Workshops 2005

Ausgewählte Probleme beim Arbeiten mit der Grounded Theory

Prof. Dr. Franz Breuer

Universität Münster
Psychologisches Institut III: Methodenlehre, Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie

In meinen Versuchen der Umsetzung der Grounded Theory-Methodik bei der Bearbeitung psychologischer Untersuchungsfragen (bei eigener Forschungsarbeit wie bei der Betreuung von Qualifikationsarbeiten) haben sich bestimmte Aufmerksamkeits-Schwerpunkte und Stil-Varianten entwickelt, von denen hier zwei Aspekte zum Thema gemacht werden und zu denen ein Austausch mit den Teilnehmer/innen hinsichtlich eigener Forschungserfahrungen stattfinden soll.

Der Aspekt der Reflexion eigener Person-Anteile in ihrer Bedeutung für den Forschungs-/Erkenntnisprozess ist für mich ein wichtiges Anliegen geworden. Üblicherweise wird die Subjektivität der Forscherin bzw. des Forschers unter negativen Vorzeichen betrachtet: als zu kontrollierende bzw. auszuschaltende Störung, Verfälschung o.ä. Dem setzte ich den (z.B. von Georges Devereux unter der Perspektive des Gegenübertragungs-Konzepts der Psychoanalyse ausgearbeiteten) Gedanken der Informationshaltigkeit und erkenntnisproduktiven Nutzbarkeit der Subjekt-Charakteristik im Kontakt mit dem Forschungsgegenstand entgegen. Welche (Eigen-) Beobachtungen und Erfahrungen der Teilnehmer/innen gibt es in dieser Hinsicht? Welche Instrumentarien und Vorgehensweisen fördern/erleichtern entsprechende Selbstaufmerkamkeit (z.B. Forschungstagebuch, Forschungskolloquium, -werkstatt, -supervision)?

Die Entwicklung und Fokussierung der Forschungsfrage als Teil des Erkenntnisprozesses. Üblicherweise wird von empirisch zu bearbeitenden wissenschaftlichen Themenstellungen verlangt, dass sie von vornherein klar formuliert sind (Prototyp: die Hypothesenprüfung). Dieses Postulat wird bei Grounded Theory-Untersuchungen – beispielsweise im Zusammenhang mit der Idee des Theoretical Sampling-Prozesses – relativiert. Nicht selten kommt es im Zusammenhang solcher Forschungsarbeiten vor, dass am Schluss andere Forschungsfragen „beantwortet“ sind, als zu Beginn „gestellt“ worden waren. Diese Um- und Neufokussierung des Forschungsthemas ist ein Phänomen des Forschungsprozesses, das Aufmerksamkeit verdient. Einerseits ist da der Negativ-Aspekt, dass durch diesen Umstand bedingt das Schreiben konventioneller Forschungsentwürfe und -anträge erschwert ist; andererseits können sich so („positiv“) gegenstandssensitive Umkonzeptualisierungen der Forschungsfrage im Zusammenhang mit der Themen-Auseinandersetzung, mit Problemsichtweisen der Mitglieder des Forschungsfeldes etc. ergeben. Welcher Platz kann/soll solchen Themen-Dynamiken eingeräumt werden? Hier spielen u.a. Bedingungen des Gegenstands und des (institutionellen etc.) Arbeitskontextes des Forschers bzw. der Forscherin eine Rolle.

Zu diesen beiden Aspekten des qualitativen Forschungsprozesses (im Rahmen einer Grounded Theory-Methodik, aber auch über diesen Rahmen hinaus) gebe ich zunächst kurze Einführungen und Erläuterungen. Anschließend soll jeweils ein Zusammentragen einschlägiger Erfahrungen aus Forschungsprojekten der Teilnehmer/innen und deren gemeinsames Reflektieren/Besprechen stattfinden. Einschlägige Interessen und Ideen, eigene Probleme, Fragen etc. sollten im Vorfeld bekannt gemacht werden!

