wird unter Anleitung des/ der Interviewenden und mit Hilfe des Softwaretools VennMaker vom Befragten gleichsam in actu sein individuelles Netzwerkbild erhoben. Dabei gibt nicht allein die Netzwerkstruktur als solche, sondern zugleich die extemporierte Sinnstruktur, als Grundlage hermeneutischer Deutungsanalyse, Aufschluss für die Entwicklung von Strukturhypothesen.

Kontakt: Anika Neumann E-Mail neumanna@irs-net.de; Petra Jähnke jaehnkep@irs-net.dehttp://www.irs-net.de

Literatur

Berger, Peter L. & Luckmann, Thomas (1966). The Social Construction of Reality. A Treatise in the Sociology of Knowledge. Garden City, New York: Anchor Books.

Christmann, Gabriela (1997). Ökologische Moral. Zur kommunikativen Konstruktion und Rekonstruktion umweltschützerischer Moralvorstellungen. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.

Christmann, Gabriela (2004). Dresdens Glanz, Stolz der Dresdner. Lokale Kommunikation, Stadtkultur und städtische Identität. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.

Hollstein, Betina & Straus, Florian (Hrsg.) (2006). Qualitative Netzwerkanalyse. Konzepte, Methoden, Anwendungen. Wiesbaden: VS Verlag. 

Keller, Reiner (2001). Wissenssoziologische Diskursanalyse, In Reiner Keller, Andreas Hirse-land, Werner Schneider & Willy Viehöver (Hrsg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden (S.113-144). Opladen: Leske + Budrich.

Knoblauch Hubert (2001). Fokussierte Ethnographie, Sozialer Sinn, 1, 123-141.

Lange, Bastian; Matthiesen, Ulf (2006). Raumpioniere. In Philipp Oswalt (Hrsg.), Schrumpfende Städte. Band 2 Handlungskonzepte (S.374-383). Ostfildern-Ruit, Hatje Cantz Verlag. 

„… und dann ist es bergauf gegangen.“ Gender und Migration im Kontext einer Suchtkrankheit; zwei Fragmente von Diversität — Eine biografische Untersuchung über das Erleben von Frauen mit einer Suchterkrankung im Kontext einer Migrationsbiografie

Grozdana Pajkovic

Forschungskontext: Das Dissertationsvorhaben beschäftigt sich mit den biografischen Verläufen von Frauen, die in verschiedenen Einwanderungsgenerationen stehen und eine Suchterkrankung in Bezug auf illegalisierte Drogen aufweisen. Die Gruppe von Frauen, deren Eltern bzw. auch Großeltern nicht in Österreich geboren sind, gelten in den Suchthilfeeinrichtungen als schwierig. Ob und inwieweit Migrationszugehörigkeiten relevant für die Entwicklung einer Suchtkrankheit sind, soll untersucht werden. Der Forschungsprozess folgt einem rekonstruktiven Ansatz in der Sozialforschung.

Ausgangspunkt: Aus der Suchtforschung im Kontext der Migration sind bis dato immer die Lebenslagen, welche die Migration mit sich bringt, als Risikofaktor diskutiert worden. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Sucht multifaktorielle Ursachen hat. Aus der Frauensuchtforschung ist bekannt, dass Gewalterfahrungen von „Frauen“ ausschlaggebend für die Entwicklung einer Suchtkrankheit sind (Vogt & Winkler 1993; Garnitschnig 2003 u.v.a.m.). Migrationsspezifische und Frauenspezifische Suchtforschung sind mit der Thematik Frau und Sucht im Kontext Migration noch nicht mit einander verknüpft.

Forschungsfrage: Da das Erkenntnisinteresse auf die Biografie der betroffenen Frauen abzielt, wird eine weitgehend offene Fragestellung formuliert. Was bei der Dissertation im Speziellen erforscht werden soll, ist der Suchtentwicklungsprozess aus biografischer Perspektive. Im Zuge der Forschungsarbeit soll analysiert werden, ob bei den untersuchten Frauen Verlaufskurven auftreten und wenn ja, sollen die Entwicklungsschritte dieser Verlaufskurve diskutiert werden. Weiters sollen den Barrieren eines Wandlungsprozesses Aufmerksamkeit gezollt werden und den diversen Auslösern für das Verlaufskurvenpotential Rechnung getragen werden. Auch soll untersucht werden, welche Irritationen im Zuge des (positiven) Wandlungsprozesses eintreten können und über welche Ressourcen die Biografinnen verfügen. Der Forschungsprozess versteht sich als zyklisch, damit werden sich weitere Fragestellungen im Feld ergeben; zudem ist dieser Vorgang durch ein ständiges Ineinandergreifen von Erhebung und Analyse gekennzeichnet und zielt darauf ab, weitere Fragestellungen im Feld zu entwickeln.

