Forschungswerkstätten 2010

Forschungswerkstatt: Cultural Studies

PD. Dr. Udo Göttlich

Universität Duisburg-Essen
Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung

Prof. Dr. Rainer Winter

Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Österreich

Die Cultural Studies sind ein inter- und transdisziplinäres Projekt, das sowohl eine breite anthropologische als auch eine enge humanistische Konzeption von Kultur vertritt. Cultural Studies benutzen evaluative und interpretative Verfahren und argumentieren, dass alle Formen der kulturellen Produktion in Beziehung zu kulturellen Praktiken und sozio-historischen Strukturen gesetzt werden müssen. Kultur wird dabei sowohl als „whole way of life“, der Ideen, Verhalten, Gewohnheiten, Sprachen, Institutionen und Machtstrukturen umfasst, verstanden als auch als ein Feld daraus hervorgehender kultureller Praktiken, das sich in künstlerischen Formen, Texten, Architektur, Medien usw. zeigt. Aus diesem Grund muss das Projekt Cultural Studies notwendigerweise Textanalyse und Ethnographie des Alltagslebens bzw. von kulturellen Praktiken integrieren.

Cultural Studies untersuchen ganz im Sinne von Richard Hoggart nicht, was Personen mit einem Text anfangen, sondern welche Beziehungen der komplexe Text zur Alltagswelt seiner Lesenden hat. Denn sowohl ein Text als auch seine Beziehungen zu den kulturellen Praktiken seiner Nutzer kann nur verstanden werden, wenn er in den strukturierten Rahmen des Alltags bzw. von Praktiken verortet wird. (Radikale) Kontextualisierung ist ein wesentliches Merkmal der Cultural Studies. Die sozialen, kulturellen, politischen, ökonomischen und historischen Kontexte sind bedeutsam, in denen Texte und ihre Nutzer interagieren. Im Mittelpunkt der Analysen steht die Verankerung von Texten und kulturellen Praktiken in der sozialen Zirkulation von Bedeutung. Theorie heißt für Cultural Studies immer „begriffliche Verarbeitung des ‚Alltagslebens'“ (McRobbie 1995, S.112), und das bedeutet auch, die Strukturen dieses Alltagslebens auf ihre historische, kulturelle, politische, ökonomische Dynamik hin zu untersuchen. Nur so ist der Anspruch der radikalen Kontextualität zu realisieren. Das bedeutet auch, dass das Projekt Cultural Studies notwendigerweise offen sein muss für Unerwartetes. Dieses theoretische Bemühen der Cultural Studies rückt sie teilweise in die Nähe der interpretativen Soziologie. Zugleich sind die Cultural Studies von einer methodischen Vielfalt gekennzeichnet.

Für die Durchführung der Forschungswerkstatt ist es unerlässlich, dass sich im Vorfeld drei bis vier Teilnehmende mit ihren Projekten anmelden, die sich als Arbeiten im Rahmen der Cultural Studies verstehen. Dabei sollte möglichst eine methodische Vielfalt berücksichtigt werden. Es können (nach der offiziellen Bestätigung der Teilnahme und eigener Aufforderung) sich Teilnehmende mit Arbeiten anmelden, die sowohl der eher textanalytischen Richtung aber auch der eher ethnographisch orientierten Richtung der Cultural Studies zuzurechnen sind.

Literatur

  • Couldry, Nick (2000). Inside Culture. Re-imagining the Method of Cultural Studies. London: Sage.
  • Göttlich, Udo (2001). Zur Epistemologie der Cultural Studies in kulturwissenschaftlicher Absicht: Cultural Studies zwischen kritischer Sozialforschung und Kulturwissenschaft. In Udo Göttlich, Lothar Mikos & Rainer Winter (Hrsg.), Die Werkzeugkiste der Cultural Studies (S.15-42). Bielefeld: transkript.
  • Hills, Matt (2005). How to Do Things with Cultural Theory. London: Hodder Arnold.
  • Stokes, Jane (2003). How to Do Media & Cultural Studies. London: Sage.
  • Willis, Paul (2000). The Ethnographic Imagination. Cambridge: Polity.
  • Winter, Rainer (2001). Die Kunst des Eigensinns. Cultural Studies als Kritik der Macht. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
  • Winter, Rainer (2005). Interpretative Ethnographie. In Lothar Mikos & Claudia Wegener (Hrsg.), Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch (S.553-560). Konstanz: UVK/UTB.

Forschungswerkstatt: Dokumentarische Methode

Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann

Alice Salomon Hochschule Berlin

Die dokumentarische Methode hat als Methodologie und als forschungspraktisches Interpretationsverfahren in den vergangenen Jahren in einem breiten Spektrum von Bereichen qualitativer Forschung ihre Anwendung gefunden. Die dokumentarische Methode wurde in verschiedenen Gegenstandsbereichen und Disziplinen (z.B. Kindheits- und Jugendforschung, Migrations- und Geschlechterforschung, Ritualforschung und Organisationskulturforschung) angewendet und weiterentwickelt und zur Interpretation unterschiedlicher empirischer Daten genutzt. Ausgehend von der Interpretation von Gruppendiskussionen liegen inzwischen umfangreiche Erfahrungen auch im Bereich der dokumentarischen Interpretation von narrativen Interviews, Beobachtungsprotokollen sowie Bild- und Videomaterial vor.

In dieser Forschungswerkstatt werden die Teilnehmenden sowohl in die methodologischen Kristallisationspunkte als auch in die grundlegenden methodischen Arbeitsschritte der dokumentarischen Interpretation eingeführt. Grundlage sind die Arbeiten von Ralf Bohnsack (2007, 2008), Nohl (2006) sowie Bohnsack, Nentwig-Gesemann und Nohl (2007). Die inhaltlichen Schwerpunkte der Leiterin dieser Forschungswerkstatt liegen seit vielen Jahren im Bereich der Organisationskulturforschung sowie der Kindheits- und (Familien-) Ritualforschung. Sowohl im Bereich der Grundlagen- als auch der Evaluationsforschung kann sie auf Erfahrungen mit einer großen Bandbreite empirischer Daten zurückgreifen.  