Empfohlene Literatur zur Vorbereitung:

  • Franz Breuer (Hrsg.) (1996). Qualitative Psychologie: Grundlagen, Methoden und Anwendungen eines Forschungsstils. Opladen: Westdeutscher Verlag.Darin vor allem: Franz Breuer u.a.: Schritte des Arbeitsprozesses unter unserem Forschungsstil, S. 79-173.Auch verfügbar über: http://www.qualitative-forschung.de/publishing/modelle/psychologie/index.php
  • Breuer, Franz (2003, Mai). Subjekthaftigkeit der sozial-/wissenschaftlichen Erkenntnistätigkeit und ihre Reflexion: Epistemologische Fenster, methodische Umsetzungen [44 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 4(2), Art. 25.Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-03/2-03intro-3-d.htm

Perspektive der Diskursanalyse

Dr. Andrea D. Bührmann

Universität Dortmund
Institut für Soziologie

Dr. Rainer Diaz-Bone

Freie Universität Berlin
Institut für Soziologie

Schon in seiner „Archäologie des Wissens“, in der Michel Foucault ja bekanntlich die begrifflichen und kategorialen Grundlagen für seine diskursanalytischen Theorieperspektive formuliert hat, macht er selbst auf das folgende Paradoxon aufmerksam: „Schließlich glaube ich, daß ich, statt allmählich die schwimmende Bedeutung des Wortes ‚Diskurs‘ verengt zu haben, seine Bedeutung vervielfältigt habe“.

Diese Aussage ist verschiedentlich produktiv gewendet und zum Anlass genommen worden, die foucaultschen Kategorien nicht im Sinne eines fixen, festgelegten Analyserasters, sondern kontextabhängig zu verwenden. Das bedeutet aber auch: Die Relevanz der diskursanalytischen Begrifflichkeiten und Kategorien wird erst in Bezug auf den je zu untersuchenden Forschungsgegenstand bzw. die Fragestellung bestimmt. Damit muss es zu einer Perspektivergänzung kommen: Denn die Diskurstheorie allein ist für sozialwissenschaftliche Fragestellungen noch unvollständig. Erst aus einer solchen, zu erarbeitenden Theorieperspektive kann dann das Begriffs- und Kategoriensystem (und auch heuristische Fragestellungen etc.) für eine empirische Diskursanalyse entwickelt werden. Und erst so ist die methodologische Reflexion auf die epistemologische Strukturierung des Forschungsgegenstands durch die diskursanalytische Forschungsperspektive möglich.

In dem Workshop wollen wir die methodologischen Konsequenzen aus dieser Überlegung ausloten und anwenden. Es geht dabei um die methodologische Kommentierung und Beratung diskursanalytischer Forschung am konkreten Material ausgewählter Projekte. Dabei sollen sowohl einzelne Aspekte der foucaultschen Diskursanalyse problematisiert werden, wobei hier auch einige unterschiedliche Perspektiven innerhalb der Foucaultschen Diskursanalyse deutlich werden können. Zum anderen soll die methodologische Kohärenz und Zielrichtung der diskursanalytischen Projekte reflektiert werden.

Literatur:

zur Vorbereitung empfohlen:

  • Keller, Reiner (2004). Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden: VS Verlag.

weitere Literatur:

  • Bublitz, Hannelore, Bührmann, Andrea, Hanke, Christine & Seier, Andrea (Hrsg.) (1999). Das Wuchern der Diskurse. Frankfurt/M.: Campus.
  • Keller, Reiner, Hirseland, Andreas, Schneider, Werner & Viehofer, Willy (Hrsg.) (2001). Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse, Band 1: Theorien und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Keller, Reiner, Hirseland, Andreas, Schneider, Werner & Viehofer, Willy (Hrsg.) (2003). Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse, Band 2: Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag.