Methodik: Für die Untersuchung werden biografisch-narrative Interviews nach Fritz Schütze (1976) durchgeführt, die nach der Methode von Gabriele Rosenthal (1995), der biografischen Fallrekonstruktion ausgewertet werden. Zudem wird die thematische Feldanalyse nach Wolfram Fischer (1982) herangezogen, wobei gestalttheoretische Überlegungen nach Aron Gurwitsch einfließen. Der Forschungsprozess wird durch das Theoretical Sampling (Glaser & Strauss 1998) gesteuert.

Forschungsdesign: Es kann davon ausgegangen werden, dass Frauen Traumatisierungen vor der Suchtkrankheit erfahren haben, so dass die Abhängigkeitserkrankung lediglich eine Copingstrategie darstellt. Traumatisierungen im Kontext einer Suchtkrankheit resultieren vor allem aus Gewalt und sexuellem Missbrauch aus der eigenen Familie. Biografisch-narrative Interviews zeigen vier Muster, auf lebensgeschichtliche Ereignisse reagieren zu können – a) Biografische Handlungsschemata, b) Institutionelle Ablaufmuster der Lebensgeschichte, c) Verlaufskurven und / oder d) Wandlungsprozesse (Schütze 1976). Zahlreiche Studien (Eppler 2009; Griese & Griesehop 2007) belegen, dass Biografien von Frauen im Kontext einer Suchtkrankheit Verlaufskurven aufweisen. Im Zuge der maximalen Kontrastierung von Fällen soll beleuchtet werden, ob (und wenn ja welche) Unterschiede zwischen Frauen mit und ohne Migrationsbiografie bestehen. Dieses ist insbesondere für die praxisorientierte Soziale Arbeit von großer Relevanz, da Suchthilfeeinrichtungen mit Frauen im Kontext einer Migrationsbiografie an die Grenzen ihrer täglichen Arbeit stoßen. Mit dieser Arbeit sollen vor allem Institutionen bei der lebensweltorientierten Beratung und Betreuung ihrer Klientinnen unterstützt werden.

Aktueller Projektstand: Bis dato wurden neun Interviews geführt und zurzeit wird der erste Fall ausgewertet. Hierbei kann das Handlungsmuster der Biografin dargestellt werden. Dieser wird neben der Anlage der Studie zur Diskussion gestellt.  Der nächste Fall wird gemäß dem theoretical sampling im Sinne der maximalen Kontrastierung zum ersten Fall für die weitere Bearbeitung herangezogen.

Kontakt: Grozdana Pajkovic pajkovic@gmx.at

Literatur

Eppler, Natalie (2009). „Leiden zieht mich an“ – Trauma und Sucht aus lebensgeschichtlicher Perspektive. In Silke Brigitte Gahleitner & Connie Lee Gunderson (Hrsg.), Gender Trauma Sucht (S.143-154).  Kröning: Asanger.

Fischer, Wolfram (1982). Time and Chronic Illness. A Study on Social Constitution of Temporality. Habilitationsschrift, Berkeley.

Garnitschnig, Johanna (2003). Risikominimierung in Rehabilitationsverläufen suchtmittelabhängiger inhaftierter Frauen. Eine qualitative Studie an der Frauenabteilung der Justizanstalt Wien-Favoriten. Diplomarbeit Universität Wien.

Glaser Barney & Strauss, Anselm L. (1998). Grounded Theory: Strategien qualitativer Forschung, Bern: Hans Huber.

Griese, Birgit & Griesehop, Hedwig Rosa (2007). Biographische Fallarbeit. Theorie, Methode und Praxisrelevanz. Weineheim: VS Verlag.

Overmann, Ulrich (1991). Genetischer Strukturalismus und das sozialwissenschaftliche Problem der Entstehung von Neuem. In Stefan Müller-Doohm (Hrsg.), Jenseits der Utopie (S.267-339). Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Rosenthal, Gabriele (2008). Interpretative Sozialforschung. Einführung (2. Aufl.). Weinheim: Juventa.