In der Forschungswerkstatt können unterschiedliche Materialien der Teilnehmer/innen diskutiert werden:

– Projektplanungen bzw. Forschungsdesigns
– Trankskripte von Gruppendiskussionen oder Interviews
– (transkribierte) Videosequenzen oder Bilder/Fotos
– Bereits erstellte (formulierende und/oder reflektierende) Interpretationen

Die endgültige Planung orientiert sich an den Materialien und Fragen, die bei der Leiterin der Forschungswerkstatt eingehen. Falls Sie an einer Besprechung Ihres Datenmaterials oder Ihres Forschungsvorhabens interessiert sind, möchte ich Sie bitten, mir – nach Aufforderung und Bestätigung Ihrer Teilnahme durch die Organisatoren – die Materialien spätestens bis zum 15. Mai 2009 einzureichen. Damit der Werkstattcharakter eingelöst werden kann, können in dieser Forschungswerkstatt maximal drei Vorlagen diskutiert werden.

Literatur

  • Bohnsack, Ralf (2007). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden (6.  Aufl.). Opladen: Budrich.
  • Bohnsack, Ralf (2008). Qualitative Bild- und Videointerpretation. Opladen: Budrich.
  • Bohnsack, Ralf; Nentwig-Gesemann, Iris & Nohl, Arnd-Michael (2007). Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. Grundlagen qualitativer Sozialforschung (2., erweiterte und aktualisierte  Aufl.). Wiesbaden: VS.
  • Nohl, Arnd-Michael (2006). Interview und dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis. Wiesbaden: VS.

Fallrekonstruktive Familienforschung

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand

Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die Aufgabe einer fallrekonstruktiven Familienforschung besteht darin, eine Familie in ihrer eigenen Strukturiertheit und darin, wie diese Strukturiertheit sich geschichtlich in der Auseinandersetzung mit objektiv gegebenen Vorbedingungen gebildet hat, zu rekonstruieren. Dabei bedient sich die fallrekonstruktive Familienforschung (bzw. die Forscherinnen und Forscher) familiengeschichtlicher Daten, die in Genogrammen übersichtlich dargestellt werden, sowie Äußerungen der Familie bzw. einzelner Familienmitglieder zur Familiengeschichte und zur aktuellen Situation der Familie, vor allem die Eingangssequenz eines familiengeschichtlichen Gesprächs. Des Weiteren gehören zum Datenbestand einer Familienrekonstruktion Beobachtungsdaten (von Gegebenheiten wie Wohnungsgrundrissen, Gestaltung des Eingangsbereichs der Familienwohnung etc. und von Interaktionen). Bevorzugt wird sequenziell organisierte Material, das seiner Sequenzanalyse unterzogen wird.

Im Anschluss an eine Fallrekonstruktion findet die Fallkontrastierung i.S. des theoretical sampling der Grounded-Theory-Methodologie statt. Auch dazu werden in der Forschungswerkstatt Überlegungen angestellt.

Interessierte werden gebeten, sich zur Vorbereitung der Vorstellung eigenen Materials mit dem Werkstattleiter in Verbindung zu setzen (bruno.hildenbrand@uni-jena.de).

Literatur

  • Bruno Hildenbrand (2005). Fallrekonstruktive Familienforschung (2.  Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Soziawissenschaften.

Forschungswerkstatt: Ethnografische Forschungsdesigns

Prof. Dr. Michaela Pfadenhauer

Karlsruhe Institut für Technologie (KIT)
Lehrstuhl für Soziologie – unter besonderer Berücksichtigung des Kompetenzerwerbs, Institut für Soziologie

Prof. Dr. Ronald Hitzler

Technische Universität Dortmund
Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie, Fakultäten 12 und 11

Unter einem ethnographischen Forschungsdesign in der Soziologie verstehen wir die wissenschaftliche Erkundung eines hinlänglich abgrenzbaren Wissens-, Kommunikations- und/oder Interaktionszusammenhanges, kurz: eines identifizierbaren sozialen Feldes, unter Nutzung verschiedener Verfahren der Datenerhebung und einer oder mehrerer interpretativer Methoden der Datenauswertung. Ethnographie in dem von uns gemeinten Sinne eines Verfahren bzw. Methoden kombinierenden Ansatzes unterscheidet sich somit (deutlich) von Designs standardisierter Erhebungen hie und von „qualitativen“ Ein-Methoden-Designs da. Ethnographie in dem von uns gemeinten Sinne grenzt sich aber auch ab von Feldforschungskonzepten, in denen – direkte oder indirekte – Veränderungsabsichten intendiert oder impliziert sind (wie etwa solchen, die der sogenannten Aktionsforschung zugerechnet werden können). Ethnographie in dem von uns gemeinten Sinne zielt typischerweise auch nicht ab auf eine Kritik der das je untersuchte Feld kennzeichnenden Praktiken, sondern eher auf ein „vor- bzw. außermoralisches“ Verstehen dessen, was im je untersuchten Feld geschieht, und darauf, das (mitunter befremdliche) soziale Geschehen auch für nicht daran Beteiligte verständlich(er) zu machen.

In dieser Forschungswerkstatt sollen nicht bereits erhobene Daten und/oder sonst wie bereits zuhandene Feldmaterialien ausgewertet, sondern die sozialwissenschaftliche Plausibilität bzw. Plausibilisierbarkeit von Designs- bzw. Konzepte für (geplante) ethnographische Studien bzw. von (laufenden) ethnographischen Studien diskutiert werden.

In der Forschungswerkstatt werden (maximal) vier von Teilnehmern und Teilnehmerinnen eingebrachte Anlagen ethnographischer Studien besprochen. Diese vier Designs bzw. Konzepte werden nach Sichtung der eingegangenen Bewerbungen von uns ausgewählt. Diese Sichtung erfolgt auf der Grundlage von Exposés, in denen Fragestellungen, Zielsetzung, methodische Anlage und nach Möglichkeit auch theoretische Interessen der in Frage stehenden ethnographischen Studie klar ausgewiesen sein sollen. Diese Exposés sollen mindestens 5 Seiten (bzw. 10.000 Zeichen) und maximal 10 Seiten (bzw. 20.000 Zeichen umfassen und müssen bis spätestens 24. Mai 2010 bei uns eingegangen sein. Alle Bewerber und Bewerberinnen werden von uns bis spätestens 15. Juni 2010 darüber benachrichtigt, ob ihr „Fall“ für die Diskussionen akzeptiert worden ist.