Beiträge, die online verfügbar sind:

Kombination von AQUAD 6 und R – Mixed Methods

Prof. Dr. Günter L. Huber
Leo Gürtler

Universität Tübingen
Institut für Erziehungswissenschaft

Ziel des Workshops ist, über die Möglichkeiten zu informieren, wie in der Praxis mit Mixed-Methods gearbeitet werden kann. Anhand von direkt nachvollziehbaren Beispielen wird die qualitative Arbeit in AQUAD 6 und die komplementären Parts in R, einem OpenSource Statistikpaket, am Bildschirm demonstriert. Interessierte sind aufgefordert, eigene Forschungsprobleme mitzubringen, um sie daraufhin zu untersuchen, welche Möglichkeiten des computerunterstützten Einsatzes sich eröffnen können. Abschließend wird zum Thema versucht, überblicksartig typische Anwendungsmöglichkeiten zusammenzutragen.

Themen AQUAD 6:

  • Rekonstruktion von Bedeutungszusammenhängen nach „Grounded Theory“ (Glaser & Strauss, 1967)
  • Umsetzung der Ideen von Miles und Huberman (1984, 1994) zur tabellarischen Analyse oder Matrizenanalyse
  • Der Ansatz von Ragin (1987) zum Vergleich von Bedeutungskonfigurationen in verschiedenen Datensätzen
  • Grundlegende Funktionen zur Verwaltung von Dateien, zur Suche nach Codierungen, zum Zählen von Wörtern usw.
  • Die aktuelle Version 6 von Aquad erlaubt es erstmals, qualitative Analysen ohne aufwändige Transkription durchzuführen.

Themen R:

  • Import/Export von Daten (qualitativ, quantitativ) und damit die Schnittstelle zu qualitativen Programmen wie AQUAD 6 oder zu Tabellenkalkulationsprogrammen (Gnumeric, OpenOffice)
  • graphische/explorative Analyse
  • strukturelle Inhaltsanalysen nach Arbeiten von Oldenbürger (z.B. 1981, 2005), mit XML Zugriff
  • Prototypizitätsanalysen mit unterschiedlichen Ansätzen (z.B. Oldenbürger, 1981)
  • Potenzmengenauszählung zur Analyse semantischer Netzwerkstrukturen
  • multiple Perspektiven auf qualitative Daten mit multivariaten Analysen (Cluster-, Diskriminanzanalyse, per Simulation, usw.)

R ist für unterschiedliche Plattformen wie Linux/Unix, Win32, MaxOS(X) frei erhältlich ( http://www.r-project.org/). Notebookbesitzer/innen können die Beispieldemonstrationen mit Hilfe der Demo Version von AQUAD bzw. mit R direkt nachvollziehen.

Empfohlene Literatur:

  • Huber, Günter L. & Gürtler, Leo (2004). AQUAD 6: Manual zur Software AQUAD 6. Tübingen: Ingeborg Huber.

Empirische begründete Typen- und Theoriebildung

Dr. Udo Kelle

Hochschule Vechta
Institut für Interdisziplinäre Gerontologie

In diesem Workshop werden die Grundlagen der Entwicklung und Konstruktion von Kategorien, Typen und theoretischen Aussagen anhand von qualitativem Datenmaterial behandelt. Dabei werden verschiedene klassische Methoden der empirisch begründeten Theoriebildung, insbesondere die „Analytische Induktion“ und die „Grounded Theory“ einbezogen. Im Einzelnen werden dabei die folgenden Fragen behandelt, wobei einzelne Themen abhängig von den Wünschen der Teilnehmer vertieft behandelt oder auch nur kurz gestreift werden können:

  1. Wie lassen sich verschiedene Formen des logischen Schlussfolgerns (Induktion, Deduktion und Abduktion) im Rahmen von empirisch begründeter Typen- und Theoriebildung verwenden?
  2. Welche Methoden der systematischen Fallauswahl und des Fallvergleichs stehen zur Verfügung und wie lassen sich diese Methoden einsetzen?
  3. Wie lassen sich verschiedene Formen von theoretischem Vorwissen für den Prozess der Typen- und Theoriebildung nutzen?
  4. Wie lassen sich in der qualitativen Forschung Kategorienschemata konstruieren und verwenden, ohne dass inadäquate Kategorien den Daten aufgezwungen werden?
  5. Wie werden Kategorien durch einen systematischen Vergleich von Daten entwickelt?
  6. Wie konstruiert man ein- und mehrdimensionale deskriptive Typologien?
  7. Welches Verhältnis besteht zwischen deskriptiven Typologien und theoretischen Erklärungen?