Rosenthal, Gabriele (1995). Erlebte und erzählte Lebensgeschichte. Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen. Frankfurt/M.: Campus.

Schütze, Fritz (1976). Zur Hervorlockung und Analyse von Erzählungen thematisch relevanter Geschichten im Rahmen soziologischer Feldforschung – dargestellt an einem Projekt zur Erforschung von kommunalen Machtstrukturen. In  Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) (S.159-260). Kommunikative Sozialforschung. München: Fink

Vogt, Irmgard & Winkler, Claudia (1995). Rahmenbedingungen der Beratung und Therapie von Frauen in der Suchtkrankenhilfe. In Irmgard Vogt & Klaudia Winkler (Hrsg.), Beratung süchtiger Frauen: Konzepte und Methoden (S.12-29).  Freiburg/Br.: Lambertus.

Ergebnisse von offenen Interviews zur Validierung der direkten und indirekten Methode der Veränderungsmessung

Nadine Pohontsch & Thorsten Meyer (Universität zu Lübeck / Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Sozialmedizin)

Forschungskontext: Jährlich werden an die 850.000 Rehabilitationen ausgeführt, deren Kostenträger die Deutsche Rentenversicherung ist (Deutsche Rentenversicherung Bund 2009). Im Bereich der Evaluation von Rehabilitationsmaßnahmen stellt sich die Frage, wie das Ergebnis der Rehabilitation möglichst ökonomisch und valide gemessen werden kann. Eine Möglichkeit der Ergebnismessung ist die Erfassung von Veränderungen im Zuge der Rehabilitation mittels Fragebögen.

Ausgangspunkt: Vergleicht man die mit direkter Veränderungsmessung (retrospektive Beurteilung der Veränderung des Gesundheitszustands) und indirekter Veränderungsmessung (prospektive Messung durch Bildung der Differenz zweier Statusmessungen) erfassten Effekte der Reha zeigt sich, dass beide Methoden substanziell unterschiedliche Aspekte erfassen.

Forschungsfragen: Ziel ist nachzuvollziehen, wie Rehabilitand/innen Veränderungen ihrer körperlichen Beschwerden wahrnehmen und diese Wahrnehmungen abhängig von der Frageform in (evtl. unterschiedliche) Antworten umsetzen. Dies soll dazu beitragen, die Ursachen der Ergebnisdiskrepanz beider Messmethoden zu erklären.

Methodik: 34 Rehabilitand/innen der Deutschen Rentenversicherung Nord (Onkologie/Orthopädie) wurden vor und nach der Reha mittels standardisierter Fragebögen zu ihrem Gesundheitszustand befragt (Statusmessung). Der zweite Fragebogen enthielt zusätzlich Fragen zur direkten Veränderungsmessung. An das Ausfüllen des zweiten Fragebogens schloss ein offenes leitfadengestütztes Interview über den Gesundheitszustand, die Rehabilitation sowie das Verständnis und die Beantwortung der Fragen an. Das Vorgehen lehnte sich an die Methoden des problemzentrierten Interviews (Witzel 2000) und des ursprünglich im Rahmen der Surveyforschung entwickelten kognitiven Interviews (Willis 2005) an. Das Material wurde inhaltsanalytisch (Mayring 2000) auf Erklärungen für Ergebnisdiskrepanzen der beiden Messmethoden untersucht.

Ergebnisse: Bei der indirekten Veränderungsmessung führen vor allem die wahrgenommene Funktion der Messung (Erhebung vom aktuellen vs. typischen Zustand vs. worst case), Selbstdarstellungstendenzen (z.B. Aggravation, Dissimulation oder soziale Erwünschtheit), Dissonanzreduktionstendenzen („Rechtfertigung für die Rehabilitationsteilnahme“), Response Shift und (besondere) Lebenssituationen und deren Veränderlichkeit zu Abweichungen vom „wahren“ Wert. Bei der direkten Veränderungsmessung beeinflussen (Nicht-) Veränderungstheorien, Erfolgserwartungen, die Fehlinterpretation der Veränderungsmessung als Statusmessung und der Wandel der Bedeutung einzelner Aspekte eines Bereichs (z.B. allgemeiner Gesundheitszustand oder Schmerzen) das Ergebnis der Messung. Auf dem Poster soll neben diesen Ergebnissen ein daraus abgeleitetes Modell der indirekten und direkten Methode der Veränderungsmessung vorgestellt werden.