Literatur

  • Hitzler, Ronald (1999). Welten erkunden. Soziologie als (eine Art) Ethnologie der eigenen Gesellschaft. Soziale Welt50(4), 473-483.
  • Hitzler, Ronald (2007). Ethnographie. In Renate Buber & Hartmut H. Holzmüller (Hrsg.), Qualitative Marktforschung. Konzepte – Methoden – Analysen (S.207-218). Wiesbaden: Gabler.
  • Honer, Anne (2000). Lebensweltanalyse in der Ethnographie. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung (S.194-204). Reinbek: Rowohlt.
  • Honer, Anne (2003). Interview. In Ralf Bohnsack, Winfried Marotzki & Michael Meuser (Hrsg.), Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung (S.94-99). Opladen: Leske + Budrich.
  • Pfadenhauer, Michaela (2009). Auf gleicher Augenhöhe. Das Experteninterview – ein Gespräch zwischen Experte und Quasi-Experte. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.), Experteninterviews. Theorie, Methode, Anwendung (S.99-116). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Pfadenhauer, Michaela (2005). Ethnography of Scenes. Towards a Sociological Life-world Analysis of (Post-traditional) Community-building [31 paragraphs]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research6(3), Art. 43, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0503430.

Forschungswerkstatt: Foucaultsche Diskursanalyse (Interpretative Analytik)

Prof. Dr. Rainer Diaz-Bone

Universität Luzern
Soziologisches Seminar

Die Foucaultsche Diskursanalyse hat sich als eine nicht subjektzentrierte Form der qualitativen Sozialforschung etabliert. Die interpretative Analytik ist die methodologische Position der Foucaultschen Diskursanalyse. Es handelt sich um eine Form der strukturalistischen/poststrukturalistischen „Hermeneutik“ der Praxis kollektiver Wissensproduktion und kollektiver Wissensordnungen. Die interpretative Analytik setzt die Diskurstheorie Foucaults in die empirische Analyse diskursiver Praxis von Diskursen und Interdiskurs(effekt)en als sozialwissenschaftliche Methodologie um. Sie ist keine standardisierte Schrittfolge für Diskursanalysen, sondern als Methodo-Logie eine Instanz, die praktisch (a) die Organisation des diskursanalytischen Forschungsprozess – von der Entwicklung der Fragestellung bis zur diskursanalytischen Erklärung sozialer Wirklichkeit – reflektiert und reglementiert, die (b) die Passung konkreter Praktiken/Instrumente/Techniken für den Forschungsprozess evaluiert und anleitet und die sich (c) in der konkreten diskursanalytischen Interpretation als Kompetenz entfaltet, wenn es in der Analyse von Materialien (Texten), darum geht, hieran die diskursive Praxis und die „Ordnung der Diskurse“ zu rekonstruieren.

Die Forschungswerkstatt dient weniger der Einführung in die interpretative Analytik als vielmehr der Besprechung eines beispielhaften laufenden Forschungsprojekts, das eine Diskursanalyse unter Verwendung Foucaultscher Konzepte unternimmt. Die Forschungswerkstatt wendet sich an Forscherinnen und Forscher, die empirisch-systematische Diskursanalysen beginnen wollen oder damit begonnen haben und die diese Reflexionen auf die Entwicklung des Forschungsprozesses, auf strategische Entscheidungen (wie weiter?, wie vergleichen?, was sind diskursanalytische Erklärungen und Resultate?) sowie auf die Qualität von Diskursanalysen bewerkstelligen müssen. Eine aktive Teilnehmerin/ein aktiver Teilnehmer präsentiert ein Projekt und bringt Anfragen in die Werkstatt ein. Anhand der Diskussion des laufenden Projektes werden allgemeine Fragen zur Foucaultschen Methodologie behandelt.

Für die aktive Teilnahme können sich Teilnehmende mit ihren Projekten bis Ende Mai 2010 elektronisch bewerben. Dafür ist eine Kurzskizze (2 bis 5 Seiten) mit Fragestellung, zentralen herangezogenen Theoriekonzepten, Stand und Art der vorgesehenen Analyse bitte zu senden an: rainer.diazbone@unilu.ch

Für die meisten Interessentinnen und Interessenten kommt eine passive Teilnahme in Frage, um einen Einblick in die Praxis laufender Diskursforschung zu erhalten. Voraussetzung für die passive Teilnahme ist die grundlegende Kenntnis der Foucaultschen Diskurstheorie (Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Frankfurt: Suhrkamp, 1981).

Weiterführende Literatur

  • Diaz-Bone, Rainer (erscheint 2010). Sozo-Episteme und Sozio-Kognition. Epistemologische Zugänge zum Verhältnis von Diskurs und Wissen. In Reiner Keller, Werner Schneider & Wilhelm Viehöver (Hrsg.), Diskurs, Wissen, Sprache. Konstanz: UVK.
  • Diaz-Bone, Rainer (2010). Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil. Eine diskurstheoretische Erweiterung der Bourdieuschen Distinktionstheorie. (2., erw.  Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Diaz-Bone, Rainer (2007). Die französische Epistemologie und ihre Revisionen. Zur Rekonstruktion des methodologischen Standortes der Foucaultschen Diskursanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(2), Art. 24, http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0702241.
  • Diaz-Bone, Rainer (2007). Paper zum Workshop „Foucaultsche Diskursanalyse“ (Interpretative Analytik) auf dem 3. Berliner Methodentreffen (29./30. Juni FU Berlin), http://www.rainer-diaz-bone.de/DiazBone_Methodentreffen_3.pdf.
  • Diaz-Bone, Rainer (2006). Zur Methodologisierung der Foucaultschen Diskursanalyse [48 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research7(1), Art. 6, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs060168.
  • Diaz-Bone, Rainer (2006). Die interpretative Analytik als methodologische Position. In Brigitte Kerchner & Silke Schneider (Hrsg.), Foucault: Diskursanalyse der Politik. Eine Einführung (S.68-84). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Diaz-Bone, Rainer (2005). Die „interpretative Analytik“ als rekonstruktiv-strukturalistische Methodologie. Bemerkungen zur Eigenlogik und strukturalistischen Öffnung der Foucaultschen Diskursanalyse. In Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider & Willy Viehöfer (Hrsg.), Die diskursive Konstruktion von Wirklichkeit. Zum Verhältnis von Wissenssoziologie und Diskursforschung (S.179-197). Konstanz: UVK.
  • Keller, Reiner; Hirseland, Andreas; Schneider, Werner & Viehöver, Willy (Hrsg.) (2006). Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden (2. erw. Aufl.). Opladen: VS Verlag.
  • Keller, Reiner; Hirseland, Andreas; Schneider, Werner & Viehöver, Willy (Hrsg.) (2004). Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 2: Forschungspraxis (2. Aufl.). Opladen: VS Verlag.

