Forschungswerkstätten 2007

Bearbeitung von Forschungsprojekten im Stil der Grounded Theory mit themenbezogener Selbstreflexion

Prof. em. Dr. Jarg Bergold

Freie Universität Berlin
Klinische Psychologie und Gemeindepsychologie

Prof. Dr. Franz Breuer

Universität Münster
Psychologisches Institut III: Methodenlehre, Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie

Der methodologische Rahmen des Workshops ist ein Forschungsstil, der sich einerseits auf die Grounded Theory-Methodik bezieht, bei dem zum anderen die Bedeutung/Rolle der Forscherin bzw. des Forschers als Subjekt reflektiert und methodisch genutzt wird (Person-Relevanz bei der Wahl, Fokussierung und Konzeptualisierung des Themas; bei den m.o.w. hintergründigen Vorannahmen/“Präkonzepten“; bei den Interaktionen mit Mitgliedern des Forschungsfelds u.ä.).

Die inhaltlichen Bereiche, aus dem die Projekte stammen können, sind weit gefasst:

Es sollte sich um Themen der Alltagswelt handeln – etwa Probleme aus der Nicht-/Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, der Bewältigung biographischer Übergänge bzw. Krisen, Probleme aus familiären, lebensgeschichtlichen, professionellen, gemeindepsychologischen Kontexten u.ä.

Die Projekte können sich in unterschiedlichen (Fortgeschrittenheits-) Phasen des Forschungsprozesses befinden: sowohl im Stadium der Vorüberlegungen zur thematischen Fokussierung, im Stadium der begonnenen Datenaufnahme mit Sampling-Fragen und Kodier-Problemen, wie im Stadium der Modellbildung bzw. Sortierung der entwickelten Kategorien.

Die „aktiven“ Teilnehmer/innen der Forschungswerkstatt verteilen im Vorhinein (per Mail) Materialien (Untersuchungs-Ideen, Datenausschnitte, Auswertungen o.ä.) in handhabbarer Menge sowie Wünsche (Fragen, Themenvorschläge o.ä.) an die übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sie in der Gruppe gern besprochen haben möchten (siehe hierzu auch Anmeldevoraussetzung und Prozedere).

In dieser Forschungswerkstatt können insgesamt zwei qualitativ-empirische Projekte konkret besprochen werden, die im Vorfeld (im Zusammenhang mit der Anmelde-Prozedur) festgelegt werden.

Literatur

Diskursanalyse

Dr. Andrea D. Bührmann

Universität Dortmund
Institut für Soziologie

Prof. Dr. Werner Schneider

Universität Augsburg
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät

Der Begriff „Diskursanalyse“ bezeichnet – basierend auf Michel Foucaults Diskursbegriff – keine mehr oder weniger kontextfrei vorzustellende und anzuwendende „Methode“ im Sinne einer präzise ausweisbaren Verfahrenstechnik der Datenerhebung und -auswertung. Vielmehr umfasst er eine voraussetzungsvolle Forschungsperspektive auf gesellschaftliche Wirklichkeit, eine spezifische Herangehensweise an Forschungsthemen. Auch zielt der Foucaultsche Diskursbegriff keineswegs einfach auf Texte, deren „Sinn“ es (post-) strukturalistisch und dennoch hermeneutisch zu ergründen gilt, sondern darauf, diskursive Praxen zur Herstellung und Durchsetzung von Wissen in historisch-konkreten Kontexten zu analysieren, um deren Formierungsstrukturen, Funktionsmechanismen und Machtwirkungen gleichsam „positiv“ zu entziffern. Dabei ist zu beachten, dass Foucault selbst in seinen materialreichen Studien keine explizite Forschungsmethodik entwickelt und präsentiert hat. Eine konkretere Bestimmung dessen, was ein Diskurs ist, formuliert Foucault zwar noch in seiner „Archäologie des Wissens“, dieser Ansatz scheint aber im Laufe seiner nachfolgenden Forschungsbemühungen zunehmend zu verschwimmen. Trotz einiger gelungener Konzeptionen für eine an Foucault orientierte Forschungsmethodik, bleibt freilich eine enge methodische Definition und „Schrittfolge“ für Diskursanalysen problematisch, zumindest soweit solche Vorgaben den Anspruch auf Verbindlichkeit und Ausschließlichkeit erheben wollten.

Was „Diskursanalyse“ jeweils ist, muss demzufolge je nach disziplinspezifischer Fragestellung, ihren diskurstheoretischen Fundierungen und damit verbundenen methodologisch/methodischen Konzepten bestimmt werden.

Deshalb soll in dieser Forschungswerkstatt der Einsatz von Foucaultschen Kategorien nicht im Sinne eines starren, festgelegten Analyserasters erfolgen, sondern auf der Grundlage einer kurzen allgemeinen Einführung in die Diskursanalyse kontextabhängig diskutiert, praktisch angewendet und erprobt werden. Wir bitten die an aktiver Teilnahme Interessierten daher, uns nicht nur eine Skizze ihrer Datenmaterialien, sondern auch die (ursprünglich) damit verbundenen Forschungsfragen inkl. ihrer jeweiligen theoretischen Fundierungen zuzusenden. Ausgehend davon wollen wir dann gemeinsam je kontextabhängige Analyseoptionen für ein diskursanalytisches Vorgehen erarbeiten und konkrete Anwendungsschritte erproben.