Diskussion: Die Ergebnisse der zwei Methoden der Veränderungsmessung zeigen sich durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Die verbreitete Ansicht, die indirekte Veränderungsmessung stelle einen „Goldstandard“ der Outcomemessung dar, lässt sich durch die Ergebnisse nicht stützen. Der Kern beider Messungen ist (meistens) eine Aussage über eine Veränderung, die aber aufgrund verschiedener Effekte in die eine oder andere Richtung verzerrt sein kann. Schlussfolgerung: Ziel weiterer Forschung muss sein, Bedingungen für den differentiellen Einsatz von indirekter und direkter Veränderungsmessung zu spezifizieren.

Kontakt: Nadine Pohintsch Nadine.Pohontsch@uk-sh.de

Literatur

Deutsche Rentenversicherung Bund (2009). Statistikband Rehabilitation 2008. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.

Witzel, Andreas (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22, http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228 [16.11.2009]

Willis, Gordon Bruce (2005). Cognitive interviewing. A tool for improving questionnaire design. Thousand Oaks, CA: Sage.

Mayring, Philipp (2000). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

Die Analyse von Handy-Clips

Oliver M. Reuter (Augsburg)

Forschungskontext: Meine Studie ist innerhalb der Kunstpädagogik verortet. Die empirische Forschung und hier vor allen Dingen die qualitativ-empirische Forschung erlebt seit Ende der 1990er-Jahre eine neuen Aufwind innerhalb kunstpädagogischer Arbeiten. Mittels der Adaption in anderen Fächern erprobter und bewährter Verfahren sowie der Entwicklung neuer Ansätze erarbeitet sich das Fach derzeit ein Methodenrepertoire, das fachspezifische Prozesse empirisch erfassbar machen soll. Der Analyse ästhetischer Handlungen, der Untersuchung ästhetischer Erfahrungsprozesse wird dabei ein hoher Stellenwert eingeräumt. Bilder spielen als Datenmaterial eine zentrale Rolle. Auf der Basis einer vorliegenden Studie (Reuter 2009), mit der mittels Interviews, Bild- und Filmanalysen die Art und Weise, wie Kinder und Jugendliche das Handy einsetzen, erforscht wurde, soll die Forschungsfrage ausgedehnt werden. 

Forschungsfrage: Das Handy dient selbst initiierter ästhetischer Praxis. Es trägt über Momente der Selbstinszenierung zur eigenen Selbstverortung bei und entwickelt sich zu einem zentralen Medium der Identitätskonstruktion.

Kurze Clips, die Kinder oder Jugendliche anfertigen, gehorchen oft nicht einem strengen geplanten Ablauf. Die Spontaneität der Aufzeichnung führt zur Notwendigkeit, zwischen intentional eingesetzten filmischen Mitteln, unbewusst verwendeten Maßnahmen und zufälligen Momenten zu differenzieren.

Es werden die beiden Instrumente Dokumentenanalyse (kurzer Clip) und Befragung zum Dokument gegenübergestellt:

  • Inwiefern sind die Clips selbst aussagekräftig genug, lassen sich ästhetische Erfahrungsprozesse anhand von Parametern wie die Aufmerksamkeit für Ereignisse, die Offenheit und Neugier, das Versunkensein im Augenblick, der Genuss der Wahrnehmung, die Spannung/ Überraschung oder das Erleben von Subjektivität und Individualität (Peez 2008) am Clip nachweisen? Ist eine Triangulation (z.B. über Interviews) unabdingbar?
  • Für welche im kunstpädagogischen Kontext spezifischen Fragestellungen eignet sich die Dokumentenanalyse filmischer Aufzeichnungen besonders? 

Methode: Der erste methodische Ansatz sucht einen Vergleich zweier Analyseansätze: eine inhaltsanalytische Untersuchung der filmischen Aufzeichnung (Handy-Clips) innerhalb einer Expertengruppe versus die Befragung der Autor/innen der Clips. Inwiefern gibt es Deckungsbereiche, welche Bereiche können mittels Dokumentenanalyse sicher bestimmt werden, wo liegen Fallstricke für Irrtümer?