Forschungswerkstatt: Wissenssoziologische Diskursanalyse

Prof. Dr. Reiner Keller

Universität Koblenz-Landau

Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Institut für Sozialwissenschaften

Die Wissenssoziologische Diskursanalyse formuliert ein Forschungsprogramm zur Untersuchung gesellschaftlicher Wissensverhältnisse und Wissenspolitiken, das mittlerweile über die Soziologie hinaus in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zum Einsatz kommt. Ihre theoretischen und methodologischen Grundlegungen liegen in einer Verbindung von wissenssoziologisch-sozialkonstruktivistischen Annahmen und Traditionslinien des soziologischen Interpretativen Paradigmas mit theoretisch-begrifflichen Vorschlägen aus Michel Foucaults Reflexionen des Diskursbegriffs. In methodischer Hinsicht greift sie auf Konzepte, Erhebungs- und Analyseverfahren der qualitativen Sozialforschung zurück. Ihr Analyseinteresse richtet sich auf die Untersuchung von Diskursen als einer gesellschaftlichen Wirklichkeitsebene, auf der Wissen hergestellt, reproduziert und verändert wird. Diskurse sind strukturierte Praktiken des Sprach- und Symbolgebrauchs, die spezifische Wissensordnungen konstituieren, mit denen wiederum gesellschaftliche Wirkungen bzw. Machteffekte verbunden sind.

Die Forschungswerkstatt stellt zunächst die Grundannahmen der WDA und die damit anvisierten Fragestellungen in allgemeineren Kontext von sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Diskurstheorie und Diskursanalyse vor. Im Zentrum steht dann die Erläuterung des methodisch-praktischen Vorgehens in konkreten empirischen Untersuchungen. Dies umfasst zum einen die Erschließung der Materialität von Diskursen (Akteure, Praktiken, Dispositive), zum anderen die Analyse der diskursiven Wissensformierungen und der daraus entfalteten Subjektivierungsangebote (Deutungsmuster, Klassifikationen, narrative Strukturen, Phänomenstruktur, Subjektmodelle u.a.). In der Werkstatt werden dazu Vorgehensweisen der Datenerhebung und der Datenauswertung diskutiert. Die WDA folgt dabei der Überlegung, dass es kein Standard- oder Rezeptmodell der Diskursforschung, gibt, sondern dass jedes Projekt den angebotenen Rahmen für seine spezifischen Fragestellungen entsprechend gestalten muss. Gleichwohl mündet dies nicht in völlige Beliebigkeit, sondern bewegt sich in einem Gesamtrahmen, der Theorie, methodologische Reflexion und methodisches Vorgehen aufeinander bezieht.

Die vorwiegend auf Fragen der praktischen Umsetzung von Vorhaben der Diskursforschung (in unterschiedlichen disziplinären Kontexten) hin ausgelegte Forschungswerkstatt wendet sich zum einen an Interessierte, die ganz allgemein den Ansatz der WDA kennen lernen möchten. Zum zweiten besteht die Möglichkeit, konkrete, mehr oder weniger weit fortgeschrittene eigene Projekte zur Diskussion zu stellen, die bereits mit der WDA arbeiten bzw. dies gegebenenfalls vorhaben. In diesem Fall sollte einige Wochen vor dem Berliner Methodentreffen eine entsprechende, etwa fünfseitige Skizze des Vorhabens sowie der damit verbundenen, beim Berliner Treffen zu diskutierenden Fragen an Reiner Keller (keller@uni-landau.de) geschickt werden. Gegebenenfalls können dabei nicht alle Vorschläge, sondern nur eine Auswahl berücksichtigt werden. Bitte geben Sie bei Ihrer Anmeldung an, ob Sie ein eigenes Projekt zur Diskussion stellen möchten.

Literatur:

  • Keller, Reiner (2006). Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen (3. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Keller, Reiner (2008). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms (2. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Forschungswerkstatt: Reflexive Grounded Theory

Prof. Dr. Franz Breuer

Universität Münster, Psychologisches Institut

Prof. em. Dr Jarg Bergold

Freie Universität Berlin, Klinische und Gemeindepsychologie

In dieser Forschungswerkstatt soll der Verlauf eines Forschungsprojekts nach Grounded-Theory-Manier in seinen wichtigsten Schritten skizziert werden, etwa:

– Un-/Geeignetheit von Themen
– Vorwissen und theoretische Sensibilität
– Themenfokussierung
– erste (Feld, Gesprächs-) Kontakte
– Rolle und Reflexion der Person des/der Forschenden
– Sampling-Überlegungen
– Dokumentation und Transkription
– Kodieren
– Modellbilden
– Forschungsgruppe (Kolloquium, Supervision etc.)
– Schreiben
– Rückmelden und Präsentieren.

Die genannten Aspekte werden kurz vorgestellt. Zu den einzelnen Phasen, Forschungsschritten bzw. methodischen Wahlentscheidungen können die Teilnehmer/innen (auf dem Hintergrund ihrer eigenen Probleme oder Erfahrungen) Fragen stellen. An einem konkreten Teilnehmer/innen-Projekt kann der Forschungsstil illustriert und vertieft werden.

Die Forschungswerkstatt richtet sich an Interessierte unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Fachrichtungen, die bereits einen ersten Einblick in die GTM genommen haben – die grundsätzlich Bescheid wissen: Um was für eine Art von Methodologie handelt es sich bei der GTM? Bevorzugt werden Fragen aufgeworfen und besprochen, die sich im Zusammenhang mit einem ersten eigenen Forschungsprojekt nach GTM-Modus stellen. Hier können Teilnehmende ihre eigenen (Problem-) Erfahrungen und Fragen einbringen.