Literatur

  • Bührmann, Andrea D.; Diaz-Bone Rainer; Kendall Gavin; Guiterréz Rodríguez Encarnación; Schneider Werner & Tirado Francisco (Hrsg.). From Michel Foucault’s Discourse Theory to Empirical Social Research on Discourses. Current Methodological Developments und Methodical Applications in Social Research. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [Online Journal], 8(2), http://www.qualitative-research.net/fqs/fqs-d/inhalt2-06-d.htm [ab 31.Mai 2007 verfügbar]
  • Bührmann, Andrea D. (2005). The Emerging of the Entrepreneurial Self and it’s Contemporary Hegemonic Status: Some Fundamental Observations for an Analysis of the (Trans-) Formational Process of Modern Forms of Subjectivation [49 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [Online Journal], 6(1), Art. 16, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/1-05/05-1-16-d.htm.
  • Diaz-Bone, Rainer (2003). Entwicklungen im Feld der foucaultschen Diskursanalyse. Sammelbesprechung zu: Glyn Williams (1999). French discourse analysis. The method of post-structuralism / Johannes Angermüller, Katharina Bunzmann & Martin Nonhoff (Hrsg.) (2001). Diskursanalyse. Theorien, Methoden, Anwendungen / Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider & Willy Viehöver (Hrsg.) (2001). Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden / Patrick Charaudeau & Dominique Maingueneau (Hrsg.) (2002). Dictionaire d’analyse du discours / Reiner Keller (2003). Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [Online Journal], 4(3), http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/3-03/3-03review-diazbone-d.htm.
  • Keller, Reiner (2005). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Keller, Reiner; Hirseland, Andreas; Schneider, Werner & Viehöver, Willy (Hrsg.) (2006). Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden (2. erw. Aufl.). Opladen: VS Verlag.
  • Keller, Reiner; Hirseland, Andreas; Schneider, Werner & Viehöver, Willy (Hrsg.) (2004). Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 2: Forschungspraxis (2. Aufl.). Opladen: VS Verlag.
  • Schneider, Werner & Hirseland, Andreas (2005). Macht – Wissen – gesellschaftliche Praxis. Dispositivanalyse und Wissenssoziologie. In Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider & Willy Viehöver (Hrsg.), Die diskursive Konstruktion von Wirklichkeit. Zum Verhältnis von Wissenssoziologie und Diskursforschung (S.251-275). Konstanz: UVK.

Interpretation als Ko-Konstruktion

Prof. Dr. Bettina Dausien

Universität Flensburg
Institut für Allgemeine Pädagogik und Erwachsenenbildung/Weiterbildung [Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Empirische Bildungsforschung]

Hintergrund dieses Workshops sind langjährige Erfahrungen aus der Bielefelder Forschungswerkstatt mit der Begleitung qualitativer Forschungsarbeiten (v.a. Diplomarbeiten und Dissertationen). Ein Kennzeichen dieses Arbeitszusammenhanges ist die Heterogenität nicht nur der Themen, sondern auch der disziplinären Perspektiven (Erziehungswissenschaft, Soziologie, Gesundheits- und Sportwissenschaft u.a.) und der gewählten Methoden bzw. Materialien (Biographieforschung, Ethnographie, Diskursanalyse; Interviews, Gruppendiskussion, Beobachtungsprotokolle u.a.). Die Vielfalt der Zugänge basiert auf einem gemeinsamen methodologischen Rahmen, der sich an den Prinzipien des Interpretativen Paradigmas und der rekonstruktiven Sozialforschung, also an einem theoriegenerierenden Vorgehen orientiert.

Innerhalb dieses Rahmens hat sich ein Forschungsstil herausgebildet, der besondere Aufmerksamkeit für die unterschiedlichen „Hinsichten“ pflegt, mit denen Texte (empirisches Material und Interpretationstexte) bearbeitet werden. Die Heterogenität der Zugänge schafft eine Situation des „permanenten Vergleichens“ der gewählten Interpretationsperspektiven und zwingt immer wieder neu zur Verständigung darüber, „was wir eigentlich tun“, wenn wir interpretieren.

In dieser Praxis haben sich zwei methodologische Momente herauskristallisiert, die für qualitative Forschung allgemein und besonders für eine „schulenübegreifende“ Verständigung bedeutsam sind:

  • die systematische Reflexion der eigenen interpretativen Praxis im Hinblick auf ihre Voraussetzungen (Interessen, Vorannahmen, theoretische Modelle usw.) und
  • ein Verständnis von Interpretation als Ko-Konstruktion.

Die Idee der Ko-Konstruktion betrifft das Verhältnis zwischen einem „empirischen“ Text und den dazu produzierten interpretativen und theoretischen Texten. Diese sind mit Alfred Schütz als „Konstruktionen zweiten Grades“ zu verstehen. Der Begriff der Ko-Konstruktion reflektiert aber deutlicher als der Schützsche Ansatz die wechselseitige Vermittlung und Dynamik zwischen dem empirischen Material (und den sich darin spiegelnden alltagsweltlichen Konstruktionen) und den im Forschungsprozess produzierten „Konstruktionen zweiten Grades“. Letztere sind keine quasi-naturalistischen oder linearen Rekonstruktionen, sondern unter bestimmten Hinsichten konstruierte Lesarten, die in der kommunikativen Interpretationspraxis herausgearbeitet, bzgl. ihrer Voraussetzungen reflektiert und an bestimmten Kriterien im Hinblick auf Plausibilität und Güte „gemessen“ werden. Der Blick richtet sich also besonders auf die Relation zwischen den Konstruktionen „im“ empirischen Material und den interpretativen Ko-Konstruktionen, die sich im Forschungsprozess wechselseitig strukturieren.