Von 12 Jugendlichen im Alter von 15-17 Jahren werden die Clips, die sich auf deren Handy befinden, über eine Schnittstelle auf den Computer übertragen. Diese Clips dienen als Dokument und werden ausgewertet. Dazu ist ein inhaltsanalytisches Auswertungsverfahren entwickelt. Dieses beinhaltet zunächst eine Sequenzdefinition mit anschließender Deskription. Auf dieser Basis baut die folgende Analyse am Datenmaterial selbst auf.

Darüber hinaus werden mit den Jugendlichen Leitfadeninterviews geführt. Dabei dienen die als Datenmaterial erhobenen Clips als eine visuelle Stütze. Die Auswertung der Interviews erfolgt inhaltanalytisch analog zur qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2000).

Ergebnisse: Da nun erst die Studie zu den mobilen Bildern abgeschlossen ist und sich die Studie im Anfangsstadium befindet, liegen noch keine weiteren Ergebnisse vor. Mit dem Poster werden die Anlage der Studie (Design und Methoden) vorgestellt.

Kontakt: Oliver M. Reuter reliquserv@yahoo.dehttp://www.kunst-paedagogik.de

Literatur:

Mayring, Philipp (2000). Qualitative Inhaltsanalyse [28 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(2), Art. 20, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0002204.

Peez, Georg (2008). Zur Bedeutung ästhetischer Erfahrung für Produktion und Rezeption in gegenwärtigen Konzepten der Kunstpädagogik. In Thomas Greuel & Frauke Heß (Hrsg.), Musik erfinden. Beiträge zur Unterrichtsforschung (S.7-26). Aachen: Shaker.

Reuter, Oliver M. (2009). Mobile Bilder – Kinder und Jugendliche fotografieren und filmen mit dem Handy. München: Kopaed Verlag.

Visuelle Diskursanalyse: Elemente des Antisemitismus im deutschen Nachwendefilm

Antonia Schmid (Bergische Universität Wuppertal)

Fragestellung: Mein Dissertationsprojekt erforscht spezifische Formen des Antisemitismus in der politischen Kultur Deutschlands nach 1989. Untersuchungsgegenstand ist der Spielfilm, der nationale Identitätskonstruktionen, das kollektive Eigene und sein Anderes, abbildet wie auch prägt. Populärkulturelle Artefakte, die kollektive Selbst- und Fremdbilder verdichtet repräsentieren, werden daraufhin untersucht, was in den „Nuller Jahren“ sag- und zeigbar ist: Welche „klassischen“ antisemitischen Bilder werden tradiert, wie werden sie modifiziert, welche neuen Darstellungsweisen treten auf?

Forschungskontext: Antisemitismus ist seit 1945 zwar weiterhin virulent, in hegemonialen Diskursen jedoch desavouiert. Die politischen Transformationen nach 1989 haben dagegen zu Veränderungen geführt, die sich mit einem cultural lag verzögert auch im Film aufzeigen lassen: Das „vereinigte“ Deutschland hat den Holocaust in nationale Identitätsnarrative integriert und zum vergangenheitspolitischen Distinktionsmerkmal gemacht. Die Regeln des öffentlich Sagbaren haben sich auch in Bezug auf Antisemitismus verändert, wofür z.B. die Äußerungen Jürgen Möllemanns und die anschließenden Debatten Indikatoren sind. Da Antisemitismus aus fortdauernden gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen erwächst, aber manifeste Artikulationen als illegitim markiert werden („Kommunikationslatenz“), stellt sich die Frage, in welchen gewandelten, „erlaubten“, Formen er heute auftritt. Sekundärer Antisemitismus in den Formen der Erinnerungsabwehr und des Antizionismus gilt als „Aktualisierung“ des rassistischen Antisemitismus (Salzborn 2010). Gegenüber Diskursanalysen des letzteren (vgl. Ziege 2002) ist für die Gegenwart eine doppelte Perspektive notwendig, die tradierte Formen ebenso wie die Stellung des Holocausts in der Erinnerungskultur fokussiert.