Teilnehmer/innen, die daran interessiert sind, dass ihr eigenes GTM-Projekt hierbei als (Illustrations-) Fall besprochen wird, sollen baldmöglichst Kontakt mit den beiden Veranstaltern (breuerf@uni-muenster.de / jarg.bergold@gmail.com) aufnehmen, ihnen ein informatives Kurzexposé ihres Projekts zusenden.

Literatur:

  • Breuer, Franz (2009). Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Bergold, Jarg (2000). Über die Affinität zwischen qualitativen Methoden und Gemeindepsychologie. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research1(2), Art. 28, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0002283.

Forschungswerkstatt: Grounded-Theory-Methodologie

Prof. Dr. Günter Mey

Dr. Katja Mruck

Freie Universität Berlin
Institut für Qualitative Forschung, Center für Digitale Systeme, Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research

Die Grounded-Theory-Methodologie (GTM) ist eine der am weitesten verbreiteten qualitativen Forschungsmethodologien, zu der mittlerweile unterschiedliche Positionen vorliegen und verschiedene Strategien vorgeschlagen werden (ein Überblick bietet der GTM-Reader, in dem wir klassische und neue Texte zur GTM zusammengestellt haben bzw. einige der Texte zur GTM, die in FQS erschienen sind, z.B. von Glaser, Kelle oder die Interviews mit Strauss oder Corbin).

In der Forschungswerkstatt geht es uns vor allem darum, orientiert an den Fragen und dem Bedarf der Teilnehmenden und an konkretem Material die wesentlichen Konzepte (u.a. Theoretische Sensibilität) und Auswertungsschritte (v.a. offenes, axiales und selektives Kodieren, wie es in der GTM-Variante nach Strauss/Corbin vorgeschlagen wird) sowie Planungsfragen (u.a. Theoretisches Sampling) gemeinsam zu besprechen.

Vor dem Hintergrund dieser Schwerpunktsetzung können als Materialien zur Besprechung eingereicht werden:

– Forschungsskizzen zur Diskussion von Projektplanungen/Forschungsdesigns
– Trankskripte für (offenes/axiales) Kodieren
– Netzwerkkarten/Visualisierungen (axiales/selektives Kodieren).

Die endgültige Planung orientiert sich an den eingereichten Materialien. Dieses sollte uns zugeschickt werden, allerdings erst nach Aufforderung und Bestätigung Ihrer Teilnahme durch das BMT-Team. Unsere Auswahl wird von dem Interesse geleitet sein, möglichst verschiedene Stationen im Prozess einer GTM-Studie ansprechen zu können. Damit der Werkstattcharakter eingelöst werden kann, kann maximal aus zwei oder drei Projekten Material (Expose/Daten) diskutiert werden.

Literatur

Mey, Günter & Mruck. Katja (2007). Grounded Theory Reader. Köln: ZHSF.

u.a. darin enthalten:

  • Glaser, Barney G. (unter Mitarbeit Judith Holton) (2004). Remodeling Grounded Theory [80 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research5(2), Art. 4, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs040245
  • Kelle, Udo (2005). „Emergence“ vs. „Forcing“ of Empirical Data? A Crucial Problem of „Grounded Theory“ Reconsidered [52 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research6(2), Art. 27, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0502275
  • Legewie, Heiner & Schervier-Legewie, Barbara (2004). „Forschung ist harte Arbeit, es ist immer ein Stück Leiden damit verbunden. Deshalb muss es auf der anderen Seite Spaß machen“. Anselm Strauss im Interview mit Heiner Legewie und Barbara Schervier-Legewie [90 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research5(3), Art. 22, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0403222.
  • Cisneros-Puebla, Cesar A. (2004). „To Learn to Think Conceptually.“ Juliet Corbin in Conversation With Cesar A. Cisneros-Puebla [53 paragraphs]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research5(3), Art. 32, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0403325.  
  • Mey, Günter & Mruck, Katja (2009). Methodologie und Methodik der Grounded Theory. In Wilhelm Kempf & Marcus Kiefer (Hrsg.). Forschungsmethoden der Psychologie. Zwischen naturwissenschaftlichem Experiment und sozialwissenschaftlicher Hermeneutik. Band 3: Psychologie als Natur- und Kulturwissenschaft. Die soziale Konstruktion der Wirklichkeit (S.100-152). Berlin: Regener.
  • Mruck, Katja & Mey, Günter (2007). Grounded Theory and Reflexivity. In Anthony Brynt & Kathy Charmaz (Hrsg.), The Sage Handbook of Grounded Theory (S.487-510). London: Sage.
  • Breuer, Franz (Hrsg.). Qualitative Psychologie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Weinheim: Beltz.

Forschungswerkstatt: Hermeneutische Wissenssoziologie bei der Analyse von Organisationen

Prof. Dr. Jo Reichertz

Universität Duisburg-Essen, Campus Essen

FB 1 – Kommunikationswissenschaft

Jun.-Prof. Dr. Sylvia Marlene Wilz

FernUniversität in Hagen

Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften, Institut für Soziologie

Diese Forschungswerkstatt bietet die Möglichkeit, forschungspraktisch mit der wissenssoziologischen Hermeneutik zu arbeiten. Dieses theoretischemethodologische und methodische Konzept hat zum Ziel, die gesellschaftliche Bedeutung jeder Form von Interaktion (sprachlicher wie nichtsprachlicher; face-to-face wie institutionell geformter) und aller Arten von Interaktionsprodukten (Kunst, Religion, Unterhaltung, Geschäftsordnungen etc.) zu (re-) konstruieren.

Untersucht wird, wie Handlungssubjekte – hineingestellt und sozialisiert in historisch und sozial entwickelte und abgesicherte Routinen und Deutungen des jeweiligen Handlungsfeldes – diese einerseits vorfinden und sich aneignen (müssen), andererseits diese immer wieder neu ausdeuten und damit auch „eigen-willig“ erfinden (müssen). Diese selbständigen Neuauslegungen des vorgefundenen Wissens werden (ebenfalls als Wissen) ihrerseits wieder in das gesellschaftliche Handlungsfeld eingespeist und verändern es.