Literatur:

  • Kelle, Udo & Kluge, Susann (1999). Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.

Das qualitative Experiment als Forschungsmethode

Prof. Dr. Gerhard Kleining

Universität Hamburg
Institut für Soziologie

Prof. Dr. Harald Witt

Universität Hamburg
Fachbereich Psychologie

Das qualitative Experiment ist der nach wissenschaftlichen Regeln vorgenommene Eingriff in eine (soziale, psychische) Gegebenheit zu Erforschung seiner Struktur. Es ist die explorative, heuristische Form des Experiments. Es wird in der derzeitigen Forschungspraxis wenig genutzt, aber durch klassische Studien der deutschen Psychologie dokumentiert, bietet es Psychologen und Sozialwissenschaftlern große Möglichkeiten zur Erkundung und Aufklärung von Sachverhalten in ihrem Arbeitsgebiet wie auch in benachbarten Bereichen. Da Experimentieren (und Beobachten) grundlegende Alltagsverfahren sind, müssen heuristische Regeln aus den Alltagstechniken entwickelt werden. Vorschläge dazu werden unterbreitet.

Literatur:

  • Kleining, Gerhard (1991). Das qualitative Experiment. In Uwe Flick u. a. (Hrsg.), Handbuch qualitative Sozialforschung (S.263-266). München: Psychologie Verlags Union.

Videoanalyse

Prof. Dr. Hubert Knoblauch
Dr. Bernt Schnettler

Technische Universität Berlin
Institut für Soziologie

Audiovisuelle Daten finden mittlerweile einen breiten Einzug in die Forschungspraxis. Manchmal wird sogar von einer regelrechten „Video-Revolution“ gesprochen. Videoaufzeichnungen werden in einer Reihe von unterschiedlichen Forschungsfeldern genutzt. Vor allem bieten sie die Möglichkeit, Interaktionsprozesse höchst detailliert aufzuzeichnen, um sie dann geradezu mikroskopisch untersuchen zu können. Dabei spielt die Sequenzanalyse eine herausragende Rolle.

Methodisch stellen Videodaten aufgrund ihrer Komplexität und Reichhaltigkeit eine große Herausforderung für die qualitative Sozialforschung dar. Verglichen mit den etablierten textbezogenen Methoden interpretativer Sozialforschung befindet sich die Methodenentwicklung zwar erst in einem Anfangsstadium. Basierend auf ethnomethodologischen und gattungsanalytischen Verfahren stellen wir einen Ansatz vor, der Hilfestellung für den Umgang mit dieser herausfordernden Datensorte anbietet. Dabei greifen wir ebenso methodische Elemente aus der Grounded Theory, der Ethnographie und der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik auf.

Der Workshop richtet sich vor allem an solche Forscherinnen und Forscher, die selber mit Videodaten arbeiten (wollen). Dazu werden wir zunächst einige methodische Vorteile und Probleme von Videodaten diskutieren, auf die verschiedenen Datensorten eingehen sowie die Tücken der Erhebung benennen. Im zweiten Teil können dann Ausschnitte aus Videomaterial der aktiven Teilnehmerinnen exemplarisch analysiert werden. Dazu ist es erforderlich, dass die Teilnehmer vorab Kontakt per E-mail mit uns aufnehmen ( hubert.knoblauch@tu-berlin.de oder bernt.schnettler@tu-berlin.de)

Zur Vorbereitung geeignete Literatur:

  • Knoblauch, Hubert (2000). Workplace Studies und Video. Zur Entwicklung der Ethnographie von Technologie und Arbeit. In Irene Götz & Andreas Wittel (Hrsg.), Arbeitskulturen im Umbruch. Zur Ethnographie von Arbeit und Organisation (S.159-173). Münster: Waxmann.
  • Knoblauch, Hubert (2004). Die Video-Interaktions-Analyse. sozialer sinn1, 123-128.
  • Schnettler, Bernt (2001). Vision und Performanz. Zur soziolinguistischen Gattungsanalyse fokussierter ethnographischer Daten. sozialer sinn1, 143-16.