Methodik: Diskursanalysen widmen sich bisher vor allem sprachlichen Texten. Das Sichtbare stellt jedoch für die Konstitution von Diskursen eine wichtige, eigene Dimension dar, die nicht vollständig in Sprache übersetzbar ist. Die eigens konzipierte Visuelle Diskursanalyse erlaubt über die Bildebene die Erfassung latenter Formen des Antisemitismus und löst gleichzeitig das Problem der übergroßen Datenmenge (ca. 40 Filme). Visualität und Temporalität des Films machen eine mehrdimensionale Analyse notwendig. Um die Analyseeinheit der „Aussage“ (Foucault 1973) auf filmisches Material anwenden zu können, wird ein thematisch bestimmter Toposbegriff verwendet, der neben visuellen auch immaterielle „Bilder“ umfasst (vgl. Mitchell 2008). Der Ablauf der Erhebung ist an die Kritische Diskursanalyse nach Jäger (2009) angelehnt, zum Codieren werden Verfahren der Grounded Theory Methodologie genutzt (vgl. Böhm 2000).

Ergebnisse: Das kollektive Bildgedächtnis umfasst in der Gegenwart „klassische“ antisemitische Topoi („der Judas/Verräter“, „jüdische Rachsucht“) sowie neue Formen. Viktimisierte Selbstbilder und dämonisierte Fremdbilder, die hier als „Schlagbilder“ (Meder 2006) präsentiert werden, bilden dichotome Achsen nationaler Identität: Der Holocaust-Ikonographie entnommene Repräsentationsweisen werden zunehmend für nichtjüdische Opfererzählungen eingesetzt („Idolatrische Mimesis“). Othering geschieht dagegen in Bezug auf Abspaltungen des Eigenkollektivs (der „böse Nazi“) und tradierte wie neue Feindbilder (der „brutale Russe/Israeli“).

Kontakt: Antonia Schmid Schmid@uni-wuppertal.de

Literatur

Böhm, Andreas (2000). Theoretisches Codieren: Textanalyse in der Grounded Theory. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S.475-485). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt..

Foucault, Michel (1973). Archäologie des Wissens. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Jäger, Siegfried (2009 1999). Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Münster: Unrast.

Meder, Thomas (2006). Ikonographie – Ikonik – Formgespür. Der Mehrfachsinn des filmischen Bildes und der Nutzen des kunstwissenschaftlichen Subjekts. In Thomas Koebner & Thomas Meder (Hrsg), Bildtheorie und Film. (S.74-91). München: edition text+kritik.

Mitchell, W.J.T. (2008). Bildtheorie. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Salzborn, Samuel (2010). Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich. Frankfurt/M.: Campus.

Ziege, Eva-Maria (2002). Mythische Kohärenz. Diskursanalyse des völkischen Antisemitismus. Konstanz: UVK.

„Medien? Oh ja, mit denen kann man Holz hammern!“ – Eine vergleichende Studie zum Medienalltag von Vorschulkindern aus Deutschland und den USA

Marion Weise (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Forschungsstelle Jugend-Medien-Bildung)

Ausgangslage und Problemstellung: Die Veränderungen der Gesellschaft durch eine radikale Mediatisierung auf allen Ebenen (Krotz 2007, S.14) rückt die Medienkompetenzvermittlung in den Bildungsinstitutionen in den Fokus wissenschaftlicher Forschung (vgl. Marci-Boehncke & Rath 2007). Kontradiktorisch dazu lassen sich in den bisherigen Orientierungsplänen bestenfalls wenige konkrete Hinweise auf Medienerziehung finden – vielmehr lösen Medien in der Frühförderung nach wie vor erhebliche Kontroversen aus (vgl. Spitzer 2006). Mediatisierung ist jedoch ein Faktum, das wissenschaftlich erforscht und pädagogisch aufgegriffen werden muss, um die herrschenden Wissenslücken zu schließen (Livingston & Drotner 2008, S.4).

Die Ausgangsfrage des Dissertationsprojektes nach dem medialen Erleben von Kindern stellt folglich eine offene Fragestellung dar, die insbesondere die Perspektive des Vorschulkindes in den Mittelpunkt rückt – standardisierte Befragungen können diesen Zugang nur schwer leisten. Ebenso legt die Auseinandersetzung mit dem Stand der Forschung einen weitgehend offenen Zugang nahe. Denn obgleich eines deutlich gestiegenen Interesses an den Erfahrungen unter 6-Jährigen ist noch zu wenig empirisch gesichertes Wissen vorhanden, wie diese Altersgruppe ihre Medienkultur herstellt und praktiziert (Theunert 2007; Drotner & Livingston 2008). Der mediale Alltag ist gerade bei Vorschulkindern durch die Verfügbarkeit und Nutzungsregelung durch Eltern geprägt und auch durch deren Einstellungen zu Medien und Medienerziehung. Es ist daher notwendig, auch diese Perspektive zu erfassen.