Das Handeln der Akteure gilt in dieser Perspektive erst dann als verstanden, wenn der Interpret in der Lage ist, es aufgrund der erhobenen Daten (Interviews, Beobachtungen, Dokumente etc.) in Bezug zu dem vorgegebenen und für die jeweilige Handlungspraxis relevanten Bezugsrahmen zu setzen und es in dieser Weise für diese Situation als eine (für die Akteure) sinn-machende (wenn auch nicht immer zweck-rationale) „Lösung“ nachzuzeichnen.

Schwerpunkt der Forschungswerkstatt soll die Organisationsanalyse (Arbeits- und Interessenorganisationen wie Unternehmen, Parteien, Verbände, Verwaltungen) sein. Erprobt werden soll, ob und wie sich mit der hermeneutischen Wissenssoziologie nicht nur die Besonderheit des Handelns einzelner Akteure ermitteln lässt, sondern wie dieses Handeln mit je spezifischen Strukturen der Organisation und/oder organisationstypischen Mustern der Wahrnehmung, Deutung und Entscheidung zusammenhängt.

Literatur

  •  Hitzler, Ronald, Jo Reichertz & Norbert Schröer (Hrsg.) (1999). Hermeneutische Wissenssoziologie. Standpunkte zur Theorie der Interpretation. Konstanz: UVK.
  • Reicherz, Jo (2004). Objective Hermeneutics and Hermeneutic Sociology of Knowledge. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), A Companion to Qualitative Research (S.290-295). London: Sage [verfügbar über: http://www.uni-essen.de/kowi/reichertz/downloads/hermeneutikenglisch.pdf]
  • Reichertz, Jo (2004). Das Handlungsrepertoire von Gesellschaften erweitern. Hans-Georg Soeffner im Gespräch mit Jo Reichertz [65 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research5(3), Art. 29, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0403297.
  • Reichertz, Jo (2007) Hermeneutische Wissenssoziologie in der Marktforschung. In: Renate Bubner & Hartmut Holzmüller (Hrsg.), Qualitative Marktforschung ( S.111-127). Wiesbaden: Gabler.
  • Reichertz, Jo (2009). Kommunikationsmacht. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Soeffner, Hans-Georg (2004). Auslegung des Alltags – Der Alltag der Auslegung. Konstanz: UVK.
  • Wilz, Sylvia Marlene (2002). Organisation und Geschlecht. Opladen: Leske + Budrich.
  • Wilz, Sylvia Marlene & Ilka Peppmeier (2009). Organisation als Untersuchungsfeld. Oder: How to enter a gendered organization. In Brigitte Aulenbacher & Birgit Riegraf (Hrsg.), Erkenntnis und Methode. Geschlechterforschung in Zeiten des Umbruchs (S.181-199). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Wilz, Sylvia Marlene (2010). Entscheidungsprozesse in Organisationen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Forschungswerkstatt: Interpretation als Ko-Konstruktion

Prof. Dr. Paul Mecheril

Universität Innsbruck

Hintergrund dieses Workshops sind langjährige Erfahrungen aus der Bielefelder Forschungswerkstatt mit der Begleitung qualitativer Forschungsarbeiten (v.a. Diplomarbeiten und Dissertationen). Ein Kennzeichen dieses Arbeitszusammenhanges ist die Heterogenität nicht nur der Themen, sondern auch der disziplinären Perspektiven (Erziehungswissenschaft, Soziologie, Gesundheits- und Sportwissenschaft u.a.) und der gewählten Methoden bzw. Materialien (Biografieforschung, Ethnographie, Diskursanalyse; Interviews, Gruppendiskussion, Beobachtungsprotokolle u.a.). Die Vielfalt der Zugänge basiert auf einem gemeinsamen methodologischen Rahmen, der sich an den Prinzipien des Interpretativen Paradigmas und der rekonstruktiven Sozialforschung, also an einem theoriegenerierenden Vorgehen orientiert.

Innerhalb dieses Rahmens hat sich ein Forschungsstil herausgebildet, der besondere Aufmerksamkeit für die unterschiedlichen „Hinsichten“ pflegt, mit denen Texte (empirisches Material und Interpretationstexte) bearbeitet werden. Die Heterogenität der Zugänge schafft eine Situation des „permanenten Vergleichens“ der gewählten Interpretationsperspektiven und zwingt immer wieder neu zur Verständigung darüber, „was wir eigentlich tun“, wenn wir interpretieren.

In dieser Praxis haben sich zwei methodologische Momente herauskristallisiert, die für qualitative Forschung allgemein und besonders für eine „schulenübegreifende“ Verständigung bedeutsam sind:

– die systematische Reflexion der eigenen interpretativen Praxis im Hinblick auf ihre Voraussetzungen (Interessen, Vorannahmen, theoretische Modelle usw.) und

– ein Verständnis von Interpretation als Ko-Konstruktion.

Die Idee der Ko-Konstruktion betrifft das Verhältnis zwischen einem „empirischen“ Text und den dazu produzierten interpretativen und theoretischen Texten. Diese sind mit Alfred Schütz als „Konstruktionen zweiten Grades“ zu verstehen. Der Begriff der Ko-Konstruktion reflektiert aber deutlicher als der Schützsche Ansatz die wechselseitige Vermittlung und Dynamik zwischen dem empirischen Material (und den sich darin spiegelnden alltagsweltlichen Konstruktionen) und den im Forschungsprozess produzierten „Konstruktionen zweiten Grades“. Letztere sind keine quasi-naturalistischen oder „linearen“ Rekonstruktionen, sondern unter bestimmten Hinsichten konstruierte Lesarten, die in der kommunikativen Interpretationspraxis herausgearbeitet, bzgl. ihrer Voraussetzungen reflektiert und an bestimmten Kriterien im Hinblick auf Plausibilität und Güte „gemessen“ werden. Der Blick richtet sich also besonders auf die Relation zwischen den Konstruktionen „im“ empirischen Material und den interpretativen Ko-Konstruktionen, die sich im Forschungsprozess wechselseitig strukturieren.

In diesem Workshop wollen wir – an exemplarischem, von Teilnehmenden eingereichtem Material – das Verhältnis von Text, „Interpretationshinsichten“ und Ko-Konstruktionen praktisch ausloten und methodologisch reflektieren.

