Closing Lecture 2016

Grenzziehungen, Grenzverläufe, Grenzgängertum.
Zum kulturanalytischen Potenzial der Ethnografie unter Pluralisierungsbedingungen

Prof. Dr. Michaela Pfadenhauer

Universität Wien, Institut für Soziologie

Kulturen sind individuell Umgrenzungen von Wirklichkeit, kollektiv Grenzziehungen, die Erkennungshilfen und zugleich Anweisungen abgeben für den richtigen Umgang mit allem, was die Welt „bevölkert“. Getragen werden sie von Formen kollektiven Handelns und in der Aneignung werden sie zu Wissen. In der Abendvorlesung wird das Potenzial der Ethnografie für die Analyse des Kulturellen unter Pluralisierungsbedingungen ausgelotet.

Dafür sind die Grenzziehungen innerhalb der Ethnografie zu berücksichtigen, die hier anders als in den Sozialwissenschaften generell verlaufen: nicht zwischen standardisierter und nicht-standardisierter Sozialforschung, sondern zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit; nicht zwischen Naturalismus und Konstruktivismus, sondern zwischen Naturalismus und Positivismus; nicht zwischen Beobachtung und Interview, sondern zwischen Beobachtungs- und Erlebensdaten, nicht zwischen Kultur und Gesellschaft, sondern zwischen Kultur als Einstellung und Kultur als Containerbegriff. Im Hinblick auf fortschreitende Pluralisierung erweist sich das Fremdheitsparadigma der Ethnografie als bedeutsam, das ebenso wie die Relation von Forschenden und Feld sowie das ethnografische Schreiben (im Präsens) kontrovers diskutiert wird.