Methode: Die Notwendigkeit mehrere Perspektiven auf den Forschungsgegenstand zu vereinen, lassen sowohl qualitative und auch quantitative Methoden zum Einsatz kommen. Daher wurde die vorliegende Untersuchung in Anlehnung an das theoriegenerierende Verfahren der Heuristischen Sozialforschung (Kleining 1994; Kleining & Witt 2000; Krotz 2005) durchgeführt, das im Sinne einer maximalen strukturellen Variation einen Methoden-Mix (oder Triangulation) explizit erfordert. Um einen kindgerechten Zugang (Mey 2003) zu ermöglichen, wurde in diesem Projekt die Methode des Puppet-Interviews eingesetzt. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Interviewform, die in den USA primär in quantitativen Kontexten der Kinder-und Jugendpsychologie (Epstein et al. 2008) verwendet wird. In der vorliegenden qualitativen Untersuchung dient sie der Reduktion von Asymmetrien und der Verbesserung der Kommunikationssituation (Paus-Haase & Schorb 2000). Insgesamt wurden 35 Kinder (17 aus Deutschland, 18 aus den USA) nach der Methode des „schrittweisen Sampling“ bestimmt (Krotz 2005, S.214ff.) und im Rahmen eines leitfadengestützten Interviews befragt. Die Interviews wurden bereits transkribiert, als auch nach den Prämissen der Heuristischen Sozialforschung und mittels des computergestützten Analyseprogramms MaxQDA codiert und verdichtet. Der Analyseprozess der qualitativen Daten ist noch nicht abgeschlossen. Die Fragebögen der Eltern aus Deutschland (N=97) und aus den USA (N=170) dagegen liegen bereits ausgewertet vor.

Erste Ergebnisse: Die ersten Ergebnisse aus der quantitativen Befragung der Eltern zeigen, dass Kinder bereits im Vorschulalter auf ein breites Medienensemble Zugriff haben und Medien ein Bestandteil des Familienalltags darstellen und diesen auch mitgestalten. In einer ersten Analyse der Kinderaussagen zeigt sich aber auch, dass Kinder dabei jedoch sehr individuell und sehr differenziert Medien für sich und vor allem für ihre Interessen nutzen.

Kontakt: Marion Weise Marion_weise@gmx.deForschungsstelle Jugend – Medien – Bildung

Literatur

Drotner, Kirsten & Livingston, Sonia (Hrsg.). The International Handbook of Children, Media and Culture. Sage Publications

Epstein, Iris; Stevens, Bonnie; McKeever, Patricia; Baruchel, Sylvain & Jones, Heather (2008). Using puppetry to elicit children’s talk for research. Nursing Inquiry, 15(1), 49-56.

Kleining, Gerhard & Witt, Harald (2000). Qualitativ-heuristische Forschung als Entdeckungsmethodologie für Psychologie und Sozialwissenschaften: Die Wiederentdeckung der Methode der Introspektion als Beispiel. Forum Qualitative Sozialforschung [19 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 13, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001136. [Zugriff: 17.06.2009]

Kleining, Gerhard (1994). Qualitativ-heuristische Sozialforschung. Schriften zur Theorie und Praxis. Hamburg: Fechner.

Krotz, Friedrich (2005). Neue Theorien entwickeln. Eine Einführung in die Grounded Theory, die Heuristische Sozialforschung und die Ethnographie anhand von Beispielen aus der Kommunikationsforschung. Köln: Halem.

Marci-Boehncke, Gudrun & Rath, Matthias (2007). Medienkompetenz für ErzieherInnen. Ein Handbuch für die moderne Medienpraxis in der frühen Bildung. München: Kopäd.

Mey, Günter (2003). Zugänge zur kindlichen Perspektive – Methoden der Kindheitsforschung. In: Das Familienhandbuch des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP), München.

Paus-Haase [Paus-Hasebrink], Ingrid & Schorb, Bernd (Hrsg.) (2000). Qualitative Kinder- und Jugend-Medienforschung. Theorien und Methoden: ein Arbeitsbuch. München: kopaed.

Spitzer, Manfred (2006): Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. München: dtv

Theunert, Helga (Hrsg.) (2007). Medienkinder von Geburt an: Medienaneignung  in den ersten sechs Lebensjahren. München: Kopaed.