Literatur

  • Dausien, Bettina (2007). Reflexivität, Vertrauen, Professionalität. Was Studierende in einer gemeinsamen Praxis qualitativer Forschung lernen können. Diskussionsbeitrag zur FQS-Debatte „Lehren und Lernen der Methoden qualitativer Sozialforschung“. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research8(1), http://qualitative-research.net/fqs/deb/07-1-D4Dausien-d.htm.
  • Dausien, Bettina (2006). Repräsentation und Konstruktion. Lebensgeschichte und Biographie in der empirischen Geschlechterforschung. In Sabine Brombach & Bettina Wahrig (Hrsg.), LebensBilder. Leben und Subjektivität in neueren Ansätzen der Gender Studies (S.179-211). Bielefeld: transcript.
  • Mecheril, Paul (2003). Text als Medium für Text. Method(olog)ische Anmerkungen zur allmählichen Verfertigung eines Interpretationstextes (Kapitel II aus: Prekäre Verhältnisse. Über natio-ethno-kulturelle (Mehrfach-)Zugehörigkeit). Münster: Waxmann.

Mehr Informationen über den Stil der Interpretation als Ko-Konstruktion finden sich auf den Seiten des Arbeitsforums qualitative Anschlussarbeiten aqua.rium der Universität Bielefeld.

Forschungswerkstatt: Objektive Hermeneutik

Prof. Dr. Andreas Wernet

Leibniz Universität Hannover
Institut für Erziehungswissenschaft

Diese Forschungswerkstatt bietet die Möglichkeit, sich durch exemplarische Fallinterpretationen mit dem forschungspraktischen Vorgehen der Objektiven Hermeneutik vertraut zu machen. Die Teilnehmenden erhalten dabei die Gelegenheit, sich grundlegende Einblicke in das sequenzanalytische Verfahren der Fallrekonstruktion zu verschaffen.

Grundlage der gemeinsamen Interpretationen sind Protokolle, die von den Teilnehmenden zur Verfügung gestellt werden. An diesem Material sollen die grundlegenden Operationen und Prinzipien des Verfahrens (Wörtlichkeit; Kontextunabhängigkeit; Sequenzanalyse, latente Sinnstruktur) exemplifiziert und die dabei auftretenden methodischen Probleme diskutiert werden.

Hinweis für aktive Teilnehmenden: Um die Interpretationen in dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen mit der für das Verfahren notwendigen Detailliertheit vornehmen zu können, müssen wir uns auf kurze Textsequenzen beschränken. Deshalb kann leider nur das Datenmaterial eines aktiven Teilnehmers/einer aktiven Teilnehmerin berücksichtigt werden. Die Protokolle sollten sozialisations-, erziehungs- und bildungswissenschaftlichen und/oder professionalisierungstheoretischen Kontexten entstammen.

Literatur

Forschungswerkstatt: Qualitative Heuristik

Dr. Thomas Burkart, Psychologischer Psychotherapeut
in eigener Praxis in Hamburg tätig

Prof. em. Dr. Gerhard Kleining

Universität Hamburg
Fachbereich Soziologie

Es handelt sich um ein Such- und Findeverfahren. Die Methodologie zielt auf die Entdeckung von Verhältnissen oder Strukturen im Forschungsgegenstand, die im Forschungsmaterial enthalten sind. Die Datenerhebung und -analyse folgt vier Regeln, die auch im Alltag zum Herausfinden von zunächst nicht erkennbaren Zusammenhängen verwandt werden: der Offenheit der Forschungsperson, des Forschungsgegenstandes, der Variation der Perspektiven und der Analyse auf Gemeinsamkeiten. Die Erkenntnisgewinnung verwendet das Verfahren des Dialogs zwischen Forschungsperson und Forschungsgegenstand. Ziel ist es, den Zusammenhang des gesamten Datenmaterials über einen bestimmten Forschungsgegenstand zu erkennen oder zu entdecken („heureka!“).

Entdeckende Forschung ist die Verwissenschaftlichung und Systematisierung von den Alltags-Regeln, die auch in den Naturwissenschaften seit Bacon und Galilei verwandt werden und, wie die Regel der Variation, durch Wundt in die Psychologie eingeführt wurde. Erst Mach, Lehrer von Einstein, hat der „Psychologe der Forschung“ diese Typs ein ganzes Buch gewidmet (Erkenntnis und Irrtum, 1905). In den Sozialwissenschaften wurden entdeckende Verfahren u.a. von der „Würzburger Schule“ eingesetzt (Bühlers „Aha-Erlebnis“) oder, beeinflusst von dem Bühler-Schüler Lazarsfeld in der frühen „Grounded Theory“, die als „Discovery“ apostrophiert worden war. Die meisten der heute als „klassisch“ geltenden Untersuchungen in den Sozialwissenschaften haben entdeckende Methoden verwandt, so die der Chicago-Schule, der Gestalt-Psychologen, der frühen Psychoanalyse. Ein besonders gutes Beispiel ist die bekannte Untersuchung von Lazarsfeld, Jahoda und Zeisel über die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit in „Marienthal“. Anthropologen und Ethnographen haben sich seit den Anfängen ihrer Wissenschaft als empirische Feld-Forschung entdeckender Methoden bedient.

Qualitative Heuristik ist eine Methodologie nicht nur zur Datenanalyse, sondern auch zur Datenerhebung und betont den Zusammenhang beider im Prozess der Erkenntnisgewinnung.

An Hand von vorhandenen Daten aus dem Teilnehmendenkreis oder ad hoc neu erstellter in der Teilnehmendengruppe wird die Vorgehensweise, besonders die Analyse auf Gemeinsamkeiten demonstriert und an Hand eines Beispiels gezeigt, wie man von Daten zu Ergebnissen kommt. Es sollte auch Gelegenheit sein, allgemeine Fragen der heuristischen Methodologie zu besprechen.

Wer sich über den Verlauf der Veranstaltung 2007 ein Bild machen will, kann dies unter http://www.qualitative-forschung.de/methodentreffen/archiv/evaluation/kleining.pdf tun. Dieser „Bericht“ ist gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie eine Datenerhebung und Analyse mit Hilfe der qualitativen Heuristik aussehen kann.