In diesem Workshop wollen wir – an exemplarischem Material eingereicht von den aktiven Teilnehmenden – das Verhältnis von Text, „Interpretationshinsichten“ und Ko-Konstruktionen praktisch ausloten und methodologisch reflektieren. Mehr Informationen über den Stil der Interpretation als Ko-Konstruktion finden sich auf den Seiten des Arbeitsforums qualitative Anschlussarbeiten aqua.rium der Universität Bielefeld.

Qualitative Heuristik

Prof. em. Dr. Gerhard Kleining

Universität Hamburg
Fachbereich Soziologie

Dr. Marcus Friederici

Universität Hamburg
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Institut für Soziologie

Es handelt sich um ein Such- und Findeverfahren. Die Methodologie zielt auf die Entdeckung von Verhältnissen oder Strukturen im Forschungsgegenstand, die im Forschungsmaterial enthalten sind. Die Datenerhebung und -Analyse folgt vier Regeln, die auch im Alltag zum Herausfinden von zunächst nicht erkennbaren Zusammenhängen verwandt werden: der Offenheit der Forschungsperson, des Forschungsgegenstandes, der Variation der Perspektiven und der Analyse auf Gemeinsamkeiten. Die Erkenntnisgewinnung verwendet das Verfahrens des Dialogs zwischen Forschungsperson und Forschungsgegenstand. Ziel ist es, den Zusammenhang des gesamten Datenmaterials über einen bestimmten Forschungsgegenstand zu erkennen oder zu entdecken („heureka!“).

Entdeckende Forschung ist die Verwissenschaftlichung und Systematisierung von der Alltags-Regeln, die auch in den Naturwissenschaften seit Bacon und Galilei verwandt werden und, wie die Regel der Variation, durch Wundt in die Psychologie eingeführt wurde. Erst Mach, Lehrer von Einstein, hat der „Psychologe der Forschung“ diese Typs ein ganzes Buch gewidmet (Erkenntnis und Irrtum, 1905). In den Sozialwissenschaften wurden entdeckende Verfahren u. a. von der „Würzburger Schule“ eingesetzt (Bühlers „Aha-Erlebnis“) oder, beeinflusst von dem Bühler-Schüler Lazarsfeld in der frühen „Grounded Theory“, die als „Discovery“ apostrophiert worden war. Die meisten der heute als „klassisch“ geltenden Untersuchungen in den Sozialwissenschaften haben entdeckende Methoden verwandt, so die der Chicago-Schule, der Gestalt-Psychologen, der frühen Psychoanalyse. Ein besonders gutes Beispiel ist die bekannte Untersuchung von Lazarsfeld, Jahoda und Zeisel über die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit in „Marienthal“. Anthropologen und Ethnographen haben sich seit den Anfängen ihrer Wissenschaft als empirische Feld-Forschung entdeckender Methoden bedient.

Qualitative Heuristik ist eine Methodologie nicht nur zur Datenanalyse, sondern auch zur Datenerhebung und betont den Zusammenhang beider im Prozess der Erkenntnisgewinnung. Das Verfahren ist durch Veröffentlichungen über Methodologie und Empirie gut dokumentiert. Verwiesen wird auf die Veröffentlichungen von Gerhard Kleining und Harald Witt in FQS und unsere Homepage:

An Hand von vorhandenen Daten aus dem Teilnehmerkreis oder ad hoc neu erstellter in der Teilnehmergruppe wird die Vorgehensweise, besonders die Analyse auf Gemeinsamkeiten demonstriert und an Hand eines Beispiels gezeigt, wie man von Daten zu Ergebnissen kommt. Es sollte auch Gelegenheit sein, allgemeine Fragen der heuristischen Methodologie zu besprechen.

Tiefenhermeneutik / Psychoanalytisch orientierte Sozialforschung

Prof. Dr. Thomas Leithäuser

Akademie für Arbeit und Politik Bremen

Prof. Dr. Mirian Goldenberg

Institut für Philosophie und Sozialwissenschaften, Abteilung Kulturanthropologie, Universität Rio de Janeiro, Brasilien

Psychologische und sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden lassen sich in der Regel von dem Prinzip der Komplexitätsreduktion leiten. Nicht so die Tiefenhermeneutik und die psychoanalytisch orientierte Sozialforschung: Sie versuchen, dem „Methodenzwang“ zu widerstehen, der den gestrengen Regeln der Reliabilität in der Methodenanwendung die Priorität vor der Angemessenheit an den Forschungsgegenstand einräumt.

In der Tiefenhermeneutik und der psychoanalytisch orientierten Sozialforschung geht es um die Darstellung der Komplexität eines Sachverhalts. Das sind meist die Muster und Formen vielfältiger Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen. Dazu braucht man weniger den Werkzeugkasten ausgeklügelter methodischer Instrumente als die Fähigkeit zur Einfühlung und einen Kopf mit vielen Einfällen und Assoziationen. Diese muss man mutig in das Verstehen und die Interpretation von Texten: Interviewtranskripten, Gruppendiskussionstranskripten und literarischen Texten einbringen. Das wollen wir bei aller Verbildetheit durch den „Methodenzwang“ in der Forschungswerkstatt gemeinsam ausprobieren.