Einführung in MAXqda2 und MAXdictio

Anne Kuckartz
Thorsten Dresing

VERBI Software. Consult. Sozialforschung
Amöneburg

In dem Workshop wird ein systematischer Überblick über die wesentlichen Funktionen gegeben, die im Programm MAXqda2 zur Analyse qualitativer Daten zur Verfügung stehen. Die TeilnehmerInnen erhalten zudem eine praktische Einführung in die Grundfunktionen des Programms MAXqda2 und des Zusatzmoduls zur Wortschatzanalyse, MAXdictio.

Anhand praktischer Übungen wird den TeilnehmerInnen vermittelt, wie in MAXqda2 die wesentlichen Elemente der qualitativen Datenanalyse durchgeführt werden. Schwerpunktthemen sind:

  • Möglichkeiten der Organisierung, Strukturierung und Editierung des Datenmaterials
  • Aufbau und Bearbeitungsmöglichkeiten des Codesystems
  • Der Codierprozess: Verschiedene Möglichkeiten des differenzierten Codierens (In-Vivo Codieren, deskriptives und theoretisches Codieren, Codierungen gewichten, Code Definitionen, etc.)
  • Memos: Verfassen, kategorisieren, auswerten und verwalten
  • Suchfunktionen: Einfache und komplexe Suchenprozeduren
  • Transparenz der einzelnen Analyseschritte und -Bereiche: Welche Möglichkeiten stehen zur Erreichung dieses Zieles bereit? (Kontextwahrung, Übersichten, Visualisierungen, etc.)

Die themenzentrierte Gruppendiskussion

Prof. Dr. Thomas Leithäuser

Akademie für Arbeit und Politik Bremen

Nach einer kurzen Einführung in das Verfahren der themenzentrierten Gruppendiskussion (Erhebung und Auswertung) soll insbesondere die Erhebungssituation geübt werden. Es geht dabei um die Einführung der Methode der „themenzentrierten Interaktion“ im Kontext einer Gruppendiskussion.

Eine solche Gruppendiskussion wird von einem „Diskussionsleiter“ nach den Regeln der „themenzentrierten Interaktion“ geleitet und von einem „teilnehmenden Beobachter“ begleitet. Diskussionsleiter und teilnehmender Beobachter können im Verlauf der Gruppendiskussion ihre Rollen tauschen. Das bietet sich dann an, wenn der Leiter sich zu sehr in die Diskussion verwickelt und die Nähe und Distanz zur Diskussion nicht mehr richtig ausbalancieren kann.

Wir führen miteinander eine Gruppendiskussion durch. Das Thema dazu suchen wir ad hoc aus. Man kann sicher sein, dass das Feld der Politik aktuell immer etwas zu bieten hat. An dem Workshop sollte man aktiv teilnehmen, als Diskutant in der Gruppendiskussion, als Diskussionsleiter oder als teilnehmender Beobachter. Als Zuschauer wird man wenig davon haben.

Literatur:

  • Leithäuser, Thomas & Volmerg, Birgit (1988). Psychoanalyse in der Sozialforschung. Eine Einführung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Leithäuser, Thomas; Exner, Michael; Haack-Wegner, Renate; Schorn, Ariane & von der Vring, Erika (2002). Gewalt und Sicherheit im öffentlichen Raum. Eine sozialpsychologische Untersuchung. Gießen. Psychosozial-Verlag.
  • Leithäuser, Thomas (2001). Psychoanalyse und tiefenhermeneutische Sozialforschung. Hannoversche Schriften4, 118-145.