Literatur

  • Kleining, Gerhard & Witt, Harald (2000). Qualitativ-heuristische Forschung als Entdeckungsmethodologie für Psychologie und Sozialwissenschaften: Die Wiederentdeckung der Methode der Introspektion als Beispiel. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research1(1), Art. 13,  http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001136.
  • Kleining, Gerhard & Witt, Harald (2001). Entdeckung als Basismethodologie für qualitative und quantitative Forschung. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research2(1), Art. 16, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0101164.
  • Witt, Harald (2004). From Commercial Market Research to Academic Teaching – an Exceptional Professional Career Gerhard Kleining in an Interview With Harald Witt. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research5(3), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0403404

Über die Veröffentlichungen in FQS hinaus sei verwiesen auf die Homepage: http://www.heureka-hamburg.de/ und http://www.introspektion.net/, wo sich weitere Literatur, Beschreibungen und Beispiele finden.

Forschungswerkstatt: Qualitative Inhaltsanalyse

Prof. Dr. Margrit Schreier

Dr. Özen Odag

Jacobs University Bremen, School of Humanities and Social Sciences

In der Forschungswerkstatt sollen an Hand des Materials der Teilnehmenden Möglichkeiten inhaltsanalytischer Auswertung aufgezeigt werden. Inhaltsanalyse wird dabei als Verfahren zur regelgeleitet-interpretativen Analyse bedeutungshaltigen Materials verstanden, das flexibel an das Material und die Forschungsfrage anzupassen ist. Prototypisch umfasst das Verfahren die folgenden Schritte:

– Erstellung eines Kategoriensystems
– Probekodierung
– Berechnung einer Inter- oder Intra-Rater-Übereinstimmung
– Ggf. Modifikation des Kategoriensystems und Kodierschulung
– Hauptkodierung

In der Forschungswerkstatt liegt der Schwerpunkt auf Fragen der Erstellung und der Modifikation des Kategoriensystems. Insbesondere sollen Strategien der Kategorienerstellung (aus dem Material heraus, angelehnt an einen Interviewleitfaden, theoriegeleitet etc.) dargestellt und anhand des Materials der Teilnehmenden erprobt werden. Weitere Themen, wie etwa Vergleich der Inhaltsanalyse mit anderen Auswertungsverfahren, Einsatz computergestützter Verfahren u.ä. werden je nach Bedarf und Interesse besprochen.

In dieser Forschungswerkstatt können insgesamt zwei Projekte konkret besprochen werden, die im Vorfeld (im Zusammenhang mit der Anmelde-Prozedur) festgelegt werden. Die Projekte können unterschiedlich weit fortgeschritten sein, von ersten Überlegungen, ob die Inhaltsanalyse ein geeignetes Verfahren darstellt, bis hin zu bereits ausgearbeiteten Kategoriensystemen. Es sollte aber auf jeden Fall bereits erhobenes Text- oder Bild-Material vorliegen, das nach Absprache vorab an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verschickt wird.

Literatur

  • Hussy, Walter, Schreier, Margrit & Echterhoff, Gerald (2009). Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften – für Bachelor. Heidelberg: Springer; daraus: Kap. 7.2.4.
  • Mayring, Philipp (2000). Qualitative Inhaltsanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(2), Art. 20, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0002204.
  • Mayring, Philipp (2008). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (10.  Aufl.). Weinheim: Beltz-UTB.
  • Rustemeyer, Ruth (1992). Inhaltsanalyse. Praktisch-methodische Schritte. Münster: Aschendorff.
  • Schreier, Margrit, Odag, Özen & Groeben, Norbert (2004). Der Dritte Golfkrieg: Zur Glaubhaftigkeit der medialen Berichterstattung [49 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research5(2), Art. 21, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0402214.

Forschungswerkstatt: Tiefenhermeneutik / Psychoanalytisch orientierte Sozialforschung

Prof. Dr. Thomas Leithäuser

Universität Bremen
Akademie für Arbeit und Politik Bremen

Psychologische und sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden lassen sich in der Regel von dem Prinzip der Komplexitätsreduktion leiten. Nicht so die Tiefenhermeneutik und die psychoanalytisch orientierte Sozialforschung: Sie versuchen, dem „Methodenzwang“ zu widerstehen, der den gestrengen Regeln der Reliabilität in der Methodenanwendung die Priorität vor der Angemessenheit an den Forschungsgegenstand einräumt.

In der Tiefenhermeneutik und der psychoanalytisch orientierten Sozialforschung geht es um die Darstellung der Komplexität eines Sachverhalts. Das sind meist die Muster und Formen vielfältiger Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen. Dazu braucht man weniger den Werkzeugkasten ausgeklügelter methodischer Instrumente als die Fähigkeit zur Einfühlung und einen Kopf mit vielen Einfällen und Assoziationen. Diese muss man mutig in das Verstehen und die Interpretation von Texten: Interviewtranskripten, Gruppendiskussionstranskripten und literarischen Texten einbringen. Das wollen wir bei aller Verbildetheit durch den „Methodenzwang“ in der Forschungswerkstatt gemeinsam ausprobieren.

An ausgewählten Materialien (Textpassagen aus Interview- oder Gruppendiskussionstranskripten oder auch kurzen literarischen Texten) werden wir die Interaktionsformen und Beziehungsmuster, die die Texte zum Ausdruck bringen, gemeinsam ausfindig machen und interpretieren. Dabei geht es nicht um einen Wettkampf um die beste Lesart, sondern um das kooperative Herausarbeiten einer Interpretation, die den Sinn des Textes in all seiner Komplexität erschließt.

Zu Beginn wird die Interpretationsmethode an einem Textbeispiel vorgeführt. Anschließend besteht die Möglichkeit, Datenauszüge von zwei Teilnehmenden zu besprechen. Interessierte sind gebeten – nach Aufforderung und Bestätigung der Teilnahme durch die Organisatoren – bis zum 31. Mai ein kurzes Exposé (mit Angaben zum Datenkorpus und zur Forschungsfrage) ihrer Forschung einzusenden.

Literatur

  • Leithäuser, Thomas & Volmerg, Birgit (1988). Psychoanalyse in der Sozialforschung. Eine Einführung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Leithäuser, Thomas (2001). Psychoanalyse und tiefenhermeneutische Sozialforschung. Hannoversche Schriften4, 118-145.
  • Leithäuser, Thomas (2007). Adornos Träume. Journal für Psychologie15(3), http://www.journal-fuer-psychologie.de/jfp-3-2007-3.html.