An ausgewählten Materialien (Textpassagen aus Interview- oder Gruppendiskussionstranskripten oder auch kurzen literarischen Texten) werden wir die Interaktionsformen und Beziehungsmuster, die die Texte zum Ausdruck bringen, gemeinsam ausfindig machen und interpretieren. Dabei geht es nicht um einen Wettkampf um die beste Lesart, sondern um das kooperative Herausarbeiten einer Interpretation, die den Sinn des Textes in all seiner Komplexität erschließt.

Der Forschungswerkstatt wird von Thomas Leithäuser und Mirian Goldenberg gemeinsam geleitet. Der Forschungswerkstatt ist zweisprachig: deutsch und englisch.

Zu Beginn wird die Interpretationsmethode an einem Textbeispiel vorgeführt. Anschließend „besteht die Möglichkeit, Datenauszüge von 2 Teilnehmenden zu besprechen. Interessierte sind gebeten – nach Aufforderung und Bestätigung der Teilnahme durch die Organisatoren – bis zum 31. Mai ein kurzes Exposé (mit Angaben zum Datenkorpus und zur Forschungsfrage) ihrer Forschung einzusenden.

Literatur

  • Leithäuser, Thomas & Volmerg, Birgit (1988). Psychoanalyse in der Sozialforschung. Eine Einführung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Leithäuser, Thomas (2001). Psychoanalyse und tiefenhermeneutische Sozialforschung. Hannoversche Schriften4, 118-145.

Qualitative Inhaltsanalyse

Prof. Dr. Philipp Mayring

Abteilung Angewandte Psychologie und Methodenforschung am Institut für Psychologie
sowie Zentrum für Evaluation und Forschungsberatung der Universität Klagenfurt

In der Forschungswerkstatt sollen (max. 4) konkrete qualitativ-inhaltsanalytische Projekte aus dem TeilnehmerInnenkreis diskutiert werden und gemeinsame methodische Probleme und Lösungsmöglichkeiten herausgearbeitet werden. Mit qualitativ-inhaltsanalytisch ist dabei ein Vorgehen gemeint, das

  • theoriegeleitet und regelgeleitet vorgeht,
  • das zu analysierende Material in ein Kommunikationsmodell einordnet und darauf bezogen die Ziele der Analyse definiert,
  • die zentralen Analyseaspekte in Kategorien(-systemen) formuliert,
  • das Material in inhaltsanalytische Einheiten zerlegt und danach schrittweise bearbeitet,
  • das Instrumentarium (Kategoriensysteme und inhaltsanalytische Regeln) in einer Pilotstudie überarbeitet,
  • die Zuordnung von Kategorien zu Textstellen als interpretativen, regelgeleiteten Prozess auffasst,
  • im weiteren Verlauf auch Quantifizierungen (z.B. Kategorienhäufigkeiten) zulässt
  • und die Ergebnisse an Gütekriterien (z.B. Interkoderreliabilität) misst.

Die Teilnehmenden, die an einer eigenen Projektpräsentation interessiert sind, schicken – nach Aufforderung und erfolgter Bestätigung der Teilnahme am Berliner Methodentreffen durch die Organisatoren – vorab ein Abstract, in dem Fragestellung der Studie und (mögliches) Kategoriensystem(e) dargestellt werden und bringen konkretes Textmaterial in die Forschungswerkstatt mit.

Literatur

  • Mayring, Philipp (2000). Qualitative Inhaltsanalyse (auch in Englisch: Qualitative Content Analysis). Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research1(2), Art. 20, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-00/2-00mayring-d.htm.
  • Mayring, Philipp (2003). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (8. Auflage). Weinheim: Beltz-UTB.
  • Mayring, Philipp & Gläser-Zikuda, M. (2005) (Hrsg.). Die Praxis der Qualitativen Inhaltsanalyse. Weinheim: Beltz-UTB.
  • Mayring, Philipp & Brunner, Eva (2006) Beiträge zur Qualitativen Inhaltsanalyse – Schriftenreihe des Instituts für Psychologie der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Psy-Dok Volltextserverhttp://psydok.sulb.uni-saarland.de/frontdoor.php?source_opus=573&la=de [Zugriff am 20.12.2006].

Projektwerkstatt Qualitativen Arbeitens

Dr. Günter Mey

Freie Universität Berlin
Institut für Qualitative Forschung

Dr. Katja Mruck

Freie Universität Berlin
Center für Digitale Systeme, Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research

Die Mitte der 1990er Jahre gegründete und ursprünglich lokal in Berlin durchgeführte „Projektwerkstatt Qualitativen Arbeitens“ (PW) ist ein an das Modell der Themenzentrierten Interaktion (Cohn 1991) angelehnter Vorschlag zur methodischen Unterstützung qualitativer Qualifikationsarbeiten im Rahmen von Kleingruppen. Im Konzept der PW ist neben der methodischen Beratung und der kontinuierlichen Begleitung der Arbeiten über den gesamten Forschungsprozess hinweg die Einbeziehung der persönlichen und sozialen Situation der Teilnehmenden besonders herausgehoben, d.h. dass sich Beratung und Begleitung strikt an der Lebenslage und dem Bedarf der jeweiligen Nutzer(in) ausrichten müssen, um unter den gegebenen persönlichen und sozialen Bedingungen möglichst schnell zu bestmöglichen Ergebnissen zu gelangen.

Die PW weist vier zentrale Funktionen auf: a) die Kolloquiumsfunktion (Vorstellung und Diskussion des jeweiligen Standes der Einzelarbeit inkl. methodische Unterstützung, Tipps etc.), b) die Funktion der Gruppe als Interpretationsgemeinschaft (die eigentliche Auswertungsarbeit [in] der Gruppe), c) die Supervisionsfunktion (Dezentrierung und Strukturierung der Interpretationen und Gruppenaktivitäten) sowie d) die Gruppe als psychosozialer Raum mit der Funktion der gegenseitigen Unterstützung und Entlastung.