Phenomenological Hermeneutic

Dr. Carl Ratner

Institute for Cultural Research and Education
Trinidad, CA, USA

This workshop explores basic principles of hermeneutics—particularly as formulated by Dilthey. It shows how these principles are implemented in phenomenological qualitative methodology. We will explore specific techniques for analyzing descriptive data. Participants will engage in hands-on practice analyzing narratives according to procedures from phenomenology. We will also explore theoretical concepts about research. These include ontological and epistemological issues concerning science, truth, objectivity, experimentation, validity, relativism. This workshop is relevant to psychological research, personnel work, and consumer psychology. In the workshop will be used prepared sample data to analyze. The participants can bring their own also, if they can summarize it and present it succinctly.

References (for preparation/orientation):

Abduktion

Prof. Dr. Jo Reichertz

Universität Essen
FB 3 – Kommunikationswissenschaft

Der Begriff „Abduktion“ ist im wesentlichen von dem amerikanischen Logiker, Mathematiker, Philosophen, Geometer und Begründer des Pragmatismus Charles Sanders Peirce (1839-1914) in die wissenschaftliche Debatte eingeführt worden, und er bezeichnet (so Peirce) das einzige wirklich kenntniserweiternde Schlussverfahren, das sich von den geläufigen logischen Schlüssen – nämlich der Deduktion und der Induktion – kategorial unterscheidet.

Die Abduktion ist ein mentaler Prozess, ein geistiger Akt, ein gedanklicher Sprung, der das zusammenbringt, von dem man nie dachte, dass es zusammengehört. Abduktionen ereignen sich, sie kommen so unerwartet wie ein Blitz („flash“), sie lassen sich nicht willentlich herbei zwingen, und sie stellen sich nicht ein, wenn man gewissenhaft einem operationalisierten Verfahrensprogramm folgt.

Maßnahmen, günstige Bedingungen für Abduktionen zu schaffen, zielen neben einer sehr guten Kenntnis der Daten stets auf eins: auf die Erlangung einer Haltung, bereit zu sein, alte Überzeugungen aufzugeben und neue zu suchen. Abduktives „Räsonieren“ ist also kein glückliches, zufälliges Raten ins Blaue hinein, sondern ein informiertes Raten. Wenn man so will: das Glück trifft immer nur den vorbereiteten Geist.

Die Abduktion sucht angesichts überraschender Fakten nach einer sinnstiftenden Regel, nach einer möglicherweise gültigen bzw. passenden Erklärung, welche das Überraschende an den Fakten beseitigt. Ergebnis und Endpunkt dieser Suche ist eine (sprachliche) Hypothese. Ist diese gefunden, beginnt ein mehrstufiger Überprüfungsprozess.

Innerhalb aktueller deutscher Sozialforschung findet man den Begriff der Abduktion immer häufiger, ohne dass immer klar ist, was damit gemeint ist du was damit erreicht werden soll. Der geplante Workshop soll diese Lücke schließen. Anhand von Beispielen soll geklärt werden:

  1. Was bezeichnet Peirce mit dem Begriff „Abduktion“?
  2. Was benötigt der Sozialforscher abduktives Schlussfolgern?
  3. Welchen Theorie generierende Kraft besitzt die Abduktion?
  4. Wie lassen sich Abduktionen herbeiführen?

Literatur:

  • Peirce, Charles Sanders (1976). Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
  • Reichertz, Jo (2003). Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.

Systematische Metaphernanalyse

Prof. Dr. Rudolf Schmitt

Hochschule Zittau-Görlitz
Fachbereich Sozialwesen

Eine systematische Metaphernanalyse reagiert auf die Probleme bisheriger Versuche, den Sinn von metaphorischen Äußerungen zu verstehen. Von älteren Studien unterscheidet sie sich durch folgendes:

  • Sie nutzt die Theorie der kognitiven Linguistik (George Lakoff und Mark Johnson), um den Stellenwert von Metaphern für Strukturen von Denken, Handeln und Emotionen zu bestimmen.
  • Das empirische Vorgehen bietet eine handhabbare Arbeitsdefinition zur Erkennung von Metaphern.
  • Sie ermöglicht, von einzelnen Metaphern auf zusammenhängende metaphorische Konzepte zu schließen.
  • Das empirische Vorgehen der Metaphernanalyse ist offen dafür, sowohl kulturelle, subkulturelle wie individuelle Muster zu rekonstruieren.
  • Für die Interpretation metaphorischer Muster steht eine Sammlung heuristischer Hilfen zur Verfügung.
  • Neben allgemeinen, für qualitative Forschung gültigen Gütekriterien sind speziellere Gütekriterien für Metaphernanalysen benennbar.

