Mittagsvorlesung 2009

Die Konjunktur der qualitativen Sozialforschung und Konjunkturen innerhalb der qualitativen Sozialforschung

Prof. Dr. Jo Reichertz

Universität Duisburg-Essen

Geschichte, auch die der qualitativen Sozialforschung, entwickelt sich nicht (einmal auf die Bahn geschickt) gradlinig, eine Stufe nach der anderen nehmend, auf ein Ziel hin gerichtet. Geschichte, also auch die der qualitativen Sozialforschung, entwickelt sich stattdessen sprunghaft – dabei manchmal auch die Richtung wechselnd. Auch in der qualitativen Sozialforschung kommen und gehen Themen. Gleiches gilt für Methoden der Datenerhebung, der Datenauswertung und der Theoriebildung. Was gestern noch als zentral erachtet wurde, ist heute peripher, und das, was heute niemand nachfragt, wird morgen hoch gehandelt.

Es gibt auch in der qualitativen Sozialforschung eher ein „Auf und Ab“ als ein „Immer-mehr“ und „Immer-besser“. Auch Methoden haben ihre Konjunktur. Ein eigener „Markt“ der Methoden sagt, was angesagt ist und was sich gut verkauft. Dieser Markt entsteht und entwickelt sich durch die Handlungen, Interpretationen, Hoffnungen, Problemlagen und Gelegenheiten von individuellen wie kollektiven Akteuren im Feld der qualitativen Sozialforschung, die darauf hoffen, durch ihr Handeln ihre Probleme zu bearbeiten oder gar zu lösen. So entsteht eine Form von sozialer Ordnung und eine Entwicklung, aber auch in dieser gibt es Löcher: Ungenauigkeiten, Widersprüche, Rücknahmen, Irrtümer, Selbsttäuschungen und Zufälle.

In dem Vortrag sollen mit Bezug zur Geschichte der deutschen qualitativen Sozialforschung deren Konjunktur und deren Konjunkturen nachgezeichnet werden mit dem Ziel, vielleicht ein Muster zu finden.