Seit 1999 wird das PW-Konzept sukzessive weiter entwickelt und bildet die Basis der NetzWerkstatt.

Für die angebotene Forschungswerkstatt werden a) – c) vorgestellt und entsprechend eingereichter Materialien entlang der Forschungsstationen erarbeitet.

Literatur

  • Mruck, Katja & Mey, Günter (1998). Selbstreflexivität und Subjektivität im Auswertungsprozeß biographischer Materialien – zum Konzept einer „Projektwerkstatt qualitativen Arbeitens“ zwischen Colloquium, Supervision und Interpretationsgemeinschaft. In Gerd Jüttemann & Hans Thomae (Hrsg.), Biographische Methoden in den Humanwissenschaften (S.284-306). Weinheim: Beltz/Psychologie Verlags Union.
  • Mruck, Katja, Niehoff, Marion & Mey, Günter (2004) Forschungsunterstützung in kooperativen Lernumgebungen: Das Beispiel der „Projektwerkstatt Qualitativen Arbeitens“ als Offline- und Online-Begleitkonzept. In Gerhard Budin & Peter Ohly (Hrsg.), Wissensorganisation in kooperativen Lern- und Arbeitsumgebungen (S.143-150). Würzburg: Ergon-Verlag.
    Siehe auch http://www.methodenbegleitung.de/arbeitsgruppen/grundlagen/werkstattprinzip.php.
  • Mey, Günter, Ottmar, Kariin & Mruck, Katja (2006). NetzWerkstatt – Pilotprojekt zur Internetbasierten Beratung und Begleitung qualitativer Forschungsarbeiten in den Sozialwissenschaften. In Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.), Soziale Ungleichheit – Kulturelle Unterschiede. Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München 2004, Teil 2 (S.4794-4805). Frankfurt/M.: Campus. [CD-Rom Version; abrufbar unter: http://www.methodenbegleitung.de/allgemeines/konzept/Mey_et_al_NetzWerkstatt.pdf]

Cultural Studies

PD. Dr. Udo Göttlich

Universität Duisburg-Essen
Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung

Die Cultural Studies sind ein inter- und transdisziplinäres Feld, das in der Spannung zwischen den Tendenzen operiert, sowohl eine breite anthroplogische als auch eine enge humanistische Konzeption von Kultur zu umfassen. Cultural Studies benutzt evaluative und interpretative Verfahren und argumentiert, dass alle Formen der kulturellen Produktion in Beziehung zu anderen kulturellen Praktiken und zu sozialen und historischen Strukturen untersucht werden müssen. Kultur wird dabei sowohl als „way of life“, der Ideen, Verhalten, Gewohnheiten, Sprachen, Institutionen und Machtstrukturen umfasst, verstanden als auch als ein weites Feld kultureller Praxis, die sich in künstlerischen Formen, Texten, Architektur usw. zeigt. Aus diesem Grund muss das Projekt Cultural Studies notwendigerweise Textanalyse und Ethnographie integrieren.

Cultural Studies untersucht ganz im Sinne von Richard Hoggart nicht, was Personen mit einem Text anfangen, sondern welche Beziehungen der komplexe Text zu der Vorstellungswelt seiner Lesenden hat. Denn sowohl ein Text als auch seine Beziehungen zu der Vorstellungswelt seiner Nutzer kann nur verstanden werden, wenn er in strukturierten kontextuellen Beziehungen verortet wird. (Radikale) Kontextualisierung ist ein wesentliches Merkmal der Cultural Studies. Die sozialen, kulturellen, politischen, ökonomischen und historischen Kontexte sind bedeutsam, in denen Texte und ihre Nutzer interagieren. Im Mittelpunkt der Analysen steht die Verankerung von Texten und kulturellen Praktiken in der sozialen Zirkulation von Bedeutung. Theorie heißt für Cultural Studies immer „begriffliche Verarbeitung des ‚Alltagslebens'“ (McRobbie 1995, S. 112), und das bedeutet auch, die Strukturen dieses Alltagslebens auf ihre historische, kulturelle, politische, ökonomische Dynamik hin zu untersuchen. Nur so ist der Anspruch der radikalen Kontextualität zu realisieren. Das bedeutet auch, dass das Projekt Cultural Studies notwendigerweise offen sein muss für Unerwartetes. Dieses theoretische Bemühen der Cultural Studies rückt sie teilweise in die Nähe der interpretativen Soziologie. Zugleich sind die Cultural Studies von einer methodischen Vielfalt gekennzeichnet.

Für die Durchführung der Forschungswerkstatt ist es unerlässlich, dass sich im Vorfeld drei bis vier Teilnehmende mit ihren Projekten anmelden, die sich als Arbeiten im Rahmen der Cultural Studies verstehen. Dabei sollte möglichst eine methodische Vielfalt berücksichtigt werden. Es können sich Teilnehmende mit Arbeiten anmelden, die sowohl der eher textanalytischen Richtung aber auch der eher ethnographisch orientierten Richtung der Cultural Studies zuzurechnen sind.