Im Workshop sollen diese Merkmale je nach Vorwissen der TeilnehmerInnen an vorbereitetem Material vorgestellt und in kleinen Übungen vertieft werden.

Literaturempfehlungen zur Vorbereitung (einführende Texte):

  • Methode und Subjektivität in der Systematischen Metaphernanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 4(2), Art. 41 2003. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-03/2-03schmitt-d.htm.
  • Rezension: Diskussion ist Krieg, Liebe ist eine Reise, und die qualitative Forschung braucht eine Brille. Rezensionsaufsatz: George Lakoff & Mark Johnson (2003). Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern (Dritte Auflage) [54 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 5(2), Art. 19. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2-04review-schmitt-d.htm

Sampling

Prof. Dr. Margrit Schreier

International University Bremen
School of Humanities and Social Sciences

In der qualitativen Forschung ist für die Stichprobenziehung in der Regel nicht das Kriterium der Repräsentativität im Hinblick auf eine Population bestimmend, die Auswahl einer Stichprobe ist vielmehr auf die Fokussierung und Exploration potenziell bedeutungshaltiger Fälle (ggf. im Hinblick auf theoretische Repräsentativität) ausgerichtet. Entsprechend ist die Vorgehensweise auch keine probabilistische, sondern eine bewusste.

Im Workshop werden zwei Basis-Strategien der bewussten Stichprobenziehung genauer dargestellt. Dies ist zum einen das ergebnisoffene Verfahren der theoretischen Stichprobenziehung, wie es im Rahmen der Grounded Theory entwickelt wurde; die Stichprobe wird anhand von Gesichtspunkten, die sich im Untersuchungsverlauf als relevant erweisen, nach den Prinzipien der minimalen und der maximalen Ähnlichkeit sukzessive erweitert. Zum anderen wird auf Verfahren der Stichprobenziehung eingegangen, bei denen die Kriterien für die Zusammensetzung der Stichprobe bereits vor Untersuchungsbeginn aufgrund theoretischer Überlegungen oder im Hinblick auf das Untersuchungsziel festgelegt werden (wie etwa die homogene oder die heterogene Stichprobe, die Auswahl von typischen Fällen oder von Extremfällen und andere mehr). Weiterhin können Besonderheiten der Stichprobenziehung bei der Einzelfallstudie und in der vergleichenden Forschung erläutert und diskutiert werden.

Der Workshop richtet sich sowohl an Forscher/innen, die sich gerade in der Phase der Untersuchungsplanung befinden, als auch an solche, die sich allgemeiner über Verfahren bewusster Stichprobenziehung informieren möchten. Im ersten Teil des Workshops werden die genannten Verfahren der Stichprobenziehung dargestellt. Im zweiten Teil steht die Diskussion konkreter Forschungsvorhaben der Teilnehmer/innen im Hinblick auf die Auswahl geeigneter Strategien der Stichprobenziehung im Vordergrund. Dabei soll insbesondere auch die Frage der Repräsentativität der Ergebnisse berücksichtigt werden.

Zur Vorbereitung geeignete Literatur:

  • Kluge, Susann & Kelle, Udo (1999). Vom Einzelfall zum Typus: Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich, Kap. 3.
  • Merkens, Hans (2003). Auswahlverfahren, Sampling, Fallkonstruktion. In Uwe Flick, Ernst v. Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (2. Aufl., S. 286-299). Reinbek: Rowohlt.
  • Quinn Patton, Michael (1990). Designing qualitative studies. In ders., Qualitative evaluation and research methods. Newbury Park: Sage, S.145-196.