Literatur

  • Göttlich, Udo; Mikos, Lothar & Winter, Rainer (Hrsg.) (2001). Die Werkzeugkiste der Cultural Studies. Perspektiven, Anschlüsse und Interventionen. Bielefeld: Transcript Verlag.
  • Hepp, Andreas (1999). Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
  • Hills, Matt (2005). How to Do Things with Cultural Theory. London: Hodder Arnold.
  • Stokes, Jane (2003). How to Do Media & Cultural Studies. London: Sage.
  • White, Mimi & Schwoch, James (Hrsg.) (2006). Questions of Method in Cultural Studies. Malden/Oxford: Blackwell.
  • Winter, Rainer (2001). Die Kunst des Eigensinns. Cultural Studies als Kritik der Macht. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
  • Winter, Rainer (2005). Interpretative Ethnographie. In Lothar Mikos & Claudia Wegener (Hrsg.), Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch (S.553-560). Konstanz: UVK/UTB.

Hermeneutische Wissenssoziologie bei der Analyse von Organisationen

Prof. Dr. Jo Reichertz

Universität Essen
FB 3 – Kommunikationswissenschaft

Jun.Prof. Dr. Sylvia Marlene Wilz

Universität Hagen
Fachbereich Soziologie

Diese Forschungswerkstatt bietet die Möglichkeit, forschungspraktisch mit der wissenssoziologischen Hermeneutik zu arbeiten. Dieses theoretischemethodologische und methodische Konzept hat zum Ziel, die gesellschaftliche Bedeutung jeder Form von Interaktion (sprachlicher wie nichtsprachlicher; face-to-face wie institutionell geformter) und aller Arten von Interaktionsprodukten (Kunst, Religion, Unterhaltung, Geschäftsordnungen etc.) zu (re-) konstruieren.

Untersucht wird, wie Handlungssubjekte – hineingestellt und sozialisiert in historisch und sozial entwickelte und abgesicherte Routinen und Deutungen des jeweiligen Handlungsfeldes – diese einerseits vorfinden und sich aneignen (müssen), andererseits diese immer wieder neu ausdeuten und damit auch „eigen-willig“ erfinden (müssen). Diese selbständigen Neuauslegungen des vorgefundenen Wissens werden (ebenfalls als Wissen) ihrerseits wieder in das gesellschaftliche Handlungsfeld eingespeist und verändern es.

Das Handeln der Akteure gilt in dieser Perspektive erst dann als verstanden, wenn der Interpret in der Lage ist, es aufgrund der erhobenen Daten (Interviews, Beobachtungen, Dokumente etc.) in Bezug zu dem vorgegebenen und für die jeweilige Handlungspraxis relevanten Bezugsrahmen zu setzen und es in dieser Weise für diese Situation als eine (für die Akteure) sinn-machende (wenn auch nicht immer zweck-rationale) „Lösung“ nachzuzeichnen.

Schwerpunkt der Forschungswerkstatt soll die Organisationsanalyse (Arbeits- und Interessenorganisationen wie Unternehmen, Parteien, Verbände, Verwaltungen) sein. Erprobt werden soll, ob und wie sich mit der hermeneutischen Wissenssoziologie nicht nur die Besonderheit des Handelns einzelner Akteure ermitteln lässt, sondern wie dieses Handeln mit je spezifischen Strukturen der Organisation und/oder organisationstypischen Mustern der Wahrnehmung, Deutung und Entscheidung zusammenhängt.

Literatur

  • Hitzler, Ronald; Reichertz, Jo & Schröer, Norbert (Hrsg.) (1999). Hermeneutische Wissenssoziologie. Standpunkte zur Theorie der Interpretation. Konstanz: UVK.
  • Reichertz, Jo (1991). Aufklärungsarbeit. Kriminalpolizisten und Feldforscher bei der Arbeit. Stuttgart: Enke.
  • Reicherz, Jo (2004). Objective Hermeneutics and Hermeneutic Sociology of Knowledge. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), A Companion to Qualitative Research (S.290-295). London: Sage [verfügbar über: http://www.uni-essen.de/kowi/reichertz/downloads/hermeneutikenglisch.pdf]
  • Reichertz, Jo (2004, September). Das Handlungsrepertoire von Gesellschaften erweitern. Hans-Georg Soeffner im Gespräch mit Jo Reichertz [65 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 5(3), Art. 29, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/3-04/04-3-29-d.htm.
  • Soeffner, Hans-Georg (2004). Auslegung des Alltags – Der Alltag der Auslegung. Konstanz: UVK.
  • Wilz, Sylvia Marlene (2002). Organisation und Geschlecht. Opladen: Leske + Budrich.

Biographische Fallrekonstruktion

Prof. Dr. Gabriele Rosenthal

Georg-August-Universität Göttingen
Methodenzentrum

Dr. Bettina Völter

Quatext e.V., Institut für Qualitative Sozialforschung
Lehrbeauftragte der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, der Hochschule für Musik und Theater in Rostock und der Universität Wien

In dieser Forschungswerkstatt möchten wir die Teilnehmenden sowohl in die methodologischen Prinzipien als auch in die methodische Vorgehensweise biographischer Fallrekonstruktionen sowie deren Verwendung im Kontext der Bearbeitung unterschiedlicher Fallebenen (Individuum, Familie sowie andere soziale Gruppen, Gemeinden, Organisationen oder Diskurse) einführen. Dieses Verfahren wurde zunächst im Zusammenhang mit der Analyse biographisch-narrativer Interviews entwickelt (Rosenthal 1987). Es besteht aus mehreren Analyseschritten, die in der Forschungswerkstatt kurz vorgestellt und an Datenmaterial der Teilnehmenden exemplarisch demonstriert werden. Diese Analyseschritte können in modifizierter Form auch für die Analyse von Familiengesprächen, Interaktionsverläufen, Videoaufnahmen und von Protokollen teilnehmender Beobachtung angewandt werden (Rosenthal 2005).

In der Forschungswerkstatt werden wir in erster Linie Materialien der Teilnehmenden (vorzugsweise Transkriptionen von Interviews) sowie Fragen zu Forschungsdesigns erörtern. Die Planung orientiert sich an den Materialien und Fragen zum Forschungsdesign, die bei uns eingehen. Falls Sie an einer Besprechung Ihres Datenmaterials oder Ihres Forschungsvorhabens interessiert sind, möchten wir Sie bitten, uns – nach Aufforderung und Bestätigung Ihrer Teilnahme durch die Organisatoren – die Materialien oder eine Skizze zu Ihrem Vorhaben einzureichen. Wir bitten um Verständnis dafür, dass angesichts des vorgegebenen Zeitrahmens nur wenige Materialien gemeinsam bearbeitet werden können.

Literatur

  • Rosenthal, Gabriele (1987). „Wenn alles in Scherben fällt …“. Von Leben und Sinnwelt der Kriegsgeneration. Opladen: Leske + Budrich.
  • Rosenthal, Gabriele (1995). Erlebte und erzählte Lebensgeschichte. Gestalt und Struktur biografischer Selbstbeschreibungen. Frankfurt/M.: Campus.
  • Rosenthal, Gabriele (2005). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. München und Weinheim: Juventa.
  • Völter, Bettina (2003). Judentum und Kommunismus. Deutsche Familiengeschichten in drei Generationen. Opladen: Leske + Budrich.
  • Schäfer, Thomas & Völter, Bettina (2005). Subjekt-Positionen. Michel Foucault und die Biographieforschung. In Bettina Völter, Bettina Dausien, Helma Lutz & Gabriele Rosenthal (Hrsg.), Biographieforschung im Diskurs (S.161-188). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Völter, Bettina (2006). Die Herstellung von Biografie(n). Lebensgeschichtliche Selbstpräsentationen und ihre produktive Wirkung. In Günter Burkart (Hrsg.), Die Auswirkung der Bekenntniskultur – neue Formen der Selbstthematisierung (S.261-284). Wiesbaden: VS Verlag.

Metaphernanalyse

Prof. Dr. Rudolf Schmitt

Hochschule Zittau-Görlitz
Fachbereich Sozialwesen

Sabine Marsch

Freie Universität Berlin

Die Forschungswerkstatt diskutiert in einem vierstündigen Rahmen Anliegen von TeilnehmerInnen, die mit der Metaphernanalyse bereits arbeiten oder dies planen. Es gelten für die Einreichung keine thematischen oder disziplinären Einschränkungen.

Die systematische Metaphernanalyse versucht, Einschränkungen bisheriger Metaphernanalysen zu vermeiden. Sie stützt sich auf eine elaborierte Theorie der kognitiven Linguistik (George Lakoff und Mark Johnson) und hat dafür eine Systematik von Analyseschritten für qualitative Forschung entwickelt. Zentral sind dabei das Problem der Erkennung von Metaphern, die Bündelung von Einzelmetaphern zu metaphorischen Konzepten und die interpretative Rekonstruktion von Implikationen der metaphorischen Muster. Je nach Stand der eingereichten Arbeit wird sich die Arbeit in der Forschungswerkstatt jeweils auf eine der drei Arbeitsstufen konzentrieren:

  1. Identifikation und Extraktion aller Metaphoriken aus Interviews bzw. anderen Textmaterialien;
  2. Rekonstruktion metaphorischer Konzepte aus einzelnen Metaphern, die auf das gleiche Quellbild zurückgreifen, um das gleiche Zielphänomen zu bebildern;
  3. Rekonstruktion der Implikationen, welche die verwendeten metaphorischen Konzepte für das zu untersuchende Phänomen haben, und Gewinnung von Interpretationen bzw. gegenstandsnahen Theorien.

Literatur

  • Lakoff, George & Johnson, Mark (1998). Leben in Metaphern (übersetzt von Astrid Hildenbrand). Heidelberg: Carl-Auer-Systeme. [Orig. 1980: Metaphors we live by. Chicago: The University of Chicago Press]
  • Schmitt, Rudolf (2000). Skizzen zur Metaphernanalyse [16 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [Online Journal], 1(1), Art. 20, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/1-00/1-00schmitt-d.htm.
  • Schmitt, Rudolf (2002). Ein guter Tropfen, maßvoll genossen, und andere Glücksgefühle. Metaphern des alltäglichen Alkoholgebrauchs und ihre Implikationen für Beratung und Prävention. In Frank Nestmann & Frank Engel (Hrsg.), Die Zukunft der Beratung – Visionen und Projekte in Theorie und Praxis (S.231-252). Tübingen: DGVT [auch: http://www.hs-zigr.de/~schmitt/aufsatz.htm].
  • Schmitt, Rudolf (2003). Methode und Subjektivität in der Systematischen Metaphernanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 4(2), Art. 41, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-03/2-03schmitt-d.htm.
  • Schmitt, Rudolf (2004). Diskussion ist Krieg, Liebe ist eine Reise, und die qualitative Forschung braucht eine Brille. Rezensionsaufsatz: George Lakoff & Mark Johnson (2003). Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern (Dritte Auflage) [54 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 5(2), Art. 19, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2-04review-schmitt-d.htm.
  • Schmitt, Rudolf (2005). Entwicklung, Prägung, Reifung, Prozess und andere Metaphern. Oder: Wie eine systematische Metaphernanalyse in der Entwicklungspsychologie nützen könnte. In Günter Mey (Hrsg.), Handbuch Qualitative Entwicklungspsychologie (S.545-584). Köln: Kölner Studien Verlag.

Gattungsanalyse

Dr. Bernt Schnettler

Technische Universität Berlin
Institut für Soziologie

Die Projektwerkstatt stellt die Grundlagen der Gattungsanalyse vor und bietet Gelegenheit, anhand eigener Datenauszüge der Teilnehmenden das Vorgehen in einer (komprimierten) exemplarischen Datensitzung praktisch zu erproben.

Die Gattungsanalyse knüpft an die Konversationsanalyse und die sozialwissenschaftliche Hermeneutik an. „Gattungen“ sind – mehr oder weniger – verfestigte Formen der Interaktion und Kommunikation, die ein bestimmtes, gesellschaftlich wiederkehrendes Problem lösen. Bezugseinheit der Gattungsanalyse ist die soziale Situation. Sie beschreibt und analysiert Verfestigungen kommunikativer Abläufe, denn sie stellen die Problemlösungen dar, welche von den Beteiligten realisiert werden. Deshalb werden Aufzeichnungen natürlicher Interaktionen präferiert, die allerdings von rein verbalen bis zu audiovisuellen Daten reichen können. Bei der Gattungsanalyse handelt es sich um ein komparatives Verfahren, das seine Ergebnisse auf der Grundlage der Analyse umfänglicher Datenkorpora gewinnt. Es folgt einer iterativen Forschungslogik und gewinnt seine Generalisierungen schrittweise anhand der untersuchten Materialen.

Ansätze der Gattungsforschung sind in einer Reihe von Disziplinen (Linguistik, Volkskunde, Organisationsforschung, Sprachdidaktik, Rhetorik etc.) entwickelt worden und haben insbesondere in jüngerer Zeit einen deutlichen Aufschwung erfahren. Die hier vorgestellte soziologische Gattungsanalyse betrachtet Gattung als performative Grundform sozialer Strukturbildung. Gattungen sind Formen, die im Handeln realisiert werden. Damit stellen sie nicht nur Strukturen dar, die wesentlich erst durch das Handeln hervorgebracht werden. Sie sind ebenso Orientierungsmuster für die Bewältigung wiederkehrender (kommunikativer) Probleme in einer bestimmten Kultur. Gattungen sind, anders gesprochen, die Grundelemente von sozialen Strukturen. Sie sind wesentlich performativ und folglich sequenzanalytisch zu rekonstruieren. Dabei werden heuristisch drei Analyseebenen unterschieden. Dazu zählen die Strukturmerkmale des (a) internen, (b) des interaktiven sowie (c) des externen Kontexts.

In der Werkstatt besteht die Möglichkeit, Datenauszüge von maximal 4 Teilnehmende zu besprechen. Interessierte sind gebeten – nach Aufforderung und Bestätigung der Teilnahme durch die Organisatoren – bis zum 31. Mai ein kurzes Exposé (mit Angaben zum Datenkorpus und zur Forschungsfrage) ihrer Forschung einzusenden.

Literatur

  • Günthner, Susanne & Knoblauch, Hubert (1994), „Forms are the food of faith“. Gattungen als Muster kommunikativen Handelns. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie4, 693-723.
  • Knoblauch, Hubert & Luckmann, Thomas (2000), Gattungsanalyse. In U. Flick, E. v. Kardoff & I. Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung: Ein Handbuch (S.538-545). Hamburg: Rowohlt.
  • Luckmann, Thomas (1986), Grundformen der gesellschaftlichen Vermittlung des Wissens: Kommunikative Gattungen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 27, 191-211.
  • Schnettler, Bernt (2001), Vision und Performanz. Zur soziolinguistischen Gattungsanalyse fokussierter ethnographischer Daten. sozialer sinn. Zeitschrift für hermeneutische Sozialforschung1, 143-163.

Objektiv-hermeneutische Textinterpretation

PD Dr. Andreas Wernet

Universität Potsdam
Institut für Erziehungswissenschaft

Diese Forschungswerkstatt bietet die Möglichkeit, forschungspraktisch mit der Methode der Objektiven Hermeneutik zu arbeiten. Die Objektive Hermeneutik geht davon aus, dass der Text (im Sinne eines fixierten Protokolls einer Handlung) die einzige methodische Basis der Geltungsüberprüfung von Interpretationen darstellt. Diesem methodologischen Standpunkt korrespondiert eine detaillierte und minutiöse Textanalyse als Kern der Forschungspraxis. Mit diesem Forschungsstil sollen die Teilnehmer vertraut gemacht werden.

Grundlage der gemeinsamen Interpretationen sind Protokolle, die von den Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden. An diesem Material sollen die grundlegenden Operationen und Prinzipien des Verfahrens (Wörtlichkeit; Kontextunabhängigkeit; Sequenzanalyse, latente Sinnstruktur) exemplifiziert und die dabei auftretenden methodischen Probleme diskutiert werden.

Um die Interpretationen in dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen mit hinreichender Sorgfalt vornehmen zu können, müssen wir uns auf kurze Textprotokolle nur eines/einer „aktiven Teilnehmers/Teinehmerin“ beschränken. Die Protokolle sollten sozialisations-, erziehungs- und bildungswissenschaftlichen und/oder professionalisierungstheoretischen Kontexten entstammen.

Literatur